In
den folgenden Tagen fiel der erste Schnee und Hermines Laune besserte
sich von Tag zu Tag. Es war nicht mehr lange bis zu den
Weihnachtsferien und Hermine plante, diese in Hogwarts zu verbringen.
Harry konnte nach 2 Wochen endlich von der Krankenstation
entlassen werden und Hermine nahm sich vor, von nun an selbst ein
Auge auf ihren Freund zu haben.
Die Lehrer konnten sagen was sie
wollten. Aber sie wusste, dass man nicht die geringste Spur auf den
wahren Täter hatte. Und das schmeckte ihr ganz und gar nicht.
Hermine traf sich jetzt sehr oft mit Harry in der Bibliothek um mit ihm den versäumten Schulstoff nach zu holen, doch auch Abends im Gryffindorturm saßen sie zusammen und erledigten gemeinsam Hausarbeiten und anderen Kram. So auch an diesem Abend.
Sie
übten gerade einige komplizierte Verwandlungszauber, sehr zur
Belustigung der anderen Gryffindors. Hermines Briefbeschwerer
krabbelte als plüschiges Tierchen über den Tisch, während
Harrys Briefbeschwerer eher an eine verunglückte Kartoffel
erinnerte.
Mit einem unzufriedenen Stirnrunzeln verwandelte Harry
ihn wieder zurück. "Ich glaube, es liegt an meinem
Briefbeschwerer. Da liegt bestimmt ein Fluch drauf." Freilich
war das eine der Harry-typischen Ausreden, sich vor seinen
Hausaufgaben zu drücken.
Hermine kannte diese natürlich ganz genau, doch da auch sie an diesem Abend ungewöhnlich müde war ließ sie ihn gewähren. "Okay Harry, dann lassen wir es für heute?" schlug sie vor. Sie legte ihr Buch und den Briefbeschwerer beiseite und holte ein anderes Buch aus ihrer Tasche. "Ich fürchte nur die Alternative wird dir nicht gefallen. Aber ich will unbedingt verhindern, dass Snape dich morgen auseinander nimmt..."
Harrys Laune wurde bei Snapes Namen gleich noch ein wenig dunkler und er warf dem Briefbeschwerer einen sehnsüchtigen Blick zu. "Meinst Du, dass das nötig ist? In letzter Zeit macht er komischerweise immer einen kleinen Bogen um unsere Tische."
Hermines
Gedanken glitten zurück zu ihrer Begegnung in der Bibliothek.
Jetzt wusste sie, warum er ihr in den letzten Tagen aus dem Weg
gegangen war und grinste.
"Kann schon sein. Aber... ich
fürchte das wird nicht für ewig so bleiben." Hermine
nickte ihm zu und schlug das Buch auf.
"Beginnen wir mit dem Trank der Wahren Stärke?" schlug sie vor und musterte ihren Freund mit mitleider Miene. "Oder willst du doch zurück zu dem Briefbeschwerer?"
"Wenn mir der Zauber hilft, Snape in ein Plüschtier zu verwandeln, wähle ich den Briefbeschwerer.", sagte Harry und grinste. "Aber ich glaub' nicht, dass das meine Noten in Zaubertränke bessert, oder?" Er rückte ein wenig näher zu Hermine und blickte auf die Seiten. "Na dann los."
Hermine erklärte ihm zunächst den Verwendungszweck und die Risiken die der Trank mit sich brachte bevor sie Harry eine genaue Anleitung für die Zubereitung des Gebräus gab.
Sie
hatte beschlossen ihrem Freund das Nachbrauen der Tränke
zunächst zu ersparen, da dies zum einen viel zu zeitaufwendig
gewesen wäre und sie es zum anderen als völlig unnötig
betrachtete. Sie wusste aus Erfahrng dass man unter richtiger
Anleitung kaum etwas falsch machen konnte.
Außer man hieß
Neville Longbottom.
Innerlich strafte sich Hermine für diesen Gedanken doch so sehr sie es wollte, sie konnte ihn sich nicht verkneifen. Wie oft hatte sie versucht dem Ärmsten Nachhilfestunden zu geben. Doch nach etwa einem halben Jahr vergeblicher Mühen hatte das Mädchen frustriert aufgegeben.
