Snape wartete geduldig, bis Hermine am nächsten Morgen die Augen aufschlug und die Decke anstarrte. "Erneut einen guten Morgen, Miss Granger. Wenn Sie nicht wünschen, dass ich jeden Tag das zweite bin, das sie sehen, sollten Sie von nun an auf mich hören und trinken, was ich ihnen rate."
Hermine wandte das Gesicht nicht zu ihrem Professor um, sondern musterte angestrengt die Decke. "Sagen sie ruhig, dass ich ein dummes Huhn bin. Ich könnte ihnen nicht mal böse sein, weil ich weiß dass sie Recht haben." sie lächelte säuerlich. "So langsam muss ich mir echt was außergewöhnliches für unser Frühstück einfallen lassen."
So etwas wie ein Lächeln huschte kurz über Snapes Lippen, doch verschwand es rasch in seinem gewohnten Ausdruck der Unnahbarkeit. "Bleiben Sie bei Brötchen, Miss Granger. Mein Hals ist unbekömmlich.", sagte Snape nur und erhob sich. "Lassen Sie sich die Sache eine Lektion bezüglich Ihres Stolzes sein."
Endlich wandte sie sich zu ihm um. "Jedenfalls sind wir jetzt quitt." sagte sie mit einem schwachen lächeln. "Wie sie sehen kann ich mich ebenso wie ein durchgedrehter Teenager benehmen. Man muss mir nur einen Anlass geben." Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie ihre Jeans. Sie hatte schon wieder in ihnen geschlafen. "So langsam frage ich mich, wozu ich noch einen Schlafanzug brauche..."
Snape ging zur Tür ohne sich umzudrehen. "Oh, ich hoffe doch, dass Sie die folgenden Nächte noch Gelegenheit haben werden, ihn zu benutzen. Es sei denn, sie wollen mich durch Schlafentzug umbringen."
Hermine lächelte schwach und rieb sich den Nacken. "Das wäre doch mal was anderes." sagte sie zu sich selbst, bevor auch sie den Raum verließ.
Nach
dem Frühstück machte sich Hermine auf den Weg zu Mrs
Houston. Sie hatte sich vorgenommen ihr von der Entdeckung in Mr
Summersbys Haus zu erzählen. Auch wenn sie nicht wusste, ob man
ihren Worten Glauben schenken würde, so dachte sie doch, dass
die Frau das Recht hatte vom Schicksal ihres Mannes zu erfahren. Denn
Hermine konnte sich vorstellen, dass es schrecklich sein musste in
solcher Ungewissheit zu leben.
Sie klingelte an der Vordertüre,
doch als nach dem 3. Male keiner öffnete, wurde sie unruhig.
"Sicher ist sie nur ausgegangen." murmelte sie, als ihr
Blick auf seltsame Spuren am Türschloss fiel. Das sah so ganz
und gar nicht nach normalen Gebrauchsspuren aus. Einbruchsspuren, war
ihr erster Gedanke. Der Einfall selbst nachzusehen schoss ihr durch
den Kopf. Doch sie besann sich eines Besseren und eilte zu Snape um
ihm die Geschichte zu erzählen.
Der hörte ihr konzentriert zu und fragte dann nur: "Werden wir Ärger mit den Wächtern bekommen, wenn wir uns das Haus ansehen?"
Hermine jedoch schenkte ihm ein siegessicheres Lächeln als Antwort. "Nun, es kommt ganz darauf an, wie wir es anstellen... "
Hermine hatte einen Zauber vorgeschlagen, welcher sie wie ein Tarnumhang verhüllte. Sie hatte ihn in den unzähligen Büchern entdeckt, welche Dumbledore ihr mitgegeben hatte.
Sie hätte schwören können, dass einige von ihnen nicht nur Schulstoff behandelte, den man in Hogwarts während ihrer Abwesenheit unterrichtete, sondern stattdessen höhere Magie beinhalteten, welche man den Schülern vorenthielt. Doch da der Direktor ihre Wissbegierde kannte, hatte er ihr wohl diese interessante Freizeitgestaltung ermöglicht.
Keine Viertelstunde später schlich das Mädchen schließlich gemeinsam mit Snape durch das Haus und war auf der Suche nach Spuren. So wie es aussah, hatte hier wirklich ein brutaler Einbruch stattgefunden. Doch zu Hermines Verwunderung waren Schränke und Schubfächer unberührt.
Snape jedoch schien sich nicht übermäßig zu wundern. Er schnupperte die Luft und sah sich eingehend scheinbar unwichtige Details an. "Hier wurde Magie verwendet.", stellte er schließlich fest.
Hermine nickte und lächelte über ihre Dummheit. Natürlich hatte er ihre Zustimmungsbekundung nicht sehen können. "Die Todesser?" fragte sie unsicher.
"Keiner vom Orden, würde ich behaupten.", erwiderte Snape bissig. "Ich frage mich..." Ein kurzes Schweigen trat ein. "Sie haben einen Dämpfungszauber benutzt. Sonst hätte ich sie spüren müssen, da ich regelmäßig den Trank der wahren Sicht zu mir nehme."
"Und was bedeutet das?"
