Eine Aneinanderreihung völlig sinnloser Ereignisse

Als sie den nächsten Ort, eine Kleinstadt namens „New Datteln" erreichten, setze Carl sie an einem Hotel namens „Coen's" ab und fuhr weiter. Sie hatten sich einfach nichts mehr zu sagen.
Das „Coen's" war ein kleines, nicht gerade berauschendes, aber auch nicht ungemütlich wirkendes Hotel im 30er Jahre-Hollywood-Stil. Ein Blinder, alter Mann saß in der Lobby auf einem Schaukelstuhl. Zumindest schien er blind zu sein. Die Sonnenbrille die er trug und der weisse Stock, den er neben sich auf dem Boden liegen hatte, waren eindeutige Anzeichen dafür, doch dass er Shego hinterher pfiff, als sie an ihm vorbeiging, irritierte sie etwas.
Hinter der Rezeption stand ein Mann mit zerzaustem Haar. Er stand einfach nur da und bewegte sich nicht.
„Hallo?" fragte Shego, doch der Mann bewegte sich noch immer nicht.
Sie war sich noch nichtmal sicher, ob er überhaupt atmete und fragte sich, ob es möglich wäre, im Stehen zu sterben und dabei nicht umzukippen.
„Klingeln!" rief der vermutlich blinde Mann. „Sie müssen klingeln."
Shego tippte den Mann an der Rezeption mit dem Zeigefinger an. Er schwankte und es sah für einen Moment so aus, als würde er jetzt einfach umkippen, doch er blieb stehen. Und vor allem reagierte er noch immer nicht.
„Ist der echt?" fragte Shego den blinden Mann.
„Klingeln sie!" antwortete er.
„Warum?"
„So sind die Regeln. Sie müssen klingeln."
„Was für Regeln?"
„Ich hab die Regeln nicht gemacht, genau so wenig wie Ted."
„Und Ted ist..."
„Die lebende Statue an der Rezeption. Er lebt nach den Regeln, wie kein Zweiter."
Shego sah auf den Tresen. Dort standen eine Klingel und ein Schild mit der Aufschrift: „1x klingeln". Sie erwartete nicht, dass irgendetwas passieren würde, aber trotzdem betätigte sie die Klingel. Ein schriller, scheinbar endlos lang gezogener Ton erfüllte die Lobby. Ted, der Mann hinter der Rezeption, bewegte sich währenddessen noch immer nicht. Allerdings in genau dem Moment, in dem die Klingel verstummte explodierte er regelrecht aus seinem regungslosen Dasein, klatschte einmal in die Hände, machte ein Pirouette, blieb stehen, deutete mit beiden Zeigefingern auf Shego und fragte: „Was kann ich für sie tun?"
„Äh...ich...hätte gerne ein Zimmer?"
„Aber gerne! Einzel-, Doppel- oder Gruppenzimmer?"
Während Ted sprach, fuchtelte er wie verrückt mit den Händen herum.
„Ein Einzelzimmer, bitte."
„Nur für heute Nacht, schöne, grüne Frau?"
„Ja."
In Shegos Augen spiegelte sich der Zweifel an die Zurechnungsfähigkeit ihres Gegenübers.
„Das macht dann exakt 25$, zu zahlen im Voraus und ich brauche ihren Ausweis."
Shego öffnete ihren Koffer. In einem Geheimfach befanden sich 20 unterschiedliche Ausweise und Führerscheine. Sie nahm ohne groß nachzusehen den Ersten heraus und gab ihn zusammen mit den verlangten 25$ Ted, der gerade fröhlich mit den Hüften wackelte und durch die Vorderzähne den David Bowie-Klassiker „Heroes" pfiff.
„Alles klar", sagte er und machte einen Moonwalk zum Fotokopierer.
Während er Shegos Ausweis kopierte, sah sie sich so genau es ging um und versuchte, die versteckte Kamera zu entdecken.
„Für sie, schöne, grüne Frau, Zimmer Nr. 313. Wünsche eine gute Nacht."Er legte ihren Ausweis und den Zimmerschlüssel auf den Tresen und erstarrte wieder. Kopfschüttelnd ging Shego zum Aufzug und fuhr in die dritte Etage.
Als sich die Fahrstuhltür dort öffnete, sah es zuerst aus, als ob der Flur unendlich lang wäre, doch bei genauerer Betrachtung stand nur ein Spiegel am anderen Ende. Gerade, als sie den Schlüssel in ihre Zimmertür steckte, riss jemand die Tür vom Nebenzimmer auf. Shego sprang sofort in Abwehrhaltung. Ein schwarz gekleideter Mann mit langen Haaren, der entgegen eventuell anders lautenden Vermutungen NICHT ICH war, sah Shego an und lächelte ihr zu.
