Kapitel 9: Gefühle und lange Gespräche

Felix erwachte recht früh, die Sonne stand noch am Himmel, als der blonde Vampir aus dem Schlaf aufschreckte und mit dem Kopf hart gegen den Sargdeckel stieß. Mit seinem leise gefluchten „Autsch" weckte er jedoch auch gleich Julian auf, mit dem er sich einen Sarg teilte.

„Was ist los?", muffelte der Teen-Vampir verschlafen. „Es ist bestimmt gerade mal drei Uhr!"

„Fünf Uhr", verbesserte ihn Felix und rieb sich mit einem Blick auf seine Taschenuhr den Kopf.

„Egal." Julian gähnte. „Und warum um Himmels Willen machst du so einen Krach?"

„Ich weiß nicht, bin plötzlich aufgewacht…"

„Och, ich vergaß, du bist doch an Weihnachten immer so aufgeregt", musste Julian nun doch grinsen.

„Ja, da fühl ich mich gleich um ein paar Jahrhunderte jünger", strahlte Felix und klappte prompt den Sargdeckel auf.

Julian zuckte automatisch zusammen – wie lebensmüde musste ein Vampir sein, wenn er um fünf Uhr Nachmittags so abrupt den Sarg aufriss? Aber seine Bedenken waren umsonst.

„Fünf Uhr, ja?" Der Teen-Vampir kletterte aus dem Sarg. „Stell mal deine Uhr nach, es ist schon stockdunkel."

„Kann gar nicht sein", murmelte Felix und schüttelte energisch seine Uhr, als ob diese sich daraufhin von alleine wieder richtig stellen würde.

Aus einer Ecke des Dachbodenzimmers drang gedämpftes Kichern. Bella und Ardora tapsten aus dem Schatten hervor.

„Ist was?"

Beim Anblick von Felix, der wie ein kleiner Junge im Sarg saß und hilflos seine Uhr in der Hand hielt und von Julian, der aufstehmuffelig wie eh und je daneben stand, lachten die beiden erneut los.

„Mensch, euch beim Aufstehen zuzuschauen ist immer wieder schön", grinste Ardora.

„Schade, dass Herbi nicht da ist, er liiiebt den Anblick", kicherte Bella.

„Na ja, da er aber noch etwas – oder besser jemand – ganz anderen liebt, ist ihm dieser Anblick heute leider nicht vergönnt." Felix hievte sich nun doch aus dem Sarg.

„Ach, du meinst…. Ich meine, heute…?" Ardora gähnte und schaute Felix erwartungsvoll an.

„Zutrauen würde ich es den beiden, so wie die gestern geturtelt haben", antwortete Julian an Felix' Stelle.

„Dann lasst uns doch mal Mäuschen spielen", schlug dieser begeistert vor. Er liebte es, die Romanzen seines ehemaligen Schülers zu beobachten.

Aber Bella winkte abwertend ab. „Hört mal, Herbert hat gestern noch kurz mit mir gesprochen, ich glaube, wir sollten uns in nächster Zeit mal ein bisschen zurückhalten…"

Die anderen schauten sie überrascht an.

„Wir sind wohl gestern im Badezimmer in eine pikante Situation reingeplatzt, wenn wir so weitermachen, bringen wir die beiden eher auseinander als zusammen…"

Die beiden jungen Männer blickten recht enttäuscht drein.

„Ach kommt, Jungs!" Ardora klatschte in die Hände. „Schauen wir mal, ob Sarah und Magda schon wach sind und dann machen wir schon mal Frühstück."

Aber dazu kam es erst gar nicht. Noch bevor die vier Vampire an die Tür von Magda und Chagal klopfen konnten, wurden sie mit einem verschlafenen „Gut geschlafen?" aus dem Wohnzimmer begrüßt. Wie am Morgen blickten die Vampire über die Galerie des Treppenhauses – und sahen Alfred und Herbert, die dicht nebeneinander vor zwei Tassen Kaffee am Esstisch saßen.

„Ähm… gut…und ihr?", gab Julian schließlich betont unschuldig zurück. „Habt ihr überhaupt gesch-" Bella rammte ihm unsanft den Ellebogen in die Rippen.

Die jungen Männer am Esstisch wechselten nur einen kurzen Blick, bevor Herbert seine Tasse hochhielt. „Kaffee? Kommt runter, es ist genug da."

