"Leider gibt es hier keine Schildkröten."
Will musste grinsen, als das Kichern von Liz auch seinen Körper kurz durchschüttelte. Er stand mit ihr in seinen Armen am Strand dieser kleinen Insel, an dessen Ufer der Wind die White Pearl geführt hatte. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn nur wenige hundert Meter von ihnen entfernt, lag das Schiff mit unglaublicher Schlagseite im seichten Wasser und war kaum mehr als ein Schatten seiner selbst. Ein Mast war zerbrochen, und im Rumpf klafften mehrere Lecks. Es war ein Wunder gewesen, dass sie es hierher geschafft hatten.
Ein halbes Jahr hatten er und Liz bisher auf der White Pearl verbracht, als plötzlich die Devil´s Hand vor ihnen aufgetaucht war und sie schnell einholte. Sie hatten natürlich alles versucht zu entkommen, aber das Schiff war voll mit Handelswaren beladen gewesen und daher eine leichte Beute. Dann hatten sie sich so lange wie möglich gewehrt, wobei aber mehrere Crewmitglieder getötet wurden, und Bill verletzt worden war, und sie hatten sich notgedrungen ergeben. Die Piraten hatten ihnen alles genommen, sogar den Schmuck, den sie am Körper getragen hatten.
Und nun standen sie hier am Strand dieser kleinen Insel, die kaum genug Nahrung für sie alle bieten konnte. Sie hatten versucht, so viele Vorräte wie möglich aus dem Schiff zu retten, aber da sie sowieso schon auf dem Weg zurück nach Port Royal gewesen waren, um diese aufzufüllen, und der Lagerraum dazu noch vollkommen überflutet war, hatten sie nicht viel retten können. Will schätzte, dass es für eine Woche reichen würde. Danach würde es nur noch Früchte und Fische geben, aber es gab keine Trinkwasserquelle auf der Insel. Also mussten sie hier so schnell wie möglich wieder weg.
"Alles anzuzünden, würde diesmal auch nicht helfen", erwiderte Liz. "Mein Vater erwartet uns erst in drei Tagen, dann dauert es sicher noch eine Weile, bis er anfängt, sich Sorgen zu machen und die Flotte los schickt. Und das heißt noch lange nicht, dass sie auch in unsere Nähe kommen."
"Solche Worte wollte ich jetzt aber nicht hören!" Will hatte gehofft, sie mit seinen Worten etwas aufgemuntert zu haben, aber dafür hatte sie gerade viel zu pessimistisch geklungen. Und leider hatte sie auch recht, aber trotzdem wollte er die Hoffnung auf ein kleines Wunder noch nicht aufgeben. "Du wirst schon sehen: Wir werden gerade das Schiff repariert haben, wenn die halbe Royal Navy am Horizont erscheint, und wir sie wieder weg schicken müssen, da wir ihre Hilfe nicht mehr brauchen."
"Dein Optimismus ist wirklich ansteckend", musste sich Liz eingestehen und hob nun ihren Kopf, um ihm einen Kuss zu geben. "Danke."
"Stets zu Ihren Diensten, Mrs.Turner", erwiderte Will grinsend, während Erinnerungen an die Hochzeit durch seinen Kopf schwirrten. Ihr Vater hatte sich wirklich selbst übertroffen und alles bis ins letzte Detail geplant, aber das war alles umsonst gewesen, da Wills Vater die Entführung der Braut auf sein Schiff genauso penibel geplant und auch durchgeführt hatte. Das Ganze endete dann damit, dass Will und Liz auf der White Pearl feierten, während sich Liz Familie, Bekannte und sogenannte Freunde, die sie in der höheren Gesellschaft hatte, der ebenso hohen Etikette frönten und ihre steife Feier zelebrierten. Nichts hätte sie dahin zurück bringen können, und zum Glück verstand das der Gouverneur auch und äußerte später sogar sein Bedauern, dass er nicht ebenfalls das Haus hatte verlassen können.