"Sagten Sie nicht, sie hätten gestern Abend jemanden wiedererkannt?"
"So ist es." bestätigte Hermine. "Es war einer der Nachbarn, die zu unserer Einzugsfeier gekommen sind. Meinen sie, dass er uns nachgestellt haben könnte und eventuell weiß, aus welchem Grunde wir hier sind?"
"Ich glaube, dass er auf der Feier war, um uns auszuspionieren. Aber wenn die Todesser gewusst hätten, dass sich Zauberer in ihr Spiel einmischen, hätten wir die erste Nacht nicht überlebt. Und gestern Abend habe ich ihm einen ausgewachsenen Amnesia-Fluch entgegengeschleudert. Er wird nicht wissen, dass wir es waren."
"Was tun wir jetzt?" fragte Hermine nach einer ganzen Weile des Schweigens. "Ich habe irgendwie das Gefühl, die Zeit rennt uns davon." noch immer bewegte sie sich in Kreisen durch das Haus und suchte nach Hinweisen. Doch es war vergeblich. Wer auch immer den Einbruch verübt hatte, hatte gute Arbeit geleistet.
"Sie machen sich Sorgen um Mrs Houston?", fragte Snape.
"Ja das tue ich." Und dann fügte sie nach kurzem zögern hinzu. "Ich wünscht ich hätte diesen Kerl gestern umgebracht. Dann würde sie vielleicht noch leben."
"Gebrauchen Sie Ihren Verstand, Miss Granger.", erwiderte Snape, der ihre Sorge als Schwäche ansah. "Mrs Houston wurde von einem Todesser entführt, nicht von Summersby. Wir werden unserem Nachbarn einen Besuch abstatten."
Und schon war Hermine aus dem Haus ins Freie geeilt. "Dann lassen sie uns keine Zeit verschwenden."
"Nicht so voreilig, Miss Granger.", rief Ihr Snape hinterher und folgte ihr ins Freie. Ein vorbeischlendernder Passant sah sich verwundert um, da er Stimmen hörte, aber niemanden sah. Als er endlich fort war, zischte Snape gepresst. "Sie wollen einfach so in das Haus eines Todessers stürmen?"
Hermine seufzte. "Entschuldigen sie." sagte sie niedergeschlagen. "Sie haben wie immer Recht. Nein, es ist sicher besser wenn wir Vorkehrungen treffen."
"Der Drang vorwärts zu stürmen wird sie eines Tages zu einer berühmten Hexe machen, Miss Granger.", sagte Snape zynisch. "Oder zu einer toten Hexe. Ich werde über uns ebenfalls einen Dämpfungszauber sprechen, falls es dafür noch nicht zu spät ist."
"Außerdem benötige ich Veritasserum. Todesser sind allgemein sehr verschwiegen." Seine Stimme entfernte sich bereits in Richtung Haus.
Hermine
folgte ihm und nahm den Zauberspruch von sich, als sie die Haustür
hinter sich geschlossen hatte. Dann folgte sie dem Professor in den
Keller um sich von seinen weiteren Plänen in Kenntnis setzen zu
lassen.
Als sie jedoch an der Kellertür klinkte war diese
verschlossen.
Snapes Stimme drang nur leise an ihr Ohr und zwischendurch hätte sie schwören können, auch Dumbledore zu hören. Nach einer Weile klickte das Schloss und Snape eilte heraus, so dass er beinahe mit ihr zusammen stieß. "Der Schulleiter ist besorgt über diese Entwicklung. Er war auch nicht sehr erfreut über meine Vorgehensweise, Summersby ausfindig zu machen..."
Hermine sagte jedoch nichts, sondern musterte ihn nur mit zusammengekniffenen Augen. "Und was heißt das jetzt für uns? Wir MÜSSEN diesen Mistkerl finden. Mrs Houston könnte noch am Leben sein!"
"Das bedeutet, dass ich diesen Todesser aufsuchen werde.", dämpfte Snape ihren Enthusiasmus. "Der Schulleiter meint, ich hätte sie schon genug in Gefahr gebracht."
"Aber... das ist nicht gerecht." begann sie und ihre Augen weiteten sich dabei gefährlich. "Diese Geschichte mit dem Vampirbiss ist nicht MEINE Schuld." protestierte sie. "Außerdem haben wir zu zweit doch eine bessere Chance."
"Sie sehen es als Strafe, dass ich Sie nicht in Todesgefahr bringe?" Snape schüttelte den Kopf und schob sich an ihr vorbei. "Außerdem muss jemand diese Polizeimänner benachrichtigen. Und ich bin wohl kaum der Richtige, ihnen Rede und Antwort zu stehen."
Hermine schnaubte verächtlich als sie das hörte. "Sie verstehen gar nichts. Es geht hier nicht um meinen Stolz. Ich bin in Sorge. Aber dieses Gefühl scheint ihnen wohl fremd zu sein." murmelte sie und schenkte ihm einen ungnädigen Blick. "Aber gut. Wenn Dumbledore es so möchte. Sie sprachen vorhin von einem Dämpfungszauber." ihre Stimme verriet jedoch, dass das Thema damit nicht für die erledigt war.
