Es ist noch immer so: ich verdiene mit dieser Geschichte kein Geld und die Rechte sind auch noch bei denen die sie besitzen.

Es hat wieder einmal länger gedauert, aber ich hatte weder Zeit, noch Muse zum Schreiben. Verzeiht mir bitte. Ich danke euch ganz lieb für eure Reviews und für die lieben Mails, sie sind eben das Brot eines kleinen Schreiberlings und sie waren es auch, die mich dann doch wieder an die Tastatur trieben.

Doch heute lade ich euch wieder herzlich ein. Kommt und setzt euch zu mir an den Kamin und wenn ihr Lust habt, dann blättern wir ein wenig im Tagebuch.

Das Geschenk

Uns Elben wird nachgesagt, dass wir der Inbegriff von Ruhe und Weisheit wären. Aber derjenige, der dieses glaubt weilte noch nie im Reich des Waldelbenkönigs wenn dessen Empfängnistag sich zum tausendsten Male jährte.

Die Hallen Thranduils glichen in diesen Tagen und Wochen einem Bienenkorb. Überall war man damit beschäftigt alles für das Fest zu richten. Nicht ein Winkel im Palast an dem man auch nur für einen kurzen Moment ungestört war und ein wenig rasten konnte. Selbst die Gärten waren befallen von Elben, die wie die Ameisen Tische und Stühle schleppten, kleine Pavillons richteten und in den Baumkronen und Büschen ringsum kleine Laternen befestigten.

Viele Gäste waren geladen, Vertreter der Völker der Menschen, Elben und auch Zwerge wurden erwartet und dieses Mal auch die Herrin des Lichts, Galadriel und der Herr von Lothlórien, Celeborn. Das war wohl auch der Grund warum die Aufregung noch größer war als je zuvor.

Nicht ein Gespräch seit Tagen welches nicht die Feierlichkeiten zum Thema hätte, keine Mahlzeit die nicht zur Verkostung von Speisen und Getränken genutzt wurde und selbst unsere privaten Räume glichen eher einem Schlachtfeld, als dem heimeligen Ort unserer Zweisamkeit. Seufzend blickte ich mich um und räumte die Stoffmuster, die soeben vom Schneider gebracht wurden mit der Bitte, sich bis zum Abend zu entscheiden, von einem der Sessel beiseite.

Ganz und gar ohne jede Grazie ließ ich mich hineinfallen und angelte mit den Füßen nach der kleinen gepolsterten Bank, schubste mit einem wohl dosierten Tritt die darauf abgelegten Dinge hinunter und legte meine Füße darauf. Nur einen Augenblick, nur einen kurzen Moment wollte ich nichts hören und sehen außer dem leisen Gesang der Vögel lauschen, die der warme Sommerwind durch das Fenster trug und dem Lichtspiel zuschauen welches der hereinbrechende Sonnenstrahl zauberte.

Meine Gedanken drifteten ab und ich glitt in das Land der Träume, ich lief über eine sonnige Blumenwiese und ließ mich in ihrer Pracht nieder, blinzelte dem Himmel entgegen. Ein Schmetterling tanzte auf meiner Nase und wie ich in meinem Traum meine Hand nach ihm ausstrecken wollte – riss jemand die Tür auf um sie sogleich mit einem lauten Knall ins Schloss fallen zu lassen und so war ich wieder auf recht rüde Art und Weise im Hier und Jetzt erwacht.

„Nana, NANA, Naaanaaa!", vernahm ich die allzu bekannte und geliebte Stimme und im gleichen Augenblick sprang das schreiende Knäuel von einem Elbling schon auf meinen Schoß. Mit angewinkelten Beinen und die Knie fast in meinem Magen versenkt, versuchte er so Halt auf meinem Schoß zu finden. Dabei umschlossen seine kleinen Hände, die zuvor in irgendeiner klebrigen Masse gesteckt haben mussten, mein Gesicht. Zwei große blaue Augen leuchteten dicht vor mir und munter sprudelten die Worte aus dem kleinen Mund, der wohl auch in den Genuss der klebrigen Masse gekommen war.

