Kapitel 2: Aufstehen!
Am nächsten Morgen erwachte ich zeitig. Die Sonne schien noch nicht durch die Vorhänge. Es würde wohl ein schöner Tag werden. Ich konnte keine Wolken entdecken. Also stand ich kurz auf um das Fenster zu öffnen. Als die kühle Luft hereinwehte, verschwand ich aber eilends wieder im warmen Bett. Durch mein Aufstehen weckte ich Erik, der sonst eigentlich immer vor mir aufstand. Doch mittlerweile, hatte auch er sich daran gewöhnt einfach mal eine Stunde länger liegen zu bleiben.
Das erste was er bemerkte, war das die Fenster offen wahren. – Sag mal bist du des Wahnsinns fette Beute? Oder willst du das ich erfriere? Wenn du mich loshaben willst, nur zu sags ruhig und ich verschwinde! – Fügte er mit einem grinsen hinzu – Ich wünsch dir auch einen schönen Morgen Schatz. Was hast du den gegen frische Luft? –Fragte ich ebenfalls grinsend zurück. – Gegen frische Luft an sich ist rein gar nichts einzuwenden. Doch diese frische Luft ist im wahrsten Sinne den Wortes FRISCH. – Als ich wieder im Bett lag, kuschelte ich mich ein wenig enger an Erik, der mich daraufhin in die Arme nahm. – Wie spät ist es eigentlich? - Kurz nach sechs Uhr! – So früh? – Ja genießen wir die Stille noch ein wenig. Die wird nämlich nicht mehr allzu lange anhalten.
Um ehrlich zu sein, Ich genoss die stille zu zweit sogar sehr.
Rückblick: Frühjahr 1885
Raoul! Nein! Christine schrie entsetzt auf. An Raouls Degen ran ein einzelner roter Tropfen nach unten. Er hatte seinen Gegner an Arm getroffen. Er hatte vor lauter Wut einfach nur zugestochen. Zum Glück für Erik. Er hatte ihn verfehlt und nur leicht am Arm erwischt. Doch war der plötzliche Schmerz so überraschend, dass er seinen Degen fallen lies und auf die Verletzung starrte.
Doch dachte Raoul gar nicht erst seinen Gegner zu verschonen. Er setzte gerade zu einem weiteren Schlag aus, der seinen Gegner wohl mit Sicherheit getroffen und außer Gefecht gesetzt hätte, wenn nicht sogar getötet. Doch auch Christine hatte die Situation erfasst. Sie lief auf beide zu und griff nach Raouls Degen. Doch bei dem Versuch im die Waffe zu entreisen schleuderte Raoul sie mit einem Schlag auf den Boden und wandte sich wieder seinem Gegner zu.
Erik hatte versucht wieder an seine Waffe zu kommen, doch Raoul war schneller gewesen. Nun MEIN FREUND! Wer von uns hat nun das Ruder in der Hand. Ich hätte dich damals schon zur Hölle schicken können. Das ich es nicht getan habe war ein Fehler wie ich jetzt sehe. Doch andererseits kann ich den Augenblick jetzt richtig genießen.
Raoul war weiter auf Erik zugekommen und hielt ihm die Spitze seines Degens entgegen. – Tu was du nicht lassen kannst, aber sie wird dir niemals wieder gehören, dass versichere ich dir. – Oh sag doch nicht so was! Das ist doch lächerlich. Ich gewinne ihr Herz schon zurück mach dir darüber nur keine Gedanken. Und nun FAHR ZUR HÖLLE! Er setzte zu einem weiteren diesmal gut gezielten Schlag an, doch plötzlich hielt er mitten im Schlag inne. Sein Gesicht nahm für Den Bruchteil einer Sekunde einen erstaunten Ausdruck an, dann bemerkte Erik den roten Fleck, der sich auf Raouls Hemd ausbreitete. Raoul drehte sich um und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Christine? Du? Warum ... . Weiter kam er nicht bevor er endgültig zusammenbrach. Hinter ihm stand Christine – in der Hand hielt sie einen blutigen Dolch.
