Part III: Realizations

Etwa drei Stunden, nachdem sie Kai im Krankenzimmer des Beystadiums verlassen hatten, da der Arzt dort ihm vorerst Ruhe verordnet hatte, kehrten die Mitglieder der Bladebreakers, White Tigers, All Starz und Majestics dorthin zurück, um den Jungen mit dem blaugrauen Haar abzuholen. Sie hatten vor, ihn ins Hotel zurückzubringen, wo die Bladebreakers von der BBA für den Verlauf der Champion Ships ein Zimmer gemietet bekommen hatten.
Tala, Ray, Kenny und Max hofften, daß es ihrem Teamchef inzwischen wieder besser ging, denn obwohl er den Weg bis zum Krankenzimmer allein und ohne Hilfe geschafft hatte, war ihnen doch jedes schmerzliche Aufflackern in seinen Augen bei seinen nur von Stolz aufrechtgehaltenen Schritten nicht entgangen.

Sie wünschten sich, daß er ihre Hilfe annehmen würde, doch leider ließ Kai dies nun einmal nicht zu. Der Teamcaptain der Bladebreakers vertraute niemandem genug, um eine Schwäche zuzulassen, die eventuell ausgenutzt werden konnte – dies hatten die vier Jungen schon vor langer Zeit einsehen müssen.
Er wollte keine Freundschaften schließen.

Doch heute hatten sie mit Erstaunen erkennen müssen, daß Kai einen Freund besaß – und zwar einen äußerst ungewöhnlichen dazu. Einen Freund, der keine Sekunde gezögert hatte, zu erscheinen, um Kai aus einer aussichtslos scheinenden Situation herauszuhelfen.
Jeder der Bladebreakers sowie auch die Mitglieder der drei anderen Teams hatten gesehen, daß der mächtige Drache, welcher Dranzer so wirkungsvoll unterstützt hatte, von dem plötzlich auftauchenden Engel gesandt worden war.

Ein Engel.

Kais hatte einen Freund, der ein wahrhaftiger Engel war.

Diese Erkenntnis gab den Freunden viel Stoff zum Nachdenken, nicht nur über ihren Teamchef – sondern auch über ihren Blick auf die Welt, in der sie lebten. Jeder von ihnen hatten sich schon manchmal himmlische Unterstützung bei einem Problem gewünscht, welches sie allein zu meistern nicht imstande waren.

Doch hatten sie nie wirklich daran geglaubt, daß es Engel wirklich gab.
Engel mit weiten weißen Schwingen, die hell und wärmend leuchteten – und damit Hoffnung verbreiteten, nur dadurch, daß man sie ansah.

In den drei Stunden, welche sie darauf gewartet hatten, daß sie Kai mitnehmen durften, hatte jeder der Jungen und Mädchen sich seine eigenen Gedanken über die Geschehnisse während Kais Match gegen Ian gemacht. Und sie waren zu dem Schluß gekommen, daß, was auch immer Kai heute angetrieben hatte, weit mehr gewesen war als der ihn sonst beherrschende eiserne Wille, seine Beyblade-Kämpfe siegreich zu beenden.
Nein, heute hatte mehr für den schweigsamen Teamcaptain der Bladebreakers auf dem Spiel gestanden als der Sieg in der Vorrunde, damit sein Team schließlich in der Endrunde um den Weltmeistertitel kämpfen konnte.

Es war etwas zutiefst Persönliches gewesen. Sie alle – aber vor allem Kenny, Max, Tala und Ray – hatten es gespürt an Kais verzweifelter Anstrengung, durchzuhalten, wo doch alles darauf hinwies, daß er im Endeffekt sowieso keine Chance gegen drei Bit-Biests haben würde. Kai hatte nicht nachgeben wollen – ganz so, als wäre dies für ihn eine Sache von großer Bedeutung. Einer Bedeutung, die keiner seiner Freunde nachvollziehen konnte, da Kai ihnen nie etwas aus seinem früheren Leben erzählte.

