Wieder einige Monate später...

Er hatte noch nie etwas Schöneres gehört.

Will lief in der Küche seines kleinen Hauses auf und ab und wünschte sich ein Stockwerk höher zu Liz, aber Gouverneur Swann, der auf einem Stuhl in der Nähe der Tür saß, hatte stets ein Auge auf ihn und würde ihn sofort aufhalten, wenn er sich der Tür zu sehr näherte. Will war sich dessen bewusst, und auch sein Verstand war der Meinung, dass er jetzt lieber hier blieb, aber sein Herz rief ihn mit jeder verstreichenden Minute mehr nach oben in das Zimmer, wo er Liz beistehen wollte, aber wohl doch nur im Weg sein würde.

Aber als nun dieser Klang das Haus erfüllte, blieb er plötzlich stehen und starrte auf die Tür, durch die er stürmen wollte, aber nicht konnte. Er lauschte der Stimme, die kraftvoll verkündete, dass ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt erblickt hatte. Nach einer Weile schaffte er es, hinüber zu seinem Schwiegervater zu sehen, der aufgesprungen war und nun seinen Blick erwiderte. Langsam erschien ein Grinsen auf seinem Gesicht, dass Will nur zögerlich erwidern konnte, denn noch immer war sein größter Wunsch, den Abstand zwischen sich und dem schreienden Wesen verschwinden zu lassen.

Sehnsüchtig und ungeduldig wartete er auf ein Zeichen, dass er endlich die Küche und hinauf laufen durfte, aber es schienen Stunden zu verstreichen, bis endlich die Tür geöffnet wurde, und die Amme den Kopf in das Zimmer steckte.

"Da möchte jemand seinen Vater kennenlernen", verkündete sie mit einem Lächeln und hielt dabei die Tür weit auf, damit sie nicht von dem übereifrigen Vater umgerissen wurde. Dies war ihr beim ersten Mal passiert, und seitdem war sie lieber vorsichtig.

Will wollte dies auch sofort in Angriff nehmen, als die Worte immer wieder durch seinen Kopf schwirrten, und ein ganz bestimmtes davon ihn in der Bewegung innehalten ließ. "Seinen?" wiederholte er ungewöhnlich heiser, und die Amme lachte auf, denn er war einer der wenigen, denen diese feinen Nuance aufgefallen war, auf die sie stets achtete, und die ihr immer sagte, wie aufgeregt die Väter wirklich waren. Sie amüsierte sich immer köstlich darüber, weswegen ihr meistens Unverständnis entgegen gebracht wurde, aber das störte sie nicht weiter. Hauptsache, sie hatte etwas Spaß.

Aber trotz des Lachens vergaß sie nicht, Will kurz zuzunicken, worauf diesen nun gar nichts mehr hielt, und er endlich hinaus stürmte. Der Gouveneur war im Gegensatz zu der Amme nicht auf so einen Ansturm vorbereitet, aber schaffte es gerade noch, Will mit einem kleinen Sprung aus dem Weg zu gehen, was die Amme wieder zum Lachen und auf den Gedanken brachte, diesmal vielleicht kein Geld für ihre Arbeit zu verlangen. Trotzdem drückte der Gouverneur ihr ein paar Münzen in die Hand, denn er wollte, ass sie baldmöglichst das Haus verließ. Das Lachen war ihm nicht so ganz geheuer, und er hoffte, dass sie wenigstens ihre Arbeit normal getan hatte.

Die Amme hatte ihre Arbeit sogar sehr gut getan, zumindest war Liz der Meinung, denn sie hatte ihr nicht nur geholfen, das kleine schreiende Bündel auf die Welt zu bringen, sie hatte sie sogar davor gewarnt, was nun passieren würde, nachdem sie den Männern in der Küche Bescheid gesagt haben würde. Denn nur kurze Zeit später wurde die Tür etwas unsanft geöffnet, und sie wäre erschrocken, wenn die Amme sie nicht darauf vorbereitet hätte.

Doch so lächelte sie nur dem Neuankömmling, der sich natürlich als Will herausstellte, entgegen, und blinzelte dann, als dieser sich allerdings keinen Schritt weiter in das Zimmer traute und einfach nur auf das Bündel starrte. Auch darauf hatte die Amme sie vorbereitet, und so ergriff sie nun die dafür notwendigen Maßnahmen.

