In der Goldenen Halle von Meduseld sagte König Théoden gerade zu Naored: „Ich bin sicher, Euer Hengst wird uns noch große Freude bereiten, Naored. Es ist mir eine Ehre, ihn hier zu haben."

„Ich danke Euch, mein König", sagte Naored und verbeugte sich leicht. „Ich würde mich gerne ein wenig zurückziehen", sagte der Pferdezüchter dann.

„Natürlich", sagte Théoden. „Háma? Zeigt Herrn Naored seine Gemächer. Sie liegen direkt neben denen Ihrer Tochter. Das ist Ihnen doch recht, oder?"

„Sehr sogar", sagte Naored. „Vielen Dank." Er verbeugte sich wieder leicht und folgte Háma dann hinaus auf die Gänge.

„Wie geht es Brego?" fragte Théoden seinen Sohn, als die beiden alleine waren.

Théodreds Augen drückten Besorgnis aus. „Die Wunden sind verheilt", sagte er. „Jedenfalls äußerlich. Doch er ist noch sehr verstört. Ich bin am verzweifeln, selbst ich kann ihn nicht beruhigen. Der schwarze Pfeil hat tiefe Angst in ihm ausgelöst."

Théoden rieb sich den Bart. „Diese verfluchten Orks", knurrte er. „Ich möchte, dass du sofort mit einer Eskorte Eored zur Pforte von Rohan reitest und diesem Gesindel ein für alle Mal zeigst, wer Herr dieses Landes ist."

„Bitte, Vater", sagte Théodred. „Ich möchte Brego nicht alleine lassen. Er braucht mich. Lass Èomer den Befehl ausführen."

„Nun gut", sagte Théoden. Er sah die Besorgnis um Brego in den Augen seines Sohnes. „Gamling?"

Der Diener kam und verbeugte sich. „Was kann ich tun, mein Herr?"

„Ich möchte, dass eine Eskorte Eored unter der Führung Èomers zur Pforte von Rohan reitet und diesen verfluchten Kreaturen den Garaus macht", sagte Théoden.

„Selbstverständlich", antwortete Gamling. Im Eilschritt entfernte er sich aus der Halle.

„Und weshalb möchtest du in Wahrheit nicht meinen Befehl ausführen?" fragte Théoden seinen Sohn schmunzelnd.

„Bitte, Vater", sagte Théodred verlegen. „Ich möchte erfahren, was Brego so beschäftigt. Nadana ist Trägerin des Goldenen Amuletts. Ich möchte sie fragen, ob sie sich um Brego kümmern kann."

„Du scheinst sie sehr zu mögen", sagte Théoden.

„Sie ist ein wunderhübsches Mädel", sagte Théodred. „Und sie trägt das Goldene Amulett. Dafür bewundere ich sie jetzt schon."

„Das bedeutet, dass sie große Verbundenheit mit Pferden empfindet", sagte Théoden. „Hoffentlich kann sie Brego helfen. Wenn der Hengst unglücklich ist, bist du es auch. Und ich möchte dich nicht unglücklich sehen."

Théodred umarmte seinen Vater.

Etwa eine Stunde später trat Nadana aus ihrem Gemach. Sie hatte ein heißes Bad genommen und ein einfaches Kleid angezogen. Und dennoch folgten ihr die bewundernden Blicke der Diener, als sie durch die Gänge nach draußen ging.

Èomer erwartete sie bereits.

„Schön, dass Ihr gekommen seid", sagte er lächelnd.

„Bitte", sagte Nadana. „Ich möchte, dass Ihr mich duzt. Ich halte nichts von dieser Art Förmlichkeiten."

„Ich auch nicht", lächelte Èomer. „Dann möchte ich, dass du mich auch duzt. Immerhin wirst du ja eine ganze Weile hier bleiben."

„Eben", lächelte Nadana. „Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich erst noch einmal nach Kalohir sehen."

„Natürlich", sagte Èomer und die beiden gingen Richtung Stallungen.

Èowyn stand hinter dem Fenster ihres Gemachs und beobachtete ihren Bruder und Nadana. Ohne dass sie es wollte, stieg Neid in ihr auf. Èowyn wandte sich ab und verließ ihr Gemach in Richtung der Goldenen Halle.

Als Nadana und Èomer in die Stallungen kamen, blieb Èomer plötzlich vor Schreck stehen. Théodred hatte Bregos Box geöffnet und sich um seinen Hengst kümmern wollen. Brego war auf die Hinterhufe gestiegen und schlug wild mit den Vorderhufen in der Luft herum. Angsterfülltes Wiehern scholl durch den Stall. Théodred duckte sich und versuchte, dem Hengst einzureden, doch Brego wollte sich nicht beruhigen.

