Es dauerte 2 weitere Tage bis Hermine von den Krankenstation entlassen wurde und sie nutzte gleich ihren ersten freien Abend, um sich in alter Gewohnheit in der Bibliothek einzufinden und zu lesen.
Sie hatte in den letzten Tagen viel Zeit gehabt um sich über ihre Gedanken über die vergangenen Tage und Wochen klar zu werden und nun war sie einfach nur dankbar über jede Ablenkung die sie bekommen konnte. Und was konnte sie mehr fesseln als dich vielen Bücher, welche hier in den Regalen standen?

In alter Manier hatte sie sich in ihre warme Wolldecke gewickelt und starrte nun auf das gelbe Pergament, das sie sich aus dem vielen Reihen ausgewählt hatte. "Die Wissenschaft der Flüche, erster Band." las sie halblaut vor und schlug die erste Seite auf.

"Können Sie auch keinen Schlaf finden, Miss Granger?", drang Snapes Stimme nur all zu bekannt aus dem Dunkeln, doch diesmal umgab ihn das milde Licht seines Zauberstabs.

"Ich sehe es als Anzeichen der Besserung." erklärte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Tee?"

"Da ich nicht über die Gabe verfüge, Ein Picknick mit dem Wink eines Zauberstabs erscheinen zu lassen, nehme ich dankend an.", sagte Snape und setze sich Hermine gegenüber. "Es freut mich, dass Sie genesen sind." Er senkte seine Stimme. "Wir sollten es nicht zur Gewohnheit machen, uns zu duellieren. Erst recht, wenn Sie jetzt anfangen, aufzuholen."

Mit einem lächeln streifte sie das Buch, das sie sich ausgeliehen hatte. "Man will ihnen doch in nichts nachstehen." witzelte sie und goss Snape ein wenig von dem Tee in eine der mitgebrachten Tassen. Warum sie 2 statt einer mit hierher genommen hatte war ihr ein Rätsel. "Aber machen sie sich keine Sorgen. Ich habe noch genug von unserem letzten Zweikampf. Möchte gar nicht wissen, was sie mit mir angestellt haben."
Er lächelte schwach und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.

"Und ich werde es Ihnen nicht verraten.", erwiderte Snape und kostete von Hermines Tee. "Das Vergangene bereitet Ihnen so schon genug Schwermut, nicht wahr?"

Sie nickte und trank ebenfalls. "Manchmal glaube ich, dass es mehr ist als ich zu tragen vermag und wünsche mir, Dumbledore hätte mich fort geschickt. Doch er weiß, dass es weit mehr Strafe ist hier bleiben zu müssen und Harry tagtäglich in die Augen zu sehen."

"Nein, da irren Sie sich, Miss Granger.", sagte Snape leise und trank in Ruhe einen großen Schluck. "Sie bleiben, weil Sie eine Chance bekommen haben. Eine Strafe scheint es nur zu sein, weil Ihr Hierbleiben jede Minute auf ein Neues an ihr Gewissen appelliert." Er klopfte auf seine Brust. "Das kommt von Innen, nicht von Dumledore. Und egal, wohin sie gehen..."" Er streifte seinen Ärmel zurück und entblößte sein Dunkles Mahl. "... das hier wird sie immer begleiten. Ein Leben lang."

"Ich weiß." nun streifte sie auch ihren Ärmel zurück und musterte traurig das gezeichnete Fleisch. "Trotzdem verstehe ich nicht, warum Harry es damals nicht sehen konnte."

"Es scheint tatsächlich so zu sein, dass nur Zauberer und Hexen, die selbst das Mahl tragen, es sehen können. Weder Madame Pomphrey noch irgend jemand sonst kann es sehen, wie es scheint." Er bedeckte sein Mahl wieder. "Vermutlich musste der Dunkle... musste Tom Riddle es verzaubern, damit Sie nicht enttarnt werden." Er sah von Hermines Mahl in ihr Gesicht. "Denken Sie, dass es besser ist, wenn andere es nicht sehen können?"

