Will saß in der Spitze des höchsten Baumes, der hier auf dieser kleinen Insel wuchs, und suchte mit seinen Augen den Horizont ab. Etwas anderes stand ihm leider nicht zur Verfügung, denn Vulture hatte sich auch dafür interessiert, aber das war vielleicht auch gut so. Sonst hätte er vielleicht noch Schiffe gesehen, die an der Insel vorbeigesegelt wären, ohne das kleine Signalfeuer zu sehen, das sie schon am ersten Tag vorbereitet hatten.
Dieser Platz hier und der neben dem Feuer waren ständig besetzt, und jeder musste hier mindestens drei Sunden am Stück verbringen, aber mittlerweile hatte sich rumgesprochen, dass Will auch gern länger Wache hielt, und so freuten sich alle, die vor ihm oder nach ihm eingeteilt worden waren. Denn er nutzte die Zeit der Einsamkeit, um nachzugrübeln. Über Dinge, die sie hier verbessern konnten, ob die auf der Insel wachsenden Bäume ausreichen würden, um die White Pearl zu reparieren, und über Liz.
Natürlich war ihm aufgefallen, dass sie etwas beschäftigte, obwohl wie es nicht zugeben wollte. Und sie wollte auch nicht mit ihm darüber sprechen, was ihm noch mehr Sorgen bereitete. Dann hatte es wohl etwas mit ihm zu tun, und er zermarterte sich das Hirn darüber, was es sein könnte. Er hatte den leisen Verdacht, dass sie das Gespräch zwischen ihm und seinem Vater gehört hatte, aber noch konnte er sie nicht darauf ansprechen. Erst musste er eine Entscheidung treffen.
Und nur hier hatte er die Zeit dafür, denn sonst musste er die Nägel herstellen, mit denen die neuen Planken befestigt wurden. Sie brauchten viele, und so war er die ganze Zeit damit beschäftigt. Zum Glück war sein Vater wieder so weit genesen, um seine alten Pflichten wieder aufzunehmen. Und da sich Liz um die Verpflegung und die vielen anderen kleinen Dinge kümmerte, sah er sie immer nur zu den Essenszeiten und abends, wo er dann vor Erschöpfung sofort einschlief.
Sie mussten unbedingt diese Insel verlassen. So schnell wie möglich.
Seufzend ließ er wieder einmal seinen Blick über den Horizont wandern, bis er plötzlich etwas sah, das dort unmöglich sein konnte. Denn das war ein Schiff, das er schon viel früher hätte sehen müssen, so nah war es bereits. War er wirklich so sehr in Gedanken gewesen? Genauso wenig konnte er glauben, dass es wirklich da draussen war, und es dauerte es eine weitere Sekunde, bis er seinen Posten verließ und hinunter zum Signalfeuer rannte. Dabei lief er an den Männern vorbei, die gerade einen neuen Baum fällten und sofort wussten, was das zu bedeuten hatte. Sie rannten ihm hinterher und schrieen dabei enthusiastisch.
So bermerkte der Mann am Feuer Will und die Anderen schon von weitem und hatte das Feuer bereits angezündet, als sie zu ihm stießen. Erwartungsvoll sahen sie alle abwechselnd zum Feuer und zu dem Schiff und hofften inständig, dass jemand auf dem Schiff das Feuer sehen würde. Als es richtig brannte, warfen sie nasses Holz hinein, damit es mehr qualmte, und schickten stumme Gebete gen Himmel.
Das Feuer war inzwischen auch von dem Rest bemerkt worden, und alle strömten herbei, um das Schiff zu beobachten. Bill und Liz gesellten sich zu Will, der mit großen Augen das Schiff musterte und nie seinen Blick von ihm abwandte. Er hatte etwas bemerkt, dass er erst dann laut aussprechen wollte, wenn er vollkommen sicher war.
"Es kommt näher", sagte er dann nach ein paar Minuten leise, aber wurde trotzdem von allen gehört. Einige nickten zustimmend, während Andere freudige Rufe ausstießen oder ihre Waffen in die Hand nahmen. Denn noch konnte niemand sagen, wer sich da näherte.
"Das Schiff sieht aus wie..." dachte nun Liz laut, aber schüttelte gleich darauf den Kopf, denn sie hatte nur laut gedacht und war saich überhaupt nicht sicher.
"Sieht wie aus?" hakte Will trotzdem nach, woraufhin sie ihn kurz lächelnd ansah, denn je näher das Schiff kam, desto sicherer wurde sie.
"Es sieht aus wie unser Schiff", flüsterte sie ihm zu und beobachtete grinsend, wie ihm die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte dann nach einer Weile den Kopf, aber nicht, weil er anderer Meinung war, sondern weil wieder etwas geschehen war, das er einfach nicht glauben konnte. Das war allerdings auch wieder ein Indiz dafür, dass dem tatsächlich so war.
"Jack..." sprach nun Bill ihren Verdacht laut aus und grinste dabei über das ganze Gesicht. "Wenn uns hier jemand findet, dann er!" Er sah von einem zum anderen und in noch zweifelnde Gesichter, aber er konnte einfach nicht aufhören zu grinsen. "Kommt schon, lasst uns ihm einen gebührenden Empfang bereiten!" Stürmisch wirbelte er Liz kurz im Kreis herum und klopfte Will auf die Schulter, während sich auch die Anderen bereits in den Armen lagen, und lief dann mit ihnen zu den Booten, um der Black Pearl entgegen zu fahren.