Nadana ging auf Brego zu. Sie verbeugte sich leicht vor dem Tier und kniete sich auf den Boden. Théodred sah zu ihr und ging leise ein paar Schritte zurück. Nadana sah Brego einfach nur an. Brego schlug noch ein paar Mal mit den Vorderhufen in der Luft herum, bis er sich schließlich etwas beruhigte und sie wieder auf den Boden senkte. Théodred wollte schon zu ihm gehen, doch Nadana deutete ihm mit Blicken, zu bleiben, wo er war. Èowyn kam in den Stall. Bregos Kopf fuhr angsterfüllt herum. Èomer hielt seine Schwester zurück, weiterzugehen.

Nadana blieb, wo sie war. Brego schien sich über sie zu wundern. Schließlich senkte der stolze Hengst den Kopf und trat einen kleinen, vorsichtigen Schritt auf Nadana zu. Théodred wagte nicht zu atmen. Nadana blieb einfach ruhig sitzen und sah Brego direkt an. Der Hengst blickte zurück. Nach für Théodred schier unendlichen fünf Minuten senkte der Hengst ganz den Kopf und kam auf Nadana zu. Nadana streichelte Brego auf der Stirn, sagte jedoch nichts. Brego schnupperte an ihr und schien wieder Vertrauen gefasst zu haben. Schließlich nickte Nadana Théodred zu. Langsam kam der junge Königssohn auf seinen Hengst zu. Brego drehte den Kopf. Théodred kniete sich ebenfalls nieder. Brego kam sofort zu ihm und als wollte er sich entschuldigen, rieb er seinen Kopf an Théodreds Schulter. Théodred lächelte unendlich erleichtert und streichelte Bregos Hals. Dann drehte sich Brego um und ging in seine Box zurück. Théodred schloss die Boxentüre.

Èomer stieß seine Schwester leicht an und deutete ihr, den Stall zu verlassen. Er selbst folgte ihr.

„Das war wunderbar", sagte Théodred bewundernd.

Nadana trat an Bregos Box und streichelte den Hengst.

„Wir waren in einen Angriff geraten", begann Théodred, doch Nadana unterbrach ihn:

„Ich weiß", sagte sie. „Brego hat mir alles erzählt. Die schwarzen Pfeile haben sein Vertrauen zerstört. Deshalb hatte er kein Vertrauen mehr zu Euch. Aber er hat sich entschuldigt."

„Das hat er", sagte Théodred und streichelte Brego ebenfalls. „Es tut mir leid, mein Guter", murmelte er dann. „Ich hatte tatsächlich Angst."

„Das ist doch klar", meinte Nadana. „Es war genau richtig, dass Ihr Euch ebenfalls niedergekniet habt. So konnte er Vertrauen fassen."

„Ich danke Euch", murmelte Théodred verlegen. „Ich hatte Euch sowieso fragen wollen, ob Ihr ihm helfen könnt. Nun scheint er sich wieder wohl zu fühlen."

Brego scharrte mit den Hufen im Heu. Nadana lachte.

„Oh ja", sagte sie. „Er ist ein wunderbares Pferd. Entschuldigt mich bitte, ich möchte nach Kalohir sehen."

„Natürlich", sagte Théodred. „Ich möchte mich bei Euch bedanken", sagte er dann. „Ich möchte Euch gerne einladen. Vielleicht morgen bei Sonnenaufgang?"

Nadana sah Théodred fassungslos an. „Ja…natürlich…", stammelte sie. „Das ist aber nicht nötig. Ich habe Brego gerne geholfen."

„Trotzdem", sagte Théodred. „Ich bin Euch wirklich sehr, sehr dankbar."

Nadana lächelte.

„Treffen wir uns morgen früh vor der Halle?" fragte Théodred. „Wenn die Sonne aufgeht?"

„Sehr gerne", sagte Nadana. Sie lächelte noch einmal und verschwand dann in Kalohirs Box.

Der Hengst begrüßte sie mit einem freudigen Schnauben und rieb seinen Kopf an Nadanas Schultern.

„Hallo, mein Lieber", sagte sie. „Weißt du, ich glaube, es wird doch ganz schön hier in Edoras. Was meinst du?"

Kalohir nickte heftig mit dem Kopf und Nadana lachte.

Eomer und Eowyn waren wieder Richtung goldene Halle gegangen. Auf halbem Wege kam ihnen der Diener Háma entgegen.

„Mein Herr?" sagte Háma. „Ich bringe einen Befehl von König Théoden."

„Ja?" sagte Èomer. „Was gibt es?"

„Ihr sollt mit einer Eskorte Eored zur Pforte von Rohan reiten", sagte Háma. „Diese verdammten Orkkreaturen sollen endlich vernichtet werden."

Èowyn warf Èomer einen erschrockenen Blick zu. Èomer atmete tief durch und sagte dann: „Natürlich, ich werde mich sofort auf den Weg machen."

