24. Februar 1901, Gabriel Van Helsing

Ich habe das adriatische Meer hinter mir gelassen, und bin nun auf dem Landweg nach Vaseria. Es ist immer wieder ein eigenartiges Gefühl auf einem Schiff das Meer zu überqueren. Ständig sehe ich das Leuchten ihrer Augen vor mir. Diesen unbändigen Wunsch nach Leben. Ein Leben ohne den düsteren Fluch der auf ihrer Familie lastete. Und jedes mal wenn ich daran denke... geht gleichzeitig die Erinnerung an mein eigenes Versagen damit einher. Ich hatte sie retten wollen. Nicht nur vor den Monstern die ständig Leib und Seele bedrohten, sondern vor einem Leben das für sie ein Käfig war, der ihren Freiheitsdrang einsperrte und ihre schönen Flügel stutzte. Sie war stark gewesen, sehr stark. Stärker vermutlich sogar als ich. Sie hatte ihr Leben geopfert um meine Seele vor der Verdammnis zu retten. Und alles was ich für sie tun konnte, war sie zumindest einmal zum Meer zu führen, bevor ihre sterblichen Überreste in der Familiengruft beigesetzt wurden.

Es schmerzt noch immer. Selbst nach all diesen Jahren. Aber ich habe gelernt es hinter mir zu lassen, so wie ich immer alles hinter mir lassen muss. Kein Ort zum rasten oder ruhen. Ich habe keine Vergangenheit und somit auch keine Gegenwart und vor allem keine Zukunft. Das ist mein Schicksal. Aber ich habe eine Aufgabe, die wichtiger als mein eigenes Schicksal ist. Ich muss das Böse auf der Welt bekämpfen. Die Schatten der Nacht, die angekrochen kommen um den Menschen alles zu nehmen was sie menschlich macht. Ich tue das im Namen des Herrn und eigentlich sollte ich mich als strahlender Held fühlen, vollkommen erfüllt von meiner Bestimmung und in dem Bewusstsein, der Retter der Menschheit zu sein. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. In den meisten größeren Städten Europas werde ich als Mörder gesucht, da die Gestalten der Nacht sich nach ihrer Vernichtung meist wieder als das zeigen, was sie ursprünglich waren: einfache Menschen. Auch wenn mich das Wissen, ihren Seelen ewigen Frieden verschafft zu haben, davor bewahrt bei all dem Leid das ich mit ansehen muss den Verstand zu verlieren, ist es doch nur ein schwacher Trost.

Ich bin schon ebenso zu einem Schattengeschöpf geworden wie die Kreaturen die ich jage. Mir fehlen die Wärme und der Zuspruch menschlicher Gesellschaft. Carl, der mich früher begleitete, bleibt nun in den schützenden Mauern des Vatikans zurück. Er wurde bei einem Dämonen-Angriff in Wales schwer verwundet. Tagelang bangte ich um sein Leben. Aber er hat es geschafft. Kleiner tapferer Carl... Dennoch hat es ihn sehr verändert. Er wurde nervös und über die Maßen schreckhaft. Wie selbstverständlich seine Gesellschaft für mich war, wurde mir erst bewusst, als er mir stockend und mit zitternder Stimme eröffnete, dass er mich nicht weiter begleiten konnte. Ich sah ihm an wie schwer es ihm fiel, denn er wollte mich nicht im Stich lassen. Er hatte es ja noch nie gemocht, diese "Feldstudien" wie er es nannte. Aber ich konnte ihn verstehen. Immerhin hatte er die Wahl. Ich hatte sie nicht. Und als ich die Angst in seinen Augen sah wusste ich, dass es besser war ihn im Vatikan zu belassen, wo er weiterhin neue Waffen für mich entwickelte. Er hätte nur unnötig sein Leben riskiert.

Nun habe ich mir ein Quartier in einer kleinen Stadt am Ufer des Flusses genommen, der auch an Vaseria vorüber fließt. Zu Pferd wird es noch gut 2 Tagesritte dauern. Es ist noch zu früh um mich schlafen zu legen und mein Magen verlangt nach Nahrung, also gehe ich hinunter in die Wirtsstube. Das Essen in dieser Gegend hat sich auch nicht verändert. Gute rumänische Hausmannskost, gewürzt mit Knoblauch. Viel, viel Knoblauch. Wenn ich Glück hatte, roch Dracula mich nicht schon 10 Kilometer gegen den Wind.