Diesen Tag würden sie beide nie vergessen. Abends als sie nach hause gekommen waren, beschlossen sie alle miteinander, gleich am nächsten Tag aufzubrechen. Paris wurde von einem Tag zum anderen zur brodelnden Gerüchteküche. Der Vicomte de Chagny war tot. Und von einem Mörder fehlte jede Spur. Und da Christine als vermisst galt, wurden auch Gerüchte über die „Ehefrau" des Ermordeten im Keim erstickt.
Das einzige was sowohl Christine als auch Erik nicht so recht verstanden war, dass sie wirklich niemand gesehen haben sollte. Das ganze Personal war im Haus. Und sie waren auch nicht gerade leise gewesen. Den einen Duell auf der Terrasse müsste doch auffallen. Doch das war anscheinend nicht der Fall. Was ihnen eigentlich nur recht sein konnte.
Und so ergab es sich, dass sie noch am selben Abend den Rest ihrer Sachen packten und am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang aufbrachen. Begleitet wurde die kleine Familie von Meg und Nadir. Megs Mutter Madame Giry wollte wenig später nachkommen. Eilende Geschäfte hielten sie noch in Paris. Die beiden wussten ja was passiert war. Und da Erik und Nadir schon wenige Tage zuvor die meisten Sachen nach Boscherville gebracht hatten, mussten sie sich auch nicht mit großem Gepäck aufhalten.
Christine war während der ganzen Reise still und in sich gekehrt gewesen. Der Vorfall der letzten Nacht ging ihr doch sehr nahe. So sehr sich die anderen auch bemühten, nicht einmal Erik gelang es sie aus der Reserve zu locken. Doch beschloss er im Stillen, ihr erst einmal etwas Zeit zu lassen. Nur durch ihre Tochter lies sie sich immer wieder kurz „aufwecken". So betrachtet verlief die Reise recht ruhig. Meg hielt ihr Versprechen nicht für die allgemeine Belustigung zu sorgen ein. Und so traf es sich, das die kleine Gruppe am zweiten Tag abends in Boscherville ankam.
Das konnte ihnen nur Recht sein. So konnten sie sich ungestört in dem kleinen Dorf bewegen, ohne das jemand Fragen stellte, die vielleicht unangenehm werden konnten. Und da das Haus von Meg und ihrer Mutter fast neben dem von Erik und Christine lag, konnten sie auch die restlichen mitgebrachten Sachen schnell hineinbringen.
Doch von einer Person wurden sie erwartet. Von Marie Perault. Erik kannte sie schon seit seiner Kindheit. Sie war die beste Freundin seiner Mutter gewesen. Und auch hatte sie sich ab und zu dazu durchgerungen sich um Erik zu kümmern. Und sie hatte schon immer panische Angst vor Spinnen. Sie musste mittlerweile wohl um die Achtzig sein. Doch war sie für ihr Alter noch erstaunlich Fit. Sie hatte sich seit dem Tod von Eriks Mutter Madeleine um das Haus gekümmert. Eigentlich hatte er gehabt das Haus zu verkaufen. Aber getan hatte er es am Schluss doch nicht. Und im nachhinein war es gar keine so schlechte Entscheidung gewesen. Immerhin wollte er hier mit seiner Familie in Ruhe leben. Auch sie war regelrecht geschockt über die Tatsache, dass eine Frau sich mit Erik einlassen konnte. Hatte sich aber auch genauso schnell wieder unter Kontrolle.
Wenig später verabschiedete sich Erik von Meg. Er hatte ihr angeboten bei uns zu übernachten, damit sie die Nacht nicht alleine in dem neuen Haus verbringen musste, doch sie lehnte dankend ab. Sie sei ja kein kleines Kind mehr, und außerdem währe ja Nadir auch noch bei uns. Da wollte sie sich nicht auch noch aufdrängen.
Als Erik wenige Augenblicke später zu „Hause" ankam, kamen auch ihm die Erinnerungen hoch. Vor nicht allzu langer Zeit, war er ebenfalls vor dem Haus gestanden. Doch hatte er damals die feste Absicht, dass Haus und damit auch die schrecklichen Erinnerungen die er damit verband niederzubrennen. Doch sollte jetzt endlich alles besser werden.