Will könnte ewig hier mit Liz an diesem Strand stehen, aber nun kam das Boot zurück, dass er zur White Pearl geschickt hatte, und die letzten rettbaren Dinge zur Insel brachte. Und nachdem es angelegt hatte, sah er hinein und war zufrieden, auch wenn das Boot nur halb gefüllt war. Dafür enthielt es Werkzeuge, Kleidung und andere kleine Dinge, die ihnen den Aufenthalt angenehmer gestalten konnten.
"Habt ihr auch Nägel gefunden?" fragte er trotzdem nach und nickte erleichtert, als ihm eine positive Antwort gegeben wurde. "Dann können wir ja endlich einen kleinen Unterstand für die Nacht bauen. Und am besten auch noch einen Lagerraum für die Lebensmittel." Dann halfen er und Liz mit, diese Dinge aus dem Boot zu ihrem Lagerplatz zu bringen.
Dort sah es noch immer sehr chaotisch aus, die geretteten Lebensmittel lagen unter einer Gruppe von Bäumen, und der Rest etwas weniger geschützt an einem anderen Platz. Dazwischen gab es eine notdürftige Hütte aus Palmenblättern, die man für Bill gebaut hatte. Er war nicht sehr schwer verletzt, aber Liz hatte darauf bestanden, dass er sich ausruhte, und mittlerweile hatte er gelernt, dass seine Schwiegertochter auch resolut werden konnte, wenn jemand ihren Rat nicht befolgte. Also langweilte er sich fast zu Tode, während Will seine erste Prüfung als Nachfolger des Captain antreten musste. Und bisher hatte es keinen Grund gegeben, der von ihm verlangte, dass er sich einmischte.
Will war auch schon wieder dabei, die Crew aufzuteilen, ein Teil baute schon an den Unterständen, und der Rest durchforstete noch einmal die Insel. Vielleicht gab es hier ja doch das eine oder andere Tier. Es waren auch schon zwei Boote draussen, um ein paar Fische zu fangen, denn sie mussten die Lebensmittel so weit strecken wie möglich. Was aber mit dem Wasser nicht so einfach werden würde. Will hatte zwar die Fässer in ein Loch bringen lassen, wo sie kühl standen, aber irgendwann würde es trotzdem faul werden, oder ihnen schlicht und einfach ausgehen. Es sah nicht sehr gut aus.
Doch das verschwieg er natürlich, als er sich nun in die kleine Hütte zu seinem Vater begab, während Liz mit einigen Anderen ein paar Dinge für das Abendessen zusammensuchte. Er scheuchte den Mann weg, der bisher für dessen Unterhaltung gesorgt hatte, und setzte sich mit einem gezwungenen Lächeln neben seinen Vater. Dafür erhielt er ein ebenso gezwungenes Lächeln, denn Bill wollte nicht die ganze Zeit hier herum liegen, während draussen alle arbeiteten, und ihm sicherlich das eine oder andere verschwiegen wurde. Denn keine seiner Fragen waren bisher beantwortet worden, und das nur, weil ihm so ein verdammter Pirat eine Kugel in die Schulter gejagt hatte.
"Du kannst mir ruhig glauben, ich weiß Liz Fürsorge wirklich zu schätzen, aber ich würde mich bestimmt besser fühlen, wenn ich aufstehen und ein wenig rumlaufen könnte", sagte er nun zur Begrüßung, und das sicher nicht zum ersten Mal. "Natürlich kann sie mich auch nicht davon abhalten, aber ihr flottes Mundwerk zwingt einen ja regelrecht dazu, wieder umzukehren." Er erinnerte sich an den kleinen Zwischenfall vor ein paar Tagen, bei dem sie ihn so lange ncht in Ruhe gelassen hatte, bis er wieder zurück in die Hütte gegangen war. Sie kannte wohl die Wirkung ihrer Worte sehr gut.
