Kapitel 7: Weihnachtskinder…
Wieder war die Sonne noch nicht untergegangen, als Herbert am Abend erwachte. Allerdings hatte er an diesem Tag genug Schlaf bekommen, um die Müdigkeit der letzten Nächte auszubügeln.
Er überlegte kurz, dann entschloss er sich entschieden gegen ein Frühstück mit einigen neugierigen Blicken als Müslizusatz – er kannte schließlich seine Familie!
Leise schlich sich Herbert nach unten in die verdunkelte Küche. Nach einem verwunderten Blick auf Chagal, der wohl ziemlich einsam auf der Couch genächtigt hatte, und einen kleinen Notizzettel von seinem Vater bereitete er ein kleines Frühstück vor, verfrachtete es auf ein Tablett und balancierte es zurück in das Schlafzimmer, dass er sich mit Alfred teilte.
Oben angekommen stellte er das Tablett ab, bevor er sich auf den Sargrand hockte. Er beobachtete den noch schlafenden Vampir vor sich und allein schon Alfreds Anblick zauberte ihm ein kleines Lächeln auf die Lippen. Verträumt strich er dem jungen Wissenschaftler durch die blonden Locken.
Sie hatten gestern noch ziemlich lange geredet, über Gott und die Welt, über die Weihnachtsfeste, die sie jeweils in Königsberg und im Schloss verbracht hatten… und, wie Herbert sich glücklich erinnerte, Alfred hatte anscheinend alle möglichen Zweifel, die er gehabt hatte, abgelegt. Der silberhaarige Grafensohn hoffte bloß, dass diese Zutraulichkeit anhalten würde…
In diesem Moment schlug Alfred die Augen auf und schreckte hoch. Einen Augenblick erinnerte er sich wohl nicht, wo er sich befand und Herbert spürte die Anspannung fast körperlich, aber dann entspannte sich der Körper des jungen Wissenschaftlers wieder und Alfred ließ sich zurück in das weiche Kissen sinken.
„Na, gut geschlafen?", fragte Herbert.
„Hmm", machte Alfred und gähnte. „Sehr gut", fügte er dann grinsend hinzu. „Was steht denn heute an?"
Herbert seufzte. „Also, nach dem Zettel von meinem Vater zu urteilen, können wir entweder schon wieder in den Wald stiefeln und den Weihnachtsbaum reinholen, oder den Schmuck dafür rauskramen… ist beides nicht das spannendste… hast du Hunger?"
Fünf Minuten später machten sich die beiden über das Frühstück her, das Herbert von unten mitgebracht hatte.
„Aber führt das nicht eher dazu, dass die anderen später noch mehr Fragen stellen?", bemerkte Alfred.
„Ach, je später desto besser… und wenn mich Julian, Bella oder im schlimmsten Fall Papa oder Titania schon beim Frühstück so komisch anstarren… na ja, muss eben nicht sein."
Alfred kicherte. „Versteh ich voll und ganz."
----
„Jetzt erzähl doch mal! Ich hab dich seit 25 Jahren nicht mehr gesehen, was hast du in den letzten Jahren gemacht? Gestern war ja so eine kleine Plauderrunde unmöglich."
Die Sonne war inzwischen komplett hintern den Bergen verschwunden, aber Ardora und Felix hatten sich trotzdem mit zwei dicken Wolldecken ausgestattet, bevor sie nach draußen gingen, um neues Holz für den Kamin zu holen.
„Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich komm ja nicht so viel rum wie du. Obwohl deine letzten Jahre – oder besser Stellungen – ja anscheinend auch ganz interessant waren." Ardora grinste, warf einen eindeutigen Blick auf die blonden Haare ihres Gegenübers und schnappte sich den Holzkorb
Felix verdrehte die Augen. „Ja jaaa, mach dich nur lustig darüber. Diese Studentin war wirklich nett, aber halt sehr temperamentvoll." Er lächelte nun ebenfalls. „Aber bei dir scheint es ja auch gefunkt zu haben." Er zog die Augenbrauen hoch.
