Van Helsing! Das also war es. Der Meister schien äußerst zufrieden über diese Mitteilung.
"Sehr gut. Endlich macht der Orden seinen ersten Zug. Sie haben Gabriel zurückgerufen. Dann wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis er uns hier Gesellschaft leistet. Und ich möchte angemessen darauf vorbereitet sein. Du weißt, was du zu tun hast?"
Barát nickte. "Ja, Herr."
"Worauf wartest du dann noch?" entgegnete der Meister unwirsch. Barát wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und verlies den Saal. Wieder folgte ich ihm.
"Was wirst du jetzt tun?"
"Was mir der Herr aufgetragen hat."
"Und was ist das?"
Er drehte sich zu mir um, obwohl es für mich keinen Unterschied machte, ob ich mit seiner verhüllten Vorder- oder Rückseite sprach. "Jeder von uns hat seine Aufgabe im Plan des Herrn. Ich und auch du. Was genau diese Aufgabe sein wird, kann nur er dir sagen. Und es gebührt nicht uns, diese Aufgaben mit anderen zu teilen, die er nicht damit beauftragt hat."
"Woher willst du denn wissen, dass ich überhaupt noch eine Rolle spiele! Seit Wochen sitze ich hier herum, bin kaum zu etwas nütze, außer, die Launen dieses Weibes zu erdulden. Ich habe fast den Eindruck er hat vergessen, dass es mich überhaupt gibt!" Erneut stieg Zorn in mir auf. Und mit ihm die absolute Hilflosigkeit die mir sagte, dass ich nichts gegen die Zustände unternehmen konnte. Gar nichts. Nur warten und hoffen, dass es sich änderte.
Barát schwieg einen Moment. Dann sagte er ruhig: "Vielleicht ist es so. Der Herr ist launisch. Er straft nach seinen eigenen Regeln. Wenn er sein Interesse an dir verloren hat, bist du nicht mehr als alles andere in seinem Besitz."
"Kennst du ihn von früher?"
"Ja. Ich habe ihm früher schon gedient. Seine Grausamkeit hat bereits viele Seelen verzweifeln lassen. Auf die eine oder andere Weise."
Ich dachte nach. Vielleicht war das die einfache Lösung des Ganzen. Ich hatte an Bedeutung verloren. Die Tage in meiner Erinnerung, die mich so viele Jahre aufrecht gehalten und mir Kraft und Mut gegeben hatten. Für ihn bedeuteten sie gar nichts. Kaum eines Gedanken wert. Er machte dort weiter, wo er vor seiner Vernichtung aufgehört hatte und diesmal gab es keine Informationen die ich ihm beschaffen konnte. Nichts von allen Dingen, die ich in Budapest für ihn hatte tun können war mir noch möglich. Nutzlos. Unnötig. Unrat. Ich wollte Barát noch viele Dinge fragen, aber er war bereits verschwunden, ohne dass ich es bemerkt hatte.
Ich verharrte weitere Wochen in meiner Lethargie. Mein Handgelenk verheilte langsam, allerdings hatte ich Schwierigkeiten es abzuwinkeln. Ich wusste nicht, ob es sich bessern würde, und es interessierte mich zusehends weniger. Mir wurde nichts aufgetragen und ich hielt mich so gut es ging von allen fern. Selbst Carmilla zog es vor, mich zu meiden. Nur Barát leistete mir hin und wieder Gesellschaft, nachdem er dem Meister Bericht über seine Tätigkeiten erstattet hatte. Ich fragte ihn nicht danach. Er hatte mir sehr wohl zu verstehen gegeben, dass er es mir nicht verraten würde, und ich wollte ihm nicht weiter damit zur Last fallen.
So gut es mir tat, mit jemandem zu sprechen, nach jedem Gespräch lies er mich umso schwermütiger zurück. Ich erzählte ihm immer wieder von meinen Befürchtungen, in den Augen des Meisters keinerlei Existenzberechtigung mehr zu haben und er widersprach mir nicht. Er sagte nur, was er immer sagte. Dass niemand wusste, was im Herrn vorging und was er mit seinen Taten bezweckte, außer ihm selbst. Das es aber durchaus seiner Natur entspräche ungerecht zu sein und er es geradezu genoss Existenzen zu zerbrechen. Noch vor ein paar Wochen hätte ich diese Behauptungen entrüstet zurückgewiesen. So war mein Meister nicht! Er wusste zu schätzen was ich getan hatte!
Aber stimmte das wirklich? Das Alleinsein und die vollkommene Missachtung meiner Anwesenheit zermürbten mich. Mehr als einen gelegentlicher Blick oder einen Gruß hatte ich mit meinem Meister nicht mehr gewechselt. Ich scheute mittlerweile schon fast vor seiner Gegenwart zurück. Ich könnte seine offene Ablehnung nicht ertragen und so verkroch ich mich freiwillig in meinem Zimmer und hing meinen Erinnerungen nach. Ich vegetierte vor mich hin und verlor jegliches Zeitgefühl.
Immer öfter blickte ich einfach aus einem der Fenster hinunter auf den vorbeiströmenden Fluss und fragte mich, wie es sich wohl anfühlen mochte, langsam in seine angenehm ruhige Dunkelheit hinabzusinken. Mit dem leisen Flüstern der Wellen in den Ohren einzuschlafen und nie mehr zu erwachen. Kein Schmerz. Keine Angst. Keine Einsamkeit. Nur Stille und Frieden.
"Ah, hier bist du. Ich habe dich schon überall gesucht."