Wir lagen immer noch im Bett. Ich konnte mich einfach nicht überwinden aufzustehen. Es war einfach zu bequem und darüber hinaus, war es im Zimmer mittlerweile eiskalt geworden. Und es war so schön warm unter der Decke. Wie schon gesagt, zum aufstehen konnten wir uns anscheinend beide nicht so richtig durchringen. Also entschloss ich mich dazu einfach noch ein wenig weiterzuschlafen.
Zumindestens solange, bis auf der Treppe ein wohlbekanntes Trampeln erklang. Als ich das hörte sagte ich schmunzelnd zu Erik: Deine Tochter ist aufgewacht. – Doch er brummelte noch im Halbschlaf nur so was wie: Vor Sonnenaufgang ist es deine Tochter. - Und keine zehn Sekunden später wurde auch schon die Schlafzimmertüre aufgerissen, und ein schwarzhaariger Wirbelsturm stand im Zimmer. Maman, Papa aufstehen, es ist Ostern! Kommt schon! Wir sollen doch zu Meg gehen. – Und so schnell sie aufgetaucht war, so schnell war Madeleine auch wieder verschwunden. – Sagtest du irgendwas von Ruhe meine Liebe? Ob Erik meine Antwort verstand, weis ich nicht. Denn ich brummelte eigentlich nur so was wie : Soviel zum Thema friedliche Stille! Doch hatte dies zur Folge das wir doch noch aufstanden.
Rückblick Boscherville: Tag nach unserer Ankunft
Es war seit langem wieder einmal eine ruhige Nacht gewesen. Denn ich brauchte mir keine Sorgen mehr darüber zu machen, dass Raoul plötzlich auftauchen würde um mich zurückzuholen. Über Nacht wurde mir dies nun zum ersten mal wirklich bewusst. Endlich konnte ich ein Leben führen, fern vom Schrecken der Vergangenheit. An der Seite meines Mannes und gemeinsam mit unserer Tochter als richtige Familie. Ich war zwar mit Raoul verheiratet gewesen, doch erst an Eriks Seite wurde mir bewusst, was ich bei ihm so vermisst hatte. Für Raoul war ich eben nur die Frau an der Seite des so bekannten Vicomte de Chagny. Doch Erik sah in mir einfach die Frau die ich war, die er liebt. Und ich liebe ihn.
Als ich so richtig wach wurde, bemerkte ich das Erik wohl schon vor mir aufgestanden sein musste. Wie er es doch auch schon früher so oft getan hatte. Er brauche nie viel Schlaf sagte er einmal zu mir. Und um ehrlich zu sein, machte ich mir deswegen auch keine Gedanken um solche Dinge. Irgendwie gewöhnt man sich an solche „Macken". Und das war bei Gott nicht seine einzige. Doch waren alle nicht sonderlich erwähnenswert. Ich übersah sie mittlerweile einfach.
Wenig später war ich auf dem Weg in die Küche. Ich hatte viel zu lang geschlafen. Es war bereits nach neun. Madeleine schlief noch und wecken wollte ich sie auch nicht. Also lies ich sie weiterschlafen. Unten angekommen hörte ich Stimmen aus dem Wohnzimmer. Die eine gehörte ohne Zweifel Erik. Doch die zweite kannte ich nicht. Es war außer uns nur noch Nadir im Haus. Doch der war schon zeitig aufgebrochen, um Meg zu helfen. Wir hatten das Gepäck gestern Abend nur noch schnell in den Häusern abgeladen, so das heute das große auspacken anstand. Leider. An sich betrachtet ist Verreisen ja ganz schön, doch das ewige ein- und auspacken konnte ich beim besten Willen nicht ausstehen. Solche Sachen mussten halt sein. Also sagte ich auch kein Wort darüber.
Auch meine Neugier war nun geweckt. Also ging ich schnurstracks auf die Wohnzimmertüre zu um diese zu öffnen, als ich bemerkte, dass auch Marie Peraults Stimme erklang. Als ich durch die Türe trat, verstummte sie Augenblicklich. Sie und ihr Begleiter, der ohne Zweifel der Priester des Dorfes war, wie unschwer an seiner Kleidung zu erkennen war sahen interessiert in meine Richtung.