„Hey, ich weiss wer sie sind", sagte er. „Keine Angst, ich werde niemandem etwas verraten. Eine gute Nacht wünsche ich."
Bevor Shego darauf antworten konnte, sprang er rückwärts in sein Zimmer zurück und schlug die Tür zu. Kurz darauf öffnete sich ganz am Ende des Flures eine Tür und eine Frau schrie: „Hören sie auf, mit der Tür zu knallen! Ich will meine Ruhe!"
Der Mann aus Zimmer 312 öffnete die Tür erneut und schlug sie aus purer Bosheit dreimal hintereinander zu. Ohne ein Wort zu sagen, betrat Shego endlich ihr Zimmer. Es war ziemlich klein und die gesamte Einrichtung bestand aus einem Bett, sowie einem Nachttisch und einem Telefon. Shego hatte schon an schlimmeren Orten übernachtet, doch wenn es eines gab, was sie wirklich hasste, dann waren es Hotels, in denen sich das Badezimmer ausserhalb des Zimmers befand. So wie hier. Sie stellte ihren Koffer an die Seite und telefonierte erstmal.
„Dr. Drakkens Geheimversteck, sie sprechen mit Handlanger Nr. 9. Wie kann ich ihnen helfen?"
„Shego hier. Ich hatte einen kleinen Unfall und bräuchte so schnell wie möglich ein neues Auto."
„Ich bin für die Autos nicht zuständig, ich mache hier nur den Telefondienst, tut mir leid. Und eigentlich sollte ich heute gar nicht hier sein, aber Nr. 35 hat sich die Grippe eingefangen und dann musste ich kurzfristig für ihn einspringen."
„Kennst du Wayne?"
„Welchen Wayne?"
„Wayne interessiert's."
„Nein tut mir...ah, jetzt ist der Groschen gefallen. Also für jemanden wie sie war dieser Spruch aber ganz schön platt."
„Und wenn schon. Bekomme ich jetzt ein neues Auto?"
„Von mir nicht, sorry. Nr. 28 ist für den Garagendienst eingeteilt."
„Könnte ich dann Nr. 28 sprechen?"
„Nein, der ist abgehauen. Hat sich den Wagen von Nr. 47 geliehen und ist wie der Teufel losgefahren. Nr. 47 hat so einen echten Geländewagen, wissen sie? Voll das Allround-Teil, so mit Seilwinde und...was weiss ich. Verdammt cooles Teil."
„Erinnerst du dich noch an Wayne?"
„Ja, tut mir leid."
„Wo ist Nr. 28 hin?"
„Woher soll ich das wissen? Ich sitze hier nur am Telefon, aber es laufen Wetten, ob er jemals wieder zurückkommt. Es heisst, er hat mächtig Mist gebaut und müsse sich jetzt als Lamazüchter in Peru verstecken."
Shego knirschte mit den Zähnen und versuchte möglichst ruhig zu bleiben:. „Okay, könntest du jemandem Bescheid sagen, dass er mir ein neues Auto schicken soll?"
„Tut mir leid, wenn ich sie wieder enttäuschen muss, aber Nr. 28 hat auch den Schlüssel für die Garage mitgenommen. Da kommt jetzt niemand mehr rein, also gibt es auch keine Autos. Ich weiss nicht, ob er den Schlüssel absichtlich mitgenommen hat, aber ich glaube, es ist im Eifer des Gefechts passiert.."
„Verbinde mich mal mit Drakken."
„Auch das geht nicht. Der ist gerade mit seinen Roboterfrauen auf Rachefeldzug."
„Sag nicht, er hat sie zum laufen bekommen."
„Doch und nach dem, was bis jetzt zu sehen war, funktionieren sie einwandfrei. Diesmal könnte er es wirklich schaffen."
„Glaube ich nicht. Aber trommele mal ein paar Leute zusammen, die die Garagentür aufbrechen sollen."
„Wir können die Garagentür nicht aufbrechen."
„Und warum nicht?"
„Wenn wir das tun, wird Shego bestimmt böse auf uns werden. So wie das letzte mal, als wir ein Loch in die Wand gesprengt haben."
„Nein, wird sie nicht."
„Und woher wollen sie das wissen?"
„Bist du betrunken oder einfach nur blöd? Ich bin Shego!"
