Meine Gedanken rasten. Ich konnte einfach nicht begreifen was soeben geschehen war. Der Meister trat einen Schritt auf mich zu und ich wich unwillkürlich zurück. Etwas in seinem Gesicht veränderte sich plötzlich, aber ich konnte nicht sagen, was. War es der Ausdruck in seinen Augen?
"Du schreckst vor mir zurück, Paliki?"
Ich fühlte mich unwohl unter seinem Blick. Er kam noch einen Schritt näher. Diesmal blieb ich stehen.
"Fürchtest du mich? Vertraust du mir etwa nicht mehr?" Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
Was sollte ich darauf antworten? Ein Teil von mir hatte ihm immer vertraut, doch die Ereignisse der letzten Wochen hatten mich schreckhaft und vorsichtig werden lassen.
"Herr... ich...", verzweifelt suchte ich nach Worten. Schließlich beschloss ich, einfach ehrlich zu sein und das zu sagen, was mir gerade durch den Kopf ging.
"Ich verstehe euch nicht, mein Herr."
"Was gibt es da nicht zu verstehen? Du selbst weißt wie sehr ich Ungehorsam hasse, und dass ich nicht zögere ihn zu bestrafen."
"Aber...", ich hielt inne. Hatte ich wirklich das Recht ihn darauf anzusprechen?
"Aber?"
"Sie sagte... sie behauptete... sie trüge eure Kinder unter dem Herzen."
Sein Gesicht blieb ausdruckslos. "Das mag sein. Aber was kümmert mich eine Nachkommenschaft die von Anfang an keine Lebenschance hat? Ohne das Monster als Schlüssel ist das vollkommen bedeutungslos. Abgesehen davon...", er warf einen verächtlichen Blick auf das Häuflein Asche zu seinen Füssen. "... eine solche Nachkommenschaft hat es sowieso nicht verdient zu leben."
Die Kälte in seiner Stimme lies mich frösteln. Dennoch waren seine Worte Balsam für meine gequälte Seele. Sie zeigten mir, dass Carmilla ihm nicht halb so wichtig war wie ich gedacht hatte. Oder sollte ich sagen, wie ich es befürchtet hatte? Ich war mir immer noch nicht ganz im Klaren darüber, weshalb ich gegen Carmilla von Anfang an eine solche Abneigung verspürt hatte. Ich war doch mit Aleere, Verona und Marishka auch sehr gut ausgekommen. Aber irgendetwas hatte sich verändert...
"Wie geht es deiner Hand?"
Ich schreckte auf. "Es geht schon wieder... aber ich kann das Handgelenk nicht abwinkeln." Mein Meister streckte seine Hand aus, als Zeichen, dass er die Verletzung sehen wollte und ich streckte ihm meinen Arm entgegen. Vorsichtig betastete er mit seinen Fingern die Bruchstelle. Seine Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken, aber ich lies mir nichts anmerken. Irgendwie schien es mir immer noch unfassbar. Ich hatte schon befürchtet, dass er mir völlig entfremdet würde und nun stand er vor mir und sah mich an als ob nie etwas passiert wäre.
"Das mit deiner Hand tut mir leid Paliki. Auch, dass du vielleicht geglaubt hast, es wäre mir egal. Aber hätte ich dir gegenüber so etwas wie Besorgnis gezeigt, hätte Carmilla dich sicher noch mehr gehasst. Ich wollte sie lediglich von dir fernhalten." Seine Miene verdüsterte sich. "Vermutlich hätte ich sie gleich damals töten sollen."
"Ja, vermutlich hättet ihr das." Ich schlug mir erschrocken mit der gesunden Hand auf den Mund. "Oh ich... das tut mir leid, das wollte ich nicht sagen, es steht mir nicht zu, euch Vorwürfe zu machen Meister! Das wollte ich wirklich nicht!"
"Sag, meine kleine Paliki... hast du Angst vor mir?" Seine Stimme klang weich und hypnotisch. Ich schüttelte den Kopf und sah zu Boden. "Sieh mich an!", befahl er. Schweren Herzens hob ich den Blick wieder zu ihm.
"Du hast also keine Angst?"
"Ich habe nur Angst davor, dass ihr mich verlasst." Im selben Moment als die Worte meine Lippen verlassen hatten, hätte ich alles dafür gegeben sie ungeschehen zu machen. Ich hatte das nicht sagen wollen. Das war nie für seine Ohren bestimmt gewesen. Was hatte mich nur dazu gebracht? Ich starrte ihn einen Moment lang an. Fassungslos über meine eigene Dreistigkeit. Aber er war mir nicht böse. Er sah mich einfach nur an. Das Blau seiner Augen funkelte wie der dunkle Nachthimmel und ich hatte das Gefühl in sie hineingezogen zu werden. Ich wollte den Blick wieder abwenden, aber ich konnte nicht, es war als ob er mich gewaltsam festhielte. "Hab keine Angst...", flüsterte er.
