Auch
in dieser Nacht träumte Hermine, doch nicht wie sie erwartet
hatte von
Voldemord oder einem Attentat, sondern von Snape. Es war
ein sehr ungestümer
Traum, der ihr bei genauerem darüber
nachdenken die Schamesröte ins Gesicht
trieb. Doch sie wusste
besser als jeder andere, dass man nichts für seine
Träume
konnte. Zumindest blieb der Hoffnungsschimmer, dass sie
weder
Okklumentikstunden noch einen Besuch von Summersby bekommen
würde und so das
Geträumte wirklich ihr Geheimnis blieb.
Dennoch war die nächste Zaubertrankstunde mehr als
unangenehm. Ständig sah
sie Snapes Gesicht vor sich, wie sie
es im Traum gesehen hatte und es half
auch nichts, wenn sie sich
krampfhaft bemühte ihn nicht an zu sehen. Seine
Stimme, diese
wunderbar tiefe Stimme, blieb und drängte sich erbarmungslos
in
jeden Winkel ihres Bewusstseins.
Die unvermeidliche Folge dessen
war, dass auch in dieser Stunde ihr Trank in
Flammen aufging,
statt dass er friedlich vor ihr im Kessel blubberte. Doch
Snape
schien es aus irgend einem Grund nicht zu sehen und sie war
froh
darüber. So schnell sie konnte beseitigte sie selbst das
Chaos und setzte
dann zu einem neuen Versuch an, der in einer viel
zu wässrigen Brühe
endete, die sie Ron beim Gehen
schnell in die Hand drückte und ihm
erklärte, dass sie
mit Mc Gonagall mit der Bibliothek verabredet war. Schon
im
nächsten Moment hatte sie den Kerker hinter sich gelassen und
brauste
stattdessen in Richtung Krankenflügel. Harry würde
ihr sicher ein wenig
Ablenkung verschaffen.
Snape hatte Hermine in dieser Zaubertrankstunde nicht ein einziges Mal angesehen und tat es auch jetzt nicht, als sie aus dem Unterrichtsraum floh. Dennoch war er sich ihrer Präsenz die ganze Zeit über mehr als deutlich bewusst. Zu bewusst, wie er fand. Natürlich war es ihm nicht entgangen, dass Hermines Trank... Miss Grangers Trank, korrigierte er sich, lichterloh gebrannt hatte. Doch zu seinem Glück hatte Goyle in dem selben Augenblick seinen Trank nahe an die Selbstvernichtung gebracht und so konnte sich Snape guten Gewissens darum kümmern, dass der untalentierte Slytherin einige unauffällige Hilfe von ihm erhielt.
Als das Gewölbe endlich in würdiger Stille und vollkommen verlassen dalag, setzte sich Snape auf einen der Tische und besah finster den Platz, auf dem Hermine gesessen hatte. Die ganze Sache war absurd, eigentlich lächerlich. Er ließ sich von einem kleinen Traum aufscheuchen wie ein Teenager.
Doch er konnte sich nur all zu gut an dieses seltsame Gefühl nach dem Aufwachen erinnern, dass etwas nicht gestimmt hatte. Kurzzeitig hatte er mit dem Gedanken gespielt, Professor Trelawney aufzusuchen, um sie wegen des Traums zu konsultieren. Aber der Gedanke, sie würde den ganzen Traum gleich als Omen für Hermines grausamen und schmerzhaften Tod durch seine Hand interpretieren – oder sonst solch ein Unsinn – hatten ihn diesen Einfall ganz schnell verwerfen lassen.
Er fand es dennoch seltsam, dass Miss Granger heute selbst neben sich gestanden hatte. Ob sie vielleicht... Snape schüttelte energisch den Kopf und stand auf. Das alles war eines Slytherin unwürdig! Zornig auf sich selbst rauschte er aus dem Zimmer.
Harry
sah an diesem Tag schon wesentlich besser aus als bei ihrem
letzten
Besuch. Bereits als sie die Tür hinter sich
geschlossen hatte begrüßte er
sie mit einem sonnigen
Lächeln und winkte ihr mit dem frisch reparierten
Besen
zu.
