Kapitel 6: Vorzeichen des Schicksals
Kuro rieb sich die Ohren und erwartete seine Standpauke.
"Kuro, du bist noch ziemlich jung..." Der Knabe spitzte die Ohren, dass hörte sich nicht nach einer Strafpredigt an.
"Aber trotzdem bist du recht clever und stark... und auch groß." Das hörte er von allen Leuten denen er begegnete, worauf wollte sein Vater denn nun hinaus?
"Ich finde, es ist an der Zeit, dass du lernst dich zu verteidigen... und zwar mit einer Waffe!" Kuro zuckte zusammen, abgesehen von den Spielen mit seinen Freunden war er eigentlich recht friedfertig. Arkas führte ihn nach draußen hinter das Haus, dort hatte er schon einige Sachen bereit gestellt.
Zielscheiben, Handfeuerwaffen, eine Holzpuppe und ein Kurzschwert. Er nahm das Schwert in die Hand und zeigte dem Jungen wie er es halten und zuschlagen musste, dann machte er vor wie man seinen Gegner angriff.
"So und jetzt versuch du es mal, an diesem Einbrecher hier!" Er deutete auf die Holzfigur und erinnerte den Jungen noch mal an das, was er ihm gerade beigebracht hatte. Kuro schloss die Augen und konzentrierte sich auf seinen Gegner´´. Er atmete tief durch und fühlte sein Herz in einem regelmäßigen Rhythmus schlagen. Er setzte einen Fuß vor den anderen und dann machte er etwas ganz anderes als was Arkas ihm erklärt hatte...
Er rannte los, stieß sich vom Boden ab, drehte den Oberkörper elegant zur Seite und ließ die Klinge durch das Holz gleiten. Sanft landete er auf den Zehenspitzen und viel vor Schreck auf den Hintern als der Kopf der Holzpuppe vor seine Füße rollte. Arkas schob sprachlos seine Brille hoch.
°Das war ein perfekter Schlag! Was für ein Talent! Gezielt ausgeführt wie von einem Schwertmeister! Junge, du hast ihn exekutiert. Was steckt da in dir!° Der Junge zitterte und ließ das Schwert fallen.
"Was... was hab ich da grade gemacht, Daddy!" Arkas beruhigte ihn, drückte ihm die Pistole in die Hand und stellte ihn vor die Zielscheibe. Sie war circa 10m von ihnen entfernt, er erklärte ihm die Handhabung.
"Leg deinen Zeigefinger auf den Abzug, guck so und den Daumen auf den Hahn. Das ist das Teil hier. Also du fixierst das Ziel, dann spannst du den Hahn. Und wenn du soweit bist, drückst du ab. Na los versuch' s!" Kuro's Hand zitterte, er schoss und traf ins Schwarze, also stellte Arkas die Scheibe 10m weiter weg. Der Junge beruhigte sich, das war einfacher als mit dem Schwert... Er zielte und traf erneut exakt die Mitte.
"Hey du bist gut! Soll ich sie weiter raus stellen?" Kuro nickte, legte an und traf noch bevor Arkas die Scheibe richtig hingestellt hatte wieder Punkt genau. "Du bist ja wirklich ein Naturtalent! Aber schaffst du das auch noch, wenn sich das Ziel bewegt!" Der Junge zuckte kalt mit den Schultern, Arkas bemerkte das es einen gewaltigen Unterschied gab zwischen diesen perfekten Schüssen und dem perfekten Schwertstreich vorhin... aber er konnte nicht genau sagen was...
"Na gut Kleiner! Schlag ein Ziel vor!" Kuro sah sich eine Weile um, dann hatte er etwas gefunden.
"Wie wär's mit der Amsel da!" Er deutete in etwa in Dorfrichtung, Arkas konnte keinen Vogel sehen.
"Na da! Auf dem Marktplatz! Da ist doch nur eine Amsel die um den Brunnen fliegt! Das andere sind doch Spatzen!" Arkas war ein wenig verwirrt, wollte der Junge sich einen Spaß erlauben?
