Kapitel 2: Wiedersehen und Geständnisse

Langsam kam ich wieder zu mir. Geweckt wurde ich durch leise Musik. Ich wagte nicht meine Augen zu öffnen. Aus Angst das ich mich wieder auf dem Anwesen meines Mannes befinden würde. Doch diese Melodie kam mir dennoch bekannt vor, aber keine Ahnung woher.

Schließlich, bei dem Versuch diese zuzuordnen fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Diese Musik gehörte zu einer kleinen Spieluhr in Form eines Äffchens das auf einem Podest sitzt und die Zimbeln schlägt. Schon beim ersten mal wurde ich auf diese Art geweckt.

Doch war ich damals nicht freiwillig hergekommen.

Das Phantom der Oper hatte mich aus meiner Gardarobe entführt und hierher gebracht. Doch diesmal war es meine freie Entscheidung den Weg anzutreten. - Ich wollte Erik sagen das ich mich geirrt habe, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe. Und diese wiedergutmachen wollte. Wenn dies überhaupt noch möglich war. Es war nun doch schon einige Zeit vergangen, dass ich ihm zum letzten mal gegenübergestanden hatte.

Ich riss die Augen auf und sah mich um. Ich befand mich wirklich in Eriks unterirdischen Wohnung. Es hatte sich nichts verändert. Schlagartig überkam mich die Erinnerung an die letzten Stunden, und ich fragte mich wie ich hierher gekommen bin. Ob er mich hergebracht hatte? Neben mir registrierte ich eine Bewegung auf dem Bett. Als ich mich dieser zuwandte, konnte ich einen freudigen Ausruf nicht unterdrücken. Neben mir lag eine seltsam blassfarbene Katze auf der Decke und streckte sich genüsslich. Ayesha. Eine Siamkatze, die Erik vor ein paar Jahren gefunden hatte als Paris belagert wurde. Um den Hals trug sie das teure Diamantenhalsband. Das hatte Erik – soweit ich weiß- mal so eben einer anderen Katze in Indien abgenommen. Ich strich ihr durch das kurze Fell und entschied mich dann doch aufzustehen um nach Erik zu suchen.

Aber er war nicht da.

Seine Orgel und auch der Schreibtisch standen verwaist da. Also begann ich mich etwas umzusehen. Hatte er auch in meinem Zimmer nicht verändert, irgendwie war der Rest der Wohnung anders. Es war viel heller als bei meinem letzten Besuch, der jetzt immerhin gute zwei Jahre zurücklag. Nicht ganz, aber fast. Viele Monate in denen ich Zeit hatte über alles nachzudenken. Auch viel mir auf das die Berge von Noten verschwunden waren. Statt dessen lagen auf dem Schreibtisch Baupläne und Entwürfe von Häusern. Da ich aber wusste, dass Erik durch aus auch als Architekt durchgehen könnte - bei der Begabung die er hatte- wunderte ich mich nicht weiter darüber.

Ich kannte auch seinen Mittelsmann: Jules Bernhard. Ich war ihm einmal flüchtig begegnet, als ich auf den Weg zum unterirdischen See war. Damals bezeichnete er mich als einen von Gott gesandten Engel. Heute muss ich beinah ein wenig über diesen Vorfall lachen. Der arme Mann hat sich bestimmt den Kopf darüber zerbrochen warum ich mich freiwillig in die Gesellschaft von Erik begab. Damals stammelte er nur einige Wörter die ich nicht verstanden hatte und drückte mir anschließend nur ein Paket in die Hand und war so schnell verschwunden das ich gar nicht dazukam nachzufragen. Vor der nächsten Tür blieb ich stehen und überlegte. Es war der Eingang zur Spiegelkammer, die ungebetene Gäste abhalten sollte. Entschlossen drückte ich die Türe auf. Die Kammer war offen, also stellte sie für niemanden eine Gefahr da. Ist die Tür aber geschlossen, entpuppte sich dieses Spiegellabyrinth als wahre Folterkammer. Ich musste unweigerlich daran denken das Raoul und Nadir damals fast in der Kammer umgekommen wären. Im nachhinein betrachtet, würde ich um Raoul nicht unbedingt trauern. Damals vielleicht, aber heute ganz bestimmt nicht mehr.

