Nach einer weiteren Stunde Okklumentik fiel Hermine wie erschlagen auf ihr Bett und hatte eigentlich nur noch den Wunsch, heute frühs zu Bett zu gehen. Doch diesen Wunsch wollte ihr Snape nicht erfüllen.
Er nahm das Benehmen dieses Vampirs, Walter, zum Anlass ihn als Hauptverdächtigen zu betrachten. Nachvollziehbar. Und eben aus diesem Grund hatte er beschlossen, in seinem Haus nach Beweismitteln und Spuren, die sie zu dem dunklen Lord führen sollten, zu suchen.
Und so kam es, dass sich Hermine schon eine Stunde nach ihrem harten Training mitten auf der Straße, im prallen Sonnenlicht wieder fand.
Während sie den Ligusterweg in Richtung Summersbys Haus entlanggingen, fragte Snape: "Der Sonnenlichtzauber ist die effetktiefste Waffe gegen einen Vampir. Hat euch einer eurer verschrobener Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste diesen Zauber gelehrt?"
"Sie unterschätzen mein Allgemeinwissen, Professor." trumpfte sie auf. "Außerdem hat Professor Lupin damals seine Arbeit wirklich exzellent gemacht. Da hat selbst Neville erstaunliche Leistungen vollbracht." Und ohne es zu wollen musste sie an den Irrwicht in Snapegestalt denken, welchen Neville damals in die Kleider seiner Großmutter gehüllt hatte.
Unweigerlich musste sie grinsen, was ihr einen schiefen Seitenblick des Professors einbrachte. Sie war wirklich froh, dass er gerade eben nicht ihre Gedanken las...
"Lupin.", sagte Snape nur gepresst und schwieg eine Weile. "Nun gut, wenn sie diesen Zauber beherrschen, sollten wir ausreichend geschützt sein."
Endlich blieben sie vor dem Lingusterweg Nummer 15 stehen. Das Haus des Vampirs sah von außen keinen Deut anders aus als das der Nachbarn. Nur der Rasen war ein wenig ungepflegt. Es ging im gleißenden Sonnelicht so gar nichts Bedrohliches von diesem Gebäude aus. Snape ließ seinen Blick in alle Richtungen schweifen, bis er sicher war, dass sie unbeobachtet waren. "Wir müssen vor Sonnenuntergang wieder im Freien sein. Kommen Sie, Miss Granger."
Hermine folge ihm ohne ein Wort der Widerrede, blickte sich stattdessen noch einmal in alle Richtungen um, bevor sie in ihre Hosentasche griff und eine Haarnadel herauszog. "Ich denke nicht, dass sie auf offener Straße Magie verwenden wollen..." erklärte sie nur und machte sich am Schloss der Haustür zu schaffen. "Und ich bin sicher, keiner seiner Nachbarn wird mich dafür anklagen..."
Und schon nach kurzer Zeit sprang die Tür mit einem lauteren Klicken auf.
"Nach ihnen Professor." sagte sie mit einem schwachen Lächeln und bat Snape herein.
Snape sah erst kurz sie, dann das Schloss mit hochgezogenen Augenbrauen an, senkte sie dann wieder auf ein normales Niveau und trat mit seiner Hand am Zauberstab hinein.
Angenehme Kühle und Dunkelheit umfing sie. Offenbar hatte Summersby schwere Vorhänge vor allen Fenstern angebracht. "Gemütlich.", sagte Snape trocken.
Hermine beachtete ihn nicht, sondern trat ebenfalls mit erhobenem Zauberstab hinein. "Ich schlage vor, dass wir unsere Wege vorerst trennen." meinte sie und trat an ihm vorbei. "Ich knöpfe mir sein Schlafzimmer vor."
Ein schwerer, schlimme Absichten unterstellender Blick streifte Hermine, bevor Snape sagte: "Tun Sie, was Sie für das Beste halten, Miss Granger. Ich werde mich derweil im Keller umsehen."
Hermine nickte zustimmend. "Noch etwas. Ich schlage vor wir treffen uns in einer halben Stunde wieder hier. Sollte einer von uns nicht hier sein, dann ist offensichtlich, dass er Schwierigkeiten bekommen hat."
Und mit diesen Worten schlich sie die Treppe hinauf.
Snape stieg indessen in den Keller hinab. Er wollte schon den Lichtzauber einsetzen, als er sich eines Besseren besann und einfach das elektrische Licht einschaltete. Je mehr er lernte, wie ein Muggel zu denken, um so besser war es für ihre Aufgabe.
Der Keller wirkte indes sehr muggelfremd und erinnerte eher an die verborgenen Verliese in Hogwards, in welchen Slytherin persönlich düstere Praktiken ausgeübt hatte: Es war dumpf und kalt hier unten, eine ungreifbares Gefühl von Bedrückung lag schwer auf dem Gemüt. Der Hort einer Kreatur der Dunkelheit.
