Kapitel 29 - Trümmer einer Nacht
Ich stand am Fenster und blickte hinaus auf die Ruinen des abgebrannten Dorfes. Ein kalter Wind fegte die Asche davon und vereinzelt flogen noch Funken, doch sie waren zu weit entfernt, als dass sie dem Herrenhaus hätten gefährlich werden können. Zudem blies der Wind in die entgegengesetzte Richtung. Ein schauerliches Heulen wurde auf den Schwingen des Windes ebenfalls davongetragen. Sie kamen... die Kinder der Nacht. Nach und nach strömten immer mehr Wölfe in das Dorf, bis schließlich ein ganzes Rudel versammelt war. Sie streunten durch die verwaisten Gassen, durchstöberten die Trümmer der Häuser. Und sie mussten nicht lange suchen. Es gab genug "Futter" für alle.
Viele der Leichen hatten sie bereits verschwinden lassen. Nur blutige Schleifspuren im Schnee zeugten von ihnen. Am Rand des Marktplatzes konnte ich 3 Wölfe beobachten, die um die besten Stücke einer weiteren "Beute" kämpften. Ein plötzliches Frösteln überkam mich und ich rieb mit den Händen meine Oberarme um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Ich musste auf einmal an das Kind denken und fragte mich unwillkürlich, ob es den Weg zum nächsten Dorf geschafft hatte oder unterwegs ebenfalls ein Opfer der herannahenden Wölfe geworden war.
"Nun, was ist? Verabscheust du mich jetzt, so wie alle anderen?"
Seine Anwesenheit überraschte mich diesmal nicht so sehr, wie es sonst der Fall war. Instinktiv hatte ich schon seit ein paar Minuten seinen Blick auf mir gespürt, hatte es aber nicht über mich gebracht mich umzudrehen und ihn anzusehen. Der Klang seiner Stimme war anders als sonst. Die Arroganz war fast ganz aus ihr verschwunden und stattdessen glaubte ich so etwas wie Verachtung darin zu vernehmen. Und noch etwas... Enttäuschung? Ich überlegte erst eine Weile, bevor ich antwortete. Denn ich wollte mir wirklich sicher sein, nicht mich selbst und auch ihn zu belügen. Aber die Antwort war einfach zu finden. Sie war die ganze Zeit da gewesen. Und sie hatte sich nicht verändert.
"Nein mein Herr. Ich verabscheue euch nicht."
"Und warum siehst du mich dann nicht an?"
Langsam dreht ich mich zu ihm um. Er sah mir fest in die Augen und ich musste mich zwingen, seinem Blick Stand zu halten. Seine Miene hellte sich etwas auf. Offenbar hatte er sich davon überzeugt, dass ich ihn nicht belogen hatte.
"Ich weiß... es muss einem Menschen übertrieben vorkommen... aber glaub mir, sie hatten es verdient. Du weißt es doch selbst am Besten." Wieso klang es so als würde er sich rechtfertigen wollen? War er sich selbst nicht mehr sicher ob er das Richtige getan hatte? Nein. Was heute Nacht im Dorf geschehen war, war für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Nichts worüber er sich länger Gedanken machte. Und zweifellos genoss er auch jetzt noch den Anblick der zerstörten Häuser.
"Ihr hattet sicher eure Gründe. Und diese in Zweifel zu ziehen, steht mir nicht zu."
Ich merkte augenblicklich dass meine Wortwahl, obwohl versöhnlich gemeint, bei ihm das genaue Gegenteil zu bewirken schien.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass du versucht hättest mich aufzuhalten." Jetzt klang er eindeutig verärgert. "Vorhin schien es dir noch ganz gleichgültig zu sein, was mit diesem Dorf und seinen Einwohnern geschieht. Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Lag es an dem Kind? War es das?" er erhob seine Stimme. Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück, so als könnte ich dadurch seinem Zorn entgehen.
