Kapitel 8: Der Unterschied zwischen Jungs und Mädchen

Gegen Kuro's Willen entschied der Bürgermeister ihn dennoch ins Waisenhaus zu stecken. Er nahm nichts von zu Hause mit außer ein paar Sachen. Arkas Dolche vergrub er in einer Holzkiste im Garten.

Einen letzten Blick wollte er noch auf sein altes Heim werfen, er schritt jedes Zimmer noch einmal ab, als er gerade dabei war zu gehen knirschte etwas unter seinem Schuh. Er bückte sich und hob Arkas' zerstörte Brille auf, obwohl sie vollkommen verbeult und kein Splitter Glas mehr im Rahmen war, steckte er sie ein und nahm sie mit.

Er warf seinen Koffer in den Schrank und ließ sich aufs Bett fallen. Kira setzte sich zu ihm.

"Ach Kuro, so schlimm ist es nicht! Wir haben bestimmt viel Spaß."

Davon war er noch nicht überzeugt. Mit den meisten Kindern verstand er sich überhaupt nicht. Er war von Anfang an ein Außenseiter, weil er intelligenter und größer war als sie, von seinem Tempo gar nicht zu reden. Nur Kira und Kagami der sie täglich besuchte, waren seine Freunde

Wie schon vorher tollten sie im Dorf herum und stellten nur Unsinn an, den meistens Kira im Sinn hatte, Kuro lieferte nur die Pläne, während Kagami sie umsetzte. Es dauerte nicht lange, da waren sie im ganzen Dorf unter dem Namen Terror Trio´´ bekannt und gefürchtet.

Allmählich begann Kuro sich von den Erlebnissen jener Nacht zu erholen. Kira war heilfroh als er wieder lachte und mit ihr rumalberte, monatelang hatte er nur depressiv am Strand gesessen.

Es war nun fast ein Jahr her, das Kuro im Waisenhaus war, sein zehnter Geburtstag stand vor der Tür. Doch wirklich darauf freuen konnte er sich nicht. Zumal eine Woche vorher plötzlich Arkas' Brille aus dem Versteck verschwand das Kuro für sie gesucht hatte.

Als er es bemerkte wurde er fast wahnsinnig, er durchwühlte seine ganzen Sachen, stellte alles auf den Kopf und fand sie nicht. Es kam ihm in den Sinn das eines der anderen Kinder sie geklaut haben könnte. Dementsprechend hatten diese keine schöne Zeit.

Da er jedoch von keinem erfahren konnte wo sie war, musste er sich wohl oder übel damit abfinden diese letzte Erinnerung an seinen Vater verloren zu haben. Sein Laune war in dieser Zeit unausstehlich.

Am Morgen seines zehnten Geburtstages hatte er eigentlich keine richtige Lust aufzustehen aber Kira zerrte ihn aus dem Bett. Kagami und sie wollten mit ihm feiern, natürlich nicht am Meer, das wäre für ihn wahrscheinlich doch noch ein wenig zu viel geworden.

Er hatte einen wirklich schönen Tag. Kagami schenkte ihm ein dickes Buch über Piraten, Kuro hatte angefangen sich für sie zu interessieren seit er wusste das sein Vater ein Pirat gewesen war und lesen machte ihm großen Spaß. Von den Frauen des Heims bekam er neue Schuhe, seine waren vom vielen Rennen ziemlich abgetragen.

Kira's Geschenk war nicht unbedingt materieller Natur, sie versprach, ihm beizubringen wie er Rennen´´ könnte und trotzdem die Kontrolle über seinen Körper zu behalten. Als es dunkel wurde verabschiedete Kagami sich. Er musst nach Hause zu seinen Eltern, manchmal war Kuro ein bisschen neidisch auf seinen Kumpel, weil der noch eine Familie hatte.

Kuro machte sich gerade zum Schlafen fertig, als Kira noch einmal zu ihm kam. Sie hielt etwas hinter ihrem Rücken verborgen. Kuro war gerade damit beschäftigt das Oberteil seines grünen Pyjamas zu zuknöpfen.

"Alles Gute zum Geburtstag, Kuro!" Sie hielt ihm das neue Geschenk hin. Er blickte von seinen Knöpfen hoch.

"Hä? Du hast mir doch schon was gesch...?" Vor ihm in ihren Händen lag eine kleines schwarzes Etui. Er nahm es und ließ es vorsichtig aufschnappen, als er sah was sich darin verbarg fiel er Kira um den Hals.

"Ich dachte du würdest dich freuen wenn sie wieder ganz wäre, also hab ich sie heimlich mitgenommen und zum Optiker gebracht. Der hat das Gestell wider grade gebogen und normales Glas eingesetzt." Kuro war ihr so dankbar, er hatte Arkas' Brille wieder und sie sah auch wieder aus wie eine Brille, mit den kreisrunden Gläsern und dem schwarzen Rahmen.

"Kira, du bist richtig lieb, für ein Mädchen!" Sie wusste diese Aussage zu schätzen, aus Kuro's Mund war das ein erstaunliches Kompliment.