„Hallo Shego, Handlanger Nr. 9 hier, was kann ich für sie tun?"
Das war der Moment, in dem bei Shego alle Sicherungen durchbrannten. Sie riss die Telefonschnur aus der Wand, schleuderte das Telefon auf den Boden und schrie: „Ist denn plötzlich die ganze Welt verrückt geworden?"
Dann fing sie sich langsam wieder. Sie atmete kurz durch, breitete die Arme aus und ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. Dort prallte sie von der Matratze ab und landete auf dem Boden. Einige Sekunden lang blieb Shego dort liegen und starrte verzweifelt an die Decke, bis sich ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht abzeichnete. Aus dem Lächeln wurde ein Kichern, aus dem Kichern ein lautes Lachen, aus dem lauten Lachen ein fast schon hysterisches Lachen. So sehr hatte sie schon lange nicht mehr gelacht und für einen kurzen Moment war sie sich nicht mehr sicher, ob nicht sie vielleicht verrückt geworden war. Doch niemand lacht für immer und so fand auch dieser Lachanfall irgendwann ein Ende. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und legte sich ins Bett. Sie war von all den Vorfällen des heutigen Tages, inklusive des Lachkrampfs, dermaßen erschöpft, dass sie keine Lust mehr hatte sich umzuziehen und auch sofort einschlief.

Dunkelheit.
Tiefste, schwärzeste Dunkelheit.
So dunkel, wie man es sich vorstellen muss, wenn Gott persönlich sagen würde: „So, jetzt mach ich es hier mal dunkel, aber so richtig!"
Eine leise Stimme.
Shegos leise Stimme.
„Maestro?"
Musik ertönte. Ein wirres, lautes Stück elektronischer Musik namens „Girl" von Elektrochemie LK.
Zu den ersten, wild hämmernden Takten gingen die Lichter einer riesigen Showtreppe an und erleuchteten die Dunkelheit. Es war gut zu erkennen, dass ausserhalb der ins Endlose ragenden Treppe noch immer alles schwarz war. Im Takt der Musik ging Shego jeweils eine Stufe dieser Treppe hinab. Sie trug ein leuchtend rotes Ballkleid und dazu passende Schuhe. Am unteren Ende der Treppe warteten vier Tänzer auf sie, die im ersten Moment alle aussahen wie Ron Stoppable, im nächsten Moment aber jemand ganz anderes wurden. Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Als nach 47 Sekunden das schräge Synthesizer-Riff erklang, gab Shego mit ihnen eine toll choreographierte Tanznummer zum Besten.
In dem Moment, in dem die völlig verzerrten Vocals erklingen sollten (1:20 Min), war plötzlich alles still. Die Tänzer waren verschwunden und Shego befand sich auf einem Friedhof. Sie sah sich um. Es stürmte, ein kahler Baum neben ihr warf unheimliche Schatten und ein etwas nervös aussehender junger Mann mit im Wind wehendem Haar und einem Ziegenbart stand auf einem Hügel.
„Gleich ist es trocken! Ausserdem klingelt das Telefon!" rief er ihr zu.
Die Musik machte da weiter, wo sie aufgehört hatte und Shego tanzte leichtfüßig über einige Gräber hinweg. Auf den Grabsteinen standen Namen wie Kim Possible, Kim Possibles Gehilfe, Haustier von Kim Possibles Gehilfen, sowie einige Namen, von denen ihr sowieso niemanden kennt und „U.K. Garage-Musik". Es machte ihr Spaß, auf deren Gräbern zu tanzen, bis aus dem Spaß bitterer Ernst wurde. Eine Knochenhand kam wie das älteste Horrorfilmklischee aus dem Boden und hielt Shego am Bein fest. Sie versuchte sich zu befreien, doch die Hand hielt sie zu fest. Dann kann noch eine andere Hand hinzu, und zog Shego zu sich runter. Immer mehr Hände kamen aus dem Boden und ließen nicht mehr los. Sie hatte nur eine Chance: Endlich aufwachen!

Als sie die Augen öffnete, fühlte sie noch immer den kalten Griff der Hände an ihren Armen und Beinen. Sie fühlte ihn allerdings zu gut. Viel zu gut. Sie versuchte aus dem Bett aufzustehen, doch sie konnte nicht. Langsam brach Shego in Panik aus und machte mit ihren Händen erstmal Licht. Sie sah an sich herab und was sie sah, gefiel ihr überhaupt nicht.