"Ich kann morgen entlassen werden." jubelte er und
umarmte sie, sobald sie
in Reichweite war. "Dann kann ich
endlich wieder Quiddich spielen."
Hermine nickte und
tätschelte ihm lächelnd den Kopf. "Hast es ja lange
genug
hier drin aushalten müssen, nicht wahr?"
Harry
nickte energisch, zog dabei einen Schmollmund, was Hermine erneut
zum
Lachen brachte. "Aber hey, es ist ja nur noch bis
morgen..."
Doch am nächsten Morgen, so erfuhr
Hermine, sollte Harry Potter nicht
entlassen werden. Jemand hatte
heimlich seinen Heiltrank mit einem anderen
vertauscht, welcher
Nacheinander jeden einzelnen Muskel im Körper lähmte
und
derjenige früher oder später an Erstickung oder
ähnlichem starb.
Harrys Glück war es gewesen, dass
Madam Pomphrey gerade noch rechtzeitig in
das Zimmer geeilt war,
sie hatte wohl seltsame gurgelnde Geräusche aus dem
Zimmer
gehört, und ihn unter die Lebenden zurück geholt hatte.
Snape
saß an dem Tisch in seinem Büro und besah das halbleere
Fläschchen vor sich mit konzentriertem Blick. Es gab ihm ein
gehöriges Rätsel auf. Irgend jemand in Hogwards hatte zum
zweiten Mal versucht, Potter umzubringen. Inzwischen glaubte er nicht
mehr, dass Draco dahinter steckte. So verbohrt war er nicht. Es war
ohne Frage das Werk eines Dieners des Dunklen Lords.
Doch das war
nicht das irritierende an diesem Trank. Gifte waren nicht Bestandteil
des normalen Unterrichts und gerade dieser hier war ein kleines
Meisterwerk. Wer auch immer ihn gebraut hatte, musste sehr viel
Talent für Zaubertränke besitzen. Und er hatte eine Flasche
aus Snapes Klassenraum verwendet. Von Filch über irgend einen
Schüler bis hin zu einem Lehrer könnte jeder diese Flasche
genommen haben. Aber sie bewies ohne Zweifel, dass der Trank in
Hogwards gebraut worden war.
Übel gelaunt eilte er durch die düsteren Kellergänge Hogwards, und sein Kopf grübelte immer noch über eine Lösung nach.
Fast
liebevoll streichelte Hermine das vergilbte Pergament mit ihren
Fingern als sie kaum spürbar die gelesenen Worte mit ihren
Fingern verfolgte. "Die Geschichte Hogwarts" hauchte sie
atemlos und blickte sich ein letztes Mal misstrauisch in der dunklen
Bibliothek um. Nachts war einfach die beste Zeit um hier ungestört
lesen zu können, auch wenn die klirrende Kälte des
Steinbodens ihr so einiges abforderte. Seufzend zog sie die
mitgebrachte Wolldecke ein wenig enger um sich und leuchtete mit
ihrem Zauberstab auf das Pergament.
"Na dann wollen wir
mal..."
"Können Sie auch keinen Schlaf finden?", erklang auf einmal Snapes Stimme kühl aus dem Dunkeln und der Professor trat in den Lichtschein des Zauberstabs. "Miss Granger?"
Wie
vom Blitz getroffen ließ Hermine ihren Zauberstab fallen und
das Licht erlosch. Einen leisen Fluch murmelnd kramte sie im Dunkeln
ihre Sachen zusammen und schlug das schwere Buch zu. "Das
gleiche gilt wohl auch für sie." murmelte sie in die
Dunkelheit und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, was sie von
der unerwünschten Unterbrechung hielt.
"Ich habe eine
Menge nachzuholen, so dass Tags nicht viel Zeit für private
Interessen bleibt." erklärte sie schnell fand dann
schließlich ihren Zauberstab und entfachte erneut angenehm
warmes Licht.
"Und was treibt sie hierher?"
