Seit Tagen hatte sich der Wind nicht geändert. Er blies mit steter Kraft in die selbe Richtung. Und da Port Royal zufällig genau dort lag, hatte sich Jack dazu entschlossen, die White Pearl wieder einmal dahin zu begleiten. Durch diesen Wind war es in diesen Tagen auch ein Leichtes, die Schiffe zu führen. Die Crew brauchte nur selten die Rahen hinauf klettern, und selbst am Ruder gab es nicht viel zu tun. So konnte Ana nur gelangweilt auf der Black Pearl hin und her laufen, Jack aus dem Weg gehen und hoffen, dass sie bald Port Royal erreichen würden.
Die White Pearl fuhr ein Stück hinter ihnen und trug im Moment auch die halbe Crew der Black Pearl, während einige ihrer Männer auf diesem Schiff waren. Auch Will und Liz waren diesmal hier, und Ana sah Letztere an der Reling stehen, wobei Will nirgends zu sehen war. Er saß wohl wieder einmal auf einer Rahe, und als sie einen Blick hinauf warf, sah sie ihre Vermutung bestätigt.
"Kann es sein, dass ihr euch aus dem Weg geht?" fragte sie daher Liz, als sie sich zu ihr an die Reling gesellte und so wie sie auf den Ozean starrte. Liz antwortete zunächst mit einem Seufzen, sah sie dann kurz an und antwortete dann doch mit Worten.
"Es ist wohl eher so, dass ich ihm aus dem Weg gehe", sagte sie leise. "Mittlerweile hat er es allerdings aufgegeben, den Grund dafür von mir erfahren zu wollen, da ich es immer noch nicht geschafft habe, mich dazu durchzuringen, ihm diesen mitzuteilen. Er überlässt es mir, den ersten Schritt zu machen, und...Ja, man könnte sagen, wir gehen uns aus dem Weg."
"Und warum sagst du es ihm nicht?" hakte Ana nach, denn sie war für jede Ablenkung dankbar.
"Weil..." Sie musste darüber nachdenken, wie sie ihr das erklären sollte, ohne ihr den Grund dafür zu sagen, denn niemand sollte es erfahren. Noch nicht...
"Es...würde ihn dazu bringen, das Schiff zu verlassen und sich irgendwo niederzulassen", erklärte sie. "Weil er sich dazu verpflichtet fühlen wird. Aber er ist noch nicht bereit dazu. Und ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Es ist einfach zu früh dafür...und so überraschend..."
Ana hörte ihr aufmerksam zu, während sich langsam ein Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte, denn sie ahnte, worüber Liz sprach. Dabei verstand sie nicht so richtig, warum es denn so überraschend war, schließlich waren sie nun mal einfach perfekt dafür.
"Aber er wird es früher oder später trotzdem herausfinden, aye?" fragte sie immer noch lächelnd. "Oder besser gesagt, er wird es irgendwann sehen. Und es rückgängig machen kannst du es auch nicht. Also bleibt dir nichts anderes übrig, als es ihm zu sagen. Es ist besser, er erfährt es von dir, als durch Andere oder seine Augen."
"Aber er ist glücklich auf der White Pearl", entgegnete Liz harsch. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie Ana genug Hinweise gegeben hatte, dass sie es erraten hatte, und hoffte, dass sie es lange genug für sich behalten und sie verstehen würde. "Doch er meint, dass es dann dort zu gefährlich ist, und ich stimme darin mit ihm überein, aber es würde ihn unglüklich machen. Solange er nicht lange genug hier draussen war, um die Sehnsucht in seinem Inneren zu befriedigen, wird er immer diesen Ruf hören und ihm eines Tages folgen. Und dann wird er nicht zurück kommen."
Sie blickte wieder hinaus auf das Wasser und hatte wohl alles gesagt, während Ana einen gedankenverlorenen Blick hinauf zu Will schickte, wo sie sah, dass er sie die ganze Zeit über beobachtete hatte. Schnell drehte er sich wieder weg und machte sich wohl seinen eigenen Gedanken über ihr Gespräch. Wieder einmal fühlte sich Ana in ihrer Meinung bestätigt, dass die beiden miteinander reden sollten, und teilte dies auch Liz mit, woraufhin sich diese zu ihr umdrehte.