Die Nachricht von seiner Wiederauferstehung hatte mich zugegeben wie ein Schock getroffen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass es überhaupt möglich war. Kardinal Jinette unterrichtete mich jedoch beiläufig wie immer, dass die Kirche diese Möglichkeit durchaus gekannt hatte. Ich hasse es wie ein dummer Schuljunge behandelt zu werden. Das habe ich ihm auch etwas unsanft mitgeteilt. Wer weiß was passiert wäre, hätte Carl nicht eingegriffen. Als Jinette wieder sprechen konnte, erklärte er mir, wie sie in den uralten Geheim-Archiven des Vatikans auf Aufzeichnungen über einen Dolch gestoßen waren, der die unheilige Kraft besaß, durch Blutopfer Dämonen zu beschwören. Dass er auch bereits getötete wieder erwecken konnte, war nirgends explizit vermerkt, die Wahrscheinlichkeit wurde jedoch als hoch eingeschätzt. Auf diesem Wissen waren sie nun jahrelang gesessen ohne etwas zu unternehmen. Und ich durfte wieder einmal anrücken und die Welt retten. Verdammt, wieso ging Jinette nicht einmal selbst los und versuchte die Höllenbrut mit seinem Gefasel zu Tode zu nerven? Er hat keine Ahnung wie es ist, diesen Wesen von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Er kann leicht große Töne spucken. Manchmal hasse ich diesen Kerl.

Während ich gedankenversunken in dem Pampf auf meinem Teller herumstochere, höre ich eine aufgeregte Frauenstimme vom Tresen her.

"Bitte! Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben noch in das Dorf zu kommen! Ich will doch nur wissen was aus meinen Eltern geworden ist!"

Ich blicke auf und taxiere die Frau gewohnheitsmäßig. Sie ist jung, fast noch ein Mädchen, und in einen dicken Mantel gehüllt aus dem nur ihr Kopf hervorlugt. Ihre Haare hängen ihr wirr ins Gesicht und sie spricht sehr schnell und hoch vor Aufregung. Der Wirt schaut sie nur mitleidig an, winkt aber ab.

"Tut mir leid Mädchen. Aber ich hab es dir schon gesagt. Das Dorf wurde vollkommen zerstört. Wenn deine Eltern dort waren, sind sie jetzt wohl tot. Auf jeden Fall fährt keine Kutsche mehr dorthin."

"Dann gebt mir ein Pferd!" ihre Stimme schraubt sich hoch zum Hysterischen.

"Wenn du das Pferd kaufst, kein Problem."

"Aber ich habe nicht so viel Geld! Ich brauch es doch nur für einen Tag, dann bring ich es wieder zurück!"

"Nein meine Kleine. Du scheinst nicht verstehen zu wollen. Wenn du gehst, dann kommst du nicht wieder und ich kann mein Pferd in den Wind schreiben. Niemand hier wird dir ein Pferd geben, damit du nach Vaseria reiten kannst. Also spar dir den Weg und behalte dein Leben. Der Teufel selbst geht dort um."

Ich horche auf. Das Mädchen wollte nach Vaseria? Ich mustere sie nachdenklich. Sie muss ein kleines Kind gewesen sein, als ich das letzte Mal dort war. Sie scheint zu begreifen, dass sie kein Glück haben wird und schleicht wie ein geprügelter Hund nach draußen. Ich weiß nicht warum, aber ich folge ihr. Sie merkt nicht, dass ich sie beobachte und schlüpft vorsichtig in den Pferdestall. Als ich den Stall betrete, bindet sie gerade eines der Pferde los. Schnell greife ich nach den Zügeln.

"Ich halte das für keine gute Idee."

Sie fährt herum und starrt mich aus weit aufgerissenen Augen angstvoll an. Dann jedoch regt sich der Mut der Verzweiflung in ihr. Mit der Geschwindigkeit einer Katze springt sie auf das Pferd und versucht mich über den Haufen zu reiten. Gerade noch schaffe ich es, zur Seite zu springen, lasse jedoch die Zügel des Pferdes nicht los und so ist ihr der Fluchtweg abgeschnitten. Einen kurzen Moment scheint sie zu überlegen ob sie mich angreifen soll und ich mache mich darauf gefasst. Dann jedoch sinkt sie in sich zusammen, als ob der Fluchtversuch sie das letzte bisschen Kraft gekostet hätte. Jetzt erst fällt mir auf, dass Mantel und Gesicht stark verschmutzt sind.

"Hast du schon einen weiten Weg hinter dir?"