„NanaichwillauchdieLichtermitaufhängenaberCeiloshatgesagtichsollnochzweiButterbroteessengehendamitichnochwachsejetzthabe
ichschondreigegessenundichdarfimmernochnichtmitmachenundAssetgibtmirauchkeinBrotmehrsiesagtmirwirdsonstschlecht."

Der kleine Wildfang vor mir sackte in sich zusammen, die Unterlippe schob sich zum Flunsch nach vorn und begann verdächtig zu zittern, sogleich rannen auch schon zwei kleine silberne Tränchen über die bekleisterten Wangen.

„Ich will … doch … auch … mitmachen!", schluchzte mein kleiner Elb im Herz erweichenden Tonfall. „Und nicht immer nur die Lämpchen auf die Tische stellen, ich will auch in die Bäume klettern, so wie die Großen.", ereiferte er sich und seine Augen schwammen immer mehr in einem Meer aus Tränen.

Sanft zog ich den blonden Schopf dicht an mich, streichelte ihm beruhigend über den Rücken, strich sein Haar aus dem Gesicht und wiegte ihn sacht in meinen Armen.

In all dem Trubel musste er sich wahrlich ein wenig verloren vorkommen und sein quirliges Temperament erschwerte den Umstand noch zusätzlich.

Nach einigen Augenblicken hatte Legolas sich wieder beruhigt und es schien fast als wollte er an meine Brust geschmiegt einschlummern, doch mit einem Ruck sprang er auf und mit vor Schreck geweiteten Augen stieß er hervor:

„Ich habe doch noch gar kein Geschenk!", und kaum hatte er diese Worte gesprochen so war er schon an der Tür, angelte nach der Klinke, schlüpfte durch den Türspalt und war verschwunden. Lächelnd und kopfschüttelnd sah ich noch hinterher und wischte mir die Spuren seiner Hände aus dem Gesicht.


Indessen sprang Legolas die Gänge entlang, rannte schnurstracks durch die obere Halle und lief hinaus zu den Handwerkern und Händlern von Eryn Galan. Interessiert schlenderte der kleine Elb mit lang gestrecktem Hals zwischen den einzelnen Ständen und Werkstätten vorbei, schaute hier und da neugierig den Elben bei ihrer Arbeit zu. Schwatzte munter mit den Meistern und ihren Gesellen, bei denen der kleine Prinz gern gesehen war. An der offenen Werkstatt von Meister Guriol erlangte eine hell lodernde Flamme sein Interesse. Gefesselt vom Anblick des glühenden Metalls welches der Meister mit geschickten Händen in der Flamme formte blieb Legolas mit halbgeöffnetem Mund stehen. Fasziniert beobachtete er den Handwerker bei der Arbeit und sah zu wie dem Reif aus Mithril filigrane Blätter aus Gold hinzugefügt wurden. Stück für Stück schmiegten sich die Blätter daran wie die echten an ihren Zweig in einem der riesigen Eichenbäume.

Seine Sinne einzig und allein konzentriert auf das Kunstwerk was hier entstand, hörte der kleine Elb die Frage nicht und so sprach Guriol noch etwas lauter:

„Gefällt er dir? … Legolas, hörst du mich?"

Ein wenig erschrocken fuhr Legolas zusammen und hob seinen Kopf und nickte heftig.

„Ja, ja, sehr sogar. Ada hat auch so einen, … aber, aber der ist … entzwei.", stammelte Legolas und auf seine Wangen legte sich ein zartes Rot.

Schuldbewusst zog Legolas seine Schultern ein und fügte leise hinzu:

„Ich war es – ich habe ihn zerbrochen."

