Kapitel 8: Neuigkeiten
Am nächsten Morgen wachte ich vor Erik auf. Da aber schon klar war, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war, stand ich auf und ging Richtung Badezimmer. Doch begnügte ich mich mit einer Katzenwäsche und dem Bürsten meiner Haare. Der nächste Weg führte mich dann noch zum Kleiderschrank in meinem Zimmer, in dem mittlerweile unsere Tochter ein neues Kinderzimmer gefunden hatte. Ein kurzer Blick in die Wiege zeigte mir jedoch, dass sie wohl noch einige Zeit weiterschlafen würde. Kein Wunder war es doch gestern sehr spät geworden.
Also schlich ich mich auf Zehenspitzen weiter, um sie doch nicht schon zu wecken. Als ich mich ein paar Minuten später angezogen hatte und wieder ins Wohnzimmer gehen wollte, bemerkte ich Erik, der in der Tür stand. Mit einem lächeln kam er auf mich zu. Und ich muss gestehen, dass mir dieses lächeln schon immer gefallen hatte. Auch wenn ich es früher nicht so oft gesehen habe.
Guten morgen Schlafmütze! – Er zog mich in seine Arme – Bist du aus dem Bett gefallen, oder warum bist du schon auf? – Ich gestehe das ich morgens nicht sehr gerne aufstehe wenn es nicht sein muss! – Tja dazu muss ich sagen, dass ich heute mal eine Ausnahme mache und etwas früher aufstehe. Und warum liegst du um diese Uhrzeit eigentlich noch im Bett? Du bist doch derjenige der ansonsten immer so früh aufsteht. – Ich habe mir halt gedacht, da heute Sonntag ist bleib ich auch mal liegen. Die Arbeit kann warten. Was hältst du von einem schönen Frühstück? - Hört sich gut an! – Gut dann entschuldigst du mich kurz? Ich geh schnell noch „einkaufen" ! – er wandte sich zum gehen, drehte sich aber noch einmal kurz um – Und außerdem, habe ich noch eine Überraschung für dich wenn ich wieder komme! Schon war er durch die Türe verschwunden, und ich fragte mich was da wohl für eine Überraschung sein könnte. Hoffentlich hat er nicht jemand bestimmtes verschwinden lassen. Das würde ich ihm nämlich wirklich zutrauen.
Im Wohnzimmer kam Ayesha auf mich zu. Sie strich mir um die Beine als wolle sie mir sagen: Ich bin auch noch da! Ich nahm sie auf den Arm und strich ihr durch das kurze Fell, was sie mit einem lauten Schnurren beantwortete. Etwas später setzte ich sie auf einem Stuhl ab, mit dem Ergebnis das ich ein ärgerliches Miau zu hören bekam. Diese Katze war auf ihre eigene Art einfach seltsam. Noch nie hatte ich eine Katze oder irgendein anderes Tier gesehen, dass einen so in die Augen sehen konnte als verstünde sie jedes Wort was man zu ihr sagt. Und zu guter letzt, kam auch noch lauter Protest aus dem Kinderzimmer. Madeleine wollte ihr Frühstück. Also schnappte ich mir ihre Flasche und ging Richtung Kinderzimmer.
Etwa eine Dreiviertelstunde später krabbelte sie vergnügt im Wohnzimmer auf und ab. Ayesha nahm dies nur mit einem kühlem Blick zur Kenntnis. Madeleine war jetzt schon ein kleiner Wirbelwind. Und vor ihren neugierigen kleinen Fingern war nichts mehr sicher. Plötzlich lies mich ein lautes Klopfen zusammenfahren. Es kam von der Spiegelkammer. Doch da es viermal geklopft hatte, wusste ich schon wer vor der Tür stand. Normal war die Tür auch nicht verschlossen, doch seitdem ich hier war, bestand Erik darauf die Tür zuzuschließen. Es sei besser so meinte er. Und im stillen gab ich ihm Recht. Man konnte nie wissen, wer auf einmal durch die Türe kommen konnte. Also beeilte ich mich sie aufzuschließen und Nadir hereinzulassen.
Guten morgen Madame! Ich hoffe ich komme nicht ungelegen zu so früher Stunde. – Er war wie immer die Höflichkeit in Person- Aber ich habe Neuigkeiten die euch interessieren dürften. – Guten Morgen Nadir! Nein nein keine Sorge sie sind doch immer willkommen. Nur ich fürchte das die Neuigkeiten noch ein wenig warten müssen. Erik ist gerade nicht da, aber er müsste bald wiederkommen. – So? Nadir sah mich erstaunt an – Wo ist er den hingegangen? – Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen „einkaufen"! Nadir konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen. Das heißt mit anderen Worten, dass der gute Erik wieder einmal dabei ist, dass Frühstücksbuffet der Operndirektion zu plündern! Na schadet den Bäuchen der beiden jedenfalls nicht. – Jetzt konnte ich mein lachen auch nicht mehr zurückhalten. Den damit hatte Nadir auf jeden fall den Nagel auf den Kopf getroffen. Habt ihr schon gefrühstückt Nadir? Wenn nicht leistet uns doch Gesellschaft! – Danke Madame das ist sehr freundlich von euch. Diese Einladung nehme ich doch gerne an.