"Der Wissensdurst, was sonst?", erwiderte er ein wenig sanfter, nun da er keine schlechten Absichten mehr vermutete. "Der einzige Durst, der mit einem Zaubertrank nicht gestillt werden kann." Er murmelte den Lichtzauber und schritt eines der Regale hinab. "Aber das Leben wäre doch langweilig, könnte man sich alles Wissen durch einen Schluck aneignen." Er griff zielsicher ein besonders alt aussehendes Buch aus dem Regal. "An diesem wundervollen Ort ist alles Wissen versammelt, das man sich erträumen kann. Man muss nur Verstand und Disziplin genug haben, zu lesen."
Hermine
seufzte und nickte. Wie recht er doch hatte. Kurzzeitig durchzuckte
sie der Gedanke, dass sie vielleicht doch mehr mit diesem Mann
gemeinsam hatte als sie dachte, doch sie verwarf ihn sehr schnell
wieder.
"Ich könnte ihnen eine Tasse Tee anbieten."
schlug sie vor und warf einen Blick zu der silbernen Thermoskanne die
sie mitgebracht hatte. Wie oft hatte sie bereits versucht wie eine
Hexe und nicht wie ein Muggel zu denken. Doch die alten Gewohnheiten
hafteten ihr immer noch an.
Snape nickte andeutungsweise und setzte sich Hermine gegenüber an den Tisch. "Warum sich mit Tee begnügen?", fragte er und mit einem komplizierten Wink seines Zauberstabs erschien auf einmal Kuchen und Tassen mit dampfenden Kaffee auf dem Tisch. "Bedienen Sie sich."
Hermine nickte schwach und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Picknick in der Bibliothek." murmelte sie und griff nach einen Stück Kuchen. "Und ich dachte sie würden mich vor die Türe setzen..." Beiläufig legte sie das Buch neben sich und schlug es wieder auf.
Snape
verbot sich offenbar ein Lächeln, begann aber auch an einem
Stückchen Kuchen zu knabbern. "Ich habe früher viele
Stunden heimlich in der Bibliothek verbracht. Es...", er zögerte
einen Augenblick, "war nicht gerne gesehen, wenn man zu intensiv
in Büchern über Flüche las. Ihre Lektüre ist ja
dagegen harmlos."
Er schlug sein eigenes Buch auf. Draußen
brachen die Wolken auf und heller Mondschein flutete durch die großen
Fenster herein. "Eine wundervolle Nacht für Studien.",
sagte Snape leise und warf Hermine dabei einen raschen Seitenblick
zu.
Sie
bemerkte ihn jedoch nicht und griff sich stattdessen ebenfalls ihr
Buch. Nachdenklich durchblätterte sie mehrere Seiten, überflog
den Text bis sie schließlich an einem bestimmten Absatz hängen
blieb.
Unbewusst zupfte sie ein weiteres Mal an ihrer Decke und
wickelte sie noch enger um sich. "Wenn ich es nicht selbst
erlebt hätte, würde ich nicht für möglich halten
wie kalt es nachts in diesen Gewölben werden kann."
murmelte sie und blickte von ihrem Buch auf. "Man könnte
meinen der Raum wäre mit einem Fluch belegt, der unartige
Schüler von nächtlichen Lesestunden abhalten soll."
"Dann
wirkt sich dieser Fluch aber auch auf die Lehrer aus.", meinte
Snape und lächelte ein wenig. "Sobald sie in Ihrem Buch auf
denjenigen stoßen, der dafür verantwortlich ist, verraten
Sie es mir. Ob tot oder lebendig, ich lasse mir etwas gemeines
einfallen."
Er sah sich missmutig um. "Es ist in der Tat
sehr ungemütlich hier." Er stand auf und ging zu einem
Kamin, der Hermine noch nie aufgefallen war. Snape stieß seinen
Zauberstab hinein, Flammen schlugen hoch und erfüllten die
nähere Umgebung bald mit einer wohligen Wärme. Das gelbe
Flackern des Kamins warf mildes Licht auf die Regale. "Besser?"
Zunächst
schüttelte sie ungläubig den Kopf nickte dann aber
lächelnd. "Ja besser." Dann fügte sie nach einer
kurzen Pause hinzu. "Sie sind ja ein richtiger Kavalier,
Professor."
