Kapitel 38 - Besuch am Lagerfeuer

Wir sind die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag durchgeritten. Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich nicht Rast gemacht, jedoch machten Mirja ihre Verletzung und die Anstrengung des Ritts zu schaffen, auch wenn sie das nicht zugeben wollte und zweifellos ohne zu klagen noch weitergeritten wäre. Tapferes Mädchen, dass muss man ihr lassen. Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor... zweifellos von damals als ich das erste und bis dato letzte mal in Vaseria gewesen war. Aber etwas in mir sucht immer noch nach der Antwort und will sich mit der einfachsten Erklärung nicht zufrieden geben. Wo habe ich dieses Gesicht gesehen?

Ich entfache ein Feuer das unsere müden Glieder wieder etwas erwärmt und Mirja bereitet sich eine Lagerstatt. Ich habe nicht vor zu schlafen, ich werde die Nacht über am Feuer Wache halten. In diesen Wäldern sind viele gottlose Kreaturen unterwegs und es reicht weniger als ein Vampir aus um einen Menschen zu töten. Als Mirja sich schließlich in ihre Decke gewickelt hat, legt sich Stille über das Lager. Außer dem Prasseln des Lagerfeuers ist nichts mehr zu hören. Ich weiß nicht, ob sie schon schläft oder ob sie nur in den Himmel hinaufstarrt. Plötzlich erklingt ihre Stimme. "Habt ihr eigentlich einen Plan was ihr tun werdet?"

"Nein... ich muss mir erst einmal ein klares Bild der Lage machen. Sich allein auf die Aussagen eines völlig verängstigten Kindes zu verlassen wäre mein sicherer Tod."

Wieder herrscht eine Zeit lang Schweigen. "Was hoffst du noch in dem Dorf zu finden?", platzt es plötzlich aus mir heraus und ich bin selbst davon überrascht. Was geht das mich an? Das interessiert mich doch gar nicht. "Tut mir leid, du musst mir nicht antworten... das ist natürlich deine Sache."

"Ich hoffe... irgendetwas zu finden.", antwortet sie schließlich. "Natürlich wäre es mir das liebste ein Zeichen dafür zu finden, dass meine Eltern es geschafft haben in eines der Nachbardörfer zu fliehen... auch wenn ich selbst weiß, dass es beinahe aussichtslos ist. Aber beinahe ist eben nur beinahe. Ihr haben es selbst gesagt. Man kann sich nicht nur auf die Aussagen eines verängstigten Kindes verlassen. Ich hab in meinem Leben schon manche Dinge getan, die andere für unmöglich hielten. Man darf sich nichts dreinreden lassen, sondern man muss nur an die eigenen Fähigkeiten glauben. Wenn jemand zu mir sagt: Das schaffst du nicht, dann tu ich es erst recht. Ich lasse mir nicht vorschreiben was ich kann und was nicht."

"Eine etwas seltsame Einstellung für eine Magd. Sagst du das auch zu deinem Herrn?"

"Das ist etwas anderes. Mein Herr weiss wozu ich fähig bin und würde mich niemals unterschätzen. Er vertraut mir und ich bin stolz darauf. Außerdem... ist das ja nur meine Arbeit."

Wieso habe ich das Gefühl, dass sie mir plötzlich ausweicht? Sei's drum. Sie hat mir mehr erzählt als ich erwartet hätte. "Und wenn sie doch nicht mehr leben...", fährt sie unerwartet fort, "hoffe ich, sie zumindest christlich zu Grabe tragen zu können."

"Schlaf jetzt. Du hast einen anstrengenden Weg hinter dir. Morgen brauchst du wieder alle Kräfte um nach deinen Eltern zu suchen."