"Und warum redest du nicht mit Jack über das, was euch beide schon die ganze Zeit aus dem Weg gehen lässt?" fragte sie Ana, um von ihr abzulenken, und sah mit Genugtuung den geschockten Ausdruck in ihren Augen.
"Das ist etwas ganz anderes, und außerdem geht es hier um dich", konterte Ana mehr oder weniger geschickt. Sie mussten unbedingt wieder das Thema wechseln, denn darüber konnte sie unmöglich sprechen. Sie hatte dies in den hintersten Winkel ihres Verstandes geschoben und wollte es auch nicht dort wieder heraus kramen. Denn es war etwas, dass sie nicht zugeben wollte. Nicht einmal gegenüber sich selbst.
"Das ist nicht etwas ganz anderes", entgegenete Liz und ignorierte den bösen Blick, den Ana jetzt aufgesetzt hatte. "Ich habe das Gerücht gehört, dass du plötzlich mehr denn je ein eigenes Schiff haben willst, und ich frage mich, warum. Jack fragt sich das sicher auch, und solange du es ihm nicht sagst, kann er daran auch nichts ändern. Er ist doch derjenige, um das sich das alles dreht, nicht wahr?"
"Nein!" schrie Ana entrüstet, doch ihre Wangen wurden um einen Hauch dunkler und verrieten Liz, dass sie log. Ana wiederum sah es ihrem Grinsen an, dass sie dies wusste, und musste sich eingestehen, dass sie sich wohl gegenseitig ihre kleinen Geheimnisse entlockt hatten. Trotzdem konnte se einfach nichts dazu sagen. Nicht einmal die Bitte an sie, dies für sich zu behalten, denn das kam ebenfalls einem Geständnis gleich, und das wollte sie auf jeden Fall verhindern.
"Dann verstehst du es sicherlich, dass ich es Will unmöglich sagen kann, genauso wie du es Jack unmöglich sagen kannst", fasste Liz das Ergebnis ihres Gespräches zusammen, bei dem sie eigentlich nur erreicht hatten, dass sie ihr Herz gegenüber einem Anderen geöffnet hatten, und das war auch schon eine gewisse Hilfe.
Ana konnte daraufhin nur nicken und auch ein wenig lächeln. Wieder einmal war sie froh, dass Liz ein Teil der Crew der White Pearl war, und sie erkannte, dass sie sie tatsächlich irgendwie vermissen wird, wenn die beiden Schiffe wieder ihrer eigenen Wege gehen werden. Sie beide waren die einzige Frau in einer Crew aus Männern, und ab und zu tat es gut, mit einer anderen Frau zu sprechen, die dann außerdem ebenfalls ihre Probleme mit dem anderen Geschlecht hatte.
"Wird es helfen, die beiden über die Planke zu schicken?" fragte sie Liz scherzhaft und erntete ein kurzes Auflachen von ihr dafür, das wiederum sie zum Lächeln brachte. Irgendwie fühlte sie sich nun auch besser, und Liz ging es wohl genauso, denn auch auf ihrem Gesicht war ein Lächeln erschienen. Sie nickte zustimmend, und die beiden Frauen versprachen sich, irgendwann einmal ihren Plan tatsächlich auszuführen.
Dann blieben sie zusammen an der Reling stehen, hingen ihren eigenen Gedanken nach und betrachteten dabei die Felseninsel, an der das Schiff eben vorbeisegelte. Jedes Schiff, dass sich Port Royal vom Süden näherte, musste an dieser Insel vorbei, um dorthin zu gelangen, und daher war sie ein sicheres Zeichen dafür, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Und Port Royal auch bald erreichen würden. Dann müssten sie wieder Lebewohl sagen und mit ihren Problemen allein fertig werden.
"Schiff in Sicht!" rief plötzlich der Pirat im Ausguck, und nur Sekunden später hatten auch alle Anderen das Schiff entdeckt, das bisher wegen der Insel nicht zu sehen gewesen war. Sie erkannten, dass sich das Schiff hinter der Insel versteckt und auf sie gewartet haben musste, als sie sahen, dass es die Devil´s Hand war, die dort lauerte und nun auch das Feuer auf sie eröffnete.