Das nahm Snape mit
einem zwiespältigen Gesichtsausdruck hin. "Bilden Sie sich
nichts ein, das war reiner Eigennutz."
"Natürlich. Von ihnen hatte ich nichts anderes erwartet." gluckste sie und griff nach ihrer Tasse und trank genüsslich ihren Tee: Apfel- Zimt. Bei diesen Temperaturen genau das richtige.
"Ich will sie jetzt auch nicht weiter belästigen." Sie griff sich wieder ihr Buch und las.
Snape vertiefte sich in seinen eigenen Wälzer, doch recht konzentrieren konnte er sich nicht. Er musste an seinen seltsamen Traum denken und Hermine erinnerte ihn nur all zu deutlich daran. Es war Zeit, die Sache aus der Welt zu räumen. Er machte seinen Mund auf, um sie nach ihrem seltsamen Verhalten in der letzten Zaubertrankstunde zu fragen, doch heraus kam nur: "Tanzen Sie gerne, Miss Granger?"
Hermine blickte verwundert von ihrem Buch auf. Was sollte denn jetzt diese Frage? Tanzen, sie würde natürlich ablehnen. Doch als sie den Mund öffnete entglitt ihr nur ein kokettes: "Es kommt ganz darauf an, wer mich das fragt."
Snape sah sie neugierig an, blickte dann in der Bibliothek umher und sagte: "Haben Sie schon jemals im Mondschein in einer Bibliothek getanzt? Ich nicht." Er sah zu ihr und direkt in ihre Augen. In diesem Moment hatte sein Blick etwas von Summersby. "Es wäre eine einmalige Gelegenheit."
Innerlich schrie alles in ihr dass sie doch ablehnen sollte, doch aus irgendeinem Grund schaffte sie es nicht. "Warum eigentlich nicht?" lächelnd legte sie ihr Buch beiseite.
Snape lächelte ebenso, das erste offene, frohe Lächeln, dass sie je bei ihm gesehen hatte. Er stand auf, ging um den Tisch herum und verbeugte sich vor ihr, bevor er Hermine seine Hand reichte. "Darf ich um diesen Tanz bitten?" Mit der anderen Hand schnippte er mit dem Finger und ein gutes Dutzend Hauselfen erschienen mit einem Plopp am Ende des Tisches. Jeder hatte ein kleines Musikinstrument dabei. "Machen Sie sich keine Sorgen. Sie tun es freiwillig."
Hermine kicherte. "Sehr gern, Professor Snape." erwiderte sie schließlich und ergriff die ihr dargebotene Hand. Sie war wärmer, als sie es von einem Kerkermeister vermutet hatte.
Die Hauselfen begannen einen Walzer zu spielen und die Musik schwebte leicht und beschwingt durch die Bibliothek. Snape führte Hermine zu einer freien Fläche und der Tanz begann. Für einen Slytherin, der nur schwarz trug und sich bevorzugt in Kellern verkroch, tanzte er ganz passabel.
Auch Hermine die noch nie zuvor Walzer getanzt hatte, schien auf geheimnisvolle Art und Weise die Schritte zu kennen und es fiel ihr leicht sich ganz der Musik hinzugeben. Gedankenversunken schmiegte sie sich an den warmen Körper vor hier und genoss den angenehmen Geruch der von ihm ausging.
Minze und Zitrone dachte sie abwesend.
Dann jedoch durchzuckte ein ganz anderer Gedanke ihren Verstand. "Sie tanzen wundervoll Severus." sagte sie und erschrak sogleich über ihre persönliche Anrede.
"Ich bin froh, dass wir die Schule des Feindes überlebt haben.", erwiderte Severus mit sanfter, tiefer Stimme. "Sonst hätten wir nie diese wundervolle Stunde erlebt." Er zögerte einen Augenblick, und dann flüsterten seine Lippen direkt neben ihrem Ohr. "Und ich bin froh, dass wir sie teilen, Hermine."
Hermine stieß einen gepressten Seufzer aus als sie spürte, wie ihr Herz einen riesigen Sprung machte. "Mir geht es ebenso." gestand sie und schmiegte ihre Wange an sein Gesicht.