Ardora erstarrte in ihrer Bewegung. „Was meinst du?", fragte sie schnell.
„Na ja, du konntest ja heute Morgen kaum die Augen von dieser Rothaarigen abwenden… Magda heißt sie, oder?" Felix hob ein paar Holzscheite von dem großen Haufen, den Graf von Krolock und Chagal einige Nächte zuvor zerhackt hatten.
Die Dunkelhaarige seufzte. „Ja, sie ist sehr nett… ich mag sie wirklich."
„Und wo ist dein Problem?"
„Dass sie in einer Beziehung steckt, in der sie glaub ich gar nicht sein will." Ardora erzählte ihrem Freund von dem Gespräch, dass sie vorletzte Nacht mit Magda geführt hatte, von den Hochzeitsvorbereitungen und von dem Kuss, den die beiden an der Hochzeit geteilt hatten.
„Aber dann stehen deine Chancen doch super. Sie sah gestern nicht aus, als wäre sie abgeneigt."
„Natürlich nicht, ich hab ja auch nichts gemacht!"
„Dann tu was."
Ardora seufzte erneut. „Sag mir, wenn ich dich mit meinem Pessimismus nerve, aber hattest du schon mal das Gefühl, dass du gleich einen Kreislaufkollaps bekommst, weil du jemanden so sehr magst? Ich bin nach diesem Gespräch ja geradezu geflüchtet, weil ich Angst hatte, auf einmal nur noch Unsinn zu faseln!" Sie stellte einen gefüllten Korb auf die kleine Bank, die an der Hütte stand.
Felix lachte leise, legte einen mit Scheiten gefüllten Korb neben den Ersten und nahm auch gleich seine Decke ab– auch die letzten Sonnenstrahlen waren endgültig verschwunden. „Weißt du, ich denke, da solltest du vielleicht eher mit Herbert reden. Oder mit Julian. Den beiden ist das schon öfters passiert und die beiden haben gelernt, wie man sowas verhindern kann."
„Ähm…" Auch Ardora legten nun ihre Decke ab. „Und das hilft?"
„Ich denke, du kannst dich dann wenigstens auf das, was du sagen willst, konzentrieren, und nicht darauf, was du nicht sagen willst."
„Hmm, okay, ich wird mal herbi ansprechen… wenn er heute aus seinem Sarg rauskommt." Sie grinste. „Aber mal was anderes: Bleibst du über Weihnachten hier?"
Felix zuckte mit den Schultern. „Eigentlich habe ich nach einer Bleibe für eine Nacht gesucht, aber Bella wollte mich ja für die Silvesterplanungen einspannen, da wäre es vielleicht weniger umständlich. Aber ich sollte besser erst mal mit unserem lieben Herrn Graf sprechen." Er zwinkerte.
„Wär schön, wenn du hier bleiben würdest… wann haben wir das letzte mal zusammen Weihnachten gefeiert?" Ardora nahm ihren Korb wieder hoch.
„Oh, ich glaub, da lebtest du noch…", feixte der blonde Vampir.
Ardora schnitt ihm eine Grimasse. „Nein, ich meine, das wär schon mit Titania und Jonathan gewesen…"
„Auf jeden Fall war es das erste mal, dass mir jemand auf lateinisch Frohe Weihnachten gewünscht hat." Auch Felix hob seinen Korb hoch.
„Was erwartest du denn von einer deiner seltenen Schülerinnen, die du noch lebendig unterrichtet hast?!"
Felix lachte. „Hast du das immer noch nicht verarbeitet? Bei aller Liebe, Kleines, aber 65 Jahre sollten doch reichen, um das zu verkraften", sagte er mit spöttischer Stimme.
„Wahrscheinlich hab ich es auch in Julians Alter noch nicht… verarbeitet." Ardora balancierte den Korb in Richtung Haustür. „Und außerdem: Alter schützt vor Torheit nicht, wie man unschwer an deiner Haarpracht erkennen kann."