Bei diesem Gedanken entfuhr ihr ein leichtes Seufzen, bei dem sie zunächst ihre Handgelenke massierte bevor sie angesichts der auf sie wartenden Arbeit ihre Ärmel nach oben steifte. "Ans Werk!"
"Gibt es Deine Begeisterungsfähigkeit auch als Trank?", fragte Harry, sah Hermine an und stutzte. "Was ist Dir denn da passiert?", fragte er und deutete auf den Verband an ihrem Unterarm. "Hat Dich ein Hauself gebissen, als Du ihm Kleidung schenken wolltest?"
Hermine musterte Harry mit einem Blick, den er sonst nur von Snape gewohnt war. "Wann, Harry Potter, lernst du endlich, dass es tödlich sein kann in meiner Gegenwart derart über Hauselfen zu sprechen?" knurrte sie und musterte ihn unerbittlich. "Ich dachte, dass zumindest du das Leid dieser Armen Wesen verstehen konntest."
Harry war nun endgültig verwirrt. "Hey, ich bin Mitglied bei Deiner Elfenbefreiungsfront, schon vergessen?" Er nickte in Richtung des Verbands. "War es nun einer oder nicht?"
"Nein." Hermines Miene verfinsterte sich. "Ist eine ziemlich hässliche Narbe die von dem Unfall mit Snape zurück geblieben ist." erklärte sie. "Poppy meinte ich würde sie noch eine ganze Weile behalten müssen."
"Ist sie auch verflucht?", fragte Harry mit einigem Mitgefühl. "Sonst wär das ja kein Problem für Poppy. Darf ich mal sehen?", fragte er und griff schon nach dem Verband.
Hermine zuckte automatisch zurück musterte Harry mit flehendem Blick. "Muss das sein?"
Harry sah Hermine fragend an. "Hey, so schlimm wird's schon nicht aussehen, oder? Bist Du sicher, dass Du okay bist? Du siehst so blass aus?"
Hermine seufzte. "Ich weiß nicht so recht." Dann jedoch besann sie sich eines Besseren und berichtigte "Ja es geht mir gut."
Harry grinste schief. "Ich muss Dir wohl auch mal Nachhilfe geben, Hermine. Du bist ein gruselig schlechter Schwindler. Was ist los? Denkst Du, ich lach Dich aus wegen der Narbe?"
Hermine
spürte, wie sich ihr langsam der Magen umdrehte. "Nein,
nein das nicht. Ich habe nur Angst, dass du das Ganze... naja, ein
wenig falsch auffassen könntest."
Harry
lächelte aufmunternd. "Ich weiß wie das ist. Du weiß
doch, dass ich gerne mal was für mich behalten hab, wenn mir
Voldemort mal wieder irgend wie zugesetzt hat. Wenn ich dabei eins
gelernt hab, dann dass es besser ist, sich seinen Freunden
anzuvertrauen."
Harry machte behutsam den Knoten auf, und schob den Verband so weit beiseite, dass er einen Blick auf ihren Unterarm erhaschen konnte, aber so, dass es niemand anders sah. Verwundert zog er die Stirn in Kraus und nahm den Verband noch mehr beiseite. "Und ich hatte erwartet, ein Tattoo Deines heimlichen Freundes zu finden.", sagte er mit gespielt enttäuschtem Tonfall. "Ich kann dich beruhigen: Poppy hat sich geirrt."
"Wie
bitte?" Ungläubig entwand Hermine Harry ihren Arm und
starrte nun selbst auf die Stelle , an der sie das dunkle Mal
verbunden hatte. Es schimmerte nach wie vor deutlich auf ihrer Haut.
"Das verstehe ich nicht..." murmelte sie und strich leicht
über die Stelle.
"Ich
hatte erwartet, dass Du ein wenig begeisterter bist.", sagte
Harry und lehnte sich zurück. "Glaub mir, hässliche
Narben die nicht verschwinden sind ganz und gar nicht toll."
Hermine
hörte ihm gar nicht zu. "Du Harry? Hast du was dagegen,
wenn wir doch morgen mit lernen weiter machen? Ich bin doch ganz
schön müde." Sie spielte ihm ein herzhaftes Gähnen
vor.
Harry grinste breit: "Aufhören
zu lernen? Lass mich mal nachdenken..." Mit einem Satz war er
aufgesprungen, hatte mit zwei Handgriffen seine Bücher und
Pergamente zusammengesammelt und alles in seiner Tasche verstaut.