Ein paar Minuten später, nachdem auch Magda und Sarah geweckt worden waren, kuschelten sich die Vampire mit Kaffee und Tee vor den Kamin, in dem noch ein wenig Kohle glühte. Felix' Augen wanderten kurz zum Weihnachtsbaum. Er freute sich tatsächlich schon wie ein kleiner Junge auf die Bescherung, die im Laufe der Nacht beginnen sollte.

Auch Magda, Sarah und Alfred wurden langsam aufgeregt, für alle drei war es das erste Weihnachtsfest, das sie als Vampire verbrachten. Sie fragten sich, ob Vampire wohl andere Bräuche für das Fest hatten… Aber die ‚alten Hasen', Herbert, Bella, Felix, Julian und Ardora, weigerten sich, etwas zu verraten und speisten die Jungvampire mit einem obligatorischen „Lasst euch überraschen…" ab.

Nach und nach erschienen auch die anderen Vampire, Professor Abronsius und Koukol im Wohnzimmer. Schließlich schickte der Graf Alfred und Ardora hinaus, um neues Feuerholz zu holen und ordnete seinen Sohn und Julian an, Frühstück in der Küche zu machen. Bella, Felix und Titania sollten währenddessen mit Magda, Sarah und Chagal die Kleidung für die Bescherung aussuchen. Damit erledigte Sarahs erste Frage nach anderen Weihnachtsbräuchen von Vampiren.

Kaum dass Herbert die Küchentür hinter sich zugemacht hatte, konnte sich Julian nicht mehr zurückhalten.

„Ihr ward ja heute gestern Morgen ganz schön schnell verschwunden…"

„Na und?" Herbert konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, während er einige Messer aus einer Schublade holte.

„Sag schon…"

„Da gibt's nichts zu sagen…"

„Liegt es an Alfred?"

„Was?" Nun war Herbert doch etwas verwirrt.

„Ach vergiss es", wehrte der Teen-Vampir schnell ab. „Jetzt sag schon, ist was passiert?"

Herbert zögerte mit seiner Antwort.

„Jetzt komm schon, ich bin dein bester Freund. Hast du zumindest mal behauptet", setzte Julian gespielt beleidigt hinzu, aber er musste lächeln.

Das konnte der Grafensohn nicht auf sich sitzen lassen. „Na gut, wenn du es unbedingt wissen willst… nein."

Julian musterte den silberhaarigen Vampir. „Was heißt nein? Sagst du es doch nicht oder…?"

Herbert erwiederte seinen Blick kurz, bevor sich abwandte, um einen Laib Brot aus einem Schrank hervorzukramen. „Das war schon die Antwort, es ist nichts passiert."

Der Teen-Vampir stutzte. „Gar nichts?", fragte er, nun doch ziemlich überrascht. Nach dem Geturtel der beiden jungen Männer in der letzten Nacht hätte er nicht erwartet, dass wirklich überhaupt nichts gelaufen wäre.

„Na jaaa…" Herbert fuhr sich durchs Haar. Sein Freund hob die Augenbrauen. „Zumindest nichts, was du wirklich als ‚etwas' bezeichnen würdest…"

„Also doch ein bisschen was? Mensch, jetzt lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen." Julian schoss spätestens jetzt Bellas Mahnung in den Wind.

„Ja, ein bisschen was. Wir haben zumindest im selben Sarg geschlafen." Das träumerische Lächeln, das sich jetzt auf Herberts Lippen schlich, zeugte davon, wie viel ihm allein schon diese Tatsache bedeutete. „Er war gar nicht mehr so schüchtern wie sonst, es war wirklich schön…Und ich werde mich hüten, dir genauere Details zu erzählen", fügte er in einem strengen Ton, der dem seines Vaters um nichts nachstand, hinzu.

„Kein Problem", grinste Julian zurück.

„Ähm… Aber da wär trotzdem fast was passiert", druckste der Grafensohn nun von selbst herum. „Ich wollte nur halt eben nicht sofort übertreiben…sonst hätte ich ihn vielleicht wieder verschreckt."

„Na ja, die nächste Gelegenheit hast du ja heute." Julian packte einige Tassen auf das inzwischen ziemlich volle Frühstückstablett. „Weihnachten ist ja nicht umsonst das Fest der Liebe…"

Zur gleichen Zeit schien Alfred nicht ganz so locker über den vergangenen Tag zu denken. Ohne dass Ardora großartig hätte nachbohren müssen, kam er von selbst auf das Thema zu sprechen, als die beiden vor der Hütte Holzscheite in die Körbe packten. Während Ardora leicht überrascht schien, wie weit der Assistent gegangen war, schien der von sich selbst schockiert zu sein.