Sein Kinn rutschte ihm noch tiefer auf die Brust und beschämt sah er auf den Boden bis ihm plötzlich ein Gedanke kam: Er schenkt Ada eine neue Krone – da wird er sich ganz bestimmt freuen!

Augenblicklich war jegliche Scham und Traurigkeit aus den kindlichen Zügen gewichen und der kleine Elb sprühte vor Tatendrang.

Ohne ein Wort des Abschieds vollführte der blonde Elbling eine blitzschnelle Drehung und rannte zurück zum Palast. Eilig fegte er durch die Flure, schlitterte quer durch die große Halle, vorbei an den viel beschäftigten Elben und riss die Tür zu seinem Zimmer auf. Er zerrte den kleinen Schemel vor das große Wandregal, stieg darauf und angelte sich aus der obersten Ablage die kleine, filigrane Holzschatulle, klemmte diese unter seinen Arm und kletterte wieder herunter.

Mit wehenden Haaren und leicht geröteten Wangen sauste Legolas achtlos vorbei an Asset, die gerade ein große Schüssel mit frischgebackenen Keksen in die Halle trug und deren Duft sich lieblich durch die Flure zog.

„Was ist denn heute los? Magst du meine Kekse nicht mehr?", rief die Küchenmeisterin dem Prinzen noch nach, aber der hörte sie schon längst nicht mehr. Dafür griff von hinten eine wesentlich größere Hand in die Schüssel.

„Nicht doch – ich liebe Eure Schokokekse, liebste Asset.", schmunzelte der Hauptmann Lothion und fischte gerade nach dem nächsten Keks, was ihm sofort einen Schlag auf den Handrücken einbrachte. „Pfoten raus aus meiner Schüssel! Ihr wartet wie die anderen bis es soweit ist!", protestierte die ältere Elbe, aber ihre Augen lächelten dabei den smarten Hauptmann an.

Leicht außer Atem stand Legolas wenig später vor Meister Guriol und hielt diesem die Schatulle entgegen.

„Ich kaufe diesen Reif!", verkündete er entschlossen und streckte die kleine Holzschachtel noch ein Stück weiter vor.

Der Kunstschmied sah ihn für einen Moment erstaunt an und überlegte dann sichtlich bemüht, legte sein Werkzeug ab, umrundete seine Werkbank und kniete sich neben Legolas.

„Ich fühle mich sehr geehrt, dass dir meine Arbeit so gefällt. Doch kann ich dir diesen Reif nicht verkaufen, er hat schon einen Besitzer.", dabei strich er Legolas behutsam über den Kopf.

Dem stand seine Enttäuschung nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Er ließ den Kopf sinken und die Schatulle auch, doch wollte er so schnell noch nicht aufgeben und fragte zaghaft den Meister:

„Hast du denn keinen anderen? Einen der auch so schön ist?"

Verneinend schüttelte der ältere Elb den Kopf und blickte dem kleinen dabei mitfühlend in die traurigen großen Augen, über denen sich nun eine kleine steile Falte kräuselte.


Ich griff nach den Stoffmustern wählte ohne viel Federlesens zwei davon aus und mit einem Seufzen begab ich mich zum Schneider mit dem Hintergedanken, auf dem Weg dahin meinen kleinen Elb einzufangen.

Wie ich über den großen Marktplatz schritt, entdeckte ich vor Meister Guriols Stand Legolas. Er hockte mit angezogenen Knien auf einer Bank und ließ klappernd den Deckel einer Schatulle im stetigen Rhythmus auf und zu fallen.

Langsam setzte ich mich auf die Bank und legte meine Hand sacht über seine und den Deckel der Schatulle. Mein Sohn sah zu mir auf aber sagte kein Wort. Nun klapperte er nicht mehr mit dem Deckel, jetzt drehte er angespannt eine seiner langen Haarsträhnen um seinen Finger. Ruhig besah ich sein Treiben und schwieg ebenso wie er. Nach einer Weile ließ er die Haarsträhne vom Finger schnippen und begann mit seiner Schuhspitze Kreise in den sandigen Boden des Platzes zu malen. Noch immer schwiegen wir. Unerwartet kippte dann der kleine Körper zur Seite und der blonde Schopf bettete sich in meinem Schoß. Mit einer schnellen Handbewegung brachte ich die Stoffe für den Schneider in Sicherheit, ansonsten hätten sie wohl sehr eigene und vor allem sehr anhaftende Verzierungen bekommen, die nun stattdessen meinen Rock schmückten.