Snape machte sich daran, alles hier unten einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Die Flecken auf dem Boden mochten wohl getrocknetes Blut sein, waren aber uninteressant. Bemerkenswert hingegen war die Tatsache, dass es keinen Sarg gab. Es war eher ungewöhnlich für Bluttrinker, ihre Schlafstätte außerhalb des sicheren Kellers zu haben. Entweder war Summersby ein ungewöhnlicher Vampir oder... dieses Haus war nicht sein wahres Refugium.
Jederzeit auf einen Angriff gefasst, machte sich Snape daran, die Schränke und Regale in Augenschein zu nehmen. Neben einigen Dingen, die sich hervorragend für Zaubertränke eignen würden, fand er eine ganze Weile nichts von Interesse, bis er einen Schrank öffnete, in dem auf Augenhöhe, fein säuberlich sortiert, seltsame kleine Kärtchen lagen.
Snape nahm eine in die Hand und
betrachtete ein kleines Bild eines Muggels, der wie ein dummes Schaf
in die Kamera glotzte. Und da diese primitiven Bilder sich nicht
einmal bewegten, war dieser Ausdruck auf ewig eingefrohren. Neben dem
Bild standen ein Name, ein Geburtsdatum und noch andere Dinge.
Vermutlich bewiesen die Muggel damit irgendwie ihre Identität.
Dass
es aber so viele Kärtchen waren, legte die Vermutung nahe, dass
sie den Opfern des Vampirs gehörten. Snape zählte sie rasch
durch. Es waren grob zwei Drittel aller Verschwundenen. Summersby
steckte eindeutig hinter den Entführungen.
Mit diesem Fund zufrieden durchsuchte Snape noch den restlichen Keller, fand aber nichts von Bedeutung.
Der Korridor im oberen Stockwerk war mit weißem, gemütlich anmutenden Teppich ausgelegt und Hermine dachte, dass dies sehr ungewöhnlich für einen Vampir war. Auch der Rest der Wohnung machte einen recht menschlichen Eindruck, und sie vermutete, dass das Haus wohl einen anderen Vormieter gehabt haben musste.
Nachdem sie zunächst aus versehen im Bad gelandet war (es war mit roten Fliesen ausgekleidet) fand sie endlich den Weg ins Schlafzimmer.
Wider Erwarten fand sie dort keinen schwarzen Sarg oder ähnliches, sondern einfach nur ein gemütlich anmutendes Ehebett, welches mit dunkelrotem Satin bezogen war.
Nicht schlecht. murmelte Hermine vor sich hin, bevor ihr Blick auf den Kleiderschrank fiel. Na dann mal los. Mit diesen Worten riss sie die Schranktür auf und ihr Blick fiel auf eine ganze Stange voller schwarzer Kleidung, darunter Hemden, Lederhosen und auch einige Mäntel. Nichts Ungewöhnliches für einen Vampir. Ein wenig enttäuscht verschloss sie die Türen
sorgsam wieder und wandte sich dem Bett zu. Vorsichtig hob sie die Bettdecke an und fand auf dem weißen Laken einen Blutfleck, der eher die Dimensionen dessen einer Schlachtbank hatte. Völlig entsetzt und nicht ohne aufzuschreien ließ sie die Decke los und taumelte einige Schritte zurück. Scheißescheißescheiße Versehentlich stieß sie dabei gegen den
Nachttisch und mit einem leisen rascheln fiel ein Stück Pergament zu Boden. Überrascht wandte sich Hermine um und entdeckte einen Briefumschlag, bedruckt mit einem Totenkopf, aus dessen Mund eine Schlange kroch. Das ist doch Voldemords Zeichen... hauchte sie atemlos und griff nach dem Unschlag. Dieser zerfiel jedoch schon bei der ersten Berührung zu einem Häufchen schwarzer Asche.
Snape würde sich freuen über ihre Dummheit, dachte sie betrübt, bevor sie sich weiter umblickte. Wenn sie daran dachte, dass sie selbst auch in diesem Haus gewesen und lebend wieder heraus gekommen war wurde ihr schon ein wenig anders. Viele andere Muggel mussten wohl nicht so viel Glück gehabt haben. Schnell schob sie den Gedanken beiseite und blickte sich weiter um. Ihr Blick fiel sofort auf ein kleines schwarzes
Schränkchen, welches in der Ecke zwischen Fenster und Bett stand. Es war durch ein kunstvoll verziertes Schloss versperrt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand so dumm war und seine privaten Sachen so offensichtlich verbarg. Doch einen Versuch war es wert.