Es war den Jungen und Mädchen klar, daß in seiner Vergangenheit etwas geschehen sein mußte, was ihn so tief verletzt hatte, daß er niemandem mehr sein Vertrauen schenkte. Es einfach nicht konnte, da ihm die Fähigkeit dazu genommen worden war.
Dieser Grund war es auch, der sie alle instinktiv weiter an ihrem Verhalten ihm gegenüber festhalten ließ, sie ihn weiterhin – trotz seiner abweisenden Haltung – als einen Freund behandeln ließ. Ein Freund, der er in ihren Gedanken schon lange für sie war und auch ohne seine Zustimmung weiter sein würde. Dennoch würden sie alle gern wissen, was ihn so belastete, daß er nicht darüber reden konnte. Schließlich wollten sie ihm helfen, wenn er es endlich zulassen würde.

Doch anscheinend hatte Kai eine andere Quelle gefunden, die ihm diese Hilfe gab, welche er von seinen Teamkameraden nicht annehmen konnte oder wollte. Ein Engel wachte über ihn und dies erleichterte die Freunde unwillkürlich – denn was konnte jemandem mehr Schutz geben als eines dieser himmlischen Wesen?

Als mehrere der Jungen und Mädchen schließlich erkannten, daß sich ihre Gedanken im Kreise drehten und sie ohne Aufklärung von Kai sowieso einer Lösung nicht näherkommen würden, gaben sie es auf, selbst Antworten finden zu wollen.

Tala, Max sowie Ray und Kenny warteten derweil auch ungeduldig, bis sie endlich durch eine Krankenschwester die Erlaubnis erhielten, Kai mitzunehmen. Laut der Frau war er vor wenigen Minuten aus seinem von Erschöpfung geprägten Schlaf erwacht und verlangte, gehen zu dürfen. Auch wenn dies dem Arzt überhaupt nicht gefiel, da Kai noch immer große Schmerzen haben mußte durch die Verletzungen, die er davongetragen hatte, konnte er doch nichts gegen die Forderung des Jungen unternehmen.

So hatte der Doktor seufzend sein Einverständnis erklärt, daß Kai von seinem Team ins Hotel zurückgebracht werden durfte, wo er jedoch weiterhin strengste Schonung halten sollte. Kai hatte nur mit den Augen gerollt, jedoch genickt, um endlich aus dem Krankenzimmer verschwinden zu können.

Daher hatte sich die Krankenschwester aufgemacht, um die große Gruppe Blader, welche, wie sie wußte, ungeduldig auf Nachrichten über den Zustand des Jungen wartete, zu benachrichtigen. Als sie das tat, sah sie das Aufleuchten von Freude in den Augen der Jungen und Mädchen sowie die Erleichterung, die ihre Gesichter überflog. Sie lächelte angesichts der Sorge, welche die Jugendlichen für ihren Freund empfanden und nannte ihnen die Nummer des Zimmers, wo sie Kai abholen konnten.

Kaum hatte sie das getan, waren die Bladebreakers auch schon aus dem Warteraum, in dem sie die letzten Stunden verbracht hatten, den Gang hinunter in Richtung Kais Zimmer verschwunden. Sie waren so rasch unterwegs, daß ihnen ihre Freunde von den Majestics, White Tigers und All Starz kaum zu folgen vermochten.
Die Krankenschwester, welche sich auf einmal allein im Wartezimmer vorfand, lächelte nur leise vor sich hin angesichts des Verhaltens der Jugendlichen und machte sich wieder an ihre Arbeit.

Max, Ray, Tala und Kenny waren indes jedoch vor Kais Raum angekommen und Letzterer hatte gerade die Hand gehoben, um anzuklopfen, als sie von drinnen leise Stimmen vernahmen. Zuerst glaubten sie, vielleicht wäre der Arzt noch einmal zu ihrem Teamchef gegangen, doch dann sahen sie diesen den Gang hinunter aus seinem Büro kommen.

Verwundert blickten sich die Vier an, bevor Tala die Schultern zuckte und die Tür einfach öffnete. Während er, gefolgt von seinen drei Gefährten eintrat, hörte der Rothaarige rasch näherkommende Schritte, woraufhin er schlußfolgerte, daß ihre Freunde aus den anderen drei Teams zu ihnen aufgeschlossen hatten.