„Was ist das, was du da hast?", murmelte es aus meinem Schoß.

„Das wird die neue Robe für deinen Ada.", antwortete ich und kämmte mit den Fingern sein Haar aus dem Gesicht und flocht es lose zu einem Zopf bevor es ihm an seinen verschmierten Wangen anklebte.

„Das Grün ist schön, so wie unsere Bäume. Ich mag aber lieber Blau, wie der Himmel, oder das Meer von dem du mir immer erzählst.", stellte Legolas fest und betrachtete sich neugierig die edlen Gewebe.

„Ich muss zum Schneider, magst du mitkommen? Der hat noch vielmehr Stoffe in allen Farben, auch so bunt wie ein Regenbogen."

Die Neugierde war geweckt und so gingen wir zusammen zu Meister Ifarth. Überaus freundlich und mit höfischen Verbeugungen wurden wir in dessen Werkstatt begrüßt und wohl auch schon sehr erwartet. Sofort nahm man mir die Stoffe aus der Hand und räumte sogleich große Ballen davon auf die langen Schneidertische. Beeindruckt schaute Legolas zu den riesigen, deckenhohen Wandregalen in denen sich unzählig viele Meter von Stoff befanden. Ich konnte ihn gerade noch zurückhalten als er seine Hand schon ausstreckte um über einen der kostbaren seidigen Stoffe zu streichen.

Meister Ifarth trieb es die ersten Schweißperlen auf die Stirn und mir ein kleines Grinsen um die Mundwinkel, beim Anblick von Legolas' Mund und Händen, wie er so inmitten der teuren Stoffe stand. Mit einer knappen Handbewegung schickte er einen seiner Lehrlinge nach Wasser und Lappen.

Nun, da der kleine Prinz gesäubert war, wurde er sofort umgarnt vom Meister und seinen Gesellen. Man hüllte ihn in seine Lieblingsfarbe und befand, dass ihm diese vortrefflich stände. Legolas war aber nicht davon zu überzeugen, dass er auch eine Robe erhalten sollte, auch wenn sie Blau wie der Himmel sein würde. Er gab eindeutig zu verstehen, dass er Hosen bevorzugte und seine alten Lieblingshosen doch die besten seien.

Als ihm noch mehr Stoffe umgehangen wurden und ihm das gar nicht mehr gefiel, blickte er mich Hilfe suchend an und ich erbarmte mich lächelnd seiner, schälte ihn aus den Lagen von Stoff. Und ich flüsterte dem Meister noch versöhnlich ins Ohr eine Hose aus dunklem, weichem Wildleder zu fertigen und eine Tunika, anstatt einer langen Robe in Himmelblau.

Sichtlich erleichtert verließ ein kleiner Elb an meiner Hand die Schneiderwerkstatt. So viele Hände an seinem Körper und um ihn herum waren ihm dann doch etwas unheimlich und die Vorstellung, eine bodenlange Robe tragen zu müssen, war so schlimm wie Spinatsuppe zum Mittag.

Gemächlich liefen wir über den großen Marktplatz zurück und dort wurde sich Legolas wieder bewusst, dass er immer noch kein Geschenk für seinen Ada hatte. Niedergedrückt erzählte er davon, dass der schöne Reif den der Goldschmied machte schon einem anderen gehörte und er nun seinem Ada keine neue Krone schenken könne, dabei bräuchte er doch dringend eine, weil seine doch kaputt wäre.