„Ich hab einfach die Kontrolle verloren", murmelte er.

„Aber das ist doch nicht schlimm", versuchte die Dunkelhaarige ihn zu beschwichtigen. „Wer sagt denn, dass du immer Herr der Situation sein musst? Dein Forscherdrang? Oder der Professor?" Bei den letzten Worten wurde ihre Stimme leicht spöttisch.

„Es ist mir einfach unangenehm", platzte Alfred heraus.

„Und das heute? War dir das unangenehm? Hat es dir gar nicht gefallen?", wollte Ardora wissen. „Denk mal drüber nach, wenn es so wäre, dann hättest du die Kontrolle wahrscheinlich behalten."

Alfred zögerte. „Es… doch, es war… schon schön… irgendwie… aber… es ging einfach so schnell und… ich mein…"

Die Vampirin verdrehte die Augen. „Mensch, Alfi, warum lässt du deinen Gefühlen nicht einfach mal freien Lauf? Das hast du doch bei Sarah auch hinbekommen."

„Ja, aber bei Sarah war das was anderes", erwiderte Alfred störrisch.

„Du meinst, weil sie – bis auf einen kleinen Biss – eigentlich gar nicht richtig auf dich eingegangen ist, im Gegensatz zu Herbert, der sich schon um dich bemüht hat, seit er dich das erste mal sah."

Das war ein harter Schlag für den jungen Wissenschaftler. Natürlich war er sich dieser Tatsache bewusst gewesen, aber sie von jemandem so kühl ins Gesicht gesagt zu bekommen, traf ihn doch ganz schön.

Ardora bemerkte, dass sie das Ganze vielleicht etwas sanfter hätte angehen sollen.

„Tut mir leid, Alfi, entschuldige. Aber versteh das doch, ich muss doch versuchen, dass von beiden Standpunkten aus zu sehen. Ihr versteht euch schon seit einem halben Jahr richtig gut – seit de Hochzeit, um genau zu sein – und ihr kommt einfach nicht von der Stelle. Und wenn es dann doch mal ein wenig weiter geht, dann wirst du wieder so unsicher, dass du dich komplett zurückziehst. Ist dir eigentlich klar, dass du Herbert damit schon ziemlich oft vor den Kopf gestoßen hast?" Sie atmete tief durch. „Ich meine, du magst ihn doch, oder?"

„Ja, sehr sogar." Alfred war selbst überrascht, wie prompt diese Antwort kam.

„Dann zeig ihm das", meinte die Ältere sanft. „Am besten heute noch."

„Ähm… wie meinst du das?"

„Das ist ein vampirischer Weihnachtsbrauch. Wir feiern im wahrsten Sinne des Wortes das Fest der Liebe, und ich könnte mir vorstellen, dass Herbi das Ganze dieses Jahr besonders wörtlich nimmt." Sie lächelte verschmitzt. „Ich bitte dich nur um einen kleinen Gefallen: Wenn es soweit ist, dann bitte weder zu heftig zusammenzucken noch schlagartig Reißaus nehmen, okay?" Sie schaute ihn bittend an.

„Was für ein Brauch ist denn so schlimm, dass ich weglaufen sollte?", fragte Alfred perplex.

„Nun, du wärst schließlich auch am liebsten beim Mitternachtsball weggelaufen, oder nicht?", grinste Ardora. „Und so ein Biss ist auch traditionell."

Mit diesen Worten griff sie nach einem der Holzkörbe und verschwand in der Diele.

Alfred folgte ihr mit dem anderen Korb - und einem flauen Gefühl in der Magengegend.

„Das müsste dir stehen", murmelte Bella und hielt Magda eine grüne Robe hin. „Doch, das sollte klappen, passt zu deinen Augen." Sie zwinkerte der jungen Magd zu.

„Oooh, wo habe ich das denn schon mal gehört?", flötete diese zurück.

Bella lachte.

„Wahrscheinlich im letzten Schundroman", stieß Magda hervor, während sie in die Robe schlüpfte.

„Du bist nicht gerade romantisch veranlagt, oder?", stellte die blonde Vampirin fest, während sie an dem grünen Kleid herumzupfte.

Magda schnaubte. „Den Sinn für Romantik habe ich glaub ich in der ersten Nacht mit Chagal verloren."