Jeder Gedanke verschwand jedoch aus Talas Kopf, als er sah, welcher Person die zweite Stimme gehört hatte, welche seine Freunde und er vor der Tür vernommen hatten. Als er nämlich mit Kenny, Ray und Max eintrat, blieb sein Blick zum zweiten Mal an diesem denkwürdigen Tag an weiten, weißleuchtenden Schwingen haften.

Der Engel war wieder da.

Das himmlische Wesen saß an Kais Bett und erleuchtete das Zimmer mit dem Schein seiner Schwingen, die sich stolz hinter seinem Rücken hervorreckten. Die Flügel waren jedoch nicht das einzig Ehrfurcht erweckende an dem Geschöpf, welches Kais Freund war. Auch der Blick der weisen, mitternachtsblauen Augen, welche sich bei dem Geräusch der langsam eintretenden Gruppe Jugendlicher auf diese richtete, erweckte in diesen ein Gefühl von Andacht. Sie spürten die Erfahrung und Güte, welche der Engel in sich barg.

Auch Kai hatte sich umgewandt, als er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Beim Anblick seiner Teamgefährten und der Mitglieder der All Starz, White Tigers und Majestics weiteten sich seine Augen für einen Augenblick überrascht, da er nicht angenommen hatte, sie alle hätten hier im Krankenhaus gewartet, bis es ihm wieder besser ging. Doch rasch verbarg er seine Gefühle wieder und wollte gerade etwas sagen, als er bemerkte, daß die Blicke der anderen Jugendlichen nicht auf ihn gerichtet waren.

Vielmehr blickten sie Thyros an. Doch das konnte nicht sein. Niemand hatte bis jetzt jemals seinen Freund wahrgenommen außer ihm. Der sanfte Engel, welcher Kais emotionale Stütze in seinem sonst so einsamen Leben war, war stets nur für ihn sichtbar gewesen. Dies war auf den langen Spaziergängen klargeworden, die Thyros und er oftmals unternommen hatten – auch in den letzten Wochen während der Reise der Bladebreakers während der Champion Ships. Kai hatte Thyros einige Städte gezeigt, welche sie dann gemeinsam erkundet hatten.

Doch nie hatte jemand den Engel gesehen...sondern es hatte stets den Eindruck gemacht, als wäre Kai allein unterwegs.

Aber wenn die anderen Jugendlichen seinen Freund also nicht sehen konnten, warum blickten sie dann wie hypnotisiert und völlig sprachlos auf die Stelle, an welcher Thyros auf seiner Bettkante saß?, fragte sich Kai verwundert.

An dieser Stelle unterbrach Talas Stimme Kais Gedankengänge, als der Rotschopf sich als Erster der Freunde von seiner Überraschung erholte und vorsichtig nähertrat. Den Blick nicht von dem Engel wendend, fragte er seinen Teamcaptain: „Willst du uns deinen Freund nicht vorstellen, Kai?"

Ruckartig setzte sich Kai ein wenig in seinem Krankenbett auf, was Thyros dazu veranlaßte, ihm einen besorgten Blick wegen seiner Verletzungen zuzuwerfen. Der Engel wandte sich Sekunden später jedoch schon wieder Tala zu und musterte ihn aus seinen tiefblauen Augen – und dem Blader schien es, als könne das himmlische Wesen ihm bis auf den Grund seiner Seele blicken. Es war ein seltsames Gefühl für Tala...doch nicht unangenehm. Er wußte instinktiv, daß ihm der Engel nichts tun würde...solange er wiederum Kai nichts tat.

Für einen Augenblick blinzelte Tala verwirrt angesichts seiner plötzlichen Erkenntnis. Woher wußte er auf einmal, daß der Engel Kai gegen alles und jeden beschützen würde? Und warum fühlte er sich dennoch so sicher in dessen Gegenwart?
‚Weil ich Kai nicht verletzen will. Der Engel weiß das...er weiß, daß die Anderen und ich Kai als Freund ansehen, auch wenn Kai selber es nicht weiß oder akzeptiert', gab sich der Bladebreaker kurz darauf selbst die richtige Antwort.

