Die Antwort auf die nie gestellte Frage, warum Shego ein Pfannkuchenhaus besitzt
A/N: Bin ich der Einzige, den es stört, dass man hier immer so kurze Kapiteltitel angeben muss?
Shego wachte auf und etwas stimmte nicht.
Während andere Menschen nach dem Aufwachen
erst einige Zeit brauchen um sich überhaupt an ihren Namen zu
erinnern, funktionierte Shegos Verstand ohne größere
Verzögerung so gut wie immer. Dementsprechend dauerte es auch
nicht lange, bis sie herausfand, was nicht stimmte. Es gab einen Arm
zuviel. Da waren einmal ihre beiden Arme und dann noch ein behaarter,
der um ihre Taille gelegt war. Ihr kam noch nichtmal für eine
Sekunde in den Sinn, dass ihr dieser dritte Arm vielleicht über
Nacht aus dem Rücken gewachsen sein könnte. Stattdessen
griff sie sich die überschüssige, äußere
Extremität und warf sie mitsamt der daran hängenden Person
gegen die Wand.
„Okay, was läuft hier falsch, du
Perverser?" wollte Shego von dem Langhaarigen wissen, während
sie ihn mit einer Hand am Hals kopfüber gegen die Wand drückte
und mit der anderen Hand eine nonverbale, glühende Drohung
aussprach.
Der Langhaarige blinzelte mehrfach. Er hatte noch
bis vor einer Sekunde geschlafen und jetzt blickte er einer wütenden
Schwerkriminellen in die Augen. Das müsste wohl jeder erstmal
verdauen.
„Guten Morgen, Sonnenschein", sagte er
schließlich in einem verzweifelten Anfall von Galgenhumor.
„Hübsches Nachthemd."
Sie hatte für ihre zweite Runde Schlaf
diesmal die Kleidung gewechselt.
„Falsche Antwort."
Shego schnipste ihm mit ihrem glühenden
Zeigefinger einmal ans Ohr. Dort würde er jetzt für immer
eine Narbe haben.
„Au. Verflucht, was soll das?"
„Was in aller Welt hat dich geritten, sich in
mein Zimmer zu schleichen und dich an mich zu kuscheln und weiss
Gott, was sonst noch?"
„Es könnte daran liegen, dass mir das Blut
in den Kopf strömt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es
nicht so passiert ist, wie sie gerade erzählt haben."
„Ach, und wie ist es dann passiert?"
„Fangen wir mal damit an, dass das hier gar
nicht ihr Zimmer ist."
Tatsächlich. Rechts von Shego stand ein
völlig intaktes Bett. Ausserdem besaß das Zimmer auch noch
ein funktionierendes Telefon.
„Nächste Frage. Warum bin ich dann hier?"
„Schlafwandeln? Löcher im
Raum/Zeit-Kontinuum? Zauberei? Ausserirdische wollten sie entführen,
haben sie aber nach ein paar Metern verloren? Keine Ahnung wie, aber
ich hatte nichts damit zu tun. Das Letzte, woran ich mich erinnere
war, dass ich wegen ihrem kleinen Bettproblem plötzlich panische
Angst hatte, dass mir dasselbe passiert, weshalb ich beschlossen
habe, jetzt immer auf dem Boden zu schlafen. Dann habe ich von
Eiscremetorten geträumt und hing plötzlich hier, auf dem
Kopf, mit Atemnot und sie haben mich gefoltert. Mein schönes
Ohr."
Shego ließ den Langhaarigen los und er fiel
mit dem Kopf zuerst auf den Boden. Eigentlich wollte er gar nicht
aufstehen, doch als Shego ihm die Hand reichte um ihm aufzuhelfen,
nahm er das Angebot trotzdem an.
„Okay, du hast Glück gehabt", sagte sie
freundlich lächelnd. „So wie es aussieht, war es wirklich
nicht deine Schuld. Zumindest kann ich dir nichts nachweisen"
Trotzdem verpasste sie ihm, kaum dass er
aufgestanden war, einen gezielten Boxhieb in die Magengegend. Der
Langhaarige ging keuchend einige Schritte zurück und lehnte sich
gekrümmt gegen die Wand.
„Wofür war das denn?" röchelte er.
„Ich habe dir doch gesagt, ich werde dir in den
Hintern treten. Allerdings bin ich, nachdem ich etwas darüber
geschlafen habe, zu dem Schluss gekommen, dass ein kräftiger
Schwinger in den Magen vielleicht sogar noch besser wäre."
„Eine weise (hust) Entscheidung. Behaupte ich
jetzt einfach mal."