Sie nickt. "Ich bin Dienstmagd bei einem Kaufmann in Prag. Das meiste meines Verdienstes habe ich nach Hause zu meinen Eltern geschickt. Eine Bekannte aus einem der Nachbardörfer hat mir einen Brief geschrieben... Ich muss einfach nach Hause und mit eigenen Augen sehen was passiert ist. Vielleicht leben meine Eltern ja noch. Vielleicht haben sie es ja doch geschafft noch zu flüchten."

Ich schaue sie an. Der Vatikan hatte mich sehr genau davon unterrichtet, was in Vaseria geschehen war. Es gab keine Überlebenden, bis auf ein kleines Kind, das offenbar nur zu dem Zweck am Leben gelassen wurde um davon zu berichten. Eine Flammenhölle und ein geflügelter Teufel. Aber auch ohne dieses Kind hätte ich gewusst, dass es keine Überlebenden gibt. Das ist sein Stil. Er ist sehr gründlich. Ich sage es ihr jedoch nicht. Sie hätte mir ohnehin nicht geglaubt. Manchmal muss man sehen um zu glauben.

Ich weiß nicht genau was es ist... Vielleicht fehlt mir menschliche Gesellschaft wirklich so sehr, vielleicht ist es der trostlose Ausdruck in ihren Augen, der mich an meine eigene Einsamkeit erinnert... Jedenfalls höre ich mich selbst erstaunt die Worte sagen: "Ich bin auf dem Weg nach Vaseria. Wenn du wirklich sicher bist, dir das antun zu wollen... dann kann ich dich mitnehmen."

Ihre Augen weiten sich und sie starrt mich mit einem vollkommen verwirrten Blick an. Dann verändert sich etwas in ihren Augen. Sie scheinen mich genauer zu fokussieren. "Jetzt erkenne ich euch! Ihr seid Van Helsing, nicht wahr? Ihr habt uns damals von dem Grafen und seinen Bräuten befreit!"

Ich tippe an meine Hutkrempe. "So ist es. Aber offenbar nicht gründlich genug. Es tut mir leid, dass das passiert ist..." Wieso verspüre ich das Bedürfnis mich zu rechtfertigen? Ich hatte alles menschenmögliche getan um ihn für alle Zeiten zu vernichten. Es war nicht meine Schuld. Diesmal nicht. Und doch weiß ich sehr genau, dass es meine Schuld ist. Er hatte dieses 'Freudenfeuer' nicht umsonst veranstaltet. Ich verstehe nur zu gut, was es bedeutete. Es sagte 'Gabriel ich bin hier. Und ich warte auf dich.' Keine goldgeprägte Einladung hätte deutlicher sein können. Diese Menschen mussten sterben, damit der Vatikan darauf aufmerksam wird und mich hierher schickt.

"Ihr werdet ihn wieder vernichten, nicht wahr? Ihr werdet dafür sorgen, dass er wieder verschwindet?" Die aufkeimende Hoffnung in ihrer Stimme klingt fast schmerzhaft in meinen Ohren nach. Hatte sie nicht auch so geklungen? Als ob sie das erste Mal geglaubt hatte, wirklich eine Chance in diesem Kampf zu haben. Ich wende den Blick ab. Nein. Nicht zurückblicken. Niemals. "Pack alles zusammen. Wir reiten heute noch weiter."

Ich habe meine Pläne geändert. Je schneller ich die ganze Sache hinter mich bringe, umso besser. Vielleicht habe ich ja nur versucht die Reise künstlich in die Länge zu ziehen, weil ich mich vor dem Anblick der mich erwartet fürchte. Damit meine ich nicht die Zerstörung, sondern viel mehr das, woran ich mich erinnern werde. Augen zu und durch.

"Ich habe nichts weiter, nur das was ich am Leib trage." Ich nicke und beginne das Gepäck, welches ich mit mir führe (Carl hatte es wieder sehr gut gemeint), auf beide Pferde zu verteilen, so dass das Mädchen auf dem Lastpferd reiten kann.

"Wie ist dein Name?", frage ich sie, als mir auffällt, dass ich sie nicht immer nur 'Mädchen' nennen kann.

"Mirja."

"Gut, Mirja. Brauchst du Hilfe mit dem Pferd?" Sie schüttelt den Kopf und die braunen Strähnen fliegen. Als sie die Zügel nimmt, fällt mein Blick das erste mal auf ihre rechte Hand, die bis dahin unter den viel zu langen Ärmeln ihres Mantels verborgen gelegen hatte.

"Hast du dich auf der Reise verletzt?"