"Konntest du dir keine Andere aussuchen?" fragte er daher scherzhaft seinen Sohn, der daraufhin grinsend den Kopf schüttelte.
"Nein, nur die und keine andere", lautete dessen Antwort, während er einen kurzen Blick unter den Verband wagte. Inzwischen hatte er sich an den seltsamen Humor seines Vaters gewöhnt und musste auch ab und zu darüber lachen. Und er musste zugeben, dass er ihn nicht mehr missen wollte. In den letzten Monaten hatte er ihn so weit kennengelernt, um sagen zu können, dass er ihn durchaus ins Herz geschlossen hatte.
"Sag mal", wechselte Bill nun das Thema. "Wie lange wollt ihr eigentlich noch mit uns herumsegeln?" Will sah ihn daraufhin überrascht an, und er fuhr fort. "Ich sage ja nicht, dass ich das nicht mehr will, aber habt ihr eigentlich schon an ein eigenes Heim gedacht, oder so? Ich mein... ihr wollt doch mal eine Familie gründen, oder?"
Will hatte es darauf erstmal nur die Sprache verschlagen. Natürlich hatte er darüber nachgedacht, aber weder mit Liz darüber gesprochen, noch einen Entschluss gefasst. Er fühlte sich einfach viel zu... unvorbereitet.
"Ich..." Er wusste nicht einmal, was er jetzt dazu sagen sollte. "Hat das denn nicht noch Zeit?" fragte es statt dessen. "Ich möchte das Schiff noch nicht verlassen, aber ich weiß auch, dass es kein Platz für ein Kind ist. Besonders, da wir immer wieder von Piraten überfallen werden können. Ich glaube kaum, dass Jack sich freiwillig als unser Bodyguard zur Verfügung stellt."
"Aber du glaubst doch genauso wenig, dass du jetzt noch irgendwo sesshaft werden kannst, oder?" Bill hatte es durchaus bemerkt, wie Will in den Monaten an Bord der White Pearl regelrecht aufgeblüht war. Das Meer floss auch durch seine Adern und wurde von Tag zu Tag stärker. "Irgendwann wirst du dem Ruf des Meeres nicht mehr widerstehen können."
"Und du denkst, dass ich sie dann auch..." brauste Will wütend auf, aber hielt sofort inne, als er merkte, was er da sagte. Auch Bill hatte es bemerkt und brach nun den Blickkontakt mit Will, um an die Decke zu starren.
"Das wirst du nicht, wenn dir das schon vorher klar ist", sagte er rauh. "Das passiert nur, wenn du dir selbst vormachst, die Seefahrt aufgeben zu können. Überleg es dir also genau." Er spürte Wills Blick auf sich, aber sah immer noch nur an die Decke, denn er konnte diesen Blick jetzt nicht ertragen.
Will hingegen wusste nicht, was er darauf noch sagen sollte, denn er hatte sich geschworen, seinem Kind nicht das zuzumuten, was er selbst hatte durchmachen müssen. Und nun konfrontierte Bill ihn damit, dass er kurz davor war, den selben Fehler zu machen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Er entfloh dem Thema, indem er die Hütte verließ, wo er mit Liz zusammenstieß, die die Hütte gerade betreten wollte.
"Wir können jetzt das Abendbrot verteilen", sagte sie ihm mit einer tonlosen Stimme, was ihm sofort auffiel.
"Ist alles in Ordnung?" fragte er sie daher und berührte sie dabei am Arm, aber sie drehte sich von ihm weg und ging wieder zurück zum Lagerfeuer, wo das Essen bereitet worden war.
"Ich bin nur müde", murmelte sie dabei eine Begründung, von der nur sie wusste, dass sie eine Lüge war.
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Als Jack die Tür zum Unterdeck aufstieß und das Deck betrat, stand die Sonne so hoch am Himmel, dass es wohl schon Mittag sein musste. Warum hatte man ihn nicht geweckt? Oder hatte man es versucht, aber nicht geschafft? Diese Ausrede hatte er inzwischen so oft gehört, dass wohl etwas Wahres dran sein musste.