Auch hatte sich an der übrigen Einrichtung nicht viel geändert. Im Wohnzimmer stand nach wie vor ein Regal voller Bücher. Wie oft war ich schon davorgestanden und konnte mich nicht für ein Buch entscheiden? Einige waren aber anscheinend neu dazugekommen. Bei Raoul hatte ich hingegen nie ein Buch angerührt. Auch wenn zu seinem Anwesen eine riesige Bibliothek gehörte. Warum kann ich nicht sagen. Doch jetzt wo ich wieder hier stand, ertappte ich mich dabei schon wieder die einzelnen Bände in die Hand zu nehmen.

Ich schloss die Tür zum Wohnzimmer wieder um in mein Zimmer zurückzugehen und dort auf Eriks Rückkehr zu warten. Doch das war nicht nötig. Als ich mich umdrehte erschrak ich fürchterlich. Ganz in Schwarz gekleidet stand er vor mir. Sicherlich, er ist nach wie vor eine imposante Erscheinung. Als ich ihn das erste mal so sah, hat er mir furchtbare Angst eingejagt. Doch mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Doch das auffallenste an ihm war die weiße Maske die seine rechte Gesichtshälfte fast vollständig verbarg. Nur wenige wissen wie Erik in Wirklichkeit aussieht, und die meisten Leute wurden davon abgeschreckt. Doch mir war es egal. Ich habe gelernt was er immer versucht hat mir beizubringen – nicht das äußere zu lieben sondern auch das was verborgen ist

Angst macht blind. Doch wenn die Liebe über sie gewinnt, wirst du mein Los verstehen und nicht nur das Monster sehen.

Diese Worte sagte er einmal zu mir. Und jetzt habe ich sie auch begriffen. Doch im Moment war ich einfach nur erschrocken und ein wenig geladen. Ich konnte es noch nie leiden wenn man mich erschreckte: Habe ich dir nicht schon einmal gesagt das du dich nicht immer an mich ranschleichen sollst! Schleuderte ich Erik entgegen - aber nur um ihn im nächsten Moment in die Arme zu fallen. Er zog mich an sich und küsste mich. Als er das tat wurde mir klar wie sehr ich mein Phantom vermisst hatte, wie sehr ich ihn liebte. Uns verband etwas was man nicht beschreiben kann.

Ich habe so gehofft das du eines Tages zu mir zurückkommst Christine. Doch ich hatte nicht damit gerechnet das du es wirklich tun würdest. Als er diese Worte sagte, trat er einen Schritt von mir zurück wie als wolle er sichergehen das ich es wirklich bin. Sag hast du mich hierher gebracht? Er nickte leicht mit dem Kopf um meine Vermutung zu bestätigen. Oh Erik, als ich damals mit Raoul wegging habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich wollte schon früher zu dir zurückkehren aber er hat es mir verboten. – Doch jetzt bin ich hier bei dir und nichts könnte mich dazu bewegen zu Raoul zurückzukehren.

Inzwischen liefen mir Tränen aus den Augen, obwohl ich mir vorgenommen hatte mich zusammenzunehmen. Als er das sah, zog er ein Taschentuch aus seiner Jacke und trocknete meine Tränen. Es war ein Tuch, das seiner Mutter gehört hatte. Das erste mal als er mir eines davon gab, sagte er- als er merkte das ich die Initialen betrachtete das diese auf keinen Fall von einer früheren Verehrerin waren. Damit hatte er versucht mich aufzuheitern und was soll ich sagen, es hatte funktioniert.

Als ich mich wieder etwas gefangen hatte, sagte er zu mir: Du weißt doch das ich es nicht sehen kann wenn du weinst. Nun beruhige dich ein wenig und dann erzähl mir der Reihe nach was geschehen ist. Ich würde gerne den Grund erfahren, der dich dazu gebracht hat von deinem Ehemann wegzulaufen, und ich dich ohnmächtig hinter deinem Gardarobenspiegel finde, womit ich wirklich nicht gerechnet hatte.

Als er sich umdrehte, um seinen Umhang und den Hut abzulegen, sah ich zu ihm hinüber und überlegte verbissen wie ich es ihm am besten beibringen konnte was passiert war, das er eine Tochter hatte von der er nichts wusste. Ich machte mir sowieso große Sorgen um mein kleines Mädchen. Ich musste sie schweren Herzens zurücklassen, aber nur weil ich mir sicher bin das Raoul ihr nichts antun würde. Sie ist ja offiziell seine Tochter, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Aber da er sich ja solche Sorgen um seinen GUTEN RUF machte, konnte er sie ja nicht so einfach verschwinden lassen.