Dafür jagte ihr Freund sie noch einmal um die Hütte herum, bevor die beiden die Holzscheite ins Haus trugen.
----
Etwa eine Stunde später befanden sich alle Vampire, Koukol und Professor Abronsius im Wohnzimmer, wo Graf von Krolock eine kleine Ansprache hielt.
„Also gut. Es gibt heute einiges zu tun. Übermorgen ist schon Heiligabend und wir haben immer noch keinen Weihnachtsbaum, den müssen wir also organisieren. Der Weihnachtsbaumschmuck ist auch noch nicht aufgetaucht, muss also gesucht werden. Wer noch nicht alle Geschenke beisammen hat, kann entweder nachher mit Koukol und Professor Abronsius ins Dorf fahren und versuchen, bei Nacht noch etwas zu organisieren, oder er gibt den beiden einen Zettel, die beiden besorgen nämlich das Weihnachtsessen. Es muss nochmal ein bisschen Holz gehackt werden, denn unser Vorrat schwindet. Und es wäre nicht schlecht, wenn wir die Hütte vor Weihnachten noch mal auf Höchstglanz polieren würden."
Sarah war nicht die einzige, die mit gemischten Gefühlen die Augenbrauen hochzog. Auch Herbert schaute nicht sonderlich begeistert aus.
Jonathans Augen jedoch leuchteten. „Kann ich mit zum Weihnachtsbaumaussuchen?", fragte er. Titania unterdrückte ein Kichern. Ihr Mann hatte schon immer eine Schwäche für Nadelbäume gehabt, besonders, wenn sie mit Kugeln und Lametta behangen waren.
Ein Gemurmel und Raunen ging jetzt durch den Raum.
„Verteilt die Aufgaben unter euch", sagte der Graf laut. „Aber… ich will auf jeden Fall auch mit zu den Weihnachtsbäumen!"
----
Eine Weile später durchwühlten Bella, Magda, Ardora und Julian den Keller nach Weihnachtsbaumschmuck.
„Hey, hier ist 'ne Krippe", rief Julian.
„Groß oder klein?"
„Passt an einen Tannenzweig und hat einen Aufhänger…"
„Mitnehmen, dann haben wir wenigstens etwas, das wir aufhängen können." Bella zog den Kopf aus einem alten Schrank. „Hier ist nicht mal eine einzige Weihnachtskugel. Habt ihr irgendwas in der Art mitgebracht, Magda?"
Aber Magda grinste die blonde Vampirin nur an. Bella lenkte den Blick auf das Etwas, das die Junge Magd in den Händen hielt. „Magda, du bist genial!"
Tatsächlich hatte Magda eine ganze Kiste voller Weihnachtskugeln und Nudelengeln gefunden.
Die vier Vampire beugten sich über die Kiste.
„Das sind aber ziemlich verschiedene Kugeln", bemerkte Julian. „Meint ihr, das stört irgendjemanden?"
„Bei uns sieht das jedes Jahr so aus", kicherte Ardora und zwinkerte Bella in Erinnerung an ihren letzten Weihnachtsbaum zu.
„Aber das reicht nicht", meinte Magda. „Ich meine, die Tannen hier in der Gegend sind nicht gerade klein, dass reicht das hier auch nur für das untere Drittel…"
„Ach, lasst uns erst mal weitersuchen, wenn wir nochmal so eine Menge finden, reicht das auf jeden Fall", erwiderte Julian mit vor Optimismus strahlenden Augen.
----
„Ähm… habt ihr schon mal geputzt?", fragte Titania vorsichtig, nachdem sie beobachtet hatte, wie Sarah und Alfred versuchten, den Küchenboden zu schrubben.
Die beiden Jungvampire schauten sie verlegen an. „Na ja", sagte Sarah leise. „Ich hab bei uns zu Hause mal den Abwasch gemacht, aber geputzt… eigentlich nicht…"
Alfred schüttelte nur betreten das Haupt.