Ich hörte das Geräusch bevor ich den Schmerz spürte. Ein lautes unangenehmes Knacken. Das Knacken brechender Knochen. Dann breitete sich ein mir bekannter stechender Schmerz von meinem Handgelenk, meinen Arm hinauf, in meinem ganzen Körper aus. Und den Schmerzensschrei, den ich beim ersten Mal unterdrückt hatte, stieß ich nun umso lauter hervor. Es war ein Laut der Schmerz und Enttäuschung verband. Ich stolperte rückwärts, bis ich mit dem Rücken gegen eine Mauer prallte und daran herabsank. Mit ungläubigem Blick umklammerte ich mein erneut gebrochenes Handgelenk. Was hatte ich getan? Hatte ich ihn mit meinem Geständnis erzürnt? Womit hatte ich diese Strafe denn nur verdient?
Er beugte sich über mich und ich blickte zu ihm auf. Ich konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen, da Tränen des Schmerzes meine Sicht verschleierten. Aber er sprach beruhigend auf mich ein. "Wenn ich es dir vorher gesagt hätte, hättest du gezuckt und es wäre vielleicht kein glatter Bruch geworden."
Ich verstand nicht was er da sagte. Der Schmerz vernebelte meinen Verstand. Er quälte mich noch mehr als beim ersten Bruch. Oder war das pure Einbildung? Ich merkte nur, wie ich plötzlich hochgehoben wurde und mein Kopf an der Brust meines Meisters zu ruhen kam. Er trug mich in mein Gemach und setzte mich behutsam auf meinem Bett ab. Im nu war ich von einer Horde hektisch umherwuselnder Dwergi umringt. Sie waren nach der Vernichtung des Meisters in die Wälder geflohen und hatten sich dort vor den wütenden Bauern verborgen gehalten. Sobald seine Rückkehr sich jedoch herumgesprochen hatte, waren sie nach und nach zum Herrenhaus geeilt um ihre Dienste wieder aufzunehmen.
"Sie werden dafür sorgen, dass der Bruch diesmal richtig verheilt und der Knochen gerade zusammenwächst.", erklärte mein Herr mir endlich. Das war es also. Ich verstand. Meine Hand wurde nun fachgerecht versorgt und eingebunden, damit ich keine bleibenden Schäden davontrug. Ich war ungeheuer erleichtert. Sogar ein Lächeln brachte ich zustande. Der Meister hatte sich zur mir auf den Rand meines Bettes gesetzt. Seine Hand strich sacht über meine Wange. "Wie fühlst du dich?"
"Der Schmerz lässt nach..."
- Ende Kapitel 36 -
Authors Note:
Tja, da bin ich mal wieder. Diesmal mit einem Kapitel zu Even in Death. Wurde nach 2 Monaten wohl auch mal wieder Zeit. #hüstel#
Paliki: Allerdings!
Dracula: Das möchte ich auch meinen.
Para: Jaja, is ja gut. #sweatdrop#
Mit Dracula erlebt man in dieser Geschichte ein richtiges Wechselbad der Gefühle, nicht wahr? Ich hab mir von meiner Beta-Leserin Kodachi bestätigen lassen, dass er jetzt definitiv wieder mehr Plus als Minus-Punkte bei ihr hat. Wie seht ihr das? Ist es okay wie er sich in diesem Kapitel verhält? Oder ist er am Ende vielleicht sogar schon ZU nett? An Meinungen und Theorien bin ich wie immer mächtig interessiert. Und ich kann schon mal eine kleine Ankündigung für das nächste Kapitel machen... es wird einen kleinen Bruch in der bisherigen Erzählweise geben. Mehr wird jedoch nicht verraten. Außer, dass es vermutlich nicht allzu lange dauert bis das nächste Kapitel online geht. Ich hab da schon recht genaue Vorstellungen. Also am besten immer mal wieder reinschauen... oder am besten per Alert benachrichtigen lassen.
(at)Sirius-MyLove: Na umso besser. Hoffen wir dass es so bleibt.
Carmilla: ICH LEEEEBEEEEEE!
Para: Du warst nicht gemeint. Du bleibst Tod.
Carmilla: Huch. #sofort wieder zu Staub zerfall#