"Du willst mir doch nicht erzählen das du eine Amsel von hier bis auf den Marktplatz erkennen kannst! Das sind fast 900 Yard!" Ohne Arkas zu antworten legte Kuro an, ganz ruhig, ohne jegliche Emotion... Das war es!
Die Schüsse waren kalt, gefühllos, als ob er sie gar nicht wahrnehmen würde, so... seelenlos. Und bei dem Schwertschlag vorhin... er wusste zwar nicht wirklich was er da tat, aber er tat es unheimlich leidenschaftlich, mit ganzem Herzen... Er schoss, aus dem Dorf stoben ein paar Vögel auf.
"Komm, Daddy!" Arkas folgte ihm, auch wenn er bezweifelte dass der Junge überhaupt was getroffen hatte.
"Siehst du! Nichts, das wär ja auch nicht möglich gewesen!" Kuro ging um den Brunnen herum und bückte sich.
"Sie war grade am wegfliegen, ich hätte beinahe den Spatzen neben ihr erwischt." Er legte sie seinem Vater in die Hand, der traute seinen Augen nicht. °Ein Genickschuss... ein glatter Genickschuss... auf diese Entfernung, bei so einem kleinen Vogel! °
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Sie gingen nach Hause zurück und Kuro gab die Pistole ab. Er setzte sich neben das Schwert und betrachtete es.
"Tja Kuro, ist ja wohl klar, welche Waffe am besten zu dir passt. Auf diese Entfernung! Du bist der geborenen Schütze!" Arkas räumte die Zielscheibe weg und verstaute die Pistole wieder in ihrem Futteral.
"...Nein..." Arkas drehte sich um, Kuro sah nicht zu ihm, er betrachtete immer noch das Schwert.
"Was nein? Was meinst du?" Kuro nahm das Schwert und ließ sein Handgelenk kreisen. Er stellte sich hin und blickte Arkas direkt in die Augen.
"Ich will nicht schießen, ich will kämpfen!" Arkas verstand nicht ganz, wo lag da der Unterschied?
"Das ist doch das Selbe, Kuro!" Der Junge hob das Schwert, schüttelte den Kopf und führte einen gewaltigen Rundumschlag aus.
"Nein... Schießen ist was anderes... Schießen ist... feige! Ich meine... Kämpfen ist ehrenhaft! Wo bleibt den die Ehre, wenn man... jemanden aus Hunderten von Metern aus einem sicheren Versteck abknallt? Egal wie toll es ist auf so eine Entfernung genau zu treffen... Der andere hat doch überhaupt keine Möglichkeit sich zu wehren... Das ist faul und feige! So möchte ich nie sein! Ich will meinem Gegner in die Augen sehen und ihm beweisen, dass ich in einem fairen Kampf besser bin! ... Ich will meinen Gegner nicht einfach umkippen sehen... ich will..." Er fuhr mit den Fingern über die Klinge und schnitt sich, Blut tropfte auf den Boden. Arkas war sich nicht ganz sicher ob das gerade aus Zufall passiert war.
"Was willst du?" Kuro steckte den blutenden Finger in den Mund und leckte ihn ab. Er schloss die Augen und ließ das Schwert kreisen.
"Ich will... mit meinem Gegner verbunden sein... ich will... spüren wie er stirbt!" Er öffnete die Augen und Arkas konnte darin ein Feuer lodern sehen, so leidenschaftlich das er fast vergaß, dass der Junge der vor ihm stand gerade mal sieben Jahre alt war.