In diesem Augenblick war der Walzer zu Ende und sie kamen in vollkommener Stille zum Stehen. Nun, vollkommen war die Stile nicht, denn Snape hatte das Gefühl, dass sein Herz noch in zwanzig Schritt Entfernung zu hören sein müsste. Sanft löste er sich ein wenig von Hermine und sah tief in ihre wundervollen, dunkelbraunen Augen. "Ich habe stets Deinen wachen Geist bewundert, Dein Streben nach Wissen. Doch, dass sich dahinter ein solch wertvoller Mensch verbirgt, hätte ich nie erwartet."
Hermine wusste darauf nichts zu erwidern, zu sehr hatte es ihr mit seinen Worten die Sprache verschlagen. Zögerlich legte sie ihre Hand auf seine Wange und führte ihr Gesicht ganz nah an das seine heran. "Ich bin leider kein Mensch großer Worte Severus. Ich hoffe sie verzeihen mir das." Zärtlich legte sie ihm dabei den linken Arm um die Schulter.
Snape lächelte sanft. "Wie könnte ich nicht?", flüsterte er, nahm sie behutsam in die Arme und...
Das Schrillen eines magischen Weckers ließ Hermine kerzengerade in ihrem Bett erwachen. Wie oft war sie froh gewesen, dass man direkt vor einem schrecklichen Moment aus einem Traum erwachte, doch dieses Mal nahm sie diese Tatsache nur sehr bedauernd hin..
Ein ärgerlicher Fluch traf den Wecker, welcher zu einem klumpen schwarzen Metalls zusammenschmolz als sie sich noch einmal unter ihrer Bettdecke verkroch und hoffte noch ein wenig weiter zu träumen. Doch sie konnte keinen Schlaf mehr finden.
Snape starrte die Decke seines Zimmers an, doch alles was er sah waren die Augen von Miss Granger. Irgendwie erschienen sie ihm noch der harmloseste Teil dieses Traumes gewesen zu sein, also hielt er sich daran fest, um keine der anderen Erinnerungen hochkommen zu lassen.
Was sollte er nun tun? Dieser ganze Traum ist an Absurdität kaum zu überbieten und die Walzer spielenden Hauselfen waren noch das geringste Übel., dachte eine zynische Stimme in ihm. Zynismus ist manchmal etwas wundervoll praktisches, dachte ein wohl verborgener sanfterer Teil in ihm.
Die tiefen Augen von Her... Miss Granger machten den stets abwesend und wässrig aussehenden Augen von Professor Trelawney platz, die ihn durch ihre übergroße Brille musterten. Dieser Traum kann nur zweierlei bedeuten., säuselte Trelawney. Der Tod wird sie beide beim Walzertanzen ereilen. Oder Sie sind einfach vernarrt in dieses Mädchen, Professor.
Mit einer energischen Bewegung riss Snape Bettdecke und Trugbilder gleichermaßen beiseite und begann seinen Tag.
Die
ganze Zeit über hatte Hermine auf Das Buch in ihren Händen
starren müssen, was ihr so einige merkwürdige Seitenblicke
von Ron und ihren anderen Tischnachbarn einbrachte. "Die
Geschichte Hogwarts." Sie konnte nicht fassen, dass sie sich
dieses Buch wirklich vor einigen Tagen ausgeliehen hatte.
Daran
hatte sie sich gar nicht erinnern können. Was wollte sie mit
diesem Buch, wo sie es doch nahezu auswendig kannte?
Verwirrt
schob sie den Gedanken beiseite, biss schüttelnden Kopfes in ihr
Toast und stellte fest, dass es bereits kalt und steinhart war.
Dieser Traum war das absurdeste gewesen, was ihr in den letzten Tagen geschehen war. Snape als Vampir war eine Geschichte, doch übertraf sie einen mit ihr Walzertanzenden Snape keinesfalls. Das war der Gipfel der Absurdheit.
Wütend würgte sie den Brocken im Hals herunter und legte den Rest ihres Frühstücks beiseite. Sie würde nach dem Unterricht in die Bibliothek gehen und das Buch wieder abgeben.