„Und ich war Schuld, wäre ich nicht auf Adas Schreibtisch geklettert und hätte das dicke Buch aus dem Regal geholt dann wäre ich auch nicht heruntergefallen und Adas Krone wäre noch ganz."

„Und hätte dein Ada die Krone an ihren rechtmäßigen Platz geräumt und nicht auf seinem Schreibtisch liegen gelassen dann wäre sie auch nicht zerbrochen.", erwiderte ich, blieb ruckartig stehen und umfasste mit meinen Händen das Gesicht Legolas und schaute ihm fest in die Augen. „Legolas, diese Krone kann man ersetzen, auch wenn dein Ada sehr traurig war, so war er aber auch unendlich glücklich, dass dir nichts geschah, denn du bist das Liebste und Teuerste für ihn! Und jetzt gehen wir zur großen Wiese!"

Sollten die Verpflichtungen und Vorbereitungen für das Fest warten, hier war jemand der mir wichtiger war als jedes Fest, als jede Huldigung fremder Gäste. So fassten wir uns an den Händen und eilten hinaus zu den großen Toren, über die große Rasenterrasse und die in Stein gehauenen Treppen hinab, dann über die Brücke des Waldflusses und mitten hinein in unseren geliebten Wald. Immer schneller liefen wir und hoben die Arme in die Luft als wollten wir den Vögeln in die Lüfte folgen, bis wir uns lachend und erschöpft auf der großen Waldwiese ins duftende Meer aus Wiesenblumen fallen ließen. Die Arme weit ausgebreitet und mit frech kitzelnden Sonnenstrahlen auf der Nase starrten wir in den Himmel, sahen zu wie die dicken weißen Sommerwolken sich aufblähten.

Befreit atmete ich tief durch, frei von allen Zwängen genoss ich diesen kindlichen Spaß, da kam Legolas auf allen vieren zu mir gekrochen und drängte mich zum Aufstehen. Enthusiastisch zog er mich hinüber zu dem kleinen Abhang und mit einem kecken Seitenblick, der nur vererbt sein konnte, fragte er herausfordernd:

„Wettkullern?"

Ohne zu überlegen kugelte ich mich zusammen und warf mich längsseits der Böschung hinab. Quietschend, schreiend und kichernd kullerte ich ebenso wie das kleine Bündel Elb neben mir durch das Gras und als wir unten ankamen umfingen wir uns ausgelassen und trudelten zusammen aus.

„Ich habe gewonnen!", stellte Legolas triumphierend fest.

„Dann will ich dir schnell einen Siegerkranz binden.", entgegnete ich anerkennend begann Blumen für das Gebinde zu pflücken. Wenig später saßen Legolas und ich im Gras und wanden Blumenkränze in den schönsten Farben des Sommers.

„Erzählst du mir eine Geschichte, Nana? Eine von früher?"

Ich überlegte kurz und wenig später fiel mir eine passende ein und ich erzählte Legolas aus der Zeit als die Sindar und Noldor neue Reiche gründeten und das Dunkle noch tief verschanzt in Angband harrte.

„Einst lebte unser Volk noch unter den hohen Dächern der mächtigen Buchen und Eichen des Großen Grünwaldes und noch kein dunkler Schatten hatte sich des Waldes bemächtigt. Unbeschwert lebten Tiere und Elben im Schutz der Bäume. Sie waren unser Heim und wir brauchten keine mächtigen Hallen aus Stein und keine Tore, die mit Zauber Feinde fernhalten. In dieser Zeit zierte das Haupt des Königs eine Blätterkrone aus den Zweigen der schönsten Bäume des Grünwaldes. Und stolz trug dein Adar seine Krone und schön war er damit anzusehen und nannte sich fortan König unter Buche und Eiche."

Meine letzten Worte waren noch nicht richtig verklungen da erhob sich mein kleiner Elb und lief davon.

„Ich bin gleich wieder zurück!", rief er schallend herüber von einem der großen Bäume am Rand der Lichtung.

