"Nein!" rief ihm Bill zu, als er aus einem Reflex heraus zu Vulture laufen wollte, um ihm Liz aus den Armen zu reissen. Dann spürte er auch dessen eisernen Griff und wollte ihn wutentbrannt fragen, was das sollte, aber dann wurde ihm klar, dass er so nichts erreichen konnte, und nickte ihm zu, um ihm zu sagen, dass er verstanden hatte. Daraufhin ließ Bill ihn tatsächlich los, und beide verfolgten angespannt die Diskussion von Vulture und Jack.

"Ich werde dich nicht laufen lassen, mate", sagte Letzterer nun mit einer unheimlich ruhigen Stimme. "Egal, was du mir androhst. Schließlich hast du mein Schiff beschädigt, und ich kann dir das einfach nicht durchgehen lassen, denn dann wollen das Andere auch, und das ist unakzeptabel."

"Also ist es dir egal, was mit deiner kleinen Sklavin hier passiert, was?" entgegnete Vulture. "Dir entgeht damit verdammt viel Geld, könnte ich mir vorstellen."

Jack tauschte mit Liz einen Blick, als ihnen klar wurde, dass Vulture Liz für eine Gefangene hielt, die irgendwo als Sklavin oder Schlimmeres verkauft werden sollte. Am liebsten hätte Jack jetzt gegrinst, denn besser konnten sie es gar nicht treffen. Dann warf er schnell Will einen Blick zu, damit dieser den Mund hielt und sie nicht verriet, weil er es nicht ertrug, dass Liz als Sklavin bezeichnet würde, aber Bill hatte bereits eine Hand auf dem Arm seines Sohnes gelegt und ihn so beruhigt. Trotzdem bohrten sich dessen Blicke in Vulture, und Jack hoffte, dass sie genauso tödlich wären, wie sie aussahen.

"Diese Sklavin ist minderwertiger als du denkst", sagte Jack nun und winkte ab. "Eigentlich würdest du mir so sogar einen Gefallen tun. Sie bringt bestimmt nicht einmal das Geld für das Essen ein, das sie hier verfuttert."

"Und das soll ich dir glauben?" erwiderte Vulture gereizt, aber der Blick, den er über Liz schweifen ließ, sagte schon aus, dass er dies zumindest in Betracht zog. Also musste Jack ein wenig weiter Seemanssgarn spinnen.

"Leider ist meine Crew nicht die Beste, und deshalb hat sie irgendwann in den letzten Tagen ihren eigentlichen Wert verloren, wenn du verstehst, was ich meine." Dazu gestikulierte er, aber Vulture hatte trotzdem schon vorher erkannt, was er meinte.

"Deine Crew hat sich also mit ihr amüsiert", lachte er. "Du musst wirklich besser auf deine Sachen aufpassen, Jack. Dein Schiff ist ein Wrack, und deine Sklavin geschändet... Gar nicht gut." Dabei grinste er, denn Jack sah nun gar nicht mehr so siegessicher aus, nachdem Vulture die Pearl erwähnt hatte. "Aber trotzdem glaube ich dir nicht, dass du sie einfach so sterben lassen willst. Schließlich sieht man ihr das ja nicht an."

"Noch nicht..." warf da plötzlich Liz ein, denn sie merkte, dass Jack langsam die Argumente ausgingen. Einerseits sollten diese Reden von ihrer "Minderwertigkeit" Vulture davon überzeugen, dass er mit ihr als Geisel nichts anfangen konnte, aber andererseits konnte das auch bedeuten, dass er sie daher hier und jetzt einfach so töten könnte. Was sie jetzt brauchten, war ein Überraschungsmoment, und Liz hatte da auch schon eine Idee.

"Was soll das heißen, noch nicht?" herrschte Vulture sie an und verstärkte den Druck der Klinge auf ihren Hals.