Ja, das würde sie. Und dann wurde es endlich wieder Zeit nach vorn zu blicken. Doch wenn sie das tat, dann bereitete ihr die nächste Zaubertränkestunde neue Magenschmerzen.
Snape
saß in der Biblothek der Schule, an einem der Tische, und
fragte sich, was er da eigentlich tat. Er hasste das stille Gewusel
der Schüler, die neugierigen Blicke und das heimliche Tuscheln.
Seit er damals Schüler an dieser Schule geworden war, war das so
gewesen. Erst, weil er der Sonderling war. Ein Slytherin, still und
zurückgezogen, mit einem Arsenal an Flüchen im Ärmel.
Dann, als er hier zum Professor berufen wurde, brachte man ihm
Misstrauen entgegen, verdächtigte ihn immer wieder im Dienste
des Dunklen Lords gestanden zu haben. Daher rührten sein Hass
auf dieses Tuscheln und diese Blicke.
Und dennoch saß er nun
hier, inmitten dieser vorlauten Gören, die hinter seinem Rücken
"Snape explodiert" oder sonstwas spielten. Er schüttelte
den Kopf und las weiter in seinem Buch über das Wesen der
Zaubertränke, Band 5: 'Meistertränke und ihre Geheimnisse'.
Wenigstens das hatte dieser grauenhafte Traum mit sich gebracht: Die
Idee, dass in diesem Buch die Lösung stehen könnte.
Den
Blick strickt zu Boden gewandt marschierte Hermine durch die Vorhalle
der Bibliothek. Es war erstaunlich voll hier für einen Freitag
Nachmittag, so stellte sie fest. Doch was blieb ihr anderes übrig?
Deutlich spürte sie das erwärmte Leder des Buchdeckels
unter ihren Fingern als sie sich in die lange Schlage der Schüler
einreihte, welche an dem Schreibtisch warteten, an dem Mrs Pincks
saß.
Sie hasste es ihre Zeit mit sinnlosen Wartereien zu
verbringen. Doch was blieb ihr heute schon anderes übrig?
Als Snape, der sich heute nicht so recht konzentrieren konnte, einmal mehr den Blick hob, um einen Schüler mit einem grimmigen Blick zum Schweigen zu bringen, entdeckte er Miss Granger in der Schlange. Und das Buch, das sie in den Händen hielt, erinnerte ihn einmal mehr an den Traum gestern Nacht. "Die Geschichte Hogwarts". Snape schüttelte zum tausendsten Mal an diesem Tag den Kopf und senkte seinen Blick rasch wieder.
Dann, kaum einen Moment später entdeckte auch Hermine ihn. Er saß an einem der Lesetische und schien in eines der Bücher vertieft zu sein. Nur etwas brachte sie zum Stutzen. Sie hatte Snape noch nie in der Bibliothek gesehen. Aber was zum Teufel machte er gerade jetzt hier? Ihre Gedanken rasten, blieben an ihrem letzten Traum hängen. Das war doch geradezu lächerlich! Sie führte sich auf wie ein 13 jähriges Mädchen!
Innerlich lachte sie über diesen Gedanken. Viele glaubten, sie habe dieses Alter übersprungen. Doch Hermine wusste es besser... Nur zu gut erinnerte sie sich an die Nächte in denen sie Professor Lockard heimlich hinterher geschmachtet hatte. Damals hatte sie geglaubt, dass sie Schwärmereien für Lehrer endlich hinter sich hatte... Und jetzt das hier!
Einfach
lächerlich! Hermine Granger benahm sich nicht wie ein
Teenager!
"Miss Granger? Was kann ich für sie tun?"
es war die Stimme von Mrs Pincks, die sie aus ihren Gedanken riss.
War sie denn schon an der Reihe?
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. "Nein, entschuldigen die Mrs. Ich bin noch nicht so weit." KOpfschüttelnd wandte sie sich ab und steuerte geradewegs auf den Professor zu. Es wurde Zeit, dass sie dem ganzen Schrecken endlich ein Ende setzte!