"Ich weiß nicht. Im Grunde spielt es keine Rolle, außer dass es mich vor unliebsamen Vorurteilen bewahrt. Das ist aber auch der einzige Unterschied." Sie ließ die Schultern sinken und trank einen weiteren Schluck.
"Würde es denn für sie eine Rolle spielen?"

Er schüttelte den Kopf. "Andere können es sehen und für mich ist das gut so. Es hilft mir jedes Mal aufs Neue, den Punkt zu überdenken, auf dem ich stehe. Und er hat sich seit Jahren nicht bewegt." Er trank einen Schluck. "Das Mahl ist, ob unsichtbar oder nicht, ein Geschenk. Es mahnt uns. Auch wenn wir auf ewig gezeichnet sind." Er sah Hermine direkt in die Augen. Sein Blick wog nicht schwer oder war unangenehm. "Ich muss jedoch eingestehen, dass ich froh bin, nicht mehr allein zu sein."

"Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege." erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln und schob auch ihren Ärmel wieder zurück.
"Was ist damals aus ihnen und Celine geworden?"

Kurzzeitig wurde Snapes Gesicht wieder hart und er versteifte sich. Dann jedoch atmete er tief durch und seine Mauern schwanden. "Der Dunkle Lord kennt keine Gnade mit Abtrünnigen. Celine ist durch seine Hand gestorben." Er seufzte schwer. "Und bitte sagen Sie jetzt nicht, dass es Ihnen Leid tut."

"Das Mitleid der anderen ist nicht das, was einem wieder auf die Beine hilft." sagte sie ernst und goss sich Tee in ihre Tasse nach.

"Trotzdem entschuldige ich mich. Ich wollte keine ihrer alten Wunden wieder aufreißen."

Bedächtig schüttelte Snape den Kopf. "Ich habe Ihnen angeboten, zu fragen. Nehmen Sie es als Wiedergutmachung für den ein oder anderen Legilimens-Zauber." Eine geraume Weile schwiegen Sie einvernehmlich. Der Mond schob sich vor eines der großen Fenster und warf sein kühles Licht auf die Regalreihen und die beiden Sitzenden. "Die Erinnerungen an Taten von Anderen und jene, die wir selbst begingen werden uns immer begleiten. Es sind Dämonen, die wir beherrschen lernen, aber nie vertreiben können." Er zögerte kurz. "Sie wissen, wen Sie ansprechen können, wenn Ihnen die Ihren zu mächtig zu werden scheinen."

Sie tat so als ob sie ernsthaft überlegen würde. "Nein?"

Snapes Augen nahmen wieder den typischen Lehrer-für-Zaubertränke-Blick an. „Draco Malfoy ist ein ausgezeichneter Zuhörer."

Dann war die Maske fort und er sagte leise. "Ich werde einem Gryffindor im Mut nicht nachstehen, Miss Granger. Ich meine mich. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass Sie das noch wollen, wenn die nächste Stunde Zaubertränke vorrüber ist."

"Sie scheinen zu vergessen Professor, dass ich bereits 6 Jahre Unterricht mit ihnen überstanden habe. Nicht zu vergessen unser kleiner Ausflug in die Muggelwelt." Sie musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und einem schwachen Lächeln auf den Lippen. "So lange sie danach wieder der Snape sind, der jetzt hier vor mir sitzt überstehe ich selbst noch eine Stunde vom "Trank der Wahren Sicht"."

Snape neigte zustimmend sein Haupt, auch um ein weiteres Lächeln zu verbergen. So ganz wohl war ihm nicht in seiner Haut. "Da habe ich doch tatsächlich etwas von Ihnen gelernt, Miss Granger." Als Hermine ihn nur fragend ansah, fügte er hinzu: "Es mag eine Schwäche sein, sich jemandem zu zeigen. Aber alles andere an dieser Stelle wäre Feigheit."

"Sie sprechen wie ein wahrer Gryffindor." bemerkte sie fast nebenbei.

"Kein Grund beleidigend zu werden.", erwiderte Snape, doch seine Stimme klang alles andere als beleidigt. Dann sah er zum Fenster, sah auf den von ihm beschienenen Boden zwischen den Regalen und dann zu Hermine. "Sagen Sie, Miss Granger... tanzen Sie gern?"