„Frühstück wäre nicht schlecht."
„Nein danke, ich bleibe hier."
„Hab dich auch nicht eingeladen."
„Gebe ihnen trotzdem einen Ratschlag. Am Ende
der Straße ist „Berts Pfannkuchenpalast", der ist gut.
Besser als der Mist, den sie hier am Frühstücksbüffet
bekommen."
„Ich habe übrigens auch nicht nach einem
Ratschlag verlangt."
„Ich wollte ihnen nur helfen. Ich glaube nämlich
nicht, dass es ein würdiger Tod für die große, böse
Shego wäre, wenn sie in einem schäbigem Hotel an einer
Lebensmittelvergiftung krepiert. Und das mit der
Lebensmittelvergiftung war kein dummer Spruch."
Shego seufzte. Sie seufzte, weil sie ihm glaubte
und weil sie es irgendwie mochte, als „große, böse
Shego" bezeichnet zu werden.
„Okay, ich nehme das Pfannkuchenhaus. Gibt es
noch etwas, das ich wissen sollte?"
Der Langhaarige tippte sich nachdenklich mit dem
Zeigefinger gegen seinen linken, vorderen Schneidezahn.
„Wenn sie sich duschen, passen sie auf. Da lebt
so ein Vieh hinter der Heizung."
„Was für ein Vieh?"
„Kennen sie den Film „Critters"? Nun, das
Ding hinter der Heizung hat keinerlei Ähnlichkeit mit denen."
„Wie sieht es dann aus?"
„Auch nicht wie der Kobold aus „Katzenauge".
Es ist schwer zu erklären, aber es ist ekelhaft. Muss man
gesehen haben, auch wenn ich wünschte, ich hätte es nie
gesehen, weil es so unglaublich hässlich ist."
Gerade, als sie wortlos das Zimmer verlassen
wollte, weil sie das dumme Gelaber nicht mehr ertragen konnte, fiel
ihr etwas auf.
„Hey, einen Moment. Woher weißt du, was im
Damenwaschraum vor sich geht?"
„Es gibt keinen Damenwaschraum. Nur einen
Waschraum mit zwei Eingangstüren. Eine für Damen und eine
für Herren."
Nach einer erfrischenden Dusche hinter
verbarrikadierten Türen, konnte Shego den neuen Tag beginnen.
Falls es wen interessiert: Das Ding hinter der
Heizung stellte sich als Nacktmull heraus. Shego hatte diese
ekelhafte Spezies sofort erkannt, hatte aber keine Lust, die Heizung
heraus zu reissen und den Nager zu töten. Da hat er nochmal
Glück gehabt. Und von seiner Familie, die sich in einem Loch in
der Wand versteckte, wollen wir gar nicht reden.
Wie dem auch sei, nachdem sie sich ihr Geld
zurückgeholt hatte – was einfach war, da Ted keinen Widerstand
leistete – machte sie sich mit ihrem Koffer auf zu „Berts
Pfannkuchenpalast".
„Sieht ja ganz nett aus. Etwas klein, für
einen Palast, aber...jetzt rede ich schon mit mir selbst."
Als sie durch die Tür ging war niemand zu
sehen. Eine kleine Glocke über der Tür kündigte aber
ihr Eintreten an und schon waren aus der Küche Schritte zu
hören.
Bert, der Eigentümer und Namensgeber, war ein
dünner Mann mit einem ebenfalls dünnen Oberlippenbart. Als
er aus der Küche heraustrat und seine Kundin erblickte, schien
es fast so, als ob er jeden Moment anfangen würde, zu weinen.
„Was habe ich Gott nur getan?" wimmerte er.
Shego sah sich kurz um, ob noch jemand hinter ihr
stehen würde, auf den sich Berts Aussage beziehen könnte
und fragte, als sie sich sicher war, dass sie gemeint war: „Was
glauben sie denn, ihm getan zu haben?"
„Es muss etwas schlimmes gewesen sein, wenn er
sie gerade heute zu mir schickt. Sie sind doch diese eine Frau, die
immer so böse Dinge tut, oder?"
„Ja, das kann man sagen."
„Bitte tun sie mir nichts."
„Ich will nur Frühstücken."
„Das ist alles?"
„Frühstück."
„Sie wollen hier nichts in die Luft sprengen
oder stehlen oder mich zu Tode prügeln?"
„Das überlege ich mir noch, aber fürs
Erste begnüge ich mich mit einem Frühstück. Was können
sie mir empfehlen?"
Berts Mundwinkel zuckten kurz vor Erleichterung.