"Genug nachgedacht. Schlaf gut, Hermine."
"Schlaf gut." Und schon im nächsten Moment sah sie Harry auf der Treppe zum Jungenschlafsaal verschwinden.
Als
Hermine am nächsten Morgen zum Frühstück ging fühlte
sie sich mehr als gerädert. Sie wusste nicht, wie lange sie
gestern Abend noch im Gryffindorturm gesessen hatte, bevor sie zu
Bett gegangen war. Doch sie ahnte, dass es sehr spät gewesen
sein musste.
Ihr Frühstück nahm sie wie immer nur sehr
lustlos zu sich, heute schaffte sie es jedoch zumindest 2 Bissen von
ihrem Toast zu nehmen, bevor sie es kalt und hart auf ihrem Teller
liegen ließ.
Warum hatte Harry gestern das Mal nicht sehen
können? Bildete sie sich das Ding nur ein?
Vielleicht war es ein Rückbleibsel der Flüche welche sie in der Gefangenschaft abbekommen hatte... Aber sie konnte unmöglich Snape noch einmal zu diesem Thema befragen ohne dass sie sich auffällig machte.
Also beschloss sie es bleiben zu lassen.
Plötzlich
spürte sie eine warme Hand auf ihrer Schulter.
"Hermine?
Hast du kurz Zeit?" Es war Harry, der sie angesprochen
hatte.
"Ja? was ist denn?"
Er hatte sich bereits neben sie gesetzt und steckte ihr einen kleinen zerknüllten Zettel zu. "Den habe ich heute Morgen in meinem Buch für Verwandlungen gefunden... Ich wollte dich fragen ob du gestern Abend vielleicht etwas bemerkt hast... Ich meine, als wir gelernt haben, war er noch nicht drin gewesen..."
Hermine grübelte und musterte dabei das kleine Stück Pergament in ihren Fingern.
In einer ungewöhnlich harten, aber krakeligen Handschrift stand dort geschrieben: "Es gibt da etwas, das Dir verraten kann, wer es auf Dein Leben abgesehen hat. Du findest es im verlassenen Klassenzimmer im zweiten Stock des Südflügels. Ein Freund."
Hermine las die Zeilen dreifach, bevor sie Harry den Zettel zurück gab. "Ich hab ein ungutes Gefühl bei der Sache." flüsterte sie ihm zu. "Ich weiß nicht, aber irgendwo her kenne ich diese Schrift..."
Harry
sah sich die Zeilen noch einmal an und zuckte mit den Schultern.
"Wundert mich nicht. Wenn es ein Gryffindor war, der Angst hat,
von Voldemorts Attentäter angegriffen zu werden, dann ist es
logisch, dass wir seine Schrift kennen."
Er grübelte
kurz. "Ich denke ja auch, dass es irgendwie faul klingt,
deswegen... Wollte ich Dich fragen, ob Du mitkommst."
Hermine
nickte. "Dann machen wir es so." sie nahm einen letzten
Bissen von ihrem kalten Toast. "Treffen wir uns nach dem
Unterricht am Klo der Maulenden Myrthe?"
Harry
musste unweigerlich lächeln, als er an diese Toilette dachte.
"Klar, da find ich im Schlaf hin."
Als
Harry gegangen war beschloss Hermine, dass sie noch ein wenig Zeit
hatte, bevor für sie selbst ebenfalls der Unterricht begann.
Noch immer hingen ihre Gedanken am gestrigen Abend fest und sie
überlegte hin und her, wie wohl der Zettel in Harrys Buch
gekommen sein konnte. Sie war doch die ganze Zeit bei ihm
gewesen...
Es musste spät gewesen sein, als er gestern zu
Bett gingen. Unmöglich, dass da noch jemand außer ihnen
wach gewesen war...
Sie waren alleine gewesen. Hermine erschrak bei der Erkenntnis.
Ihre Gedanken rasten und sie blickte sich hektisch in der Halle um. War so etwas wirklich möglich? Immerhin trug sie das Mal des dunklen Lords...