Titania und Herbert warfen sich gegenseitig ein kleines Grinsen zu, bevor sich die Schwarzhaarige wieder an die Jungvampire wandte. „Nun guckt nicht so, ich reiß euch nicht den Kopf ab!", lachte sie. „Aber für einen Crash-Kurs haben wir jetzt keine Zeit. Ich würde sagen, ihr beiden macht die Badezimmer, da könnt ihr nicht viel falsch machen."
Sarah und Alfred warfen sich entsetzte Blicke zu, während Herbert seine Tante anstupste.
„Hör mal… wir könnten ja eigentlich doch einen kleinen Crash-Kurs machen. Du übernimmst Sarah, ich Alfred?" Der Grafensohn grinste.
„Herbi, Herbi, dass ich das noch mal erleben darf! DU willst freiwillig das Badezimmer übernehmen?" Titania schenkte ihm ein spöttisch anerkennendes Grinsen.
„Also, erstens mag ich Badezimmer – zwar nicht unbedingt zum Putzen, aber ich mag sie! – und zweitens… wenn es mit Alfi ist…" Auf Herberts Augen legte sich ein verträumter Schleier.
Seine Tante starrte ihn einen Moment lang an, schien eine Bemerkung machen zu wollen, entschied sich aber dann, es bei einem „Ich will gar nicht wissen, womit ihr den Tag verbracht habt" zu belassen. „Also gut, dann wird ich Sarah mal in die Geheimnisse des Wischmobbs einweihen. Aber denk dran, dass die Hütte blitzsauber sein muss, wenn dein Vater wieder kommt, also flirte nicht so viel, sondern arbeite auch ein bisschen." Sie zwinkerte ihrem Neffen nochmal zu, bevor sie mit Sarah in der Küche verschwand.
„Was hast du denn mit ihr besprochen?", fragte Alfred neugierig, nachdem er etwas verwirrt die Küchentür angestarrt hatte, hinter der die beiden Frauen verschwunden waren.
„Och, ich hab sie zu einer kleinen Team-Änderung überredet", berichtete er lächelnd. „Allerdings müssen wir beide und trotzdem die Badezimmer vornehmen, auch wenn das nicht gerade das Angenehmste ist", fügte er bedauernd hinzu.
Alfred seufzte. „Na dann mal los, je früher wir anfangen, desto schneller sind wir fertig."
----
„Der da ist doch schön."
„Bist du bescheuert? Der passt gar nicht in die Hütte."
„Doch, wenn man ein bisschen was absägt, schon."
„Oben oder unten?"
„Unten natürlich!"
„Yoine, du kannst ja richtig kreativ sein."
„Der ist trotzdem zu groß."
„Wie wär's denn mit dem da?"
„Nee, der ist ja krumm!"
Jonathan ging ein Stückchen hinter den anderen Männern, aber er war sich sicher, dass es wirklich keine Gute Idee gewesen wäre, eine der Frauen mit auf die Weihnachtsbaumsuche zu nehmen. Zumindest Titania hätte diese kleinen Streitereien höchstens zehn Minuten toleriert. Aber er selbst hatte durchaus Spaß daran, durch den Wald zu laufen und sich mit seinem Schwager, dessen Schwiegervater und seinem römischen Freund über die Höhe und Breite von Weihnachtsbäumen zu zoffen.
„Was ist denn mit dem?" Graf von Krolock deutete auf ein besonders nadeliges Exemplar.
„Der ist ziemlich klein, oder?", entgegnete Chagal und bedachte die Tanne mit abschätzendem Blick.
„Natürlich ist der im Gegensatz zu diesen Riesen hier klein", erwiderte Felix und deutete auf einen außergewöhnlich großen Baum.
„Der würd aber schön ins Wohnzimmer passen", gab Jonathan seinen Senf dazu.
„Find ich auch!" Das war der Graf.
„Lasst uns doch erst mal noch weiterschauen", schlug Felix vor.
„Aber dann ist er vielleicht weg." Graf von Krolock schenkte der Tanne einen zugleich liebevollen als auch besorgten Blick.