Wie auch immer, er war der Captain und konnte eigentlich so lange schlafen, wie er wollte, denn wer würde ihn kontrollieren? Es gab keinen Commodore, unter dessen Kommando er stand, und er war wieder einmal froh, dass er damals den Deal, den er Barbossa vorgeschlagen hatte, nicht hatte eingehen müssen. Natürlich war das alles nur ein Trick gewesen, und Barbossa kannte ihn zum Glück nicht so gut, um das zu erkennen. Selbst Will hatte es bemerkt, und war freudigerweise so schlau gewesen, ihn nicht durch etwas Dummes zu verraten. Ja, das waren noch Zeiten gewesen...
Langsam fand Jack seinen Weg zum Steuer, an dem Ana stand und darauf bedacht war, den Kurs zu halten. Sie hatte seinen Platz für die Nacht übernommen, und Jack wunderte sich ein wenig, dass sie immer noch dort stand. Schließlich war es noch vor Mitternacht gewesen, als er in seine Kabine gegangen war. Und er bewunderte sie sogar ein weing dafür, dass sie so lange durchgehalten hatte, auch wenn er dies nie zugeben würde. Nicht einmal gegenüber sich selbst.
Mit einem Grinsen stellte er sich neben sie, obwohl ihm dies angesichts der gleißenden Sonne schwer fiel, aber sie sah ihn nicht einmal an und behielt einen Punkt am Horizont fest im Auge. Jack holte derweil seinen Kompass hervor, um zu kontrollieren, ob sie wirklich noch auf Kurs waren. Doch das bemerkte sie sofort und wandte sich nun doch zu ihm.
"Traust du mir nicht zu, den Kurs zu halten?" fuhr sie ihn auf ihre typische Art und Weise an. "Wo du es nicht einmal schaffst, wie jeder Captain mit der Sonne aufzustehen?" Mit Genugtuung sah sie dabei, wie er zusammenzuckte und sie entsetzt ansah. Er war ihr Captain, und seinen Captain sprach man nun mal nicht so an, was besonders auf einem Piratenschiff gewisse Auswirkungen haben konnte, aber sie fühlte sich einfach nicht in der Lage dazu, ihn freundlich anzusprechen. Und sollte er sie jetzt in die Brigg sperren, wenigstens musste sie ihn dann nicht mehr sehen. Denn das Chaos in ihr, dass er immer wieder auslöste, ging ihr langsam auf die Nerven.
"Und hast du vergessen, dass ich der Captain bin und somit tun und lassen kann, was ich will?" konterte er und wunderte sich noch mehr über sie. Denn dies war nicht das erste Mal gewesen, dass er um diese Zeit aufstand, und bisher hatte sie das wenig gestört. Ganz im Gegenteil hatte sie ihn immer angegrinst und gefragt, ob der Rum wirklich so gut gewesen war. Was war nur in sie gefahren?
"Ach so! Das heilige Recht des Captain! Tun und lassen zu können, was man will!" Ana tat so, als hätte sie dies jetzt gelernt und würde sich darüber wundern, aber dabei klang sie viel zu sarkastisch. "Dann sollte ich vielleicht auch Captain werden, denn das will ich unbedingt auch tun können!" Jetzt klang sie nicht mehr sarkastisch, und Jack begriff langsam, dass es hier im Grunde um etwas ganz Anderes ging.
"Ist das dein Ernst?" hakte er trotzdem nach und runzelte dabei die Stirn. Das konnte einfach nicht ihr Ernst sein!
"Ja, das ist wirklich eine gute Idee!" Sie drehte sich vollends zu ihm um, sodass nur noch eine Hand auf dem Steuer ruhte, und zeigte mit der anderen Hand auf ihn. "Du schuldest mir noch ein Boot! Und angesichts dessen, dass ich in den letzten Monaten unter deinem Komando gestanden habe, schuldest du mir sogar ein Schiff!"