"Gerade von dir hätte ich ein anderes Verhalten erwartet. Ich hatte gedacht du würdest es verstehen. Offenbar habe ich mich da geirrt." Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verlies den Raum. Ihm nachzulaufen wagte ich nicht. Ich hatte Angst, in seinem Jähzorn könnte er mich fortschicken. So blieb ich allein zurück mit dem Pfeifen des Windes und dem immer wieder an- und abschwellendem Knurren der Wölfe als einzigen Gefährten.
Was mich am meisten beunruhigte war, dass ich nicht einmal genau sagen konnte, was ihn so zornig gemacht hatte. Hatte er die Rettung des Kindes durch mich als eine Art Verurteilung seiner Taten betrachtet oder als eine Rebellion gegen ihn? Keines von beidem war der Fall und das musste er doch auch wissen. Müde und kraftlos lies ich mich auf ein Sofa sinken. Die Erschöpfung bemächtigte sich meiner.
Wenn ich an den Ausdruck in seinen Augen dachte und an das was ich heute Nacht gesehen hatte, begriff ich das erste Mal wirklich Andreis Bedenken. "Hattest du nie Angst, dass er uns irgendwann umbringt?" Wann hatte er das noch gleich gesagt? Es musste irgendwann kurz vor meiner Abreise aus Budapest gewesen sein, denn gereist war ich ja schließlich alleine... oder?
Authors Note:
Wow... endlich mal wieder ein Kapitel für diese Story. Aber nachdem ich genug kranke Gedanken an meinem Mary-Sue Assignment ausgelassen habe, war es mal wieder Zeit für ein paar ernstere Töne. Ich muss sagen, dass mir persönlich die düstere Atmosphäre von Kapitel 28 und 29 sehr gut gefallen. #seufz# Und ich glaube (aus meiner subjektiven Sicht) dass mir Dracula jetzt auch immer besser gelingt. Es ist ja nicht ganz einfach sich in so einen gefühllosen Unsterblichen zu versetzen (schon gar nicht wenn der ganze Dörfer dem Erdboden gleich macht, aber was beschwer ich mich, war ja meine eigene Idee #sweatdrop#).
Ich stand am Fenster und blickte hinaus auf die Ruinen des abgebrannten Dorfes. Ein kalter Wind fegte die Asche davon und vereinzelt flogen noch Funken, doch sie waren zu weit entfernt, als dass sie dem Herrenhaus hätten gefährlich werden können. Zudem blies der Wind in die entgegengesetzte Richtung. Ein schauerliches Heulen wurde auf den Schwingen des Windes ebenfalls davongetragen. Sie kamen... die Kinder der Nacht. Nach und nach strömten immer mehr Wölfe in das Dorf, bis schließlich ein ganzes Rudel versammelt war. Sie streunten durch die verwaisten Gassen, durchstöberten die Trümmer der Häuser. Und sie mussten nicht lange suchen. Es gab genug "Futter" für alle.
Viele der Leichen hatten sie bereits verschwinden lassen. Nur blutige Schleifspuren im Schnee zeugten von ihnen. Am Rand des Marktplatzes konnte ich 3 Wölfe beobachten, die um die besten Stücke einer weiteren "Beute" kämpften. Ein plötzliches Frösteln überkam mich und ich rieb mit den Händen meine Oberarme um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Ich musste auf einmal an das Kind denken und fragte mich unwillkürlich, ob es den Weg zum nächsten Dorf geschafft hatte oder unterwegs ebenfalls ein Opfer der herannahenden Wölfe geworden war.
"Nun, was ist? Verabscheust du mich jetzt, so wie alle anderen?"
Seine Anwesenheit überraschte mich diesmal nicht so sehr, wie es sonst der Fall war. Instinktiv hatte ich schon seit ein paar Minuten seinen Blick auf mir gespürt, hatte es aber nicht über mich gebracht mich umzudrehen und ihn anzusehen. Der Klang seiner Stimme war anders als sonst. Die Arroganz war fast ganz aus ihr verschwunden und stattdessen glaubte ich so etwas wie Verachtung darin zu vernehmen. Und noch etwas... Enttäuschung? Ich überlegte erst eine Weile, bevor ich antwortete. Denn ich wollte mir wirklich sicher sein, nicht mich selbst und auch ihn zu belügen. Aber die Antwort war einfach zu finden. Sie war die ganze Zeit da gewesen. Und sie hatte sich nicht verändert.