Dann jedoch fiel ihr Blick zu Malfoy, welcher gerade eben in die große Halle stolziert kam und sie von oben herab musterte. Es war nur ein sehr kurzer Blick, den er ihr schenkte, doch er genügte um ihr das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
Dann
jedoch erregte etwas ganz anderes ihre Aufmerksamkeit. Malfoy trug
ein Buch bei sich und das war wirklich ungewöhnlich. Als Hermine
jedoch den Titel las stockte ihr der Atem: "Gifte ihre
Herstellung und Verwendung. Zweiter Band." stand in großen
Lettern auf dem Buchdeckel.
Verdammt, Harrys letzter Anschlag war
mithilfe von Giften verübt worden! Das genügte, Sie würde
diesen Typen überführen, und das, bevor er ihnen heute
Nachmittag die nächste Falle stellte. Und so machte sie sich auf
den Weg in die Bibliothek, das Signal zur ersten Unterrichtsstunde
überhörte sie dabei völlig.
Hermine
setzte sich in der Bibliothek an den Platz, an dem am Vortag schon
Professor Snape gesessen hatte, und zu allem Überfluss las sie
auch noch dasselbe Buch, welches er bei ihrem letzten Treffen gelesen
hatte. Auch er hatte gewusst, dass in diesem Buch die Lösung für
das Attentat zu finden war.
Nun war es an ihr, sie zu finden. Sie
war geübt im Umgang mit dicken Büchern, sie wusste, worauf
es ankam, wenn man einen solchen Wälzer in kurzer Zeit
überfliegen musste. Und eine Doppelstunde Geschichte war eine
kurze Zeit.
Nachdem sie anhand der Inhaltsangabe erste Kapitel aussortiert hatte, machte sie sich daran, die ersten einhundert Seiten zu überfliegen. Doch als sie danach auf ihre Uhr blickte, packte sie die Panik. Es war bereits die Hälfte der Zeit vergangen und sie wusste noch nicht einmal annähernd, wonach sie suchen musste.
Mit einem lauten Seufzen blätterte sie um, als ihr etwas auffiel. Diese Seite war ungewöhnlich dick. Hermine nahm das Pergament näher in Augenschein und sah, dass hier zwei Seiten zusammengeklebt waren. Vorsichtig löste sie die Bögen Pergament voneinander und ihr Blick fiel auf einige Zeilen, die ihre Augen aufleuchten ließen. Das war es! Dieser Zauberspruch war die Lösung!
Harry
hatte längst seinen Kessel aufgestellt und seine Sachen auf den
Tisch ausgepackt, als Hermine endlich zur Tür hereinrauschte und
einen verärgerten Blick von Snape einfing, weil der gerade den
Mund aufgemacht hatte, um seine liebenswürdigen Einführungsworte
zu sprechen.
Harry begrüßte sie mit einem Grinsen und
flüsterte: "Ich hab wohl einen schlechten Einfluss auf
Dich. Seit wann schwänzt Du Geschichte der Zauberei?"
"Es war wichtig." erklärte Hermine kurz angebunden und warf dabei einen prüfenden Blick in Richtung Snape. "Aber das erklär ich dir später. Du musst mir einen Gefallen tun, Harry..."
Snapes Missfallender Blick ruhte auf den Beiden, schweifte dann aber weiter, als sie einen Augenblick lang verbissen nach vorn starrten. "Jeden, denn Du willst. Ich schulde Dir so viele Gefallen, dass ich sie gar nicht mehr zählen kann."
"Ich
erinnere mich, dass du schon Übung darin hast, Snape abzulenken.
Würdest du es noch einmal für mich tun? Ich brauche nur 3
Sekunden..."
Sie schenkte ihm einen ihrer bettelnden
Hundeblicke und war sich ihres Sieges schon fast sicher. "Ich
mache als Gegenleistung die gesamte nächste Woche lang deine
Hausaufgaben." bot sie an.
Als Harry dieses verlockende Angebot hörte, leuchteten seine Augen. "Für diesen Preis zünde ich Snapes Kutte an, wenn Du willst."
Hermines Augen leuchteten. "Abgemacht. Aber seine Kutte lässt du bitte ganz. Es reicht, wenn er mal kurz nicht hinschaut. Und der Rest der Klasse am besten auch nicht..."