Erik ergriff als erster das Wort, um das plötzliche Schweigen zu durchbrechen. – Guten Morgen mein Engel. Darf ich dir Pater Kare vorstellen, er ist kurz vorbeigekommen um uns in Boscherville Willkommen zu heißen. Pater, meine Frau Christine. – Sehr erfreut eure Bekanntschaft zu machen Pater. – Die Freude ist ganz meinerseits Madame. -
Mademoiselle Perault kennst du ja bereits. – Guten Morgen Mademoiselle Perault. – Guten Morgen. –
Irgendwie gefiel mir der Blick nicht den sie mir bei diesem steifen Guten Morgen zuwarf. Doch der Pater schien ein ganz sympathischer Mensch zu sein. Trotzdem wollte ich keine voreiligen Schlüsse ziehen.
In der Zwischenzeit, hatte ich es irgendwie geschafft ins Badezimmer zu kommen ohne das mir die Augen zufielen. Den im Gegensatz zu Erik brauchte ich meinen Schlaf! Sonst bin ich den ganzen Tag über ungenießbar. Und ich hatte auch nicht vor heute vor Acht aufzustehen. Doch die Rechnung hatte ich ohne meine Tochter gemacht. Seit sie mitbekommen hatte, das wir bei „Oma" und „Tante" Meg zum Frühstück eingeladen waren, war sie ganz aus dem Häuschen. Und die Tatsache, das wir erst gegen elf kommen sollten, war ihr egal. Die Türe ging auf, und Erik betrat den Raum.
Was wenn ich dir sage, das jemand bestimmtes seit gut fünf Minuten unten vor der Haustüre einen Indianertanz aufführt. – Wieso das den? – Wörtlich gesagt: Seid ihr immer noch nicht fertig? Wie lange dauert das denn noch? – Wie bitte? Ist das dein Ernst?
Ich drehte mich um. Er stand vor mir, so das ich in seine dunklen Augen sehen konnte. Er hatte sich in den letzten Jahren verändert. Wir gingen nun öfter unter Leute, und es machte im auch nichts mehr aus das die Leute manchmal doch noch etwas schief hersahen, wenn sie sahen das er eine Maske trug. Besser gesagt, er hatte sich verändert als er erfahren hatte, dass er der Vater unserer Tochter war. Damals hatte ich ihn eiskalt erwischt. Er hatte keine Ahnung das ich eine Tochter hatte als ich bei ihm wieder auftauchte. Und als ich es ihm gesagt hatte, war er erst einmal völlig weggetreten. Aber er liebte seine Tochter sehr.
Und auch heute noch frage ich mich, weshalb ich damals eigentlich mit Raoul weggegangen bin. Hätte ich gleich auf meine innere Stimme gehört, währe ich bei Erik geblieben. Aber nein, ich wollte ja unbedingt mit dem Kopf durch die Wand. Und was hatte ich schließlich davon? Eine überstürzte Flucht, monatelanges Versteckspielen um am Ende auch noch entführt zu werden und einen Mord zu begehen. Ja ich kann ohne zu übertreiben sagen, dass die letzten Wochen in Paris turbulent gewesen waren. Doch nun musste ich wohl erst noch einen kleinen Wirbelsturm bändigen. Doch Erik war schneller. Er nahm mich 9in die Arme und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wie er es so oft tat. Und ich muss offen zugeben, dass es mich immer wieder erstaunte, dass er sich immer noch so schnell bewegen konnte. Und es war genau das, was ich in meiner Beziehung zu meinem Exmann besser gesagt zu meinen toten Exmann vermisst hatte. Einfach nur ohne etwas zu sagen die nähe des anderen spüren. Sich einfach fallen zu lassen. Die Gedanken einfach abstellen und nicht an morgen denken zu müssen. Doch leider hatten auch solche Momente ein Ende.
Gib mir, gib mir nen richtigen Lover, einen der mich hält und bis zum Morgengrauen bleibt.
Ich legte meine Arme um seinen Hals, um sein Gesicht näher zu mir herunterzuziehen. Ich küsste ihn, und schon erklang von unten ein lautes Scheppern. – War ja klar. Immer wenn es Romantisch wird. – Genervt ging ich Richtung Tür, ohne Erik auch nur eines Blickes zu würdigen, der mittlerweile ein schadenfrohes Grinsen aufgesetzt hatte.
Aus Mamma Mia