"Nein mein Herr. Ich verabscheue euch nicht."
"Und warum siehst du mich dann nicht an?"
Langsam dreht ich mich zu ihm um. Er sah mir fest in die Augen und ich musste mich zwingen, seinem Blick Stand zu halten. Seine Miene hellte sich etwas auf. Offenbar hatte er sich davon überzeugt, dass ich ihn nicht belogen hatte.
"Ich weiß... es muss einem Menschen übertrieben vorkommen... aber glaub mir, sie hatten es verdient. Du weißt es doch selbst am Besten." Wieso klang es so als würde er sich rechtfertigen wollen? War er sich selbst nicht mehr sicher ob er das Richtige getan hatte? Nein. Was heute Nacht im Dorf geschehen war, war für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Nichts worüber er sich länger Gedanken machte. Und zweifellos genoss er auch jetzt noch den Anblick der zerstörten Häuser.
"Ihr hattet sicher eure Gründe. Und diese in Zweifel zu ziehen, steht mir nicht zu."
Ich merkte augenblicklich dass meine Wortwahl, obwohl versöhnlich gemeint, bei ihm das genaue Gegenteil zu bewirken schien.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass du versucht hättest mich aufzuhalten." Jetzt klang er eindeutig verärgert. "Vorhin schien es dir noch ganz gleichgültig zu sein, was mit diesem Dorf und seinen Einwohnern geschieht. Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Lag es an dem Kind? War es das?" er erhob seine Stimme. Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück, so als könnte ich dadurch seinem Zorn entgehen.
"Gerade von dir hätte ich ein anderes Verhalten erwartet. Ich hatte gedacht du würdest es verstehen. Offenbar habe ich mich da geirrt." Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und verlies den Raum. Ihm nachzulaufen wagte ich nicht. Ich hatte Angst, in seinem Jähzorn könnte er mich fortschicken. So blieb ich allein zurück mit dem Pfeifen des Windes und dem immer wieder an- und abschwellendem Knurren der Wölfe als einzigen Gefährten.
Was mich am meisten beunruhigte war, dass ich nicht einmal genau sagen konnte, was ihn so zornig gemacht hatte. Hatte er die Rettung des Kindes durch mich als eine Art Verurteilung seiner Taten betrachtet oder als eine Rebellion gegen ihn? Keines von beidem war der Fall und das musste er doch auch wissen. Müde und kraftlos lies ich mich auf ein Sofa sinken. Die Erschöpfung bemächtigte sich meiner.
Wenn ich an den Ausdruck in seinen Augen dachte und an das was ich heute Nacht gesehen hatte, begriff ich das erste Mal wirklich Andreis Bedenken. "Hattest du nie Angst, dass er uns irgendwann umbringt?" Wann hatte er das noch gleich gesagt? Es musste irgendwann kurz vor meiner Abreise aus Budapest gewesen sein, denn gereist war ich ja schließlich alleine... oder?
Authors Note:
Wow... endlich mal wieder ein Kapitel für diese Story. Aber nachdem ich genug kranke Gedanken an meinem Mary-Sue Assignment ausgelassen habe, war es mal wieder Zeit für ein paar ernstere Töne. Ich muss sagen, dass mir persönlich die düstere Atmosphäre von Kapitel 28 und 29 sehr gut gefallen. #seufz# Und ich glaube (aus meiner subjektiven Sicht) dass mir Dracula jetzt auch immer besser gelingt. Es ist ja nicht ganz einfach sich in so einen gefühllosen Unsterblichen zu versetzen (schon gar nicht wenn der ganze Dörfer dem Erdboden gleich macht, aber was beschwer ich mich, war ja meine eigene Idee #sweatdrop#).