Harry
dachte kurz nach. "Das sollte kein Problem sein.", sagte er
dann und verkniff sich mühsam ein Kneifen in Hermines Arm, weil
erneut Snapes Blick auf ihm ruhte. "5 Punke Abzug für
Gryffindor, Mister Potter und Miss Granger."
"Ich
fürchte, das wird heute nicht der letzte Punkt sein.",
flüsterte er.
"Mach dir keine Sorgen darum Harry. Die hol ich uns schon wieder auf..." antwortete Hermine und riss ein kleines Stück Pergament von ihrer Rolle.
Unruhig kritzelte sie einige Worte darauf. "Okay. ich bin so weit." flüsterte sie Harry zu und zückte unter dem Tisch ihren Zauberstab
"Wenn Du Dich noch ein bisschen geduldest, bekommst Du die Ablenkung, die Du brauchst.", flüsterte Harry.
So
verging die Zaubertrankstunde zunächst ohne Besonderheiten. Doch
jedes mal, wenn Malfoy Harry einen finsteren Blick zuwarf, zog Harry
eine feindseelige Grimasse, was Draco nicht lange auf sich sitzen
ließ und mit Crabbe und Goyle zu tuscheln begann, wobei er
ziemlich brutal aussehende Gesten in Richtung Harry machte.
"Was
denn los, Malfoy? Schmiedest Du neue Mordpläne?", rief
Harry quer durch das Klassenzimmer. Mit einem Schlag war es absolut
still im Raum.
Malfoy drehte sich langsam und bedrohlich zu Harry
um. "Wenn ich Dich töten wollte, Potter, dann wärst
Du schon längst ein Häufchen Erde."
"Draco,
Potter!", ermahnte Snape die beiden Schüler
ungehalten.
Harry ballte seine Fäuste und sprang auf. "Sieh,
wie ich zittere.", rief er und lachte. "Dein Papa ist
bestimmt enttäuscht, dass Du zweimal dabei versagt hast, seine
Drecksarbeit für Voldemort zu erledigen, wie?"
Damit
hatte er Malfoys wunden Punkt getroffen. Durch Harrys Schuld war sein
Vater als Todesser benannt worden. Sein Zauberstab erschien in
nullkommanichts in seiner Hand und er wollte einen Fluch murmeln, als
Harry rief: "Expelliarmus!" und Malfoy wurde über
seinen Tisch geschleudert.
Applaus und entsetztes Stöhnen
machten einen Höllenlärm, in dem Snape alle Mühe
hatte, zu Wort zu kommen. Doch als Malfoy aufsprang, seinen
Zauberstab schnappte und auf Harry losgehen wollte, hatte Snape mit
den wildgewordenen Slytherin alle Hände voll zu tun.
Hermine hatte mit aufgerissenem Mund Harrys kleine Show verfolgt und dabei beinahe vergessen, Snape wie geplant den Zettel auf den Tisch zu hexen. Harry sollte Snape doch nur ein bisschen ablenken und sich nicht gleich noch sämtliche Strafarbeiten aufhalsen. Hermine stöhnte beim Gedanken daran, dass auch die unter den Begriff „Hausaufgaben" fielen.
Zumindest wenn es nach Harry ging. Aber das war wohl der Preis für eine kleine heimliche Nachricht. Sie nutze den Moment als Snape in die Reihe stürzte, um die beiden Streithähne zu trennen, und flüsterte einen Verwandlungszauber, der den Zettel in eine kleine Fliege verhexte, die sich geradewegs auf Snapes Pult setzte und sich dort wieder in den kleinen Zettel verwandelte. Geschafft.
Da
Snape bei der Schlichtung nicht gerade zimperlich vorging, war die
Gefahr eines Kampfes rasch gebannt und Snape zitierte die beiden
Duellanten nach vorne an sein Pult.
"Was wissen Sie über
die Schulregeln bezüglich Duellen, Potter?"
"Keine
Duelle zwischen Schülern, Sir.", erwiderte Harry
pflichtgemäß.
"Und warum haben Sie dennoch an
einem teilgenommen?"
"Selbstverteidigung, Sir. Ich habe
bestimmt zwanzig Zeugen, die gesehen haben, dass Malfoy seinen Stab
zuerst gezogen hat."
Snape sah Harry vernichtend an und
deutete dann auf die Slytherin dieser Klasse. "Sie wissen, dass
es genau zwei Slytherin mehr in dieser Klasse gibt als
Gryffindor?"