„Pfannkuchen", sagte er.
„Was haben sie noch?"
„Nur Pfannkuchen. Das hier ist Berts
Pfannkuchenpalast, darum gibt es hier nur Pfannkuchen."
„Naja, jeder mag doch Pfannkuchen, oder?"
Shego setzte sich an einen Tisch in der hintersten
Ecke und drehte die Glühbirne an der darüber hängenden
Lampe heraus. So konnte sie den gesamten Laden überblicken, ohne sofort erkannt zu werden.
„Zu niemandem auch nur ein Wort", zischte sie
Bert zu, als er ihr eine Portion frischer Pfannkuchen brachte.
„Ich schwöre es. Oh, verdammt, Gott hasst
mich wirklich."
Die letzte Aussage bezog sich auf zwei Biker, die
ihre Harleys gerade direkt vor dem Pfannkuchenpalast parkten. Bert
rannte zur Tür um Quentin und Robert, so der Name der beiden, zu
begrüßen.
„Die van Helden Brüder! Ihr seid heute aber
früh da! Viel früher als sonst."
Robert, der Größere und Ältere der
beiden, schubste Bert zu Boden.
„Schnauze, du Popel. Ich hoffe für dich,
dass du trotzdem unser Geld hast."
„Ja, natürlich habe ich es schon bereit
liegen", sagte Bert und kroch zur Kasse.
„Kümmere du dich darum, kleiner Bruder, ich
muss pissen."
Quentin grinste, wobei man seine schlechten Zähne
sehr gut erkennen konnte.
„Alles klar, Bob."
Robert verschwand in die Küche, wo sich
übrigens keine Toilette befand, während Bert ein Geldbündel
auf den Tresen legte. Quentin blätterte es kurz durch und
verpasste dem ohnehin schon völlig eingeschüchtertem Bert
eine Ohrfeige.
„Das kommt mir viel dünner vor als sonst.
Betrügst du uns auch nicht?"
„Das...das würde ich doch nie machen. Du
kennst mich."
„Bob wird es nachzählen, wenn er
wiederkommt."
Quentin setzte sich auf einen Barhocker am Tresen
und sah sich um. Erst war er sich nicht sicher, doch bei genauerer
Betrachtung, fiel ihm eine Frau in der dunklen Ecke auf.
„Wer ist denn die?" fragte er Bert.
„Nur ein Gast. Nur ein Gast."
„Und du stellst mich nicht vor? Wo sind deine
Manieren?"
Als Quentin sich auf Shego zubewegte, wollte Bert
eigentlich in Deckung gehen, doch aus irgendwelchen Gründen
wollte er zu gerne wissen, was jetzt passieren würde.
„Hallo schöne Frau." Quentin setzte sich
auf einen Stuhl, direkt neben Shego. „Mein Name ist Quentin und das
ist meine Knarre."
Er zog eine Pistole hervor und richtete sie auf
sein Gegenüber. Shego aß unbeindruckt ihre Pfannkuchen
weiter.
„Weißt du," fuhr er fort, „du hast
sicher schonmal im Fernsehen gesehen, was so ein Ding anrichten kann.
Du hast jetzt die Wahl. Entweder du gibst mir einen Kuss, oder meine
Knarre küsst dich."
Shego schüttete noch eine Portion Ahornsirup
über ihre Pfannkuchen.
Quentin schlug wütend mit der flachen Hand
auf den Tisch und schrie: „Sag mal hörst du schlecht, du
Schlampe?"
Ohne ihn anzusehen nagelte Shego Quentins Hand mit
der Gabel auf dem Tisch fest, packte ihn, noch bevor er schreien
konnte, an den Haaren und schlug seinen Kopf einmal gegen die
Tischplatte. Dann zog sie die Gabel wieder heraus, damit er
unbehelligt den Boden küssen konnte und kickte seine Pistole von
ihm weg. Der ganze Vorgang dauerte keine drei Sekunden.
„Könnte ich eine neue Gabel bekommen? Die
hier ist schmutzig", sagte Shego ruhig.
Bert schnappte sich eine saubere Gabel und
tauschte sie ihm Eiltempo gegen die alte aus. In diesem Moment kam
Robert wieder aus der Küche. Er sah sofort seinen Bruder
bewusstlos auf dem Boden liegen und zog seine Waffe.
„Was ist hier passiert?"
Shego schluckte das letzte Stückchen
Pfannkuchen herunter, tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab und
antwortete: „Er ist gestolpert. Dabei ist er mit der Hand auf
meiner Gabel gelandet und hat sich selbst ein Haarbüschel
herausgerissen."