Mit einem großen Strauß von schlanken Zweigen und Blättern in der Hand plumpste er neben mir ins Gras und voller Elan plapperte er los:

„Hilfst du mir? Ich will Ada eine solche Krone machen wie er sie früher hatte und die schenke ich ihm dann morgen."

Lächelnd, nickend nahm ich die Zweige zur Hand und wählte die längsten und stabilsten für das Grundgerüst des Ringes aus. Ein paar leuchtende Kinderaugen verfolgten jeden meiner Handgriffe und eifrig gingen mir kleine, flinke Finger zu Hilfe. Als der Kranz aus kräftigen Zweigen geflochten war übergab ich ihn an Legolas damit er nun die kleineren, belaubten Zweige um die dickeren wand. Sehr emsig war er in seine Arbeit vertieft und sorgsam wickelte er das Buchen- und Eichenlaub im gleichmäßigen Wechsel zu einer sehr dichten wunderschönen Laubkrone zusammen.

Schmunzelnd beobachtete ich, wie die kleine Zungenspitze des Elblings jede Bewegung seiner Hände scheinbar dirigierte. Immer, wenn ein Zweig neu eingeflochten wurde, spitzte sich das kleine rosa Organ und kam ein Stück weiter zwischen den Lippen hervor, bog sich angestrengt nach oben und legte sich in Richtung Nasenspitze gegen die Oberlippe. Dann entspannte sie sich kurz und vollzog das Gleiche in entgegen gesetzter Richtung, begann das Wickeln des Zweiges; vollführte sie gar einen Tanz von einer Mundecke zur anderen.

Ich sah belustigt dem Schauspiel zu und griff hier und da helfend ein wenn ein ganz besonders störriger kleiner Ast partout nicht an vorgesehener Stelle halten wollte und auch das feste Aufeinanderpressen von Legolas' Lippen nicht weiter half.

Mit zerschundenen Händen und rot gebissenen Lippen präsentierte Legolas stolz und strahlend sein Werk. Hob es ehrfürchtig nach oben und besah es sich von allen Seiten.

„Ob sie Ada gefallen wird?"

„Ohne Zweifel, Legolas. Sie ist beeindruckend und umso schöner weil du sie selbst gefertigt hast."


Legolas drehte sich noch einmal in seinem Bett und sah auf das kleine Schränkchen links neben sich. Die Müdigkeit hatte ihm schon die Wangen leicht rot gefärbt, doch noch einmal musste er sich überzeugen, dass sein Geschenk auch sicher aufbewahrt war. Mit diesem letzten Gedanken glitt er in seine Traumwelt hinab.

Am nächsten Morgen schien sich das nun schon seit Tagen andauernde unstete Treiben noch zu steigern. Niemand in Thranduils Hallen, der nicht beflissen durch die Gänge eilte und eifrig sein Werk vollbrachte. Wie in einem Bienenstock war alles in Bewegung und jeder schien auf einem ihm vorgezeichneten Weg seine Aufgabe zu bewältigen.

Thranduil war noch vor der Morgendämmerung aus den warmen Kissen geschlüpft und genoss auf dem Balkon seines Arbeitszimmers die wenigen Augenblicke der Ruhe bevor sein erster Berater ihn treffen würde um mit ihm den heutigen Ablauf der Feierlichkeiten noch einmal abzustimmen. Eine kleine Amsel setzte sich auf die Brüstung des Balkons und pfiff ihr erstes Lied in den nahenden Morgen und der Waldelbenkönig lauschte entrückt dieser Welt ihrem Lied.

Jäh unterbrach diese Zweisamkeit ein Klopfen an der schweren Holztür des Arbeitszimmers und auf ein, „Herein!", betrat Parfron, Thranduils Berater, den Raum.