"Aber... ein Schwert... das ist... Ich weiß nicht... das ist irgendwie so unausgeglichen..." Arkas nickte, er wusste was der Junge meinte, er zog seine Dolche aus den Scheide und gab sie ihm. Kuro balancierte ihr Gewicht in den Händen aus, umfasste locker das Heft und sprang anmutig wie eine Katze auf die Holzfigur. Arkas konnte seinen Bewegungen nicht folgen, der Junge stand plötzlich einfach hinter der Figur... hatte er sie überhaupt getroffen? Sie schien noch heil, doch als ein sanfter Windstoß sie berührte zerfiel sie in mehrere Teile.
"...Besser... aber nicht gut... Die Schwerter müssten länger sein... die Wunden wären schwerer... und... es müssten... mehr Schwerter sein!" Arkas rieb sich die Stirn. °Mehr Schwerter? Wie will der Junge dass denn anstellen?° Er nahm ihm die Dolche wieder ab.
"Mehr! Du kannst vielleicht mit drei Schwertern kämpfen, wenn du eins zwischen die Zähne nimmst. Aber das ist das Maximum!" Kuro besah sich seine Hände, er drehte sie mehrmals und betrachtete seine Fingernägel.
"Das muss doch auch anders gehen... wenn ich die Schwerter nicht halten müsste... vielleicht, wenn sie direkt mit mir verbunden wären..." Arkas lachte und strich ihm über den Kopf.
"Kannst ja deine Fingernägel lang wachsen lassen! Komm aber erst mal Abendbrot essen bevor du das machst." Kuro blieb stehen, er fand das nicht lustig, die Sache beschäftigte ihn wirklich!
"Das ist so verkehrt eigentlich nicht, von der Grundidee her..." Langsam wurde es Arkas zu viel, er machte etwas das er schon lange nicht mehr gemacht hatte... Er klemmte sich Kuro einfach unter den Arm und trug ihn mit sich ins Haus.
"Du bist doch clever, Kleiner! Dir fällt schon noch was ein! Aber du bist auch erst sieben! Über so was brauchst du dir noch keine Sorgen zu machen!"
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"Das muss doch nicht sein, oder?" Kuro ging Schritt für Schritt zurück und wehrte sich mit Händen und Füssen gegen Kira, die der festen Überzeugung war ihm eine rosa Schleife umbinden zu müssen.
"Und ob! Immerhin wirst du heute neun, das ist was ganz besonderes!" sie versuchte sich auf ihn zu stürzen, doch er duckte sich weg und unter ihrem Arm durch. Allerdings krachte er in Kagami der ihn festhielt.
"Hier geblieben! Du bist nämlich schon ziemlich erwachsen, aber noch nicht so ein alter Knacker wie wir!" Kuro ruckte mit dem Kopf hin und her, doch es half nichts, zwei Minuten später trug er eine riesige rosa Schleife um den Hals.
"Ihr seid so albern!...Hey was zum... Was habt ihr vor!" Kagami hatte ihn gepackt und trug ihn nun mit Kira zum Strand, der Sand war heiß unter ihren Füßen.
"Wartet mal! Ihr wollt doch nicht! Nein! Ihr wisst ich mag keinAaaahh!" Sie hoben ihn über ihre Köpfe und Platsch´´ schmissen ihn ins Wasser. Prustend tauchte er wieder auf, griff nach Kira's Beinen und zog sie ins Wasser. Sie wollte sich an Kagami festhalten, doch dieser stürzte mit ihr ins Meer.
Lachend tollten sie im Wasser umher, jagten sich, tauchten sich gegenseitig unter und machten Köpper von den Klippen. Plötzlich horchte Kuro auf.
"Shht, seid mal ruhig!" Er beobachtete die Wellen, es schien als würden seine Ohren zucken, dann stürzte er sich ins Wasser. Er blieb eine ganze Weile unten, tauchte auf und hatte in jeder Hand einen Fisch, zwischen den Zähnen einen dritten. Nach Atem ringend nuschelte er.
"Jemand Hunger?"
Langsam begann die Sonne unter zugehen, die drei saßen am Strand um ein Lagerfeuer und grillten ihre Fische.