Als Kagami die beiden am nächsten Tag besuchen kam, war er etwas verwirrt. Kira nahm ihn zur Seite und flüsterte ihm zu. "Sag bloß nichts, lass ihn einfach machen wie er denkt!" Also sagte Kagami nichts dazu das Kuro Arkas' Brille trug.

Nach zwei Tagen allerdings begannen die anderen Kinder sich über ihn lustig zu machen. Wer trägt schon eine Brille, wenn er gar keine braucht und dann auch noch so eine große! Kuro's Augen warentatsächlich immer noch extrem scharf, andererseits war es auch ganz normales Fensterglas in der Brille.

Das die anderen Kinder ihn nicht leiden konnten störte Kuro schon lange nicht mehr, aber das sie sich über die Brille lustig machten tat ihm weh, auch wenn er es nicht zugab. Erneut drohte der Junge in Depressionen zu versinken, aber die Brille nahm er nicht ab.

Auch Kira tat es weh Kuro so zu sehen. Hatte er denn nicht schon genug mitgemacht? Mussten ihn diese Idioten jeden Tag des Jahres runtermachen? Konnte man den nichts unternehmen? Kuro hätte bestimmt einen Plan gehabt, aber den konnte Kira nun wirklich nicht fragen. Sie müsste sich wohl selber etwas ausdenken.

Eines Abends schlich sie sich aus dem Waisenhaus und zu Kagami, der lag zwar schon im Bett, aber sie holte ihn schnell aus den Federn. Mit ihm besprach sie ihr Vorhaben, denn ohne ihn würde es nichts bringen. Sie war wohl fast genau so klug wie Kuro.

Es ist Kuro's elfter Geburtstag. Er hatte sich inzwischen zu einem wahren Morgenmuffel entwickelt, verschlafen griff er nach seiner Brille auf dem Nachttisch und setzte sie auf. Er blickte sich um, von Kira keine Spur. Und das obwohl auch sie langsam zu einem Spätaufsteher mutierte.

Er ging zum Frühstück und hörte die Kinder schon von weitem Lachen. "Was für eine bekloppte Brille! Anscheinend ist der Typ ansteckend!" Kuro war zu müde um ihnen wirklich zuzuhören. Er betrat den Essenssaal und suchte nach einem Platz.

"Kuro hier! Setz dich neben Kagami und mich!" Kira winkte ihm zu, ihre Augen funkelten ihn durch die Gläser freundlich an... Moment... Was machten ihre Augen! Kuro schüttelte den Kopf, bestimmt hatte er sich verguckt. Er rieb sich den Schlafsand aus den Augen. Nein er sah richtig. Kira trug eine Brille, mit länglich ovalem Gläsern und metallic-lila Rahmen.

Als er näher kam stellte er fest, dass auch Kagami eine Brille trug mit kleinen runden Gläsern.

"Leute, was... was soll das?" Natürlich war ihm klar was es sollte, das waren wahre Freunde.

"Tut uns Leid wenn wir dir nichts schenken können, aber das ganze Geld ist für die Brille draufgegangen!" Kuro knuffte seinen Kumpel in die Seite. "Ach Mensch, Kagami! Ihr seit echt die besten Freunde die man sich wünschen kann!" Denn wenn man unter Freunden ist, können die anderen noch so viel lästern.

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"Kagami! Kann ich mal mit dir sprechen? Allein meine ich?" Zwei Jungen standen dicht beieinander, der eine trug eine schwarze Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt mit einer buckelnden Katze drauf. Obwohl er erst vierzehn war, war er ziemlich groß und schlaksig.

"Klar, Kumpel wobei kann dir Kagami denn helfen?" Unwohl schob der Junge seine Brille mit dem Mittelfinger hoch und strich sich seine schwarz-türkisen Haare zurück. "Kann ich dir hier nicht so erzählen, lass uns zu mir gehen."

Sie verließen das Dorf und gingen zu einem Haus außerhalb, es war etwas heruntergekommen aber Kuro fühlte sich hier wohler als irgendwo sonst. Kurz nach seinem dreizehnten Geburtstag war er aus dem Waisenhaus abgehauen und hierher zurückgekehrt. Er setzte sich an den Tisch in der Küche.

"Sag mal... ist es eigentlich... ist es eigentlich ... normal dass..." Anscheinend war Kuro das Thema über das er sprechen wollte sichtlich peinlich und Kagami ging das Gestotter auf die Nerven.

"Spucks aus!" Kuro seufzte und nahm all seinen Mut zusammen. "Ist es eigentlich normal dass ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper habe, sobald ich ein hübsches Mädchen sehe!" Also das war es! Kagami rückte näher an Kuro heran und legte einen väterlichen Blick auf.

"Ah mein Freund, endlich bist auch du in der Pubertät und entdeckst die Freuden deiner Sexualität. Es ist ganz natürlich was mit deinem Körper passiert, du veränderst dich, du wirst zum Mann!" Er hatte einen Arm um Kuro's Schultern gelegt, dieser stand nun etwas verwirrt auf, etwas lag ihm noch auf dem Herzen.