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Die erste Kanonenkugel zersplitterte die Spitze des Hauptmastes der Black Pearl und brachte Jack dazu, einen farbenfrohen Fluch über das ganze Schiff zu brüllen. Sofort wusste die Crew, was sie zu tun hatte, und verschwand unter Deck, um die Kanonen zu laden. Will kletterte flink von Masten, nachdem die Kugel ihn beinahe mit sich gerissen hätte. Er lief Liz über den Weg, der er ansah, dass sie ganz genau wusste, was fast passiert wäre, und drückte kurz ihre Hand, bevor er weiter zu Jack lief, der das Ruder einfach nicht aus der Hand geben wollte.
"Wie kann der verdammte Mistkerl es wagen, meine Pearl anzugreifen!" fluchte Jack schon wieder und versuchte, das Schiff längsseits zur Devil´s Hand zu bringen, damit sie ihm auch ein paar Kugel entgegen schicken konnten. "Und das, obwohl das Schiff deines Vaters nur knapp hinter uns ist."
"Aber die White Pearl ist unbewaffnet, und das weiß er auch ganz genau", entgegnete Will und ging kurz in Deckung, als eine weitere Kugel die Reling neben ihm nur knapp verfehlte. Dann spürte er das vertraute Beben, als das Feuer endlich von ihnen erwidert wurde. Jack stieß diesmal einen Freudenschrei aus, als ihre Kugeln ihr Ziel besser trafen und die Devils Hand um einen Masten erleichterten. Auch der Rumpf bekam einige Löcher, woraufhin nun Vulture so laut fluchte, dass sogar sie es hören konnten. Jack war drauf und dran, ihm eine entsprechende Erwiderung hinüber zu schicken, als sein Blick auf die White Pear fiel, und ihm die Worte im Hals stecken blieben.
Er hatte recht gehabt, das Schiff war nur knapp hinter ihnen, allerdings holte es jetzt auf und schien sich neben sie schieben zu wollen, sodass es in das Schussfeld geriet. Vulture hatte dafür gesorgt, dass es leichter als die Black Pearl war und dadurch auch schneller, und ein Blick in das Gesicht von Bill verriet ihm, dass dieser alles versucht hatte, dies zu verhindern, aber der Wind und die Strömung waren gegen ihn gewesen. Nun konnte ihm Vulture nicht nur gefahrlos das Schiff unter dem Hintern wegschießen, Jack konnte jetzt auch das Feuer nicht mehr erwidern. Vulture musste dies gewusst und deshalb diesen Platz für seinen Angriff ausgewählt haben.
Anfangs war die White Pearl noch wie ein Schutzschild für die Black Pearl, denn sie fing die Kanonenkugeln der Devils Hand auf, aber diese hörte bald auf zu schießen. Vulture hatte den Befehl zum Entern gegeben, und schon flogen die ersten Enterhaken hinüber zur White Pearl. Bill rief seine Crew an Deck, und der Kampf Mann gegen Mann begann.
Will hatte schon sein Schwert gezogen und wollte seiner Crew helfen, aber Jack hielt ihn auf. "Wir brauchen jeden Mann hier an Bord!" rief er ihm zu. "Bill wird sowieso seinen Leuten bald befehlen, sich zurück zu ziehen. Sie können sich gegen Vultures Crew nicht erwehren, aber den Ansturm mildern, damit wenigstens wir eine Chance haben." Dabei sah er ihn so ernst wie noch nie an, und so blieb Will auch wie angewurzelt stehen und starrte ihn nur an.
Aber Jack war schon weitergelaufen, um seiner Crew letzte Anweisungen zu geben. Der schwankende Gang und die irritierenden Gesten waren verschwunden, dafür schrie er jeden einzelnen an und wies ihm seinen Platz zu. Die Crew gehorchte auch sofort, und Will bekam den Eindruck, dass dies selbst auf einem Schiff der Marine nicht schneller hätte gehen können. Die Black Pearl war nun berit für den Angriff und würde ihm länger standhalten können, als man es ihr zutrauen konnte.
Sein Blick fiel nun wieder auf die White Pearl, wo die Crew um ihr Leben kämpfte. Einen Moment lang fragte er sich, warum Jack nicht seine Crew hinüber geschickt hatte, um ihnen zu helfen, aber dann sah er, dass sich die Angreifer bereits durch die Crew hindurch gekämpft hatten und nun zu ihnen vordrangen. Ohne es zu merken waren sie von zwei Crews eingekreist und konnten jetzt von allen Seiten angegriffen werden. Bill und seine Crew würden sie dann auf die Black Pearl drängen, wo sie ihnen dann ausgeliefert waren. Ein verrückter Plan.