„Wenn ich das jemandem erzähle, wird er es mir definitiv nicht glauben", sagte sie zu sich selbst.
Die Lage, in der sie sich befand, war auch irgendwie schwer zu glauben.
Als Shego sich aufs Bett fallen ließ, verursachte sie ohne ihr Wissen einen kleinen Riss in der sehr alten Matratze. Durch diesen Riss konnte die Spitze einer der Sprungfeder nach draussen dringen, wobei sie ihn sogar noch etwas vergrößerte. Als Shego dann ihren Tanztraum hatte, bewegte sie sich im Schlaf hin und her, was die Matratze zur Aufgabe zwang und die Sprungfedern im Inneren die Kontrolle übernehmen ließ.
Um es kurz zu machen: Shego lag im Inneren ein Gewirrs aus alten Sprungfedern, die zwar schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatten, aber noch immer kräftig genug waren um einen ausgewachsenen Menschen festzuhalten. Es wäre ein leichtes für Shego gewesen, sich daraus zu befreien, doch leider hatte sie sich derart unglücklich darin verfangen, dass ihre Hände, die ein wichtiger Teil in ihrem Fluchtplan waren, keine Möglichkeit hatten nah genug an auch nur eine Spirale heranzukommen.
Plan B: Sie zog und zerrte und zappelte als ob es um ihr Leben ging. Leider galt auch hier das altbekannte Prinzip: „Je mehr man es versucht, desto schlimmer wird es".
Mehr als eine halbe Stunde blieb Shego daraufhin regungslos liegen und dachte angestrengt nach. Die einzige Möglichkeit hier herauszukommen war etwas, das sie normalerweise nie machen würde. Etwas, dessen sie sich auf ewig schämen würde.
„Hallo!" rief sie. „Kann mich jemand hören? Ich brauche Hilfe! Haaallooo!"
„Ja genau", rief der Langhaarige aus Zimmer 312 durch die Wand. „Als ob sie Hilfe brauchen würden!"
„Doch, ich..." Shego seufzte einmal und fuhr dann fort: „...brauche wirklich Hilfe!"
„Und wobei?"
„Ich, äh, stecke hier in einer Lage, die mir zu erklären völlig unmöglich ist! Könnten sie einfach in mein Zimmer kommen und mir helfen?"
„Bin schon da", sagte eine Stimme direkt neben ihr.
Shego quietschte erschrocken. Noch etwas, was sie normalerweise nie macht.
„Wie sind sie hier hereingekommen?" wollte sie wissen.
„Egal, ich bin hier, oder?"
„Aber die Tür war verschlossen und ich habe nichts gehört."
„Wollen sie jetzt mit mir diskutieren oder soll ich sie da heraus holen?"
„Wie wäre es, wenn ich mit ihnen diskutiere, während sie mich hier heraus holen?"
„Nö, aber ich rette sie trotzdem."
„Bitte benutzen sie das R-Wort nicht."„Retten?"
„Genau das. Ich hasse es gerettet zu werden. Ich habe es nicht nötig, gerettet zu werden."
„Sprach die Maus im Magen der Katze. Ich hole eben Werkzeug. Nicht wegrennen."
Als er das Zimmer so lautlos verließ, wie er es betraten hatte, beschloss Shego zwei Dinge. Einmal das Geld, das sie für das Zimmer hingelegt hatte, wieder zurückzuholen und zweitens, den Langhaarigen für diesen abgestandenen Witz kräftig in den Hintern zu treten, sobald sie wieder freikommen würde.

„Shego, richtig?" fragte der Langhaarige, als er überlegte, wo er die Kneifzange ansetzen sollte.
„Und wer sind sie?"
„Man kennt mich nur als den Langhaarigen."
„Kein Name? Wohnhaft in einer billigen Absteige? Wen haben sie umgebracht?"
Der Langhaarige setzte die Zange an einer, wie er meinte, absolut unkritischen Stelle an.
„Meine Mutter, meinen Vater, meine Schwester, meine Nachbarn, eigentlich den gesamten Häuserblock. Dann auch noch das Pflegepersonal der Anstalt, in der ich saß."
„Im Ernst?"
„Nein, ich nutze es nur aus, dass sie sofort das Schlimmste von mir angenommen haben", antwortete er trocken und durchtrennte die erste Sprungfeder. „Aber das tun immer alle, keine Ahnung warum."
„Buhuhu."
„Ärgern sie nie den Mann mit der Zange."
„Drohen sie nie der Frau, die den Mann mit der Zange ärgert."