"Will, mach die Tür zu", sagte sie leise und ruhig und schaffte es tatsächlich, kurz dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Von innen", fügte sie schnell noch hinzu, als es beinahe so aussah, als ob er wieder gehen wollte, aber er tat wie ihm geheißen. Trotzdem blieb er in der Nähe der Tür wie angewurzelt stehen, und ihr entwich ein Seufzer, in dem das Wort "Männer" versteckt war.

"Nun komm endlich her und begrüße deinen Sohn!" Nun klang sie weitaus gereizter, was ihn endlich aus seiner Lethargie riss, und er jetzt endlich näher kam. Liz bewies die ganze Zeit über viel Geduld, denn währenddessen hätte sie es locker geschafft, einfach aufzustehen und ihm das Bündel in die Hand zu drücken, obwohl sie noch etwas schwach war und das Verbot zum Aufstehen erhalten hatte.

Wieder entwich ihr ein Seufzer, als er endlich den Weg hinter sich gebracht und sich auf die Bettkante gesetzt hatte. Mit großen Augen strich er vorsichtig das Tuch beiseite, das das Geischt seines Sohnes halb bedeckte, und strich ihm dabei mit einem Finger über die Wange, was den kleinen Kerl augenblicklich verstummen und seinen Vater mit ebenso großen Augen ansehen ließ. Vergessen waren die Schmerzen der letzten Stunden und die nervende Ungedud der letzten Minuten, als Liz beobachtete, wie die Zwei sich begrüßten.

Fasziniert sah sie dabei zu, wie Wills Augen glasig wurden, und er krampfhaft versuchte, die Ursache dafür wegzublinzeln. Daraufhin blinzelte auch das kleine Wesen, das ebenfalls eine Ursache dafür war, und streckte ihm Hilfe anbietend eine Hand entgegen. Das wiederum erzeugte ein Strahlen auf Wills Gesicht, und er erwiderte die Geste mit einem Finger, der sofort ergriffen wurde. Als ob die beiden nun auf eine geheimnisvolle Art und Weise miteinander verbunden wären, breitete sich das Strahlen nun auch auf dem anderen Gesicht aus, und ein leises Glucksen erklang, von dem Liz beim besten Willen nicht sagen konnte, von wo es erklungen war. Vielleicht war sie es sogar selbst gewesen.

Nach dieser Begrüßung wanderte Wills Blick endlich zu Liz. Das Strahlen blieb erhalten, doch schüttelte er hilflos den Kopf und suchte nach Worten.

"Ja, ich weiß, du bist sprachlos, liebst mich mehr als alles Andere und bist im Moment der glücklichste Mann auf der ganzen Welt. Hab ich Recht?" Sie lächlte ihn liebevoll an, und allein dieser Blick, in dem sie all seine ungeordneten Emotionen lesen konnte, brachte ihr Herz zum Lachen, und sie wusste, dass die Worte, die sie ihm gerade in den Mund gelegt hatte, auch für sie galten.

Will hingegen war etwas enttäuscht, dass er diese Worte nicht selbst hatte aussprechen können, aber die Tatsache, dass sie es auch so wusste, beruhigte ihn etwas. Und auch wenn er sprachlos war, so hatte er noch nicht verlernt, sich zu bewegen, und so zeigte er ihr, wie sehr sie mit ihren Worten Recht hatte, indem er sich vorbeugte und ihr einen Kuss gab, in den er all seine Liebe für sie steckte. Dann gab er auch dem kleinen Kerl einen Kuss auf die Wange, was mit einer kleinen zaghaften Ohrfeige quittiert wurde, und er lachend feststellte, dass er wirklich nicht glücklicher sein konnte.

Nur Liz wusste tief in ihrem Herzen, dass er sich selbst belog.

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Fast zur gleichen Zeit war die White Pearl wieder einmal unterwegs, um Waren von einem Ort zum anderen zu bringen. Nun ja, das tat sie ja so gut wie immer, aber diesmal war etwas anders. Zum einen hingen die Gedanken des Captains an einem Ort namens Port Royal, weil dort wohl bald oder bereits sein Enkel geboren worden war, und zum anderen sichtete gerade der Mann im Ausguck ein anderes Schiff und meldete dies lautstark.

Wie immer starrten nun alle überall hin, um irgend etwas zu erkennen, aber Bill war so schlau, nach oben in den Ausguck zu gucken und dort den ausgetreckten Arm zu sehen, der ihm die ungefähre Richtung zeigte, wo das Schiff zu sehen war. Also schaute er dann dorthin, und nach einer Weile konnte auch er das Schiff erkennen.