Snape drehte sich oben angekommen um, schwenkte seinen Zauberstab und rief: "Magica latero." Ein fades Licht schlängelte sich auf Hermine zu, legte sich über sie und sank in sie hinein. "Ich verstehe nichts und Sie sind von Weisheit erleuchtet.", sagt Snape verärgert. "Die Arroganz der Jugend ist immer wieder bemerkenswert." Während er den Zauber noch einmal auf sich wirkte, eilte er bereits zur Haustüre.
Snape stand vor der Tür ihres unscheinbaren Nachbarns, wieder in die Muggelgestalt gehüllt, und drückte den Knopf neben dem Namen „Mattau". Das schrille Klingeln war eine Beleidigung für die Ohren. Snape verstand nicht, warum die Muggel verlernt hatten, Glocken und Türklopfer zu verwenden.
Eine Weile tat sich nichts, doch dann wurde ein Vorhang am Fensterchen neben der Türe aufgezogen, misstrauische Augen linsten heraus. Kurz darauf wurde innen eine Kette entfernt und die Tür schwang auf. „Ah, Severus Granger! Mein neuer Nachbar.", begrüßte ihn Mister Mattau mit einem überschwänglichen Grinsen, das allerdings ein wenig wackelig wirkte. „Was kann ich für Sie tun?"
„Nun, es ist mir etwas peinlich.", sagte Snape. „Mein Essen steht auf dem Herd und mir ist das Salz ausgegangen, können Sie mir vielleicht aushelfen?"
Sein Gegenüber bekam kurz große Augen, grinste dann noch breiter und murmelte. „Ausgezeichnet." Und laut dann: „Aber natürlich, Nachbar. Kommen Sie rein."
Etwas gefiel Snape an seinem Auftreten ganz und gar nicht und es roch irgendwie nach Falle, auch wenn das unmöglich war. Er folgte dem Todesser in die Küche, schaute aus dem Fenster, ob sie unbeobachtet waren und während der andere das Salz aus dem Schrank holte, traf ihn Snapes Stupor-Fluch mitten im Kreuz.
Der
vor Erstaunen aufgerissene Mund kam Snape mehr als gelegen. Er flößte
ihm drei Schluck Veritasserum ein und nahm den Fluch von dem
Todesser. Schluckend und hustend kam der Mann zu sich und sah Snape
mit aufgerissenen Augen an.
"Der Dunkle Lord wird sehr
unzufrieden sein.", sagte Snape kühl. „Und nun sprich, bevor
die Dementoren erscheinen um Dich nach Askaban zu bringen."
Noch
immer wütend eilte Hermine ins Wohnzimmer, wo sie sich den
Telefonhörer schnappte und die Nummer der örtlichen
Polizeistation wählte. Am anderen Ende der Leitung klingelte es
dreimal, bevor ein älterer Mann mit sehr tiefer Stimme den Hörer
abnahm.
Hermine berichtete ihm so schnell es ging davon, dass im
Haus ihrer Nachbarin niemand die Tür öffnete und das an der
Tür verdächtige Einbruchsspuren zu finden waren. Den Rest
der Geschichte verschwieg sie allerdings. Sie war sich sicher, dass
den Beamten ein Besuch auf eigene Faust so ganz und gar nicht recht
war.
Als sie das Gespräch schließlich beenden wollte
hörte sie ein seltsames Rascheln hinter sich, doch gerade als
sie sich umdrehen wollte, spürte sie, wie ein schmerzhafter
Zauberspruch sie traf und sie zu Boden fiel, bevor sie zum dritten
Male binnen weniger Tage das Bewusstsein verlor.
In Gedanken verloren, über das was er gehört hatte, ging Snape zurück zu ihrem Haus und sah mit Zufriedenheit, dass die Polizei eingetroffen war. Doch seine Zufriedenheit wich einer finsteren Ahnung, als er erkannte, dass die Polizei auch vor seinem Haus stand.
Gerade, als er die Haustür erreichte, trat eine Polizistin hinaus. „Mister Granger?"
„Ja?"
„Wir haben einen Anruf von Ihrer Tochter erhalten, dass bei Ihrer Nachbarin eingebrochen wurde. Nun ist sie selbst verschwunden."
„Nun, wir hatten einen Streit...", begann Snape, doch die Polizistin schüttelte nur den Kopf. „Ich glaube nicht, dass sie fortgelaufen ist. Der Hörer liegt nicht auf der Gabel und es sind einige seltsame Fußabdrücke auf dem Teppich."
Snape nickte gedankenverloren und ging ins Haus. Deswegen hatte es nach Falle gerochen. Dieser Todesser, der sich Mattau nannte, hatte es gewusst.
„Mister Granger?", begann die Polizistin erneut. „Wir haben da einige Fragen zu den seltsamen Substanzen in ihrem Keller."
Snape seufzte. Diese Muggel waren immer dann im Weg, wenn man es eilig hatte. Einige Gedächtniskorrekturen vorzunehmen, war nicht ganz einfach. „Aber natürlich.", antwortete er. „Kommen Sie doch mit, es wird sich alles aufklären lassen."