Harry wurde ein wenig blasser. "Nein,
Sir."
"Wenn Sie klug und vorlaut sein wollen, dann
stellen Sie es clever an, Potter. Fünzig Punkte Abzug für
Gryffindor und Strafarbeiten, die Sie sich morgen in meinem Büro
abholen werden."
Aus
den Reihen der Gryffindors erklang missmutiges Stöhnen, doch
Hermine hörte es gar nicht. Sie zählte bereits an den
Fingern ab, wie viele gute Aufsätze sie für 50 abgezogene
Punkte bei Professor Binns abgeben musste, damit sie den Rückstand
wieder aufholte.
An die aufgebrummten Strafaufsätze von Snape
wollte sie dabei noch gar nicht denken.
Dann wandte sich
Snape zu Malfoy. "Draco, Draco, Draco."
Er schüttelte den Kopf. "Hitzköpfigkeit ist Ihr
größter Schwachpunkt. Lernen Sie gefälligst, das in
den Griff zu bekommen. Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin."
Snape sah die beiden Streithähne an und fragte gefährlich kalt: "Worauf warten Sie noch? Hinsetzen."
Snape
fragte sich, was Potter heute wieder geritten hatte, und behielt ihn
für den Rest der Stunde eingehend im Blick. Doch heute stellte
sich Potter außergewöhnlich gut an und Snape befürchtete,
dass der Trank diesmal eine gute Note bekommen würde.
Als das
Pausenzeichen durch die Gänge hallte, folgte das übliche
Spiel aus Schlange stehen und Flucht aus den Gewölben. Bei all
dem Gewusel fiel Snape der Zettel auf seinem Tisch erst auf, als der
letzte Schüler gerade den Raum verließ. Misstrauisch
beäugte er ihn, sprach einen Flucherkennungszauber und faltete
ihn schließlich auseinander.
"Weißt jetzt wer es war. Muss Sie dringend sprechen. Komme in 2 Stunden in ihr Büro. Hermine"
Harry
war kaum vor dem Klo der Maulenden Myrte angekommen, als auch schon
Hermine um die Ecke bog. "Na, war das genug Ablenkung für
Deinen Geschmack?", fragte er lächelnd. "Darauf hatte
ich schon lange Lust gehabt."
Hermines
finstere Miene wandelte sich für einen Moment zu einem
verzückten Lächeln. "Ja, war nicht schlecht, Harry
Potter. Konntest es dir ja auch leisten, solange ich sämtliche
Strafarbeiten für dich übernehme, nicht war?" Ihre
Miene wandelte sich von süß zu sauer. "Aber
versprochen ist versprochen."
Harrys
Lächeln schwand ein wenig. "Kommt nicht in Frage. Malfoy
vor allen über den Haufen zu duellieren ist mir den Preis der
Strafarbeiten wert. Ich werde jede Minute an sein dummes Gesicht
denken und grinsen." Er nickte in Richtung des verlassenen
Klassenraums. "Gehen wir?"
Da
wurde Hermines Miene entgültig finster. "Wollen wir nicht
lieber einem Lehrer Bescheid sagen und ihn fragen, ob er uns
begleitet? Ich glaube kaum, dass ich dir viel bei einem Angriff von
100 Riesenspinnen oder sonstwas helfen kann." Sie zuckte mit den
Schultern. "Ich hab irgendwie ein ungutes Gefühl..."
Harry stutzte. "Wie sollen denn hundert Riesenspinnen in ein Klassenzimmer passen? Außerdem kennst Du Dich einwandfrei mit Zaubersprüchen aus, die uns schon aus so mancher Patsche geholfen haben. Los jetzt, ich will wissen, wer es auf mich abgesehen hat."
Wieder seufzte sie, bedeckte dabei mit ihrer Handfläche ihre fieberne Stirn. "Na gut, meinetwegen. Aber nicht, dass du nachher mir die Schuld gibst, wenn was daneben geht." Vorsorglich zückte sie ihren Zauberstab und hielt ihn vor sich. "Na dann wollen wir mal."
Harry
zückte ebenfalls seinen Zauberstab und sie gingen zu dem
Klassenzimmer. Verlassene Klassenzimmer waren in Hogwarts nichts
außergewöhnliches, aber er musste Hermine zustimmen: Er
hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache.