Er sah Èowyn an und ging dann wieder zu den Stallungen. Unterwegs kam ihm sein Freund und Marshall Gamling entgegen.

„Gamling, wir müssen zur Pforte von Rohan", sagte Èomer. „Ich habe den Befehl zum Aufbruch eben erhalten."

„Dann beeilen wir uns", sagte Gamling. „Und machen wir diesen verfluchten Kreaturen endlich den Garaus."

Die beiden gingen in den Stall. Nadana kam gerade aus Kalohirs Box und sah die Besorgnis in Èomers Augen.

„Was ist?" fragte sie.

„Ein Befehl vom König", sagte Èomer. „Es tut mir leid, ich werde in der nächsten Zeit nicht hier sein."

„Schade", sagte Nadana.

„Es wird nicht lange dauern", meinte Gamling. „Wir sind ja selbst gespannt, wie sich Kalohir als Zuchthengst macht. Dieser Auftrag wird schnell ausgeführt sein."

„Macht schon mal die Pferde bereit", sagte Èomer und nahm Nadana dann auf die Seite. „Geht es Brego wieder besser?"

„Ja", sagte Nadana. „Er hatte einfach Angst. Dieser schwarze Pfeil hat tiefe Angst vor jedem in ihm ausgelöst. Aber jetzt hat er wieder Vertrauen zu Théodred."

„Das ist sehr gut", sagte Èomer. „Ich muss mich beeilen. Leb dich gut ein hier!"

„Danke", lächelte Nadana. „Seht zu, dass ihr wieder heil zurückkommt und dass den Pferden nichts passiert."

„Wir werden unser Bestes geben", meinte Èomer. „Bis bald."

Nadana lief mit nach draußen und half, die Pferde für den Ritt bereit zu machen. Èowyn kam ebenfalls und auch Théodred erschien von irgendwoher. Èomer schwang sich auf den Rücken seines Hengstes Schneemähne und rief:

„Wir reiten zur Pforte von Rohan! Folgt mir! Heia!"

Dann warf er Nadana noch einen Blick zu und jagte aus der Stadt. Etwa 1000 Mann folgten ihm.

Èowyn lief in die goldene Halle, Théodred ging zu Nadana.

„Etwas scheint sich zu tun außerhalb unserer Grenzen", sagte Théodred. „Streunende Orkbanden verwüsten die Westfold. Es wird Zeit, dass wir diesen Kreaturen zeigen, wer der Herr über Rohan ist."

„Müsst Ihr nicht mit zu diesem Einsatz?" fragte Nadana.

„Nein, ich muss mich um Brego kümmern", sagte Théodred. „Èomer ist Dritter Marshall der Riddermark, da muss er sich drum kümmern. Die Aufgaben sind diesbezüglich streng geregelt."

„Nadana!" Nadanas Vater kam aus den Stallungen. „Ich habe dich schon überall gesucht! Man bekommt dich ja überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Mein Prinz!" Naored verbeugte sich leicht vor Théodred.

„Oh, entschuldige, Vater", sagte Nadana lächelnd. „Ich habe Èomer verabschiedet. Er musste mit einer Eskorte Eored zur Pforte von Rohan aufbrechen."

„Mein Herr Théodred?" Háma kam mal wieder mit einem Befehl des Königs.

„Ich komme schon", sagte Théodred, lächelte Nadana zu und folgte Háma in die Goldene Halle.

„Du verstehst dich schon sehr gut mit dem Sohn des Königs", sagte Naored lächelnd. „Und mit Èomer ebenfalls."

„Ich habe Brego geholfen", sagte Nadana. „Théodreds Pferd. Er war von einem schwarzen Pfeil getroffen worden und völlig verstört. Er hat nicht einmal mehr Théodred an sich gelassen. Er hatte einfach Angst."

„Und du hast ihm geholfen?" fragte Naored erstaunt.

„Ich habe ihm einfach zugehört", sagte Nadana. „So merkwürdig es klingt, aber ich habe ihm einfach nur zugehört."

„Und, hat er sich beruhigt?" wollte Naored wissen.

„Ja", sagte Nadana. „Er hat sich beruhigt und sich bei Théodred entschuldigt."

„Mein Liebes, du bist einfach phantastisch", sagte Naored und umarmte seine Tochter. „Du trägst das Amulett wirklich zu Recht."

„Du, Vater, entschuldigst du mich gerade?" sagte Nadana. Ihr war siedend heiß eingefallen, dass bald die Sonne unterging. „Théodred hat mich heute Abend eingeladen und ich wollte mich noch hübsch machen."

„Natürlich", sagte Naored. „Wie ich sehe, findest du dich hier schon zurecht. Das ist gut. Dann werde ich noch mal nach Kalohir sehen. Das heißt, falls er mich überhaupt an sich ran lässt."

„Wird er", meinte Nadana lächelnd. „Das wird er."