„Ähm… hast du hier noch irgendwelche anderen Lebewesen gesehen, die auf der Suche nach einem Baum sind, mein lieber Schwager?", fragte Jonathan.
Felix und Chagal tauschten eindeutige Blicke aus.
„Na gut, dann lasst uns noch weitersuchen."
Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Der Graf schaute noch einmal zurück und lächelte die Tanne aufmunternd an. „Du kommst schon mit nach Hause, keine Sorge, darum kümmere ich mich!"
----
„Das muss reichen!"
„Wir haben gar keinen Platz, um die große Krippe aufzustellen."
„Ja, klar, von wegen ‚kein Platz', was meinst du, warum das Wohnzimmer so groß ist!"
„Sollten wir den Baum eigentlich sofort schmücken, wenn er da ist?"
„OI! Oh Gott, ich bin blind!"
Die drei Frauen, die unter dem gewicht des Christbaumschmuckes allesamt wankten, blickten Julian überrascht an. „Was hast du denn?"
Julian, der mit einer dreiteiligen Krippe beladen war, nickte mühevoll nach vorne. Die Frauen folgten seinem Blick.
„Wow, ist das sauber hier!"
Das stimmte tatsächlich, denn Titania und Sarah hatten ganze Arbeit geleistet. Der Boden, vom Dreck befreit, wirkte fünfmal heller, genau wie der Kamin, die Fenster blitzten und an den Türrahmen hingen Mistelzweige. Die beiden Frauen waren gerade dabei, eine Weihnachtsdecke auf den Esstisch zu legen und schauten auf, als sie die vier Vampire in der Tür zum Keller stehen sahen.
„Hallo", zwitscherte Sarah gut gelaunt.
Ardora und Bella blickten sich an. „Macht ihr Putzen Spaß?", wisperte Bella geschockt.
„Wie habt ihr das denn so schnell hinbekommen?", staunte Magda.
„Na ja, in der Küche war nicht viel zu tun, und so wenig Zeit war das auch nicht, ihr wart nur sehr lange da unten", entgegnete Titania lächelnd und stellte eine Kerze auf den Tisch.
„Sieht großartig aus", sagte Julian anerkennend und überlegte, ob so eine Großreinigung auch in der Gruft der Teen-Vampire im Schloss des Grafen möglich wäre.
„Ähm… Mama, können wir das Zeug hier irgendwo abstellen?", fragte Bella mit gepresster Stimme – die Kiste mit Weihnachtskugeln und Lichterketten in ihrem Arm schien immer schwerer zu werden.
„Stellt das doch dort drüben neben den Kamin."
„Wo soll eigentlich der Weihnachtsbaum hin?", wollte Magda wissen.
„Auch da irgendwo. Vielleicht in der Ecke rechts vom Kamin…" Titania nahm Julian die Krippe ab. „Wo habt ihr denn das tolle Stück gefunden?"
„Wir haben da unten einen Wandschrank entdeckt und da waren alle möglichen Weihnachtssachen drin", erzählte Ardora stolz.
„Haben wir genug Platz, um die aufzustellen?", fragte Julian.
Titania und Sarah schauten sich kurz an.
„Och, bestimmt, wenn da keiner drüberstolpert…" Sarah begutachtete fasziniert die Krippenfiguren. „Was ist das hier?"
Bella und Ardora mussten kichern, als Sarah die Figur etwas irritiert anblickte. Als aber auch Magda ziemlich ratlos dreinblickte, erbarmte sich Julian.
„Also, das da ist Maria, Sarah. Und das hier… Moment… wo ist er denn?! Ach da! … Das hier ist Josef und das hier ist das Jesuskind. Habt ihr wirklich noch nie Krippenfiguren gesehen?"
Die beiden Frauen schüttelten den Kopf. „Nur die Geschichte des Öfteren gelesen", murmelte Magda.
„Schön, dass da wenigstens keine Kreuze dran sind", freute sich Titania. „Die Krippen in den Kirchen kann man sich nie anschauen, weil die fest immer genau unter dem Kreuz aufgebaut sind."