War das etwa...? Konnte das sein? Er sah noch etwas genauer hin, verfluchte den Matrosen, der das Fernrohr hatte über die Reling fallen lassen, und starrte auf das Schiff. War es ein Pirat, so müssten sie fliehen, waren es die Engländer, so müssten sie Zoll bezahlen, und war es ein anderes Handelsschiff, müssten sie höflich an denen vorbeifahren.

"Piraten!" schrie plötzlich einer der Neuen angsterfüllt, und Bill verdrehte die Augen. Auch er hatte das inzwischen erkannt, aber im Gegensatz zu ihm wusste er, dass er zumindest vor diesem Piraten keine Angst zu haben brauchte.

"Das ist die Black Pearl, du Idiot!" Bob Thatcher, den Bill zu seinem neuen ersten Maat gemacht hatte, nachdem Will das Schiff verlassen hatte, gab dem Neuen eine Kopfnuss, woraufhin dieser noch verwirrter drein schaute. "Das sind unsere Freunde, merk dir das!" Bob war zwar ein hervorragender Maat, aber auch etwas ungeduldig, was besonders die Neuen und Unerfahrenen immer wieder zu spüren bekamen.

"Piraten als Freunde?" Der Neue betastete die schmerzende Stelle an seinem Kopf und sah Bob fragend an. Wenn er auch nicht viel wusste, so hatte er doch in der kurzen Zeit, in der er an Bord war, gelernt, dass man alle Fragen besser laut aussprach. Dies konnte zwear ab und zu gefährlich werden, aber dadurch verringerten sich auch die Zeiten, in denen er Kopfnüsse oder Schlimmeres bekam.

"Na und?" antwortete Bob etwas geduldiger, denn ihm war es auch lieber, dass die Neuen Fragen stellten, als dann ohne irgendeine Ahnung etwas machten und alles zerstörten. "Unser Captain ist schließlich auch mal einer gewesen."

Das hatte gesessen! Mit größtem Vergnügen beobachtete Bob, wie dem Neuen die Kinnlade runterklappte, und er ihn noch verwirrten ansah. Aber Bob hatte jetzt keine Lust mehr, weitere Fragen zu beantworten, und stellte sich lieber zu seinen Captain an die Reling, um die Freunde zu begrüßen. Diese drehten nun bei, und ihr Captain schwang in seiner unverwechselbaren Art den Hut über seinen Kopf, was Bill dann erwiderte.

"Was machst du in diesen Gewässern, du alte Landratte?" begrüßte Bill seinen alten Freund, während Bob dem Neuen zuflüsterte, dass dies Capatin Jack Sparrow sei, der gefürchteste Pirat aller Meere und trotzdem ihr Verbündeter. Da sich dies inzwischen unter den Piraten herumgesprochen hatte, wagte keiner mehr, die White Pearl anzugreifen, auch weil man dann die Rache von Jack befürchtete. Also machte man lieber einen weiten Bogen um beide Schiffe, und Bill war in den letzten Monaten als derjenige bekannt geworden, der die Waren am sichersten über die Meere transportieren konnte.

"Das selbe könnte ich dich auch fragen, du alter Hund!" Jack grinste über das ganze Gesicht, als er sich an Bord schwang und dann seinen alten Freund herzlich begrüßte. Dieser erwiderte die Begrüßung genauso herzlich und sah dann zu der Black Pearl hinüber, auf die sich schon einige seiner Leute geschwungen hatten, um ihre Freunde zu begrüßen. Dass er dabei den Anblick eines ganz bestimmten Menschen vermisste, erwähnte er zunächst nicht.

"Rum?" fragte er ihn statt dessen und erntete dafür einen Blick, der ihn fragte, ob er denn tatsächlich glauben würde, darauf ein Nein zu hören. Das entlockte ihm wiederum nur ein kurzes Lachen, und die beiden gingen in seine Kabine, um dort den Rumvorrat schrumpfen zu lassen.

"So, was machen die Geschäfte?" fing Bill das Gespräch harmlos an und setzte sich Jack gegenüber, der sich einfach an dem Tisch niedergelassen hatte, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Nicht, dass Bill diese laut ausgesprochen hätte. Er öffnete lieber die Rumflasche und füllte die beiden Becher, die auf dem Tisch standen. Einer der beiden wurde sofort bis zur Hälfte geleert, erst dann war Jack dazu bereit, diese Frage zu beantworten.