"Ja... morgen ist es endlich soweit." In ihrer Stimme liegt ein seltsamer, vorfreudiger Ton. Nun, sie ist vermutlich froh wenn sie endlich Gewissheit erlangt, selbst wenn diese Gewissheit bedeutet, den Tod ihrer Eltern betrauern zu müssen. Sie hat nichts von Geschwistern erzählt... das würde bedeuten sie wäre ganz allein auf der Welt. Es ist nicht einfach damit fertig zu werden, das weiß ich nur zu gut. Sie wird es nicht leicht haben. Aber sie hat Mut und Durchhaltevermögen... sie kann es schaffen. Vielleicht sollte ich sie mit zurück in den Vatikan nehmen. Dort würde sich um sie gekümmert werden. Aber ich verwerfe den Gedanken schnell wieder. Nein... irgendwie kann ich sie mir unter geistlicher Obhut überhaupt nicht vorstellen.

Die Stunden verstreichen langsam und ich merke wie das Gespenst des Schlafes versucht, sich auch meiner zu bemächtigen. Aber ich halte stand, meine Augen starr in die Flammen gerichtet, die mir Figuren vorgaukeln, welche sich eine Sekunde später wieder verlieren. Plötzlich richtet sich meine Aufmerksamkeit auf einen Punkt in der Dunkelheit. Dort war eben ein Geräusch gewesen, wie das Streifen eines Stück Stoffes an den Zweigen eines Busches. Nur kurz, doch es reicht um mich zu alarmieren. Ich konzentriere alle meine Sinne. Dann sehe ich etwas. Eine verschwommene Gestalt, die von der Deckung eines Baumstammes zum nächsten huscht. Ich hebe die Armbrust und halte sie im Anschlag. Langsam fokussiere ich einen Baum nach dem anderen und spitze weiter die Ohren. Da. Ein Geräusch direkt hinter mir. Ich fahre herum und die Bolzenspitze der Armbrust richtet sich gegen eine verhüllte Gestalt die keine 20 cm von mir entfernt steht.

"Wenn Ihr jetzt schießt, wäre das äußerst unklug von euch, Van Helsing. Es könnte euch sogar unmittelbar das Leben kosten."

"Wenn ich zählen würde wie oft mir das eine höllische Kreatur schon gesagt hat..."

"Es interessiert euch vielleicht, dass ihr dabei seid, genau in eine Falle zu laufen?"

Ich blähe verächtlich die Nasenflügel. "Fürwahr, man muss ein Prophet sein um das zu erahnen." Der Fremde schüttelt den Kopf. "Ich bin kein Prophet... aber ich bin ein Freund." "Ich schließe keine Freundschaften mit Boten der Hölle." Mein Finger krümmt sich um den Abzug.

"Ach nein? Für mich sah es so aus als hättet ihr euch mit dem Mädchen sehr gut verstanden."

Ich starre ihn unverwandt an. Was will er damit sagen? Unwillkürlich lasse ich die Armbrust sinken.

"So ist es schon besser. Denn ich muss mit Euch reden Van Helsing."

"Du willst mir das Leben retten, ja?", frage ich spöttisch.

"Ja, das will ich. Und das werde ich auch, wenn ihr mir nur zuhören wollt."

"Was hättest du davon? Ich nehme kaum an, dass du das aus reiner Menschenliebe tust." Mein Misstrauen ist wieder geweckt. Die Kreatur lässt sich am Feuer nieder. Eine seltsam vertrauliche Geste wie unter Freunden. "Nein, mit Sicherheit nicht. Ich tue es für mein eigenes Seelenheil...". Sein Kopf wendet sich Mirja zu, die tief und fest schläft, seine Stimme nimmt einen fast weichen Klang an "... und für sie."

"Was hat Mirja mit dem ganzen zu tun?"

"Das werde ich dir verraten... sie dient Dracula, so wie auch ich, und sie soll dich in die Falle locken."

Was redet diese Höllenbrut da? Das ist doch absurd! Weshalb sollte ich ihm glauben und einem Menschen misstrauen. 'Weil das genau seiner Denkweise entspricht...' flüstert eine leise Stimme in meinem Kopf. Eine derart auffällige Gestalt wie den Vampir vor mir (denn ein Vampir war es zweifellos) zu schicken um mich in eine Falle zu locken, musste unweigerlich mein Misstrauen und seine Liquidierung nach sich ziehen. Jedoch einen Menschen zu schicken... noch dazu einen der offenbar keinerlei Gefahr für mich darstellt und meiner Hilfe bedarf... Konnte ich mich so getäuscht haben?