Will und Liz dagegen waren an Ort und Stelle stehen geblieben und sahen ihnen zu, wie sie davonruderten. Dann wandte sich Will wieder Liz zu, sah sein Grinsen sich auf ihrem Gesicht widerspiegeln und nahm sie dann erleichtert in seine Arme. Sie erwiderte seine Umarmung, freute sich, diese Insel endlich verlassen zu können, aber wusste auch gleichzeitig, dass ihr größtes Problem damit noch nicht gelöst war.
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Als Jack und die Black Pearl sich den Koordinaten näherten, meldete ihm der Pirat im Ausguck, dass sich dort auch eine Insel befand. Sofort liefen alle an die Reling und sahen der Insel erwartungsvoll entgegen, obwohl sie jetzt noch nichts erkennen konnten. Sie alle hatten die Hoffnung, dass sich die Crew der White Pearl auf die Insel hatte retten können, bevor die White Pearl untergegangen war.
"Boot voraus!" rief der Pirat im Ausguck, als die Insel vor ihren Augen langsam Gestalt annahm, und sie bald den Anker auswerfen konnten. Da hielt es auch Jack nicht mehr an seinem Ruder, und er übergab es dem nächstbesten Piraten, um dann auf die Reling zu springen und dem Boot entgegen zu sehen. Doch zunächst wurde er von dem Schiff angelenkt, das vor der Insel im Wasser lag. Es hatte etwas Seitenlage, und die hellere Farbe der neuen Planken verriet ihm, dass es schon schlimmer um das Schiff gestanden hatte, und bereits erfolgreich an ihm gearbeitet wurde. Die White Pearl war also doch nicht gesunken, und Jack grinste erleichtert von einem Ohr zum anderen.
Genauso grinsend sah er dann dem kleinen Boot entgegen, in dem Bill mit den Händen in die Hüften gestemmt stand und ihn mit gespielt ernster Miene ansah. Ein Loch in dem aber schon gewaschenen Hemd sagte Jack, dass er wohl bei dem Angriff verletzt worden war, und er fragte sich, wie es dem Welpen und seiner Angetrauten ging, denn er konnte beide nicht in dem Boot erkennen. Er konnte es kaum erwarten, bis Bill ihm die ganze Geschichte erzählt haben würde, und daher machte er eine einladende Geste, als das Boot längsseits ging.
"Da lasse ich dich einmal aus den Augen, und schon ruinierst du dein schönes Schiff, aye?" begrüßte er ihn. "Wie konntest du dich nur von dieseer Landratte namens Vulture besiegen lassen?"
"Ich brauchte ein wenig Landurlaub!" entgegnete Bill und kletterte die Strickleiter hinauf. "Und das Schiff musste sowieso mal wieder überholt werden", fügte er noch hinzu und reichte Jack seine Hand. "Du kommst zur rechten Zeit, mate. Uns ist gestern das Wasser ausgegangen."
"Und den Rum hast du wohl für mich aufgehoben?"
"Aye!" Beide lachten kurz auf und Bill begann dann, Jack von dem Angriff und den letzten Wochen zu erzählen, während die Crew Wasser und Essen in das kleine Boot schafften und andere Boote zu Wasser ließen, denn alle sie wollten die alten Freunde besuchen, und ein kleiner Landgang konnte nie schaden.
So ruderten sie mit mehreren Booten zur Insel, wo sie mit lauten Rufen und Winken empfangen wurden. Schnell wurde die Fracht der Boote an Land geschafft, das Wasser und Essen verteilt und Umarmungen ausgetauscht. Jack sah kurz zu Ana, die mit Anderen über die Aufteilung der Arbeit an der White Pearl diskutierte und entdeckte dann Will und Liz, die nun auch endlich zu ihnen geschlendert kamen.
"Du hast dir aber verdammt viel Zeit gelassen, Jack!" sagte Will mit gerunzelter Stirn, aber in seinen Augen glitzerte ein schelmisches Lächeln, das niemand übersehen konnte. Auch Jack nicht. Daher ging er darauf ein und sah ihn ebenfalls ernst an.
"Ich musste doch warten, bis ich wirklich gebraucht werde, und ihr mir alle so dankbar seid, dass ihr endlich einseht, dass Captain Jack Sparrow einfach der Beste ist!" Jack sagte dies mit voller Überzeugung und meinte es wohl auch ernst, aber die Anderen grinsten ihn nur an und glaubten ihm wohl kein Wort. Er sah von einem zum anderen, sah keinerlei Zustimmung in ihren Augen, und so konnte er nur schwungvoll abwinken und zu seiner Crew gehen, um ihr Befehle zuzurufen. Denn die hatte wenigstens Respekt vor ihm.
Da sich die Sonne bereits dem Horizont näherte, wurde heute nicht weiter an der White Pearl gearbeitet, sondern ein großes Lagerfeuer entfacht, um die Ankunft der Black Pearl zu feiern. Geschichten wurden erzählt, Rum vernichtet und allerlei Krach gemacht. Denn vom nächsten Tag an wurde die Arbeit wieder aufgenommen, und sie kamen sogar viel schneller voran, sodass es nur wenige Tage waren, bis die White Pearl wieder seetauglich war.