Eine stille Umarmung und ein wortloser Blick in die Augen, wie ihn nur sehr vertraute und von unendlichen gemeinsamen Lebenserfahrungen Gezeichnete auszutauschen vermögen drückten den Glückwunsch Parfrons aus. Thranduil griff schweigend hinüber zu dem kleinen Tablett, füllte zwei kleine Gläser mit einem dunklen Gebräu und reichte eines davon seinem Berater und Freund.

„Ich mag sie nicht, diese Zwerge, aber ihr Branntwein ist der beste! Zum Wohl!", prostete der König lachend Parfron zu und amüsierte sich wie immer über die gerümpfte Nase dessen, als dieser sein Glas unter die Nase hielt. Nach einem weiteren Glas des zwergischen Gebräus ergab sich Thranduil dem Protokoll.

Bevor beide das Arbeitszimmer des Königs verlassen wollten räusperte sich der erste Berater.

„Mein König, Eure Krone."

Mit einer Verbeugung übergab Parfron das Geschmeide und lächelnd nahm Thranduil den nun wieder im alten Glanz strahlenden Mithrilschmuck entgegen und setzte sich diese aufs Haupt.

„Nun, da ich jetzt voll gerüstet bin: Auf in die Schlacht!", kommentierte der König den Akt seiner „Neukrönung" und verzog seine Lippen zu einem Schmunzeln.

Und wie auf dem Weg zum Schlachtfeld fühlte sich auch der an Jahren alte Elb. Nur mit einem Unterschied: Auf dem Schlachtfeld fühlte er sich ungleich sicherer als auf dem Parkett. Er würde wohl auch noch nach weiteren Jahrhunderten nie an Empfängen und Banketten irgendetwas Angenehmes finden können. Das steife Umherstolziere und die sinnlosen Wortplänkeleien waren ihm genauso zu wider wie ein Nest voller Spinnen.

Hätte man ihn entscheiden lassen wie er gern seinen Ehrentag verbracht hätte, so säße er jetzt zusammen mit seinem Sohn auf dem Rücken seines Pferdes, begleitet von einer Schar Elben die ihm am liebsten ist und würde den Tag auf einer der großen Lichtungen im Wald mit guten Wein und einem zünftigen Braten am Spieß sowie passenden Liedern auf den Lippen verbringen. Aber das Protokoll fragt nie nach den Wünschen eines Einzelnen und so war er jetzt auf dem Weg in die große Halle und würde feierlich die ersten Gäste und Gratulanten gebührend empfangen.


Legolas gähnte herzhaft und blinzelte dem hellen Morgen entgegen, der seine ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster schickte. Legolas setzte sich auf in seinem Bett und rieb sich den letzten Schlaf aus dem Gesicht. In Windeseile war er aus dem Bett, griff nach seinem Geschenk und barfuß sauste er in das elterliche angrenzende Gemach.

„ADA! ADA!"

Doch der, den er suchte, war nicht mehr da und so wich das strahlende und erwartungsfrohe kindliche Lachen von seinem Gesicht und sichtlich enttäuscht fragte er:

„Wo ist Ada?"

Nach einer fragend gehobenen Augenbraue von mir wiederholte Legolas seine Frage und besann sich auch auf die Grundregeln des Anstandes.

„Guten Morgen Nana. Wo ist Ada?"

Mit einem Lächeln und einem Kuss begrüßte ich das zerzauste Bündel Elb, der barfuss mit knielangem Hemd und der Blätterkrone in der Hand vor mir stand und mit unübersehbarer Ungeduld eine Antwort erwartete.

„Auf dem Weg in die große Halle, wo man auch uns in wenigen Augenblicken erwartet."

Meine Worte waren noch nicht vollends ausgesprochen da rannte Legolas los. Angelte nach der hohen Klinke der Tür, huschte durch den Türspalt und nur noch die platschenden Geräusche seiner kleinen Füße auf den polierten Steinplatten des Ganges waren zu hören. Im nu war ich aufgesprungen und eilte ihm nach. Er konnte nur die Halle zum Ziel haben und die war gefüllt mit den verschiedensten Vertretern der Reiche von Mittelerde.