Dann wandte sich Tala seinem Teamchef zu, der ihn leicht verwirrt – aber auch mißtrauisch – ansah und wissen wollte: „Du kannst ihn sehen, Tala? Ihr alle könnt ihn sehen?" Der letzte Satz galt dem Rest der Freunde, welche nun ebenso wie Tala wiederum Kai verwirrt ansahen, jedoch wortlos nickten. Sie wußten nicht, warum Kai so überrascht war, daß sie seinen Freund sehen konnten, daher gaben sie ihm die Antwort, welche für Kai anscheinend unerwartet war.

Kai war wirklich überrascht, doch er kämpfte darum, dies nicht allzu deutlich werden zu lassen. Er blickte Thyros an, welcher sich nicht von seinem Platz gerührt hatte und nunmehr nacheinander die Mitglieder der Bladebreakers, All Starz sowie Majestics und White Tigers der gleichen Musterung unterzog wie zuvor mit Tala.

Der Blick der mitternachtsblauen Augen, welche mit einem Licht gefüllt waren, das nicht von dieser Welt war, ging jedem der Jungen und Mädchen bis hinunter in die tiefste Seele. Es schien ihnen, als würden sie geprüft...geprüft auf ihren Charakter, ihre Motive...und ihr Verhalten in Bezug auf Kai. Jeder von ihnen verharrte gebannt durch diesen Blick, konnte sich nicht rühren oder gar wegsehen. Ihr innerstes Wesen wurde dem tiefen Blau offenbar.

„Thyros?", erklang dann auf einmal Kais Stimme in die sich ausbreitende Stille hinein.

Der Engel wandte daraufhin seinen Blick Kai zu und lächelte, als er die Verwirrung in dessen karmesinroten Augen erkannte. Er spürte, daß es Kai wirklich verblüffte, daß auf einmal jemandem möglich war, ihn zu sehen. Und vor allem nicht nur einer Person, sondern gleich so vielen.

Bevor der Teamchef der Bladebreakers die Frage, die in seinen Augen geschrieben stand, aussprechen konnte, gab der Engel ihm daher die Antwort, welche er suchte. Seine Hand beruhigend auf die Kais legend, meinte Thyros: „Kai, sie können mich sehen, weil sie starke Gefühle für dich in sich tragen. Schau mich nicht so ungläubig an, mein Freund, was ich sage ist die Wahrheit. Nur jemand, der dir in Liebe verbunden ist, vermag mich zu sehen."

„Liebe?", brachte Kai zutiefst verwirrt hervor, während sein Blick zwischen Thyros neben ihm und den Jungen und Mädchen, die nicht weit von ihnen entfernt dastanden und nun ebenso heillos verblüfft wie er schauten, hin- und herschweifte.

Die Fassungslosigkeit aller Anwesenden ließ ein wunderschönes Lächeln auf den Zügen des Engels erblühen, bevor er antwortete. „Aber ja. Kai, auch Freundschaft ist eine Form von Liebe. Die Zuneigung, die man seinem Freund oder seiner Freundin entgegenbringt, hat sehr große Macht und setzt daher manchmal sogar gewisse Regeln außer Kraft. Du wolltest mir nicht glauben, als ich dir sagte, auch andere Personen würden dich sehr mögen, doch nun hast du den besten Beweis dafür bekommen, daß ich Recht hatte mit meinen Worten", beendete das himmlische Wesen mit einem sanften Lächeln seine Erläuterung.

Daraufhin blieb es eine ganze Weile still, da jeder der Jugendlichen diese Worte zu verarbeiten suchte. Die Mitglieder der Bladebreakers, White Tigers, Majestics und All Starz verstanden nun, daß es anscheinend das erste Mal war, daß jemand außer Kai den Engel zu sehen vermochte. Dies war anhand von Kais Verblüffung offensichtlich geworden.