Wir hatten uns kaum an den Tisch gesetzt, da ging auch schon die Tür auf und Erik kam herein. Und so wie es im aussah, hatte er wirklich das ganze Buffet abgeräumt. Doch bemerkte er auch sogleich Nadir, der am Tisch saß. Oh! Guten Morgen alter Freund was führt dich zu so früher Stunde hier her? Er nahm seinen Hut und den Umhang ab, und stellte einen Korb auf den Tisch. Doch auch Madeleine hatte bemerkt das ihr Vater wieder da war, und unterbrach ihre Entdeckungstour um auf ihn zuzukrabbeln. Er nahm sie mit einem „Dir wünsche ich auch einen guten Morgen mein Schatz!" auf den Arm und setzte sich dann zu uns an den Tisch.
Nadir hat ein paar Neuigkeiten für uns. Und ist deswegen gleich hergekommen. – So welche den? Ich hoffe doch keine schlechten. Nadir schüttelte den Kopf und begann dann zu berichten. Anscheinend hatte die Polizei die Suche nach mir eingestellt. Es hatten sich weder Zeugen gemeldet die mich in den letzten Wochen gesehen hatten, noch sind sie mit den eigentlichen Ermittlungen weitergekommen. Kein Wunder. Geflohen bin ich mitten in der Nacht, wo bestimmt kein normaler Mensch mehr auf die Straße ging. Und seit ich bei Erik bin, sind wir immer erst Abends aus dem Haus gegangen, um die Gefahr zu umgehen gesehen zu werden. Und bei diesen Dingen waren wir äußerst vorsichtig gewesen. Sonst gab es nicht viel neues. Raoul lies sich fast gar nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken, außer um sich mit seinen besten Freunden zu „amüsieren". Nadir meinte auch noch, dass er schon wieder ganz gut aussehe, dafür das seine Frau und seine Tochter verschwunden waren. Und von denen ja auch nach wie vor jede Spur fehlte. Und so wie es schien, war er nie wirklich darüber betrübt gewesen. Wenig später verabschiedete sich Nadir. Er hatte wie immer Verpflichtungen die er nicht aufschieben konnte. Und mit diesen Worten war er verschwunden.
Nach wie vor fragte ich mich, warum er sich so verändert hatte. Das war nicht mehr der Raoul von früher! Nicht der den ich vor vielen Jahren kennengelernt hatte. Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen. Oder war es am Ende doch mein Fehler gewesen? Aber auf der anderen Seite, durch diese Vorfälle in letzter Zeit habe ich wenigstens erkannt wo ich wirklich hingehöre. Das sagte auch schon mein Vater immer zu mir: Jede Situation hat ihre guten und ihre Schlechten Seiten. Es ist alles nur eine Frage der Sichtweise.
Ach ja! Erik wandte sich mir zu – Ich hab dir doch gesagt das ich noch eine Überraschung für dich habe! – Ja und ich muss ehrlich sagen, dass ich schon Angst hatte das du jemanden was antust! – Nein keine Sorge, was ganz anderes. Du wirst dich sicher erinnern, dass ich gestern Abend mit Madame Giry gesprochen habe. – Ja ich wollte dich sowieso fragen um was es dabei ging! – Genau das will ich dir ja sagen. Also ich habe mir überlegt, dass es auf Dauer keine Lösung sein kann weiter hier zu leben. Ich meine ich bin an die Dunkelheit gewöhnt. Aber ich denke dabei mehr an dich und unsere Tochter. Also was hältst du von dem Vorschlag Paris zu verlassen? Irgendwo anders zu leben! Dann währen die meisten Probleme auf einen Schlag beiseitegewischt. Und Raoul wird dich auch nicht mehr finden können. – Jetzt war ich wirklich überrascht. Hatte er gerade wirklich den Vorschlag gemacht Paris zu verlassen? Das konnte ich fast nicht glauben. Und das sagte ich ihm auch. Was hast du dir den da vorgestellt? An welchen Ort hast du gedacht? Aber musste ich auch zugeben das mir der Gedanke auch gefiel. – Nun ich habe mit Madame Giry schon vor ein paar Wochen gesprochen. Sie hatte für mich Erkundigungen angestellt. Es gibt einen Ort, an dem wir neu anfangen können. Boscherville!
Jetzt war es soweit dachte ich mir. Jetzt ist er komplett übergeschnappt. Äh Erik? Begann ich etwas unsicher. Hast du mir nicht erzählt, das du nie mehr dorthin wolltest? Ich meine...! – Ja ich weiß ich habe das gesagt. Doch auf der einen Seite steht dort ein schönes Haus, dass ja eigentlich mir gehört. Doch ich denke, das ich über meinen Schatten springen kann! Und Madame Giry hat für mich in Erfahrung gebracht das es in all den Jahren nicht verkauft wurde. Also steht dem nichts mehr im Wege. Und es soll auch so noch in einem sehr guten Zustand sein. Und ich denke ich weiß auch wem das zu verdanken ist.
