Kapitel 6: Winterspaziergang
Völlig perplex, sah er die Rose an, die er noch immer in der Hand hielt. Unmöglich, das gibt es doch nicht! Als er sich einigermaßen gefasst hatte, wand er sich zu den restlichen Leuten um die noch im Raum waren. Raus hier! Und zwar alle! Brüllte er sie an. Die Bediensteten, erschraken vor dem zornigen Ton in Raouls Stimme, und verließen sofort das Zimmer. Als er allein war, ließ er sich auf den Stuhl fallen, der neben der Wiege stand. Also doch! Murmelte er vor sich hin. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Das hätte ich ihr nicht zugetraut. Er währe bereit gewesen, zu glauben, das seine Frau entführt worden war. Von einem Monster, das sich unter der Erde versteckte. Das er sie mit Gewalt gezwungen hatte, bei ihm zu bleiben. Doch so wie die Dinge jetzt standen, wurde ihm bewusst, dass Christine damals wohl doch aus freien Stücken entschieden hatte, und das sie nun wieder bei ihm war. Denn welchen Grund sollte Erik den sonst haben das Kind zu holen. Woher hätte er wissen sollen, dass Christine nun Mutter war. Er wusste es von ihr selbst. Sie war bei ihm. Das war Raoul jetzt klar. Und er würde sie zurückholen. Um jeden Preis. Und was dann? Er war sich sicher, das ihm da noch etwas einfallen würde.
Es war später Abend. Ich hatte Erik den Vorschlag gemacht, ein wenig auszugehen. Meg hatte sich bereit erklärt, auf unsere Tochter aufzupassen. Denn ich fürchtete, dass es doch noch zu Kalt ist, und sie zuletzt auch noch krank wurde. Doch Meg war begeistert von der Aufgabe. Da sie doch schon einiges von Kindern verstand, und nebenbei auch schon ganz vernarrt in die Kleine war.
Aber wir warteten trotzdem bis es dunkel wurde. Erik meinte, das es bei hellem Tag noch etwas zu riskant sei durch die Straßen zu laufen. Vor allem wegen der Tatsache, das mich jemand erkennen könnte. Also fuhren wir mit einer Kutsche in einen kleinen Park, und schlenderten gemütlich auf den verlassenen Wegen. Hier und da stand eine Laterne, so das es nicht völlig dunkel war. Ich weiß nicht warum, aber ich musste unwillkürlich dran denken, als wir das erste mal zusammen so durch den Park gingen. Damals war es allerdings Sommer gewesen. Wo wir uns beinahe in die Haare geraten währen ob dieser Park den nun mehr natürlich oder künstlich wäre. Und das beste Beispiel das mein Mann fand war, dass es bestimmt auch noch künstliche Enten auf dem See gäbe, wenn sie nur jemand bestellt hätte. Doch im Moment war der Park unter Eis und Schnee begraben, und das verlieh ihm ein ganz anderes Aussehen.
Der Park ist im Winter fast noch schöner als im Sommer, findest du nicht? Ich sah Erik an, als ich auf eine Antwort wartete. – Nun, wenigstens ist der Schnee noch echt, und gibt dem ganzen ein schöneres Bild da hast du recht! In seinen Augen blitzte es belustigt auf. – Oh nein bitte fang nicht schon wieder damit an, wo wir das letzte mal aufgehört haben! Gab ich sichtlich genervt zurück. Nein keine Bange, den Fehler mich auf eine Debatte über solche Dinge mit dir einzulassen, mache ich bestimmt nicht noch mal. – Was soll das den heißen? - Das soll heißen, dass ich nicht noch mehr mit dir darüber debattieren werde. Du sagst es ist echt, ich das es künstlich ist. Damit währen wir dann wieder auf Anfang. Und weiter kommen wir nicht. – Aha – und ich dachte schon du traust dich nic- Hey was soll das? Ich konnte gerade noch dem Schneeball ausweichen, der plötzlich geflogen kam.