„Quatsch!" Bella wehrte sich entschieden dagegen, dass es Leute ohne jeglichen Sinn für Romantik gab. „Der ist ja nicht gerade ein romantischer Typ, aber es gibt ja genug andere, die durchaus Wert auf sowas legen… meine Kleine zum Beispiel…" Sie zog vielsagend die Augenbrauen hoch, während sie begann, die Korsage der Robe probeweise zuzuschnüren.

Magda erstarrte und drehte sich zu Bella um. „Meinst du A-"

„Ja, ich meine Dorie." Bella grinste. „Und ja, ich weiß, dass die Initiative inzwischen nicht mehr nur von ihr kommt. Würd mich wundern, wenn es jemand noch nicht weiß."

Magda schluckte. „Ist das… ich meine, das macht doch nichts, oder?"

Bella nahm unbeschwert Magdas rote Locken in die Hände und steckte sie hoch. „Schön, dass du das so früh begreifst, Alfred hat ein Jahr gebraucht, um zu begreifen, dass Liebe zwischen dem gleichen Geschlecht nichts Schlimmes ist."

Die junge Magd seufzte erleichtert. „Heißt das, ich kann Chagal also guten Gewissens in dieser Hinsicht ignorieren?"

„Exakt!"

Gegen halb zwei Uhr nachts begannen die Vampire, ihre Festkleidung anzulegen. Herbert befand sich zu dieser Zeit im Schlafzimmer seines Vaters. Dieser musterte seinen Sohn immer wieder, während dieser in seinen Samtanzug stieg.

„Herbert, bist du dir sicher, dass du das machen willst?", fragte er schließlich.

„Ja, Papa, ich bin mir sicher. Warum fragst du?"

„Du weißt, dass du damit ein großes Versprechen besiegelst… Ich selbst habe den Fehler schon oft genug gemacht…"

„Ja, ich weiß, Papa, aber ich bin nicht wie du. Das ganze hätte dir bei Sarah genauso gut passieren können."

„Bei Sarah ist das aber Teil der Hochtzeitszeremonie gewesen", erwiderte der Graf ungehalten. „Aber es war weder ein Weihnachts- noch ein Mitternachtsballbrauch. Und wie ich Alfred kenne, wird er sich darauf nie im leben einlassen, Es hat ja schon so vier Wochen gebraucht, bis-"

„Das habe ich nicht vergessen", antwortete Herbert. „Es ist ja auch nur ein Angebot. Ich hoffe eben, dass er es annimmt. Außerdem werde ich nicht der Einzige sein."

Der Graf schaute seinen Sohn überrascht an. „Nicht? Wer macht das denn noch?"

Herbert zuckte mit den Schultern, während er seine Augen mit ein wenig Lidschatten betupfte. „Ich glaube, Ardora wollte auch so ein Angebot machen."

Von Krolock lächelte leicht. „Warum habe ich bloß das Gefühl, dass sie ein wenig erfolgreicher sein wird?"

„Weil das bei Frauen eben einfacher ist." Von Krolock stellte in der Stimme seines Sohnes tatsächlich einen halb beleidigten, halb neidischen Unterton fest.

Er seufzte.

„Tja, das ist eben nicht zu ändern." Er schaute seinen Sohn eine Weile an, dann stellte er sich dicht vor ihn und zupfte ihm seine Schleife zurecht.

„Nun, Sohn, wenn du dir sicher bist, dann werde ich dir keine Steine in den Weg legen. Aber mach's gut, okay?"

„Ich werde es versuchen…" Herbert strich sich über den Kopf. „Bist du soweit?"

„Schon lange", erwiderte sein Vater würdevoll, aber lächelnd und ging mit seinem Sohn aus dem Raum in Richtung Wohnzimmer, in dem Koukol, Abronsius, Felix und Jonathan gerade sämtliche Kerzen anzündeten.

Soo, jetzt muss ich mich erstmal für die lange Pause entschuldigen. Ich bin der Schreibblockade zum Opfer gefallen, hatte Stress in der Schule und mit dem PC… und deshalb werde ich auch so schnell wie möglich über die Bescherung schreiben.

Ich entschuldige mich auch dafür, wenn dieses Kapitel vielleicht etwas langweilig geraten ist, aber ich wollte einfach mal ein komplettes Kapitel schrieben, in dem sowohl auf Alfreds und Herberts als auch Magdas Gefühle etwas mehr eingegangen wird.

So und jetzt noch vielen Dank an Steeljren-Dag und blonder Vampir für die Reviews #euchknuddel#

Falls ich jemanden vergessen habe, tut es mir leid, aber das waren die einzigen Reviews, die bei mir angekommen sind…

Liebe Grüße,

Aisa