Snape konnte gar nicht anders, als bemerken, dass Miss Granger auf ihn zukam. Seine Augenbrauen ballten sich in einer Mischung aus Ärger auf sich selbst und Verwunderung zusammen. Betont langsam hob er seinen Blick und sah ihr gelassen ins Gesicht. "Was kann ich für Sie tun, Miss Granger?", sagte er in seinem kühlsten Tonfall, zu dem er fähig war.
Kaum war Hermine die ersten Meter gegangen bereute sie bereits, dass sie so unüberlegt gehandelt hatte und noch mehr tat sie es, als der Professor sie wirklich ansprach. Verdammt, sie war doch ein dummes Huhn! Was wollte sie ihm jetzt sagen?
Unbemerkt
biss sie sich in die Lippe und knetete ihre Hände, welche
seltsam zu kribbeln begonnen hatten.
"Ich wollte sie zu
meinen Albträumen befragen." stieß sie schließlich
gepresst hervor. "Sie sagten sie würden nach einer Weile
nachlassen. Nur bis jetzt habe ich noch nicht viel davon bemerkt."
Einen
lächerlichen Augenblick lang dachte er, Miss Granger würde
über den Traum letzte Nacht sprechen wollen. Dann kam ihm in den
Sinn, dass sie natürlich ihre Alpträume, die sie seit ihrer
Folter in der Schule des Dunklen Lords erlitten hatte, meinte.
"Wollen Sie hier darüber sprechen?", er sah kurz zu
den anderen Schülern. "Dann setzen Sie sich. Wir können
aber auch an einen ungestörten Ort gehen."
Und im
Mondschein tanzen, schoss es ihm durch den Kopf und er gab sich
innerlich eine Ohrfeige. Hatte das denn nie ein Ende!
Hermine
seufzte ohne es selbst zu bemerken und schüttelte sachte den
Kopf. Für den Moment fühle sie sich völlig überfordert
mit der Situation. "Ich, ich wollte sie aber nicht stören
Professor..." stammelte sie und spürte wie ihre Wangen heiß
wurden.
Krampfhaft versuchte sie die aufkommenden Bilder aus
ihrem Kopf zu verbannen doch unweigerlich glitt ihr Blick zu der
Stelle, an der sie in ihrem Traum gesessen hatte und ein Lächeln
huschte über ihre Lippen.
"Wie wäre es mit der
Eulerei?" fragte sie schließlich und blickte ihn plötzlich
wieder an. "Ich hätte auch nicht dagegen hier zu bleiben.
Aber ich fürchte Nachts kann es hier ziemlich kalt werden..."
Snape sah sie wie vom Blitz getroffen an. Erneut schüttelte er den Kopf. Natürlich hatte sie nicht den Traum gemeint, das war absurd. Sie hatte lediglich sagen wollen... "Sie meinen, es wird so lange dauern?" Snape sah sie erstaunt an. Es lag nicht grade in seinen üblichen Erfahrungen, dass Schüler kamen, um ihn um Rat zu bitten. "Dann setzen Sie sich besser. Wenn es uns zu kalt wird, finden wir schon eine Lösung." Sein Blick huschte dorthin, wo im Traum der Kamin gestanden hatte. Selbstverständlich war er nicht da. Es hatte hier nie einen Kamin gegeben.
Hermine
setzte sich und legte ihr Buch sanft zur Seite, erhaschte dabei einen
kurzen Blick auf das Buch, das Snape vor sich liegen hatte.
Lächerlich! rief eine kleine Stimme in ihr und wieder schüttelte
sie den Kopf.
"Sie meinten man könnte derartigen
Träumen durch Okklumentik vorbeugen." begann sie
schließlich und rieb sich unterbewusst ihr Handgelenk. "Ist
das richtig?"
Snape
wiegte bedächtig seinen Kopf hin und her. "Das kommt darauf
an... Wenn Ihre Alpträume nur die Geister ihrer schrecklichen
Erlebnisse sind, dann hilft ihnen Okklumentik kein Bisschen. Wenn
ihre Träume aber auf magische Weise entstehen, durch einen Fluch
oder Legilimentik, dann könnte Okklumentik eine Lösung
sein."
Er sah sie kurz eingehend an. "Haben Sie einen
Grund zu glauben, dass Sie unter magischem Einfluss stehen?"