„Können wir die jetzt schon aufstellen?", fragte Ardora.
„Wenn ihr nichts anderes zu tun habt… Wir sehen am Besten gleich mal nach Alfred und Herbert, oder, Sarah?"
„Oh, können wir mitkommen?", fragten Bella und Julian wie aus der Pistole geschossen. „Ich meine, vielleicht können wir ihnen ja helfen", fügte die Blonde etwas kleinlaut auf den durchdringenden Blick ihrer Mutter hinzu.
Titania verdrehte die Augen, doch als auch Sarah sie erwartungsvoll anschaute, gab sie nach. „Oh, na gut! Aber keine Andeutungen, keine Verkupplungsversuche und keine Störung der Privatsphäre!"
----
„So, geschafft!"
Erleichtert ließ sich Herbert auf dem Rand der großen Badewanne im ersten Stock sinken.
„War ja gar nicht so schwer." Alfred stieß das Fenster auf, um frische Nachtluft hinein und stickigen Reinigungsmittelgestank nach draußen zu lassen.
„Mit dir war es einfacher." Herbert grinste.
Alfred seufzte. „Und das Beste: Keine Leute, die einem die ganze zeit seltsame Blicke zuwerfen. Hast du gesehen, wie Sarah, Bella und Julian und vorhin bei der Besprechung die ganze Zeit angeschaut haben?"
„Na ja, kann man denen ja nicht verübeln. Wir sind früh ins Bett gegangen…" Er kam auf den jungen Wissenschaftler zu. „Wir waren nicht beim Frühstück…" Er legte die Hände um Alfreds Hüften. „Und wir sahen glaub ich ziemlich verschlafen aus, als wir vorhin runter gekommen sind." Er zog den Jüngeren etwas näher an sich.
Alfred lächelte nervös. „Das ist aber noch kein Grund, sofort wilde Vermutungen in die Welt zu setzen."
„Ach, für die schon. Weißt du, das sind die neugierigsten Vampire, die du in ganz Transsylvanien finden kannst." Herbert lehnte seine Stirn an die von Alfred und bemerkte erfreut, wie der junge Wissenschaftler die Arme um seine Tallie legte.
„Nun ja, wenn es nicht zur Tagesordnung wird, ist es ja in Ordnung", murmelte Alfred und schloss die Augen, als Herbert den Kopf senkte und einen Kuss auf das Schlüsselbein des Jüngeren hauchte. „Ganz meine Meinung…"
Plötzlich riss Alfred die Augen auf. „Herbi… ich glaub, es kommt jemand hoch…"
Die beiden lösten sich voneinander, gerade rechtzeitig, denn im nächsten Moment steckte Titania vorsichtig den Kopf durch die Tür.
„Hey, ihr beiden, ich wollte mal schauen, wie weit ihr seid… wow, ihr habt ja richtig viel geschafft!"
Die Schwarzhaarige betrat nun vollständig das Badezimmer, dicht gefolgt von Julian, Sarah und Bella.
„Klasse, Herbert, dein Vater wird wohl zufrieden sein."
„Das will ich doch mal hoffen", grinste Sarah. „Unten glänzt alles."
Alfred und Herbert wechselten einen Blick. Beiden gefiel die Störung nicht sonderlich.
Alfred bemerkte allerdings auch die neugierigen Blicke von Seiten Bellas.
„Wo habt ihr denn Magda und Ardora gelassen?", fragte er, um abzulenken.
„Die bauen unten die Krippe auf."
----
„Passen die denn so überhaupt zusammen?", fragte Ardora und schob den letzten Teil der Krippe an das zweite Stück.
„Ich denke schon… sieht doch ganz schön aus." Magda begutachtete das Werk. Der erste Teil der Krippe stellte eine Schafweide dar und hatte sogar Lagerfeuer, einen Fluss mit einer Brücke drüber und einige Bäume, auf dem zweiten befand sich der Stall und der letzte hatte einen kleinen Hügel, einen Weg, der zum Stall führte und wieder einige Bäume.