Carmillas Stimme drang kaum bis in meine düsteren Gedanken vor und ich ignorierte ihre Anwesenheit einfach. Sie sprach jedoch weiter. Bemerkenswert ruhig. Fast mitleidig.
"Armer kleiner Mensch. Ich verstehe deine Gefühle ja. Du begehrst ihn, nicht wahr? Aber er hat mich erwählt, statt deiner. Und das obwohl du so viel für ihn geopfert hast. Ich habe es dir schon gesagt... du hättest gehen sollen, aber du wolltest ja nicht. Stattdessen sperrst du dich ein und quälst dich selbst." Ihre Finger berührten mein Haar, streichelten sanft darüber. Langsam drehte ich mich zu ihr. Was wollte sie? Ihren Gesichtsaudruck konnte ich nicht deuten.
"Ich weiß... ich habe dir wehgetan und dich verletzt. Ich bitte dich um Verzeihung. Ich weiß auch, dass mein Verhalten unangebracht war. Aber du musst mich verstehen... Ich war so furchtbar eifersüchtig auf dich. Ich war kindisch und dumm. Ja dumm. Ich sehe es ein. Denn nun hat mich mein Geliebter von den qualvollen Zweifeln befreit, die an mir nagten. Und diese Sicherheit verleiht mir die Größe, mich bei dir zu entschuldigen."
Ich antwortete ihr nicht, sondern starrte sie nur weiter an. Ihre Worte umhüllten mich, wie ein warmer Mantel. Dennoch sah ich noch immer keinen Sinn in ihrem Tun. Worauf wollte sie hinaus?
"Ich stehe über meinem früheren unreifen Verhalten und kann es nur noch belächeln und, was dich betrifft, bedauern." Sie umschmeichelte mich wie eine Katze und blieb schließlich dicht neben mir stehen. Ihre grünen Augen blitzten boshaft auf, als sie in mein Ohr flüsterte. "Jetzt... da ich ihm seine Kinder gebären werde."
Ihre Worte sickerten langsam, wie Gift in mein Bewusstsein ein. Welche Reaktion sie sich auch immer erhofft hatte, sie bekam sie nicht. Ich stand einfach nur da, wie zur Salzsäule erstarrt und war nicht fähig meine Gefühle zu begreifen. Irgendetwas tief in mir schrie. Ich konnte es ganz deutlich hören, aber nicht ausdrücken. Der Schrei wurde leiser und erstarb. Stille. Leere. Ich fühlte gar nichts mehr.
Carmillas Hand strich wieder durch mein Haar. Sie stand jetzt seitlich hinter mir und war meinem Blick somit entzogen. Ihren befriedigten Gesichtsausdruck konnte ich jedoch auch so klar genug vor mir sehen. "Armer kleiner Mensch.", gurrte sie wieder. "Glaube nicht von mir, ich sei nachtragend. Ich bin sogar hier, um dir einen Gefallen zu erweisen." Jetzt begann sie, meine Haare nach hinten zu streichen und ich schauderte, als ihre kalte Hand meinen Hals berührte. Langsam, fast zärtlich, bog sie meinen Kopf zur Seite. "Es wird dir nicht wehtun... Und du hast endlich die Ruhe, nach der du dich so sehnst.", raunte sie mir zu. Es war vorbei. Ich hatte keine Kraft mehr mich zu wehren. Ich wollte es auch nicht mehr. Ergeben fügte ich mich in mein Schicksal und schloss die Augen.
Ein hoher spitzer Schrei ertönte. Für einen Augenblick glaubte ich, selbst diesen Schrei ausgestoßen zu haben, in einem letzten Anflug von Widerstand. Doch dem war nicht so. Der Griff um meinen Nacken verschwand. Verwundert drehte ich mich um. Aus Carmillas Brustkorb ragte die Klinge eines Schwertes. Ihr ungläubiger Blick war auf den Mann gerichtet der hinter ihr stand.
"Ich hab es dir immer wieder gesagt... Ich hasse Ungehorsam."
Ihre Lippen versuchten verzweifelte letzte Worte zu bilden, doch unter dem ungerührten Blick meines Meisters zerfiel sie vor seinen Füßen zu Staub, ohne noch etwas gesagt zu haben.
- Ende Kapitel 35 -
Authors Note:
Ding Dong the Witch is dead the wicked Witch is deeead. sing g Hier also mal wieder ein Kapitel auf das ich schon länger hingearbeitet habe. Lange bevor ich wusste, wie die neue Braut aussieht oder wie sie genau sein sollte, wusste ich bereits, wie sie stirbt. Gut, ich hab einen etwas morbiden Humor. Ich denke, dass der gute Graf in diesem Kapitel einige Sympathiepunkte wieder gutmacht, die er in den letzten Kapiteln eingebüßt hatte. Eigentlich isser doch gaaaaaaaaaaaaanz doll lieb. (ja ieh sweatdrop) Scherz beiseite. Gute Nachrichten, in meinem Kopf nimmt das Ende allmählich Gestalt an und die Chancen dafür, dass die Geschichte zur Unvollendeten wird sinkt damit. Hoffen wir mal, dass mir die ausstehenden Punkte auch noch einfallen.
Ich hab irgendwie so das Gefühl, dass das letzte Kapitel unbemerkt untergegangen ist, weil ja über mehrere Tage immer mal wieder ein paar Stunden down war. Oder vielleicht hat es Euch auch nicht gefallen. sniff Naja... ich schreib trotzdem weiter. Unerschütterlich. g