Robert lächelte und steckte die Waffe wieder
ein.
„Ja, das ist mein kleiner Bruder, wie ich ihn
kenne. Wo ist das Geld?"
„H-h-hier auf dem Tresen", antwortete Bert
fassungslos, dass sie mit dieser Geschichte durchgekommen war, als
plötzlich eine krächzende Stimme erklang.
„Bob, bring sie um. Das Miststück hat mir
das angetan."
„Ja, auch das ist mein Bruder, wie ich ihn
kenne. Lässt sich von einem Mädchen verprügeln. Egal.
Du hast fünf Sekunden, um dir bedeutungsvolle, letzte Worte zu
über...was zum..."
Der Grund, warum er den Satz nicht zu Ende bringen
konnte, war ein Fuß, der ihm ganz plötzlich schneller
entgegenkam, als er erwartet hatte.
Naja. Eigentlich hatte er es überhaupt nicht
erwartet.
Kaum hatte Shego Robert mit nur einem Tritt
niedergestreckt, löste sich ein Schuss hinter ihr und schlug in
der Registrierkasse ein. Quentin hatte noch eine kleine Pistole in
seinem Stiefel versteckt, die exakt zwei Schuss beinhaltete. Den
ersten Schuss hatte er vergeudet. Doch der zweite Schuss...war sogar
ein noch schlechterer als der Erste.
Über das, was dann passierte, gehen die
Erzählungen weit auseinander. Wenn man einen der van Helden
Brüder fragt, streiten sie alles ab. Wenn man die Chance hat
Shego zu fragen, sagt sie nur: „Kann mich nicht erinnern, muss wohl
nix besonderes gewesen sein."
Wenn man aber Bert fragt, erzählt er: „Es
war unglaublich! Diese Frau sprang auf Quentin zu und schleifte ihn
an seiner Nase durch den ganzen Laden, bis sie seinen Kopf gegen den
Tresen, auf dem die Kasse steht, rammte. In dem Moment kam Robert
aber zur Besinnung. Er hielt sie an einem Fuß fest und
dann...ging alles viel zu schnell. Irgendwie wirbelten diese drei
Körper durch die Gegend und...diese Shego ließ ihnen gar
keine Chance. Sie war wie ein wildes Tier! Ich habe dabei ihre Augen
gesehen. Ich träume heute noch davon. Keine schönen Träume,
glauben sie mir."
Fakt ist auf jeden Fall: Shego hat die beiden
Brüder ganz schön übel zugerichtet. Fakt ist auch: Sie
kamen nie wieder in die Nähe von Berts Pfannkuchenpalast.
Kurz bevor sie von Shego nacheinander durch das
Fenster geworfen wurden, fragte Robert Bert: „Wr us dse fu'i'e?"
Der gebrochene Unterkiefer verhinderte eine genaue
Artikulation der Frage: „Wer ist diese Furie?"
Weder Quentin noch Robert sahen sich oft die
Nachrichten an, und waren auch ansonsten ziemlich ignorant, weshalb
sie noch nie etwas von Shego gehört hatten.
Bert verstand die Frage allerdings und antwortete,
völlig berauscht vom Adrenalin und der Hoffnung nie wieder etwas
an die van Helden Brüder zahlen zu müssen: „Das...ist die
neue Besitzerin. Lasst euch also nie wieder hier blicken."
Dann folgte der erwähnte Wurf durch die
Fensterscheibe.
Shego klopfte sich den Staub von den Händen
und ging zurück zu ihren Tisch, um den Koffer zu holen.
„Ich wollte doch nur in Ruhe meine Pfannkuchen
essen."
„Die...äh...gehen übrigens aufs Haus",
warf Bert zögernd ein.
„Ich hätte ohnehin nichts dafür
bezahlt", antwortete Shego auf dem Weg zur Tür. „Schließlich
gehört mir ja der Laden."
Während Bert sofort anfing seine kleine
Notlüge über Shego, als Besitzerin des Pfannkuchenpalastes,
zu bereuen und überlegte, ob sich mit Ausnahme der Person, an
die er jetzt monatliche Abgaben zahlen muss, nichts an seiner
Situation geändert hatte, bemerkte Shego jemanden auf der
anderen Straßenseite.
Eine junge, grau gekleidete Frau, mit
zwei Zöpfen und einer Brille auf der Nase, starrte sie erst an
und rannte dann weg. Irgendwo hatte sie die Frau schonmal gesehen,
sie wusste nur nicht wo oder wann.