Die verhüllte Gestalt geht zu Mirja und ich hebe die Armbrust wieder. Wenn er versucht sie zu verletzen wird er das bitter bereuen. Er wirft jedoch nur einen kurzen Blick auf das ruhige Gesicht des schlafenden Mädchens und geht dann weiter zu dem Bündel, dass sie umgeschnürt immer bei sich getragen hatte. Vorsichtig wickelt er es aus und präsentiert mir einen silbernen Dolch dessen Anblick mich schockiert aufstöhnen lässt. Das Bild dieses Dolches hatte Jinette mir in der Bibliothek des Vatikans gezeigt. Es ist der Opferdolch mit dem Dracula wiedererweckt worden sein musste. Ich erkannte ihn sofort. Der Griff in Form eines Drachen mit weit aufgerissenem Maul und gewundenen Hörnern, die ausgebreiteten Schwingen als Parierstange... kein Irrtum möglich.

Langsam setze ich mich ans Feuer, behalte die Armbrust jedoch in Reichweite. "Nun gut, sag was du zu sagen hast... wenn es mir nicht gefällt, kann ich dich danach immer noch töten. Aber zeig mir erst dein Gesicht. Ich will in deine Augen sehen, wenn du mit mir sprichst." Der Vampir nickt und schlägt seinen Umhang zurück.

- Ende des 38. Kapitels -

Authors Note:

Tja.. hier mal wieder ein Kapitel. Die Geschichte bewegt sich langsam aber sicher auf ihren Höhepunkt zu, auch wenn ich noch nicht alle Einzelheiten im Kopf hab. Wenn ich diese Geschichte beendet habe werde ich sie mir vermutlich binden lassen, denn es wäre meine erste abgeschlossene Geschichte. Das wärs mir wert. #g# Ich hab mir von einer Beta-Leserin schon sagen lassen, dass Barats Auftreten für sie sehr überraschend kam. Nachdem ich das ja schon länger geplant hatte war mir die Wirkung gar nicht so bewußt. Für mich war es nur natürlich, dass er jetzt auftaucht. Da sieht man mal wieder wie unterschiedlich das ist. Ich hoffe das Kapitel hat wieder gefallen und unterhalten so gut meine beschränkten Fähigkeiten zu ernsthafter Literatur.
Marcel Reich-Ranicki: Literatur? Daf ift doch keine Literatuuur!
Äh.. ja.. wo war ich? #sweatdrop# Also so gut ich es eben kann. #verbeug#

(at)Sirius-MyLove: Ich hab da jetzt schon die unterschiedlichsten Reaktionen gekriegt. Den einen wars von Anfang an klar, die anderen waren überrascht. Aber alles in allem bin ich mit den Reaktionen zufrieden. James Bond ist auch net schlecht... Das bringt mich auf Ideen.
Van Helsing: Mein Name ist Van Helsing... Gabriel Van Helsing. Ich habe die Lizenz zum pfählen.
Dracula: #Carl durch die Gegend schleuder#
Carl: Waaaaaaaaaaa! #schwindel#
Van Helsing: Was zum Geier machst du da!
Dracula: Ich mag meinen Ordensbruder geschüttelt, nicht gerührt. #snob#

(at)Lacrima: Sorry Carl. #sweatdrop# Aber ich denke dass der Hut den er in VH getragen hat ihm mehr als genug Würde und Tiefgang verleiht. #ums Eck renn und lautlach# #wiederkomm# #räusper# Carl ist einfach ein zu liebes und lustiges Kerlchen.. ich hätte echt nicht gewußt wohin mit ihm. #sweatdrop#
Carl: Ich hätte mich sicher gut mit Paliki verstanden!
Paliki: Och jo du. #knuddel# #zu Dracula# Meister, darf ich den behalten?
Dracula: Ja meinetwegen.. aber denk dran, man spielt nicht mit dem Essen.
Paliki: #sweatdrop# Ich bin doch keine Menschenfresserin.