Jack sah sie daraufhin noch entsetzter an, denn nicht nur, dass sie in der Vergangenheitsform davon sprach, unter seinem Kommando zu stehen, sie hatte auch ihr Boot nicht vergessen, und wollte jetzt sogar ein Schiff. Dabei war er doch der Meinung gewesen, dass sie vollkommen damit zufrieden war, an Bord des schnellsten Schiffes aller sieben Meere zu sein. Wieder fragte er sich: Was war nur in sie gefahren?
"Ein Schiff?" brachte er stotternd hervor. "Ein Schiff? Woher soll ich denn ein Schiff bekommen? Glaubst du wirklich, dass ich in irgend einem Hafen noch ein Schiff liegen habe? Die Pearl ist meine einzige Liebe!"
Der Ausdruck, der nun auf ihrem Gesicht erschien, war gar nicht er, den er erwartet hatte. Er hatte mit Wut gerechnet, oder mit einem ungläubigen Lachen, aber war das da wirklich Schmerz gewesen, den er kurz auf ihrem Gesicht zu erkannt zu haben glaubte? Er war da wirklich nur für eine Sekunde erschienen und wich nun einer Art von Erkenntnis, das von einem Nicken unterstützt wurde.
"Dann gib mir das nächste Schiff, das wir überfallen", schlug sie vor. "Und du lässt diejenigen ziehen, die sich mir anschließen wollen. Ich werde mir dann in Tortuga den Rest meiner Crew zusammen suchen. Dann siehst du mich nie wieder, und du kannst so lange schlafen, wie du willst, ohne dass dich jemand an die Pflichten des Captains erinnert." Sie schluckte kurz, sah ihn aber trotzdem mit einem festen Blick an. "Aye?"
Ihre Worte klangen durchaus logisch, und er erkannte, dass sie wohl lange darüber nachgedacht haben musste, um so von ihrem Plan überzeugt zu sein. Trotzdem hatte sie kein Wort über den wahren Grund dafür verraten, und er war sich eigentlich sicher gewesen, dass sie zumindest einmal mit ihm darüber sprechen würde, bevor sie sich entscheiden würde. Seine Langschläferei konnte unmöglich dafür verantwortlich sein, denn sie war viel zu stark, um sich von so etwas aus der Bahn werfen zu lassen. Aber diese Entscheidung schien schon längst getroffen worden zu sein, und das machte ihn so wütend, dass es nicht hinterfragte und nur ein kurzes "Aye!" hören ließ, um ihr zuzustimmen. Denn wie könnte er sie schon umstimmen?
Sie hingegen wurde nun auch wütend, gerade weil er nicht hinterfragte und ihrer Entscheidung einfach so zustimmte. Es war ihm wohl doch egal, ob sie hier war, oder nicht, also warum sollte sie noch länger ihre Zeit hier vergeuden? Warum sollte sie auch weiterhin dieser kleinen Hoffnung in ihr erlauben, weiter in ihr zu wachsen, bis sie sie bemerken musste? Warum sollte sie weiterhin dieses Chaos in ihr zulassen? Und das alles nur, weil sie glaubte, den wahren Jack gesehen zu haben, als sie mehr tot als lebendig und ihm so nah wie noch nie gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie doch nur einer Einbildung geglaubt.
Alles in ihr drängte, ihm all diese Dinge an den Kopf zu werfen, aber warum sollte sie? Würde es etwas ändern? Wohl eher nicht, deshalb nickte sie nur, und überließ ihm endlich das Steuer. Sie hatte Hunger und war müde, also wollte sie unter Deck gehen, um etwas zu essen und dann zu schlafen, aber plötzlich erschall ein Ruf aus dem Ausguck.