Die beiden Frauen saßen vor der Krippe, die sich nun links neben dem Kamin aufgestellt hatten, nebeneinander.
„Gut, dann fehlen ja jetzt nur noch die Figuren."
Die beiden Frauen streckten gleichzeitig die Hände nach dem Karton mit den Schafen, Hirten und Engeln aus und zogen sie näher zu sich.
„Der Engel ist süß… kommt der hier oben dran?", fragte Magda und hielt einen Engel an das Dach des Stalls. „Er passt dort jedenfalls hin." Mit diesen Worten fixierte sie den Engel am Dach.
Ardora platzierte derweil die Heilige Familie, den Ochsen und den Esel im Inneren des Stalls. „Stehen die so gut, oder soll ich die noch ein bisschen drehen?"
„Nee, sieht doch gut aus. Was kommt denn jetzt?" Magda und Ardora beugten sich wieder gleichzeitig über den Karton, wobei ihre Köpfe sacht aneinander stießen.
„Oh, Entschuldigung", murmelte Ardora, deren Herz durch die Nähe der jungen Magd schon wieder anfing, Purzelbäume zu schlagen.
„Macht nichts…" Magda sah auf und ihr Blick trag genau Ardoras Augen. Die beiden schauten sich einen Augenblick lang an, bevor Ardora sich widerwillig losriss. „Ähm… äh, wie wär's denn mit dem Lämmchen?", fragte sie und hielt ein kleines Schäfchen aus Gibs hoch.
„Das ist süß." Magda wandte sich um, wobei sie sich fast den Rücken verrenkte, stellte das Lamm neben die Brücke und drehte sich wieder zu der dunkelhaarigen Frau neben ihr um. Die junge Magd bemerkte, dass Ardora sie anstarrte, doch als sich ihre Blicke trafen, senkte die Ältere schnell den Kopf.
„Sag mal, was ist denn mit dir?", fragte Magda besorgt. „Bist du sauer auf mich?"
Ardora schüttelte heftig den Kopf. „Nein, es ist nur…" Sie kniff kurz die Augen zu und öffnete ihre letzten Mutreserven, bevor sie sie wieder aufmachte. „Weißt du, ich… ach verdammt!"
Die Ältere beugte sich vor und hauchte der perplexen Magda einen Kuss auf die Lippen. Eigentlich wollte sie sich sofort wieder zurückziehen, aber zu ihrer Überraschung erwiderte die junge Magd den Kuss ohne zu zögern. Trotzdem löste sich Ardora einige Augenblicke später von ihr.
„Tut mir leid", murmelte sie und schaute wieder zu Boden.
„Macht nichts…", sagte Magda noch einmal. Sie spürte den sanften Kuss noch auf ihren Lippen.
Ardora schaute vorsichtig auf. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass Magda lächelte.
„Warum bist du so schüchtern?", fragte die junge Magd. „Das dürfte doch nichts Neues für dich sein."
„Aber Liebe ist nicht immer gleich…" Ardora lächelte verlegen. „Und mich hat es total erwischt."
Die Lippen der beiden trafen sich erneut in einem sanften Kuss und keiner der beiden dachte daran, dass jeden Moment entweder die Männer mit den Weihnachtsbäumen oder die Badezimmer-Putzgruppe hereinplatzen könnte.
----
Soo, das wars mal wieder. Ich weiß, diesmal war etwas mehr über Magda und Ardora, aber über Alfi und Herbi kommt noch genug ;-) Außerdem vielen Dank an die lieben Reviewer euchalleknuddel macht weiter so :-)
Und noch was nebenbei:
A/N: Ich weiß, wenn man sich an den Adventskalender hält und das Kapitel danach nochmal liest, wird einem auffallen, dass in Sachen Zeitrechnung etwas nicht stimmt, aber ich musste einfach noch einen Tag dazumogeln, also spielt dieses Kapitel nicht am 23. sondern am 22. Dezember.
Also, bis zum nächsten mal,
Eure Aisa