Weitere Enterhaken trafen nun auch die Black Pearl, doch keiner versuchte, sie wieder zu entfernen. Sollten sie ruhig kommen, die Crew würde ihnen schon einen gebührenden Empfang bereiten. Will hatte noch Zeit, einen kurzen Blick über das Deck zu werfen, und fand jeden an seinem Platz vor. Jack stand stolz mit Gibbs in der ersten Verteidigungsreihe, und Liz und Ana saßen hinter der Reling, um von dort aus die Angreifer zu erschießen, sobald sie einen Fuß auf die Black Pearl gesetzt hatten.
Liz erwiderte seinen Blick, und er schickte ein Lächeln zu ihr, das sie versuchte zu erwidern. Er sagte ihr ein paar Worte, die sie an seinen Lippen ablesen konnte und dann ebenfalls erwiderte. Für einen Moment schien sie noch mehr sagen zu wollen, aber ließ es dann trotzdem und nickte ihm nur noch zu. Aber er hatte es bemerkt und nahm sich vor, sie darauf anzusprechen, wenn das alles hier vorbei sein sollte.
Im nächsten Moment schwang sich einer aus Vutures Crew an ihm vorbei, und er folgte ihm, um sich dann ein Duell mit ihm zu liefern. Überall entbrannte nun der Kampf. Säbel klirrten, Flüche ertönten, und Gewehrschüsse krachten. Sie hatten soetwas schon einmal erlebt, als Barbossa die Interceptor eingeholt hatte, aber das hier war viel lauter, weil sich diesmal nicht nur zwei, sondern gleich drei Crews an diesem Kampf beteiligten.
Will hatte gerade einen Piraten erledigt, als er sich kurz umsah, um die Anderen zu finden. Er entdeckte seinen Vater, der auch gerade mit einem Piraten focht, Liz und Ana saßen immer noch an der Reling, und während Ana schoss, lud Liz die Gewehre nach. Jack kümmerte sich gerade säbelschwingend um Vulture, und Will runzelte die Stirn, als sie den beiden Frauen langsam immer näher kamen. Doch dann musste er sich wieder abwenden, da ein Anderer das Verlangen verspürte, ihn über die Reling schicken zu wollen.
Dann gesellte sich noch ein Zweiter hinzu, und Will musste sich wohl oder übel an der Reling antlang treiben lassen, aber er tat ihnen nicht den Gefallen, darüber hinweg zu springen. Er wich anderen Kämpfenden und Seilen aus, bewegte sich so über das ganze Schiff und schaffte es trotzdem, sich gegen die Zwei zu verteidigen, auch wenn er langsam müde wurde. Daher war er ganz froh, als sich plötzlich sein Vater zu ihm gesellte, und sie beide nun die Zwei den ganzen Weg zurück treiben konnten.
Plötzlich stolperte der Eine über ein Seil, und Will nutzte die Gelegenheit, um ihm das Schwert an den Hals zu setzen. Augenblicklich ließ dieser sein Schwert fallen und starrte ihn mit großen Augen an. Offenbar dachte er, dass jetzt seine letzte Stunde gekommen war, aber Will dachte nicht daran, einem Wehrlosen die Kehle aufzuschlitzen. Er sah sich nach Bill um, der seinen Gegner immer noch über das Schiff trieb, und suchte dann etwas, womit er den Piraten fesseln konnte. Das Seil, worüber er gestolpert war, und das sich damit auf Wills Seite gestellt hatte, musste ihm nun wieder helfen. Während er ihm die Hände auf dem Rücken zusammenband, fiel ihm auf, dass es inzwischen schon viel ruhiger geworden war. Ein erneuter Blick verriet ihm, dass fast alle Kämpfe vorbei waren, und sie offenbar gesiegt hatten. Der Plan hatte funktioniert, und Will grinste, als er dem Piraten auf die Beine half.
Er schlenderte mit ihm nach vorn, wo auch die anderen von Vultures Crew zusammengetrieben worden waren, und stellte dann seinen Gefangenen zu den Anderen. Ein paar aus Jacks Crew passten auf sie auf, während sich die Anderen einem Geschehen an der gegenüberliegenden Reling zugewandt hatten. Will sah nun auch da hin, und plötzlich verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht. Denn dort stand Vulture Jack gegenüber, aber mit Liz im Arm und einem Messer an ihrer Kehle.