Der Langhaarige durchtrennte noch eine Feder. Diese schnellte zurück und flog in die andere Ecke des Zimmers.
„Liebeskummer."
„Bitte was?" fragte Shego.
„Liebeskummer. Sie denken jetzt doch sicherlich, dass ich wegen irgendeinem Mädchen hier bin. Die traurige Geschichte einer unerfüllten Liebe. Und weil ich für den Armeedienst nicht tauglich bin, verstecke ich mich in einem miesen Hotel. So etwas haben sie doch sicherlich gedacht."
„Eigentlich habe ich eher gehofft, dass mir die Sprungfeder nicht ins Auge fliegt, aber jetzt wo sie es sagen? Wie war ihr Name?"
„Kein Name. Ich bin nicht wegen Liebeskummer hier, sondern nur so. Vorsicht." Er durchtrennte eine weitere Feder. „Als ich vorhin übrigens sagte, dass ich niemandem von ihnen erzählen werde, meinte ich das so."
„Oh, ein Fan?"
„Nein. Ich halte mich nur aus den Geschäften anderer Leute raus. Können sie ihre Füße bewegen?"
„Nicht viel. Was meinen sie mit „nur so hier"?"
„Interessiert sie das wirklich?"
„Nein."
„Aber ich bin wirklich nur so hier."
„Ich sagte nein."
„Hier stört mich niemand. Ich mag meine Ruhe."
„Also N...e...i..."
„Ich hab sie schon verstanden. Ich rede nur gerne."
„Immerhin singen sie nicht."
Als ob er darauf gewartet hätte, dass Shego das sagen würde, fing er an „Halleluja" von Leonard Cohen zu singen.
„Wissen sie, Langhaariger, die Liste der Dinge, wegen denen ich ihnen in den Hintern treten werde wird immer länger."
„Ich bin ein schneller Läufer. Apropos schnell. Das dauert so viel zu lange. Auf diese Weise sind sie morgen noch hier." Eine Kirchenuhr schlug in der Nähe des Hotels Mitternacht. „Was habe ich gesagt? Es ist schon der nächste Tag und sie liegen noch immer hier."
„Dieser Satz wäre dann Punkt Nr. 12 auf der Liste."
Der Langhaarige überlegte kurz. Er stand auf und ging zur Tür. Shego versuchte zu sehen, was er da machte, doch für sie sah es nur so aus, als ob er sich den Türrahmen ansehen würde. Dann ging er zurück zum Bett und sah sich auch das nochmal genau an.
„Nur mal so aus Neugier. Wenn sie jemand mitsamt dem Bett in dem sie liegen, die Treppe hinunterwerfen würde, könnten sie es doch ziemlich unverletzt überstehen, oder? Ich meine, ich habe so einiges von ihnen in den Nachrichten gesehen und ausserdem sollen sie ja eine hervorragende Athletin sein und so."
Shego zuckte so gut es ging mit den Schultern.
„Lassen sie es uns herausfinden."
Eine Dreiviertelstunde später hörte man ein lautes Geräusch aus dem Treppenhaus des Hotels. Es klang, als ob jemand ein Bett, das er zuvor aufwendig durch einen Hotelflur ziehen musste, mitsamt der darin liegenden Person die Treppe hinab geworfen hatte, woraufhin das Bett in seine Einzelteile zerbrach und dutzende Sprungfedern wie wild durch die Gegend geschleudert wurden. Ted von der Rezeption kümmerte es nicht, denn es war kein einziges Klingeln zu hören und kaputte Betten sind nicht sein Aufgabenbereich. Dem blinden Mann in der Lobby war es auch egal, denn wenn er sich jetzt auf den Weg zum Tatort machen würde, könnte er ja ohnehin nicht sehen, was passiert war. Die wenigen Anderen im Hotel schreckten zwar erst aus ihren Betten auf, legten sich aber beruhigt wieder hin, als sie keine weiteren Geräusche wie Schüsse oder Schreie hörten.
„Alles in Ordnung" fragte der Langhaarige, als Shego aus den Überresten des Bettes kletterte.
„Ich habe mir in die Wange gebissen, aber sonst ist alles in Ordnung. Jetzt brauche ich aber erstmal etwas Schlaf."
„Und worauf?"
„Mein Zimmer hat immer noch einen Boden und der hat bestimmt keine Sprungfedern. Gute Nacht."
Shego zog ein Kissen aus dem Trümmerhaufen und begab sich in ihr Zimmer zurück.
Die restliche Nacht hatte sie übrigens sehr gut geschlafen.