Behutsam drückte
er die Klinke nach unten und schob die Tür einen Spalt auf, um
hindurchzuspähen. "Keine Trolle und keine Riesenspinnen.",
flüsterte er.
Ein wenig ermutigt stieß er die Tür
ganz auf und sie starrten beide in den staubigen Raum. Überall
waren Holzkisten kreuz und quer verteilt, teilweise durch graue
Tücher verhangen. Aber nichts erweckte einen feindseeligen
Eindruck.
Auch Hermine schielte zuerst hinein. Tatsächlich. Alles sah normal und ungefährlich aus. Ratlos nickte sie Harry zu und betrat schließlich als erste den Raum.
Harry
schloss zu ihr auf und versuchte immer in die Richtungen zu schauen,
in die Hermine nicht blickte. Er hatte gelesen, Auroren machten das
so, wenn sie im Team arbeiteten. "Scheint alles harmlos zu
sein.", sagte er erleichtert und ließ den Zauberstab
sinken. "Jetzt müssen wir nur noch finden, was wir
suchen."
Kaum hatte er eines der Tücher beiseite
geschoben, fiel die Tür mit einem dumpfen Laut zu und ihnen war
klar, dass es doch eine Falle war. In der Mitte des Raumes erschien
ein kleiner schwarzer Punkt, der mitten in der Luft schwebte. Doch er
blieb nicht klein. Ziemlich rasch wurde er größer und die
Luft im Zimmer begann in Bewegung zu geraten. "Versuch die Tür
aufzubekommen!", rief Harry Hermine zu und schleuderte einen
Bannzauber in Richtung des schwarzen Dinges. Doch der grüne
Blitz verschwand einfach in dem schwarzen Ding und verpuffte.
Hermines
Augen weiteten sich. "Verdammte Scheiße." fluchte sie
laut und machte sich keinen Kopf darüber, dass solche Worte
eigentlich nicht zu ihrem Vokabular gehörten. Sie mussten hier
raus verdammt.
So schnell sie konnte preschte sie in Richtung der
Tür, zerrte zunächst auf die altmodische Art selbst mit den
Händen daran, bevor sie mehrere Zauber probierte, die natürlich
alle daneben gingen. Wer auch immer diese Falle gestellt hatte, hatte
dafür gesorgt, dass sie absolut wasserdicht war.
Und sie
waren so verdammt leichtgläubig gewesen und waren hineingerannt.
Zumindest
was Zauberspüche anging... Hermine stöhnte und begann in
ihrer Schultasche zu kramen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich
die schwarze kleine Kugel unterdessen in ein Fußballgroßes
Ding verwandelt hatte, das verheißungsvoll in der Mitte des
Raumes schwebte. Dann, als es die Größe eines Medizinballs
hatte, fand sie endlich, was sie suchte. Eine Haarnadel.
Mit
zitternden Fingern führte sie das kühle Metall in das
Schloss und begann zunächst damit, die Schließweise der
Tür zu erkunden. Im Hintergrund hörte sie leise Harry
Zaubersprüche murmeln, welcher sich nun auffällig nah zu
ihr an die Wand gedrängt hatte.
"Gott,
verdammt. Beeil dich Hermine." hörte sie ihn rufen was ihre
Hände noch um einiges zittriger machte.
"Harry. Halt
bitte bitte die Klappe. Ich kann mich nicht konzentrieren."
wisperte sie und stocherte weiter in dem Schloss.
Bald
zerrte ein recht starker Sog unangenehm an ihren Haaren und riss
ihren Kopf schmerzhaft in den Nacken. Doch zum Glück benötigte
es nur noch einen weiteren blinden Handgriff und das Schloss sprang
mit einem leisen Klicken auf.
Die Tür schwang knarrend
beiseite und Hermine und Harry stürzten hart auf den kalten
Steinfußboden des Korridors. Sie waren gerettet.
Kaum
hatten sie die Schwelle überschritten, wurde es ruhig im
Klassenzimmer. Dieses seltsame Loch in der Luft war verschwunden.
"Das war knapp.", seufzte Harry erleichtert. "Du
steckst voller Überraschungen, Hermine."
Kopfschüttelnd
wandte er sich ab. "Wir sollten zu Dumbledore gehen."