Doch die Erklärung, die das himmlische Wesen dafür geliefert hatte, ließ nach einigen Momenten der Stille ein Lächeln auf den Zügen von Max, Ray, Tala und Kenny erscheinen. Sie stimmten Thyros' Worten aus tiefstem Herzen zu – für sie war Kai ein Freund, den sie sehr mochten, auch wenn er sich gegen ihre Gemeinschaft bis jetzt immer sehr gesträubt hatte und sie kaum einmal an sich heranließ. Auch die All Starz und Majestics sowie die White Tigers hatten nach einiger Zeit der Bekanntschaft mit dem Team der Bladebreakers etwas an Kai gespürt, was sie ihn trotz dessen Unnahbarkeit als Freund bezeichnen ließ.

Kai indessen war tief getroffen – doch auch innerlich berührt – von den Worten seines besten Freundes. Konnte es wirklich sein, daß er Freunde besaß? Waren die anderen Jugendlichen wirklich bereit, ihn trotz seiner abweisenden Art zu mögen? Wenn Thyros Recht hatte – und daran zweifelte Kai instinktiv keine Sekunde – dann besaß er mehr Freunde als den blauhaarigen Engel, welcher für ihn bis jetzt stets die einzige Seele außer Dranzer war, der Kai ein Stück seines Herzens anvertraut hatte.

Widerstreitende Gefühle tobten in Kai angesichts dieser überraschenden Wendung der Geschehnisse und er wußte nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte. Zu lange hatte er sich gegen andere Menschen und emotionale Nähe gewehrt, um nicht noch einmal den Schmerz zu erleben wie damals, als er seine Familie verlor.
Zu lange hatte er nach außen hin die Fassade gewahrt, hatte stark, stolz und abweisend gewirkt, damit niemand bemerkte, wie einsam er sich in Wirklichkeit oft fühlte. Doch Kai erinnerte sich, wie Thyros hatte es damals bei ihrem ersten Treffen sofort bemerkt hatte. Der warmherzige Engel hatte ihn mit seinen mitternachtsblauen Augen nur sekundenlang angeschaut und ihn dann tröstend in die Arme genommen.

Jetzt hätte Kai eine solche Umarmung genauso nötig gehabt, jedoch aus anderen Gründen als vor Jahren. Nun überfluteten ihn nämlich Verwirrung, Unsicherheit – und eine fast überwältigende Hoffnung. Doch auch Angst.

Der Teamcaptain der Bladebreakers versuchte sich zusammenzureißen, um seine Schwäche nicht vor den anderen Jugendlichen sichtbar werden zu lassen, doch es kostete ihn mehr Kraft, als er angenommen hatte. Sein eisiger Wall hatte erste Risse bekommen, merkte Kai ein wenig erstaunt.

Ein warme Hand auf der seinen riß Kai aus seinen Überlegungen und er blickte auf. In tiefblauen, sanften Augen stand ein warmes Lächeln geschrieben, gemischt mit Freude und Zuneigung. Thyros' Augen hatten schon immer all seine Gefühle ausgedrückt, ohne daß er etwas sagen mußte – Kai konnte in den Augen seines Freundes lesen wie in einem offenen Buch. Er wußte, daß es dem Engel genauso gelang, in den seinen zu erkennen, was ihn bedrückte oder plagte, obwohl sonst niemand dies konnte. Es war eine Fähigkeit, die nur Thyros besaß.

Daher ließ er seinen Freund auch jetzt den Tumult erkennen, welcher in ihm tobte, obwohl er nach außen völlig ruhig wirkte. Und der Engel sah – und lächelte sanft.
Mit einem leichten Druck seiner Hand beruhigte er Kai und wollte gerade etwas zu ihm sagen, als er auf einmal den Kopf wandte und auf etwas zu lauschen schien, was außer ihm niemand hören konnte. Sekunden später huschte ein Schatten über seine Züge, doch er äußerte sich nicht dazu. Vielmehr nickte er kaum merklich.

Dann drehte er sich wieder Kai zu und meinte: „Es tut mir leid, mein Freund, doch ich muß jetzt gehen. Ich wurde gerufen...und es ist wichtig."