"Wie hast du das gemacht, Kuro?" Der zuckte nur mit den Schultern und pulte die Augen aus dem Fischkopf. "Bringst du's mir bei sobald du's weißt!" Kagami grinste und knabberte eine Flosse ab.
"Ja mach ich, aber hoff nicht allzu bald darauf!" Kira nahm vorsichtig ihren Fisch vom Spieß und pustete damit er etwas abkühlte.
"Und, was hast du von deinem Dad gekriegt!" Kuro legte sich auf den Rücken und sog erst mal den leckeren Geruch ein.
"N' Buch..." Mit gespielter Überraschung und eindeutigem Sarkasmus in der Stimme rief Kira laut aus.
"Uih! Toll! Und was für'n Buch?" Er schluckte seinen Bissen runter und setzte sich wieder hin, im Liegen essen war ihm doch zu unbequem.
"Keine Ahnung... Es heißt Weisheit´´, aber ich hab's mir noch nicht angekuckt!" Der Sonnenuntergang tauchte das Meer in ein sanftes rot, nachdenklich betrachtete Kuro es. Kagami schielte auf Kuro's Fisch.
"Hey Kumpel, isst du das noch?" Er musste seine Frage wiederholen, da Kuro sie beim ersten Mal wohl nicht gehört hatte. Er schreckte aus seinen Gedanken hoch.
"Hm?... Was... ja... ne... iss du ruhig!" Kopfschüttelnd blickte er wieder aufs Meer, er wurde ganz ruhig. Während Kagami sich über seine Extraportion hermachte rutschte Kira näher an Kuro ran. "Was is'n los?" Seine Augen folgten dem sanften Wellengang, er sah nicht zu ihr als er antwortete.
"Hm?... Nichts... alles in Ordnung!" Sie seufzte und lehnte sich an seine Schulter. Kaum zu glauben dass er zwei Jahre jünger war als sie und trotzdem einen ganzen Kopf größer.
"Nichts ist nicht grade viel... Du hast Geburtstag, Kleiner! Solltest du da nicht mit uns rumalbern anstatt das Wasser anzustarren?" Er lächelte sie aus seinen großen schwarzen Augen an und nickte.
"Du hast ja recht... es ist nur... ich hab so ein komisches Gefühl, als ob heute noch irgendwas passiert..." Sie versicherte sich das Kagami beschäftigt war, dann rutschte sie noch näher an ihn heran und flüsterte.
"Ich... auch. Das ist so wie wenn du schon nen Tag vorher spürst, dass es ein Gewitter geben wird, stimmt' s?" Überrascht blickte er auf, das war exakt was er ihr sagen wollte.
"Ja... schon, aber das jetzt ist irgendwie schlimmer...!" Sie nickte und strubbelte ihm durch die Haare um ihn aufzuheitern.
"Du denkst zu viel nach Kuro, dafür hast du Zeit genug wenn du erwachsen bist! Komm wir buddeln Kagami im Sand ein!" Dazu ließ er sich nicht zweimal bitten und verscheuchte die Sorgen aus seinen Gedanken.
"Na, hat's meinem Lieblingssohn gefallen?" Es war schon dunkel draußen als Kuro nach Hause kam, Arkas erwartete ihn bereits.
"Ja war echt lustig, bin ziemlich geschafft." Nachdem sie Kagami nach einer Stunde wieder ausgegraben hatten, hatten sie noch ein Wettschwimmen gemacht. Kuro hatte zwar gewonnen, aber nun schleppte er sich müde in sein Zimmer.
"Dann mal ab mit dir, es ist spät genug! Kinder brauchen ihren Schlaf!" Arkas stand in der Tür und lächelte ihn an. Kuro gähnte und ließ sich auf's Bett fallen.
"Nacht, Daddy..." Er kuschelte sich in seine Decke und nickte langsam ein.
"Gute Nacht, Kuro." Vorsichtig machte Arkas die Tür zu um ihn nicht zu wecken und schob seine Brille richtig.