"Wenn wir den nächsten Hafen anlaufen, wird man mir ansehen, dass ich in den nächsten Momaten zu nichts zu gebrauchen bin", erklärte sie ihm durch zusammengebissene Zähne und sah dabei Will an. "Außerdem müsste der Käufer dann auch ein Baby durchfüttern oder es teuer verschwinden lassen. Darauf lässt sich keiner ein." Sie sah den Schock in Wills Augen und schaute schnell weg. "So hat es mir Captain Sparrow erklärt."

"Was!" Vulture war verwirrt, denn so eine Geschichte hatte er noch nie gehört. Er haderte mit sich selbst, ob er sie nun glauben sollte oder nicht, und schaute dann zu Jack, der sein Bestes tat, um sich nicht ansehen zu lassen, dass er kurz davor stand, in Lachen auszubrechen. Seine Gedanken rasten, und so merkte er nicht, wie sich sein Griff um Liz lockerte. Auch das Messer schwebte nun ein paar Millimeter von ihrem Hals weg, worauf Liz nur gewartet hatte.

Sie riss ihre Arme aus seinem Griff und stieß dann seinen Arm mit dem Messer weg, während sie gleichzeitig ihr Bein hob, um es an seine empfindlichste Stelle zu rammen. Sie hörte ein unterdrücktes Stöhnen von ihm und hatte nun freie Bahn, um sich von ihm zu lösen. Ihr Weg führte sie direkt in Wills Arme, wo sie ihr gesicht in seine Schulter vergrub, denn sie wollte nicht sehen, was ihre Ohren ihr nun mitteilten.

Es klang, als würden sich die beiden Crews der White und Black Pearl auf ihn stürzen, während er angsterfüllt schrie. Sie klammerte sich an Will, der ihren Rücken beruhigend streichelte und dabei das Geschehen nicht aus den Augen ließ. Nach einer Weile verstummten Vultures Schreie, und Lachen ertönte.

"Sie haben ihn gefesselt und geknebelt", sagte Will nach einer Weile, und in seiner Stimme schwang ein Lächeln mit, sodass sie sich wieder umdrehte und sah, wie Vulture verkehrt herum an einem Seil hing und verzweifelt zappelte, während sich die Crew einen Spaß daraus machte, ihn mit ihren Messern zu piesaken, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Da musste sie auch grinsen und kämpfte dagegen an, einfach mitzumachen.

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Kurze Zeit später war Vultures Crew in die Brigg gesperrt, die Devils Hand durchsucht und die drei Schiffe zusammen gebunden worden, während Vulture selbst immer noch am selben Platz hing, allerdings bekam er nun nicht mehr die Aufmerksamkeit wie vorher. Daher hatte er es auch aufgegeben, herum zu brüllen und zu fluchen, und so war es recht ruhig an Deck, an dessen verstecktestem Winkel Will Liz vorfand, nachdem er Jack und Bill allein gelassen hatte, die sich über die nächsten Schritte stritten.

Noch hatte sie ihn nicht bemerkt und betastete gedankenverloren ihren Hals, bis sie seine Schritte vernahm und sich erschrocken umdrehte. Schnell ließ sie ihre Hand sinken und zeigte ein Lächeln, das Will sofort als aufgesetzt erkannte. Daher ließ er sich nicht davon verwirren und nahm sie einfach in seine Arme. Sie sträubte sich zwar noch einen Moment dagegen, aber ließ sich dann doch mit einem erleichterten Seufzen in seine Umarmung fallen.

"Es ist vorbei", flüsterte er in ihr Ohr, woraufhin sie ihn kurz noch mehr umklammerte, und er ihr einen Kuss ins Haar setzte. Er wartete, bis sie sich aus der Umarmung lösen würde, und als dann der Moment gekommen war, sah er ein Lächeln auf ihrem Gesicht, das schon viel echter wirkte. Ein paar gut platzierte Küsse halfen dann nach, dieses Lächeln noch mehr zum Strahlen zu bringen.

"Wie machst du das nur, Will Turner?" fragte sie ihn daraufhin zum wiederholten Male, und er gab ihr die Antwort, die er ihr immer darauf gab: "Ich gebe nur zurück, was du mir immer gibst." Und wieder wusste sie nicht so genau, was er damit meinte. Sie wusste nur, dass es sich wunderbar anhörte und sie beide jedesmal zum Lachen brachte.