Sie sieht ebenfalls auf den Verband an ihrer Hand. "Ja...", sagt sie und lächelt seltsamerweise. "Ich hab mir bei einem Sturz das Handgelenk gebrochen..."

Ende Kapitel 37 -

Authors Note:

Soooooooo... da bin ich wieder, wie versprochen. Und sogar schneller als ich dachte. Aber das Kapitel ging mir gestern ganz locker von der Hand. Da ist er nun also. Der Mann mit dem Hut. #g# Und er dominiert sogar das ganze Kapitel. #g# Aber die Geschichte lässt sich nun mal für ein paar Kapitel (aber nicht allzu viele) besser von seinem Standpunkt erzählen. Man möge mir verzeihen... es ist sehr schwer diesen Mann nach diversem Hintergrund-Wissen + über 20 MSA-Kapiteln überhaupt noch irgendwie ernst zu nehmen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich im Zusammenhang mit Van mal "gedankenversunken" schreiben würde. #sweatdrop# Vielleicht hab ich deshalb auch ein bisschen sehr übertrieben mit der Dramatik. Aber auf der anderen Seite... hey, er ist Van Helsing. Und macht diesen Leidens-Job ganz toll finde ich. Geht doch nichts über einen potentiell gefährlichen Fast-Irren mit mysteriöser Vergangenheit und toter Geliebter. #mit den Fingern knacks#
Dracula: Wie bitte?
Para: Ich meinte jetzt natürlich nur schreibtechnisch Meister. #an sein Bein häng#
Dracula: Wieso frag ich Depp eigentlich auch noch? #sweatdrop#

Ich hoffe die Daisy-Fraktion springt mir jetzt nicht an die Gurgel. #sweatdrop# Nein, er wird nicht in dieser Geschichte auftauchen. Ich habe eine ganze Weile überlegt, aber er würde einfach nicht reinpassen. Die ganze Grundstimmung meiner Geschichte ist (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) um einiges düsterer als im Film (zumindest hoffe ich das #sweatdrop#) und einen düsteren Carl kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen bzw. beschreiben.
Carl: #ganz rußiges Gesicht von misslungenem Experiment hat# Hm? #blinker#
Para: Ich sagte DÜSTER, nicht dreckig. #sweatdrop#
Carl: #shrug# Ich versteh gar nicht wieso alle immer so neidisch sind... #blafaseldavonschlurf#
Para: ... Boah, ich hab ein fettes Deja vú. oO Agent Smith: Haaallo Miss Lost. #grins#
Para: AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH! #kreischrenn#

Und außerdem lebt er ja noch. Ich hatte 3 Möglichkeiten.
- Möglichkeit 1: Carl hat geheiratet, ne Familie gegründet und lebt glücklich und zufrieden auf dem Land und züchtet Bienchen. - UNWAHRSCHEINLICH
- Möglichkeit 2: Carl ist tot. - Wahrscheinlich, aber WILL ICH NICHT #sniff# (verdammt... ich hab ihn mir einfach zu sympathisch geschrieben #sweatdrop)
- Möglichkeit 3: Carl wurde schwer verletzt und ist aufgrund seelischer oder körperlicher Schäden nicht mehr in der Lage Gabriel zu begleiten. - Ijoooo... passt scho.
- Möglichkeit 4: Carl hat unerwarteterweise eine Karriere als Unterwäschemodell gestartet - Bidde was? #Humor kick# Wirst du wohl wieder zu MSA zurückgehen wo du hingehörst!

Dafür ist Carl ja in MSA stark genug vertreten. Nicht, mein kleiner Ordensbruder? #smile# #In die Backe kneif#
Carl: Jeiks! #Hupfer mach#
Para: Er is ja so schüchtern. #kicher#

#hüstel# Um mal wieder ernst zu werden. Es würde mich interessieren ob das Ende des Kapitels überraschend kam oder ob ihr es schon von Anfang an wusstet, ahntet, so ein Gefühl hattet. Nach mehrfachem Durchlesen bin ich der Meinung, dass es schon fast zu offensichtlich ist, aber da ich es ja sowieso von Anfang an wusste, ist das wie immer sehr schwer zu beurteilen, also helft mir bitte. #liebguck#
Dracula: Dir IST aber nicht mehr zu helfen.
Van Helsing: Menno... ich hatte gar keinen Auftritt. #schmoll#
Dracula: VON DIR HANDELT DAS GANZE KAPITEL!
Van Helsing: Ach stimmt ja. #froi#
Para: Oh Mann.. ich brauch Urlaub...