"Ich bin Captain Jack Sparrow", sagte er und grinste wieder über das ganze Gesicht. "Das beantwortet doch alles, oder?" Wieder nahm er einen Schluck aus seinem Becher, und auch Bill trank nun etwas, nachdem er ihm zugenickt hatte, um den Rückstand aufzuholen. "Und wie sieht es bei dir aus?" Er versuchte, interessiert zu klingen, aber beide wussten, dass dies nur Small Talk war.

"Ich werde diese Ladung noch abliefern und dann einen Abstecher nach Port Royal machen", antwortete Bill und spürte, wie ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erschien, das ehrlich war und sich in Jacks Gesicht spiegelte. Auch er wusste, warum Bill unbedingt dorthin wollte.

"Hat dein Welpe seinen Welpen schon bekommen?" fragte Jack frech, aber Bill war viel zu glücklich, um darauf einzugehen.

"Wenn nicht, dann wird er es in den nächsten Tagen", sagte er stolz und nahm noch einen Schluck. "Ich muss doch unbedingt einmal meinen Enkel in den Arm nehmen und..."

"...und du willst sehen, ob Will es sich nochmal anders überlegt, nicht wahr?" Jack klang plötzlich ganz ernst, und Bill nickte daraufhin nur. der Small Talk war beendet.

"Er ist unglücklich dort, auch wenn er das nie zugeben wird." Bill starrte auf den Tisch und war in Gedanken bei seinem Sohn. "Natürlich ist es ehrenhaft, dass er für seine Familie dies hier aufgegeben hat, aber er wird das nicht lange durchstehen...ich spreche aus Erfahrung."

Wieder nickte Jack und murmelte: "Wir alle machen unsere Fehler..." Schnell sah er auf und setzte ein Grinsen auf. "Außer mir natürlich!"

"Und warum hast du dann Ana gehen lassen?" Diese Worte sprudelten aus Bill heraus, bevor er es verhindern konnte, dafür konnte er jetzt aber zusehen, wie Jacks Grinsen langsam in sich zusammenfiel.

"Das..." Jack kämpfte sichtlich mit seiner Beherrschung und siegte nach einer Weile. "Das ist etwas ganz Anderes." Er zischte dies regelrecht und räusperte sich dann, um nun auch seine Stimme unter Kontrolle zu bekommen. "Sie kommt auch ohne mich ganz gut zurecht."

Bill seufzte daraufhin, setzte dann seinen Becher auf dem Tisch ab und haderte noch eine Weile mit sich, bis er dann endlich murmelte: "Das glaube ich weniger."

"Was soll das denn heißen?" Jack sah wieder auf und funkelte ihn regelrecht an. "Ana war der beste Maat, den ich jemals hatte, und sie gibt sicherlich einen guten Captain ab und..."

"Das mag ja sein...", unterbrach Bill ihn schnell. "Aber auch du hättest dich nicht gegen vier spanische Schiffe wehren können!"

Langsam dämmerte es Jack, dass Bill etwas wusste, was er ihm aber nicht sagen wollte oder konnte, weil es einfach zu schlimm war, aber er musste es unbedigt wissen, also schob er sich über den Tisch zu ihm hinüber, packte ihn am Kragen und funkelte ihn an. "Was weißt du?"

Bill musste erstmal Jacks Finger von seinem Kragen lösen und ihn zurück auf die andere Seite des Tisches schieben, bevor er ihm antworten konnte. "Ich habe gehört, dass die Nebukadnezar von vier Spaniern gejagt wird. Das letzte, was ich gehört habe, ist der Name einer Insel, an der sie vorbeigefahren sind. Noch schien sie in einem Stück zu sein, aber diese Nachricht ist drei Tage alt."

Zuerst wollte Jack ihn wieder am Kragen packen, aber seine Worte ließen ihn langsam zurück in den Stuhl sinken. Das durfte einfach nicht wahr sein... Wenn diese Nachricht drei Tage alt war, dann konnte in der Zwischenzeit eine Menge passiert sein. Und dass Ana mit ihrem Schiff entkommen war, war dabei am unwahrscheinlichsten.

"Wir müssen sie suchen", sagte er dann nach einer Weile, sah seinen Freund ernst an und erhielt tatsächlich das erhoffte Nicken.

"Ich hatte gehofft, dass wir euch irgendwann treffen, denn allein hätten wir keine Chance gegen die Spanier." Nun erschien auch ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht. "Aber jetzt, wo die Perlen vereint sind, werden wir die Spanier dorthin schicken, wo sie hingehören."