"Ein Sturm kommt auf uns zu!" konnte sie verstehen, und im nächsten Moment brachte auch schon ein Windstoß ihre Haare durcheinander. Sie verfluchte das unmögliche Zeitgefühl des Sturmes, während sie sich die Haare zusammenband und dann den Anderen half, die Segel einzuholen und alles zu unternehmen, damit sie den Sturm heil überstehen würden. Nur ab und zu warf sie einen Blick zu Jack, der unbekümmert am Steuer stand und diesen Platz so schnell nicht wieder verlassen würde. Ein Teil von ihr wünschte sich, dass der Sturm schon früher gekommen wäre, damit das vorherige Gespräch nicht passiert wäre, aber der andere Teil war ganz froh darüber, dass sie es endlich hinter sich gebracht hatte, auch wenn ihr ein anderes Ergebnis lieber gewesen wäre. Irgendwo tief in sich drin.
Jack sah nur nach außen hin so aus, als würde ihn nichts erschüttern, aber im Inneren war er ungewöhnlich aufgewühlt, und er wusste einfach nicht, wen er dafür verantwortlich machen konnte. Ana oder sich selbst? Er grübelte die ganze Zeit darüber, und so war es für ihn nur eine Sekunde, bis der Sturm plötzlich bei ihnen war und die Pearl hin und her warf. Jack mühte sich ab, sie auf Kurs zu halten, und hielt sich dabei krampfhaft am Steuer fest. Auch damals, als sie auf dem Weg zur Isla waren, um Liz aus den Fängen von Barbossa zu befreien, waren sie in einen Sturm geraten, und er fragte sich, ob es vielleicht etwas mit dieser Insel zu tun hatte, auch wenn sie noch recht weit davon entfernt waren. Aber man konnte nun mal nie wissen, vielleicht hatte er sogar Recht damit.
Auch wenn es nur eine Sekunde gedauert hatte, bis der Sturm sie erreicht hatte, so schienen es doch Stunden zu sein, in der er sie in seinen Fängen hatte. Fast schien es auch so, als ob er mit ihnen in Richtung der Insel unterwegs war, doch diesen Gedanken verdrängte Jack schnell wieder, bis dann plötzlich Gibbs aus dem Regen und der nun herrschenden Dunkelheit vor ihm erschien.
"Wir sollten den Kurs ändern, Captain!" schrie er gegen den Wind an. "Sonst kommen wir nie hier raus!" Auch ihm war wohl dieser Zusammenhang aufgefallen, aber Jack hatte nicht vor, sich von einem Sturm vorschreiben zu lassen, wohin er sein Schiff steuerte.
"Die Interceptor hat diesen Sturm überstanden, also wird es meine Pearl erst Recht!" schrie er ihm nun auch mitten ins Gesicht, aber da nicht mal er seine Stimme hören konnte, bezweifelte er, dass es Gibbs konnte, aber dieser las ihm die Antwort am Gesicht ab und nickte. Dann verschwand er wieder in der Dunkelheit des Sturms, und Jack war froh, dass er wenigstens noch den Kompass erkennen konnte.
So blind er war, so taub war er auch. Mehr als das Heulen des Sturmes konnte er nicht hören, und er konnte nur hoffen, dass Ana sich so weit mit der Crew verständigen konnte, dass alles getan wurde, um die Pearl sicher durch den Sturm zu bringen. Er vertraute ihr so weit, dass er wusste, dass sie alles dafür unternehmen und sicher auch Erfolg damit haben würde. Sie würden es schon durch den Sturm schaffen.
Doch dann gesellte sich zu den normalen Geräuschen des Sturmes noch ein anderes, krachendes Geräusch, und er versuchte zu erkennen, was dieses Geräusch verursacht hatte, als plötzlich ein Schatten aus dem Nichts erschien und direkt auf ihn zu kam. Das Krachen wurde immer lauter, während er nun auch ein Rauschen hören konnte, das so klang, als würde der Wind in die Segel fahren, aber das hier war viel zu laut dafür.
Da wurde ihm endlich klar, dass der hintere Mast gebrochen sein musste und nun auf das Heck fallen würde, wo er immer noch am Steuer stand.