Um endlich einen Anfang zu machen, ging ich zu Erik, der noch immer mit dem Rücken zu mir stand. Als er bemerkte, das ich hinter ihm stand, drehte er sich zu mir um.. Er sah mich an und schien zu merken, wie schwer es mir fiel etwas zu sagen. Wenn du es mir nicht erzählen möchtest verstehe ich das. Ich werde dich auch bestimmt nicht mit Folter dazu zwingen es zu sagen! Fügte er mit einem lächeln hinzu. Nein das ist es nicht. Ich umarmte ihn erneut und versuchte es noch einmal : Ich weiß nicht wo ich anfangen soll! Es ist soviel passiert in letzter Zeit.Fang einfach irgendwo an und sag mir alles was du mir sagen möchtest. Er sah mich an und führte mich anschließend zu einer Couch auf der ich mich niederließ. Er setzte sich neben mich und lies mich erzählen.

Er hörte sich die Ganze Geschichte an ohne mich zu unterbrechen. Doch noch immer wusste ich nicht, wie ich ihm bebringen sollte, das er der Vater meiner Tochter war. Als ich mit meinem Bericht fertig war, holte er tief Luft, als müsse er erst überlegen was er von meiner überstürzten Flucht halten sollte. Und was willst du jetzt tun? Ich meine, zu Raoul kannst du nicht zurück oder? Wenn du willst bleib bei mir, hier kann ich dich schützen. Aber nur wenn du willst. Ich sah ihn an wie ein Kind, das einen Berg Geschenke vor sich sah: Ich soll bei dir bleiben? Ist das dein Ernst? Etwas verunsichert sagte er: Nun es war nur ein Vorschlag, aber ich verstehe auch wenn du es nicht willst. Wie gesagt zwingen wi- Weiter kam er nicht weil ich ihm um den Hals gefallen war und ihm einen stürmischen Kuss auf die Lippen drückte.

Als ich mich aus seiner Umarmung löste, und ihn mit strahlenden Augen ansah, Fragte er mich: Heißt das das du bleiben willst? – Ja den danach habe ich mich die ganze Zeit gesehnt den ich liebe dich doch! Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Erst als... Mir versagte die Stimme erneut und die Tränen liefen mir wieder über das Gesicht. Christine was hast du den? Erik sah mich besorgt an, und da beschloss ich im einfach die Wahrheit über meine- unsere Tochter zu sagen. Als ich schließlich auch noch dies sagte, starrte er mich nur noch mit einer nicht zu deutenden Mine an. Ich fragte mich schon ob ich etwa einen Fehler gemacht hatte, als er schließlich nach Minuten des Schweigens die eisige Stile zwischen uns brach: Oh Gott, was wir getan haben war ein großer Fehler. Bist du dir da ganz sicher? Ich meine sieh mich an! Welches Kind sollte schon so einen Vater haben wollen wie mich? Ich bin eine Kreatur der Nacht und daran wird sich vermutlich nie etwas ändern.

Er ging zu seinem Schreibtisch und stützte seine Stirn mit einer Hand ab. Ich stand auf und ging zu ihm hinüber. Als ich ihm eine Hand auf die Schulter legte, sah er mich an, als suche er jetzt nach den richtigen Worten. Erik ich bin mir sicher, sie kam etwa sieben Monate nach meiner Hochzeit zur Welt. Und den Rest kannst du dir wahrscheinlich selbst zusammenrechnen. Er stand auf und schloss mich erneut in seine Arme. Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue, doch das kam so plötzlich und unerwartet. Er hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und sah mir in die Augen: Nun ich werde mir etwas Überlegen. Doch jetzt leg dich erst einmal hin und ruh dich aus, es ist schon weit nach Mitternacht und du siehst aus als könntest du noch ein wenig Schlaf gebrauchen.

Er brachte mich zurück in mein Zimmer. Beim gehen wandte er sich noch einmal zu mir um: Wenn du irgendetwas brauchst dann sag mir einfach bescheid. Gute Nacht, schlaf gut mein Engel. Erik! Er hielt mitten in seiner Bewegung inne und drehte sich nocheinmal um – Was den? Ich ging einen Schritt auf ihn zu.: Könntest du heute Nacht bei mir bleiben? Ich möchte nicht alleine sein. Er lächelte mich an und kam zu mir zurück. Wenn du es so willst, dann bleibe ich hier bei dir meine Geliebte.

Zitat aus dem Musical!