Mit einer geübten Zauberstabbewegung öffnete sie das Schränkchen und ihr Blick fiel auf mehrere Reihen sauber aufgestapelter Flaschen mit einer dunklen Flüssigkeit. Vorsichtig trat sie näher. Dieses Mal würde sie nicht noch einmal denselben Fehler begehen. Auf einen Wink ihres Zauberstabes schwebte die erste Flasche vor ihr Gesicht.
Sie war mit einem vergilbten Etikett beklebt, welches nur sehr unordentlich beschriftet war. Nur sehr mühsam konnte sie die verschnörkelten Buchstaben entziffern. Jeremy Houston, gest. 07. 11. 2003 Oh mein Gott! Dieser Typ hatte den Ehemann ihrer Nachbarin umgebracht!
Da Hermine noch nicht da war, sah sich Snape ein wenig in der Nähe der Eingangstüre um. Das Haus erweckte ganz und gar nicht den Eindruck, als hätte sich hier ein Vampir niedergelassen. Vermutlich war es nur ein kleinerer Unterschlupf.
Als Hermine endlich die Treppe hinabkam, fragte Snape nur: "Und? Etwas interessantes im Schlafzimmer gefunden?" Sein Tonfall war dabei mehr als ölig.
Hermine wartete mit der Antwort bis sie die letzte Treppenstufe erreicht hatte. Sie trug eine Flasche gefüllt mit einer dunklen Flüssigkeit bei sich, welche sie Snape in einer geschmeidigen Bewegung übergab. "Das ist das Blut von Mrs Houstons Ehemann." bemerkte sie kühl. "Er scheint diese Blutkonserven neben seinem Bett zu lagern, wie es manche Muggel mit ihrem Kühlschrank tun." Sie machte eine kurze Pause um Snapes Reaktion zu studieren.
Snape verbarg seine Überraschung, dass Hermines Untersuchungen doch etwas zu Tage gebracht hatten, hinter einer provokanten Fragen: "Was glauben Sie, Miss Granger... Ist die Verwendung von Menschenblut in Zaubertränken verwerflich?"
"Ich weiß nicht was sie mit dieser Frage bezwecken Professor. Aber ich denke, wenn es sich um welches handelt, welches ohnehin schon vergossen ist, kann man eine Ausnahme machen." Sie machte keine Anstalten ihm die Flasche wieder weg zu nehmen. "Doch das ist nicht alles." setzte sie ihren Bericht fort. "Ich habe auf seinem Nachttisch einen Brief gefunden, welcher das Siegel des dunklen Lords trägt."
"Das ist mehr, als ich erwartet hatte.", sagte Snape gedankenverloren. "Nun, wo ist er?"
Zuerst machte Hermine Anstalten eine Antwort zu geben. "Ich weiß dass sie mich schelten werden." begann sie schließlich. Es war ersichtlich, dass sie sich zunehmend unwohl in ihrer Haut fühlte. "Er...ist zu Staub zerfallen, als ich ihn aufheben wollte." rückte sie schließlich mit der Wahrheit heraus, hielt dabei aber den Kopf dabei weit gesenkt, so als würde sie etwas sehr interessantes zu ihren Füßen entdeckt haben.
Snape Lippen wurden schmal und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. "Das ist... betrüblich.", erwiderte er leise. "Ich vermute jedoch, dass der Dunkle Lord diesen Brief mit allen nur erdenklichen Schutzzaubern versehen hat. Er wäre /vermutlich/ für niemand Anderen als Summersby lesbar gewesen." Obwohl er somit einige Schuld von ihr nahm, wirkte er mehr als ungnädig. "Er beweist auf jeden Fall eine Verbindung zwischen Du-weißt-schon-wem und diesem Vampir.
Im Keller habe ich zudem Namenskarten der Opfer mit Bildern gefunden. Ein Großteil der Verschwundenen haben wir Summersby zu verdanken.
Denken Sie, dass es von Sinn wäre, diese Polizeiwächter auf das hier aufmerksam zu machen?"
Hermine schien einen kurzen Moment lang zu überlegen bevor sie ihm eine Antwort gab. "Ich denke, wir sollten nichts überstürzen, so lange nicht alles bewiesen ist. Sie wissen ja, dass die Muggel die Existenz alles Nichtmagischen strickt in ihrer Weltanschauung ablehnen.
Daher glaube ich nicht, dass sie uns diese "Vampirgeschichte" so einfach abkaufen. Doch ich schlage vor, dass wir zunächst Dumbledore von unseren Fortschritten berichten. Vielleicht weiß er, wie wir weiter verfahren sollten."
"Das ist... ein besonnener Vorschlag.", sagte Snape. "Lassen Sie uns gehen, bevor man uns wegen Einbruchs verhaftet."