Nachdem noch ein paar Schneebälle hin und her geflogen waren, gingen wir trotzdem noch ein Stück weiter. Ich hakte bei Erik unter, und wir sprachen noch einmal über die Dinge, die geschehen waren. Ich hatte die Geschehnisse soweit verarbeitet, dass wir nun ungezwungen miteinander reden konnten. Erik versprach mir jedoch, dass er Nadir oder Jules bitten würde, sich umzuhören, ob sich der Wirbel schon etwas gelegt hatte. Woran ich aber nicht glaubte, da es ja doch erst eine gute Woche her war, das ich weggelaufen bin. Doch hatte ja auch noch niemand (außer Meg) versucht in das Labyrinth zu kommen. Die wenigsten kennen die Zugänge die nicht verschlossen waren.
Wir waren lange einfach nebeneinander hergegangen, und ich genoss einerseits die Stille der Winternacht, andererseits auch das Gefühl der Sicherheit das mir Erik gab. Eine Sicherheit, die ich so bei Raoul noch nie gespürt hatte. Solange bis er mich ansprach und aus meinen Gedanken riss: Christine? – Ja? – Ich wollte dich schon vor Tagen fragen aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt dafür. – Was willst du mich den fragen? – Nun eigentlich warum bist du wirklich zurückgekommen? Ich muss ihn ziemlich schief angesehen haben, denn gleich darauf meinte er: Ich meine damit, dass du doch viele Möglichkeiten gehabt hast, wohin du gehen könntest. Meg zum Beispiel, oder andere Freunde. Aber warum zu mir? Ich blieb auf der Stelle stehen und glaubte mich verhört zu haben. Hatte er gerade wirklich so mit sich kämpfen müssen um mir diese Frage zu stellen? Eigentlich gab es dafür gute Gründe. Er hatte Angst, Angst das seine Hoffnungen zunichtegemacht würden. Doch war das nicht meine Absicht. Ich ging einen Schritt auf ihn zu, soweit das ich ihm gerade noch in die dunklen Augen sehen konnte. Ich erkannte darin, dass er immer noch einen Kampf mit sich selbst ausfocht. Du willst wissen warum ich zu dir zurückgekommen bin? Ich sag es dir. Erik ich bin zu dir zurück, weil ich dich liebe. Wie um meine Worte zu beweißen schlang ich meine Arme um ihn und küsste ihn.
Als ich ihn wieder ansah, zeigte mir seine Miene, dass er auf diese Worte gehofft hatte. Doch er hatte anscheinend nicht damit gerechnet, sie auch wirklich zu hören. Ist das wirklich die Wahrheit? – Ja Erik. Es ist wahr. Du selbst warst es doch der damals zu mir gesagt hat: Angst macht Blind, doch wenn die Liebe über sie gewinnt wirst du mein Los verstehen. Und das hat sie . Ich sehe hinter die Maske und sehe nur noch denjenigen, den ich wirklich liebe. Den zu dem ich gehöre. – Ja das habe ich gesagt. Aber nie geglaubt, dass du deine Angst überwinden würdest. – Meine Angst habe ich schon lange überwunden. Richtige Angst vor dir hatte ich nur ein einziges mal. – So wann den? – Als ich dir das erste mal die Maske abgenommen habe. Ich dachte damals jetzt ist es aus mit mir. Lag ich da richtig? Hattest du vor mir etwas zu tun? – Nein! Keine Sorge mein Schatz, ich würde dir nie etwas antun. Mit diesen Worten zog er mich zu sich und nahm mich in die Arme. Keine Sorge, ich werde tun was in meiner Macht steht, um dich und unsere Tochter zu schützen. Egal was passiert. – Das weiß ich doch! Und mit diesen Worten küsste ich ihn erneut.
Wenig später gingen wir Arm in Arm zurück, den trotz allem wurde es doch langsam bitterkalt. Wir beschlossen, das wir mit der Kutsche zurück zu Meg fahren wollten um Madeleine abzuholen. Als wir schließlich bei ihr waren, bot sie uns an doch noch ein wenig bei ihr und ihrer Mutter zu bleiben. Es gab doch so viele Neuigkeiten zu bereden. Und da beide eingeweiht waren (bis auf die bestimmten Kleinigkeiten) wunderte sich auch Madame Giry nicht darüber das ich bei Erik war. Und zum ersten Mal in meinem Leben, wurde mir bewusst, wie schön es sein kann eine Familie und gute Freunde zu haben.
