Ich wurde geweckt vom Krachen der Fensterläden. Offenbar hatte ich sie nicht richtig verschlossen und ein starker Windstoß musste die Verriegelung gelöst haben. Noch ganz benommen erhob ich mich wie von selbst um das penetrant störende Geräusch, welches mich aus meinen Träumen gerissen hatte, zu beseitigen. Erst ganz allmählich fand ich wieder in das hier und jetzt zurück... und wäre am Liebsten sofort wieder eingeschlafen. Wie konnte ich mich entschuldigen, ohne seinen Zorn erneut zu entfachen? Ich hielt es schließlich für das Vernünftigste, meinen Meister für diese Nacht nicht mehr zu behelligen. Vielleicht würde er sich morgen Abend beruhigt haben. Zumindest hoffte ich das.
Aus meiner Hoffnung wurde jedoch nichts. Gleich nach Sonnenuntergang verschwand er und ich sah ihn für mehrere Tage nicht. Ich fürchtete schon, er hätte mich allein zurückgelassen und wäre einfach weitergezogen. Was sollte ich dann tun? Bleiben, in der Hoffnung er könnte doch wiederkehren? Oder gehen und ihn vielleicht suchen?
Am Ende des sechsten Tages kehrte er schließlich zurück. Ich hörte das vertraute Klappern seiner Stiefel durch die Gänge hallen und fühlte eine große Freude und Erleichterung. Sofort rannte ich los, in die Richtung, aus der die Schritte erklangen. Es war mir egal, ob er noch wütend auf mich war, oder ob er mich anschreien würde. Alles war belanglos, nun da er wieder zu mir zurückgekehrt war. Als ich ihn schließlich erblickte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Er war nicht allein.
An seiner Seite stand eine junge Frau, die in ein fließendes weißes Gewand gekleidet war. Ihr Haar fiel ihr in golden glänzenden Wellen über die Schultern und betonte den anmutigen schlanken Hals. Die Haut war makellos weiß und schimmerte wie Perlmutt. Die grüne Farbe ihrer Augen wurde von einem Leuchten verstärkt, das keinen natürlichen Ursprung hatte. Es bestand kein Zweifel. Der Meister hatte sich eine neue Braut erwählt.
Ihr Blick blieb auf sein Antlitz gerichtet und für eine Weile schien es so, als hätten sie mich noch gar nicht bemerkt, obwohl ich praktisch direkt vor ihnen stand. Schließlich wandte sich mein Meister mir doch zu. Und er sprach mit der gleichen ruhigen Stimme zu mir wie früher. "Paliki, das ist Carmilla." Die schöne Frau würdigte mich nun doch eines kurzen abschätzigen Blickes, verzog die roten Lippen zu einem verächtlichen Lächeln und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Meister.
Ich stand einfach nur da und konnte nichts erwidern. Ich musste an Aleere, Verona und Marishka denken. Sie waren immer um den Grafen gewesen und ich hatte sie gemocht. Aber von dieser Frau ging eine Feindseligkeit aus, die beinahe greifbar war. Oder bildete ich mir das nur ein? Sie hatte mich doch gerade erst einmal angesehen, wie konnte ich das dann schon mit solcher Gewissheit behaupten? Auch darauf wusste ich keine Antwort. Aber das Gefühl war da und es ließ sich nicht verdrängen.
"Paliki?"
Ich fuhr zusammen. "Ja, mein Herr?"
"Du siehst aus als würde dich etwas bedrücken."
"Nein mein Herr. Es ist nichts. Ich bin nur... froh, dass ihr wieder gesund zurückgekehrt seid."
Carmilla blitzte mich streitlustig an. "Was meinst du mit 'gesund', du arme Sterbliche? Glaubst du etwa, dass der Herr aller Vampire es nicht mit jedem Feind aufnehmen könnte der sich ihm in den Weg zu stellen versucht?"
Was sollte das jetzt? Wofür hielt sie mich? Hatte sie ihn wieder zum Leben erweckt oder ich? Mir lagen einige spitze Antworten auf der Zunge, doch zu meiner eigenen Überraschung zügelte ich mich und antwortete untertänig: "Natürlich nicht, ich bitte um Vergebung." Sie lachte mich überheblich an, als hätte sie einen Sieg errungen und die Kristalle des Kronleuchters klirrten von dem unangenehm hohen Ton.
"Wenn mein Herr es mir erlaubt, würde ich mich gerne zurückziehen. Ich habe in den vergangenen Tagen nur wenig geschlafen." ...weil ich auf eure Rückkehr gewartet habe und sie nicht verschlafen wollte, fügte ich im Geiste hinzu. Er nickte nur und ich machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück in mein Gemach. Dort warf ich mich auf das Bett und während meine Tränen die Kissen benetzten, hallte ihr Lachen immer noch in meinen Ohren nach.
Authors Note:
Lang
lang ists her, aber schließlich hab ich doch mal wieder ein Kapitel
fertiggestellt. Im Vergleich zu den direkt vorhergehenden vielleicht
ein wenig kurz, aber immer noch besser als gar nichts, oder? #smile#
Ist auch gut möglich, dass es bis zum nächsten Update nicht wieder so
lange dauert, wenn ich mal in der richtigen Stimmung bin, kann das
recht fix gehen. Ach ja, noch was zu dem Namen "Carmilla", das ist eine
kleine Homage an die bekannte Geschichte "Carmilla" von Sheridan
LeFanu. Ich kannte die Geschichte schon länger, aber erst seit ich sie
als Hörspiel der Reihe "Gruselkabinett" gehört habe, finde ich sie so
richtig zu Herzen gehend. Absolut Empfehlenswert! Mit der Hauptfigur
dieser Geschichte hat meine Carmilla allerdings nichts außer dem Namen
gemein (sonst würde sie vermutlich auch mehr an Paliki kleben als an
Dracula #g#). Das Klauen von Figuren behalt ich mir für MSA vor. #smile#
(at)Imortalis: Ah eine neue Leserin. #froi# Hat die Geschichte doch das Potential noch Leute anzuziehen obwohl sie schon diese erschreckende Größe hat. Das Update kam zwar nicht ganz so bald, aber vielleicht ändert sich das ja noch.