„Entschuldige dich nicht, Thyros", erwiderte Kai rasch. „Ich weiß schließlich, daß du wichtige Aufgaben hast – wichtigeres auf jeden Fall, als deine Zeit hier bei mir zu verschwenden und dir mein Grummeln anzuhören."

Ein Lächeln war die Antwort auf die letzten Worte, doch die blauen Augen des Engels blickten ernst. „Sag so etwas nicht, Kai. Du bist sehr wichtig für mich, das weißt du genau. Bei dir zu sein und dir zu helfen, ist keine Verschwendung meiner Zeit. Freunde sind immer füreinander da...ich werde immer für dich dasein, wenn du mich brauchst."

Überraschte Stille herrschte in dem überfüllten Krankenzimmer nach diesen warmen Worten, als die Mitglieder der vier Teams mitansahen, wie Kais karmesinrote Augen sich nach den Worten seines Freundes mit Dankbarkeit und Zuneigung füllten. Es schien nicht das erste Mal zu sein, daß der Engel so zu ihm sprach, doch wurde auch klar, daß es Kai trotzdem tief berührte. Das kaum sichtbare Lächeln in seinen Zügen war ein weiterer Indikator dafür.

Dann neigte sich der blauhaarige Engel nach vorn und umarmte Kai freundschaftlich. Die Anwesenden konnten nichts verstehen, als er dem Teamcaptain der Bladebreaker zuflüsterte: „Laß sie an dich heran, Kai. Keiner von ihnen will dir etwas Böses – vielmehr mögen sie dich sehr, vor allem dein eigenes Team. Versuch, dich ihnen gegenüber etwas zu öffnen – du wirst es nicht bereuen, mein Freund."

Kai, der seinerseits instinktiv die Arme um seinen Freund geschlossen hatte, zögerte erst kurz, doch dann nickte er. „Ich werde es versuchen", versprach er leise.

Dann, als Thyros sanft den Halt an ihm löste und sich von der Bettkante erhob, blickte Kai fragend zu ihm auf und sagte: „Wie immer?" Mit diesen Worten wußte niemand etwas anzufangen, doch der Angesprochene lächelte nur. Thyros beugte sich zu Kai hinab und hauchte ihm einen Kuß auf dich Stirn, bevor er erwiderte: „Ja. Wie immer. Ich sehe dich in deinen Träumen, Kai."

Dann wandte sich der Engel auf einmal an die Jugendlichen, welche dem Geschehen aufmerksam und innerlich doch ziemlich verblüfft zugesehen hatten und musterte sie ein zweites Mal aus seinen tiefblauen Augen, bevor er sagte: „Es hat mich gefreut, euch kennenzulernen. Seid gut zueinander und die Mächte werden euch beschützen."

Eine unhörbare Warnung hatte auch in den wenigen Worten mitgeschwungen, die den Bladebreakers und ihren Freunden jedoch nicht entging. Das ‚seid gut zueinander' konnte man leicht zu einem ‚seid gut zu Kai' übersetzen. Die sechzehn Freunde spürten, daß bei diesem Aspekt mit dem Engel nicht zu spaßen sein würde – wer Kai verletzte, würde dafür eine Strafe erhalten.

Sie nickten nur bestätigend, was Thyros ein warmes Lächeln entlockte, bevor er Kais Hand noch einmal drückte und dann ein einer Wolke hellen Lichtes verschwand.

Tada! Endlich mal wieder ein Kapitelchen zu „Guardian" geschafft!

Hoffe auf Kommis, auch wenn es echt lange mit dem Update gedauert hat und mir wahrscheinlich alle Leser/innen davongelaufen sind. (seufz)

Nebula Umbra: Mit schnell war ja nichts – aber ab jetzt hoffe, daß ich schneller mal wieder ein Kapi update. Wegen der Namessache in den ersten zwei Kapiteln : der Engel heißt Thyros. Sorry wegen der Verwirrung. Und wegen Tyson sehen wir in den nächsten Kapiteln, was los ist. (geheimnisvoll tu)

Nebula-dancer: Danke und sorry wegen der langen Wartezeit!

Bis zum nächsten Kapi,

Dragon's Angel