Hermine starrte ihn eine Zeit lang an bevor ihr eine Antwort einkam. "Nun, ich würde es nicht ausschließen. Auch wenn sie neulich in Dumbledores Büro meinten ich sei unbeschadet davon gekommen. Vielleicht bin ich wirklich nur ein wenig... anfällig auf gewisse Ereignisse."
Snape schlug sein Buch zu und schob es beiseite. "Was meinen Sie damit?"
"Ich meine damit, dass sie und selbst Harry von teils grausamen und teils merkwürdigen Träumen verschont bleiben. Obwohl ihnen ähnliches widerfahren ist. Ich wache morgens auf, blicke neben mein Bett und stelle fest dass neben meinem Bett ein Buch liegt, dass ich in meinen Träumen lese und von dem ich mich nicht erinnere es ausgeliehen habe. Verdammt, ich kenne die Geschichte Hogwarts auswendig!"
Wenn Sie ihn nicht besser kennen würde, hätte man den Blick in Snapes Augen als beinahe mitfühlend bezeichnen können. Und tatsächlich lächelte er verhalten. "Nun..." Er zögerte. Allmählich glaubte er nicht mehr, dass die ganzen Andeutungen von Miss Granger Einbildung waren. "Sehen Sie dieses Buch hier? Ich kenne es auch auswendig. Und dennoch sitze ich hier, weil mir diese Nacht im Traum eingefallen ist, dass in ihm die Lösung stehen könnte."
Hermine
verschluckte sich und blickte ihn an als wären ihm gerade
Bohnenranken aus den Ohren gewachsen.
"Dann meinen sie wohl,
dass mir vorerst keine Okklumentik helfen kann." stellte sie
zusammenhangslos fest. "Natürlich nicht."
Sie
lächelte abwesend und erhob sich schließlich. "Nunja,
dann brauche ich ihre kostbare Zeit auch nicht länger in
Anspruch nehmen."
Sie nickte ihm zu. "Entschuldigen sie
die Unterbrechung."
"Diese Voreiligkeit passt gar nicht zu ihnen, Miss Granger.", stellte Snape verwundert fest. "Ich habe nur gesagt, dass Ihnen Okklumentik in bestimmten Fällen nicht hilft."
Hermine senkte geschlagen die Schultern. "Und ich musste feststellen, dass eben dieser Fall auf mich zutrifft. Auch wenn ich bezweifle, dass es sich um schwarze Magie oder gefährlicheres Handelt. Machen sie sich also keine Sorgen." Mit diesen Worten griff sie nach dem Buch und hielt es vor sich.
Snape sah sie eine Weile eingehend an. Etwas stimmt nicht, offenbar ganz und gar nicht. Aber Miss Granger hatte eine schwere Zeit hinter sich und Snape hatte nicht vor sie zu drängen. "Wenn sich an Ihrer Meinung etwas ändert, können Sie mich jederzeit ansprechen."
Hermine
nickte und lächelte schwach. "Ich hoffe sehr, dass das
nicht mehr von Nöten sein wird." Ein schüchternes
Lächeln glitt über ihre Lippen. "ich werde jetzt
dieses Buch abgeben und hoffe, dass sich damit die Sache für
mich erledigt hat. Ich fürchte es wäre sonst tödlich
für meine Zaubertranknote." Sie lächelte noch einmal,
diesmal ein wenig selbstbewusster. "Auf Wiedersehen Professor
Snape."
Snape war selbst ein
wenig erleichtert. Was auch immer hier am Werk war, schien harmloser
zu sein, als er befürchtet hatte. Mit dunklen Flüchen oder
obskurer Magie war leichter umzugehen als mit der unberechenbaren
Kraft der Liebe. "Ach, Miss Granger?"
Hermine
blieb stehen und wandte sich um. "Ja?"
"Ich
hasse Walzer."
Nun konnte sich Hermine ein lautes Auflachen nicht verkneifen. "Alles andere hätte sich auch nicht mit meinem Weltbild vereinbaren lassen." Mit diesen Worten wandte sie sich ab und verließ die Bibliothek. Das Buch das sie ausgeliehen hatte behielt sie jedoch.