„Legolas! Warte!", rief ich noch hinterher, aber ich wusste es eigentlich besser: Er würde mich nicht hören, auch wenn ich ein Horn hätte.

So lief ich durch den Palast und versuchte zu verhindern was eigentlich nicht mehr möglich war, denn in diesem Augenblick sah ich schon am Ende des langen Ganges, wie Legolas die Flügel der Tür zur großen Halle aufstieß und darin verschwand.

„ADA!", hallte es laut in der Halle wider. Ungestüm rannte Legolas, immer noch barfuss und nur mit einem Nachthemd bekleidet, auf den König zu, stürzte sich auf diesen und riss die uneingeschränkte Aufmerksamkeit an sich. Atemlos und Schulter zuckend blieb ich im Türrahmen stehen und beobachtete, wie alle anderen, fasziniert und sprachlos nur noch das Folgende.

Die Anwesenden völlig ignorierend drängelte sich Legolas in die Arme seines Adas, plapperte ungeniert auf diesen ein und schmatzte ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. Thranduil hatte ebenso wie sein Sohn jeden Gedanken an höfische Etikette und Protokoll vergessen und hielt sein Kind auf dem Arm. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Legolas, der laut das Geburtstagslied trällerte welches er schon seit Tagen geübt hatte. Dann, ohne einen Moment zu zögern, nahm Thranduil die Krone aus Mithril vom Kopf, drückte sie einem der Umstehenden in die Hand und ließ sich von seinem Sohn die Blätterkrone aufstülpen.

Der Hofstaat hinter Thranduil hielt die Luft an, auch wenn auf ihren emotionslosen Gesichtern nichts dergleichen abzulesen war. Parfron schloss für einen Bruchteil des Momentes die Augen und hoffte inständig, dass keiner der anwesenden hochgestellten Vertreter der Königs- und Fürstenhäuser dieses als Missachtung ihrer Person und Völker empfand. In Gedanken sah er sich wohl schon zusammen mit seinem König Abbitte leisten. Seine jahrhundertlangen diplomatischen Erfolge sah der oberste Berater einstürzen wie ein Kartenhaus.

Doch keiner in der Halle reagierte so wie befürchtet, das jüngste Mitglied des Königshauses hatte mit seiner unbedachten, kindlichen Handlung in Sekunden mehr für die Völkerverständigung erreicht, als das ganze diplomatische Chor mit Thranduil im letzen Zeitalter.

Lachend applaudierte die versammelte Menge dem kleinen Sänger und ich hörte wie neben mir Stehende sprachen: Wenn auch der Wald vom Dunklen befallen ist, in Thranduils Halle ist das Licht …" Die weitere Begrüßung der Gäste fand ungleich formloser aber nicht minder herzlich statt. Thranduil hielt seinen Sohn dabei auf dem Arm und just als sich der König lächelnd der Herrin Galadriel und dem Herrn Celeborn aus Lothlórien zuwandte ließ sich ganz langsam an einem hauchzarten Faden eine kleine Schmetterlingsraupe von einem der Blätter quer über das Gesichtsfeld Thranduils hinab. Legolas streckte seine kleinen Hände nach dem grünen Tierchen aus und fing es ein. Behutsam beherbergte er es zwischen seinen Fingern und nun hatte er nur noch einen Wunsch, er wollte die kleine Raupe so schnell wie möglich nach draußen bringen und sein Ada sollte mit.

„Legolas, wir können jetzt nicht …", begann Thranduil seinem Sohn zu erklären, aber dieser fiel ihm sogleich ins Wort, schaute das Gewand seines Vaters von oben bis unten an und sagte verstehend: „Stimmt, damit kommst du keinen Baum hoch. Ich habe Nana gleich gesagt, dass der Schneider dir lieber Hosen machen soll und nicht so ein Mädchenkleid."