Doch dann sah sie in seinen Augen, dass ihm eine Frage auf dem Herzen lag. Also teilte sie ihm stumm mit, dass sie diese hören wollte, und wieder einmal konnte er ihr nicht widerstehen. Er seufzte, setzte sich auf die Reling und sah sie eine Weile stumm an, bevor er endlich das formulierte, was ihn schon seitdem Vulture sie als Geisel genommen hatte, auf der Zunge lag.

"Diese Dinge, die zu Vulture gesagt hast, um ihn zu verwirren", begann er leise. "Die meisten davon waren Lügen. Ich sehe dies immer in deinen Augen, denn dann erscheint darin ein verräterisches Leuchten. Genau da..." Er zeigte auf den Augenwinkel seines rechten Auges und fuhr dann fort. "Aber als du sagtest, du würdest bald ein Baby bekommen, habe ich dieses Leuchten nicht gesehen." Er hielt kurz inne und wartete dann auf eine Reaktion von ihr, woraufhin sie den Blickkontakt mit ihm brach und hinaus auf den Ozean starrte. "Also ist es wahr", erriet er.

Nach einer Weile wagte sie es endlich zu nicken und ihn anzusehen. Sie rechnete mit jeder möglichen Reaktion von ihm, von Verzweiflung bis sprachlosem Entsetzen, aber womit sie nicht gerechnet hatte, war das strahlende Lächeln, das nun langsam Besitz von seinem Gesicht ergriff, und die stürmischen Umarmung, in die er sie zog, um sie herum zu wirbeln.

"Warum...hast...du...denn...nichts...gesagt?" fragte er sie und unterstrich dabei jedes Wort mit einem Kuss, sodass auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln erschien, obwohl ihr überhaupt nicht danach war.

"Weil ich ganz genau weiß, dass du dann all das hier aufgeben willst. Aber du liebst es doch so sehr."

"Aber ein Schiff ist nun mal kein Platz für ein Baby", entgegnete er ernst. "Und dann ist mein Platz auch nicht hier, sondern bei..." Jetzt grinste er wieder. "...meiner kleinen Familie." Erst jetzt schien er richtig zu begreifen, was das für ihn bedeutete, und er musste sie einfach wieder umarmen, bevor er ihr Gesicht in beide Hände nahm und sie wieder ernst ansah.

"Auch wenn ich das Leben hier liebe, wie du sagst, so liebe ich euch beide doch viel mehr. Mein Platz ist dort, wo ihr seid. Wo auch immer das ist." Er wunderte sich selbst, wie leicht ihm diese Worte fielen, aber letzten Endes waren es doch die Worte seines Herzens, und das allein zählte.

"Aber du wirst das alles bier vermissen und dann doch eines Tages unglücklich werden", sprach sie ihre Ängste aus. "Ich will nicht, dass du unglücklich wirst...oder uns verlässt."

Während sie die letzten Worte aussprach, wurde sie immer leiser, da sie sah, wie sehr sie ihn verletzten, aber sie konnte auch nichts dagegen tun, dass sie einfach so aus ihr heraus sprudelten. Schnell fügte sie eine Entschuldigung hinzu, aber trotzdem blieb die Entschlossenheit in seinen Augen.

"Ich werde euch nicht verlassen", sagte er mit unglaublich ernster Stimme. "Niemals werde ich euch das antun." Er wusste nur zu genau, was das für die beiden bedeuten würde und hatte sich schon vor langer Zeit geschworen, diesen Fehler nicht noch einmal geschehen zu lassen. "Sicher werde ich Einiges aufgeben müssen, aber ich werde dies nie bereuen."

Sie sah ihm lange in die Augen, doch sie konnte nichts weiter erkennen, als dass er es ernst meinte. Und sie fing auch an, ihm zu glauben, und so zog sie ihm in eine Umarmung, um ihren Pakt zu besiegeln. Sie hatte ihrem Vater versprochen zurückzukehren, und nun war es wohl soweit. Und sie freute sich sogar darauf.