"Also... ist das ganz normal... das mit dem Schwanz?" Kagami lachte und nickte, er lehnte sich mit seinem Stuhl zurück.

"Ja total, aber unter uns Männern im Vertrauen! Sag niemals Schwanz dazu wenn eine Frau in der Nähe ist. Das finden die nicht so gut." Kuro verstand es nicht ganz, aber wenn Kagami es sagte musste es wohl stimmen.

"Und... ist... ist deiner auch so unkontrollierbar und lang?" Kagami zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Jetzt prahl aber mal nicht rum, ja! Klar, wenn ne hübsche Biene in Sichtweite ist, da geht dir wahrscheinlich schon mal einer ab. Aber ich hab ja wohl den längsten! Wie groß soll deiner denn angeblich sein! Bestimmt nicht größer als meiner!" Er packte sich selbstsicher und proletenhaft in den Schritt.

Kuro zuckte mit den Schultern, eigentlich hatte er noch nie daran gedacht mal nachzumessen.

"Mindestens 'n Meter oder so vielleicht auch länger, keine Ahnung." Kagami verschluckte sich fast vor lachen.

"N' Meter? Spinnst du! Vielleicht 'n Dezimeter! Aber doch nie im Leben ein Meter!" Er konnte nicht aufhören zu Lachen. Kuro war beleidigt, vielleicht hatte er nicht nachgemessen, aber schätzen konnte er immer noch.

"Wenn ich's doch sage! Soll ich's dir zeigen!" Es gab einen lauten Knall und Kagami war mit samt dem Tisch an dem er versucht hatte sich noch festzuhalten umgekippt. Langsam kämpfte er sich wieder hoch.

"Kleiner Tipp, Kuro! Man zeigt anderen Leuten nicht seine Geschlechtsteile!" Kuro's Augen weiteten sich in Bestürzung und er musste husten. Das war zuviel für ihn.

"Was? Ich rede doch nicht davon, du perverser Spinner! Ich rede von meinem Schwanz!" Kagami verstand ihn nicht ganz. Offensichtlich war sein Kumpel durch das Erwachen seiner Sexualität stärker verwirrt als Kagami angenommen hatte.

Kuro öffnete seinen Reißverschluss und zog die Hose ein Stück runter. Kagami protestierte lauthals, doch dann drehte Kuro sich um. Kagami sah nur seinen Rücken mit der kreisförmigen Narbe die Kuro schon immer über dem Steiß hatte, zudem hatte er seine schwarzen Boxershorts immer noch oben.

Kuro atmete tief durch und Kagami traute seinen Augen nicht. Dort wo Kuro's Narbe war, brach ein langer schwarzer Schwanz aus seinem Rückgrat, so wie der einer großen Katze, eines Panthers oder so, aber mit dem für Kuro typischen türkisen Schimmer. Kagami klappte der Kiefer runter. Kuro drehte sich zu ihm um und sein Schwanz peitschte einpaar mal durch die Luft, bevor er sich wie ein Gürtel um seine Hüfte legte.

"Ähm... Kuro... DAS ist eindeutig nicht normal!" Kuro ließ die Schultern hängen, er hatte es befürchtet. Dann war das mit der gelben Iris und den scharfen Eckzähnen auch nicht normal.

"Also, du meinst ich sollte niemandem davon erzählen?" Kagami nickte bestimmt. Das sollte er definitiv nicht! "Kannst es höchstens Kira erzählen, die is im Prinzip so was wie' n Kerl!"

Kuro zuckte zusammen, gerade mit Kira wollte er über so etwas nun wirklich nicht reden...

"Hey Kuro... du wirst ja rot! ...Oh ich verstehe..." Er legte einen vielsagenden Blick auf und grinste den Teenager mit dem Katzenschwanz an. "Was?... Was verstehst du?" Kagami grinste noch heftiger.

"Du bist verlie-hiebt!... Hach wie romantisch!" Kuro's Gesicht war rot wie eine Tomate, allerdings war es nicht ganz klar ob vor Verlegenheit oder aus Wut. "Bin ich nicht!" Es klang wenig überzeugend und Kagami in die Augen blicken konnte er auch nicht. "Oh doch, dass bist du!"

Kuro konnte es nicht leiden, von seinem Kumpel aufgezogen zu werden, also schmiss er ihn hochkant raus. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und seufzte. Na schön, vielleicht empfand er für Kira ja mehr als nur Freundschaft, aber das war eigentlich egal.

°Sie ist so hübsch, ihre Augen sind wie ein klarer Bergsee und sie riecht so gut... außerdem hat sie auch eine klasse Figur... Sie könnte doch jeden haben den sie will. Warum sollte sie sich dann ausgerechnet für den dürren Freak mit dem langen, haarigen Katzenschwanz entscheiden?°

Kuro stieß einen gequälten Schrei aus und fühlte sich nicht viel besser als er feststellte, dass er wie Katzenjammer geklungen hatte.

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Kagami musste natürlich, mitteilungsbedürftig wie er war sofort zu Kira ins Waisenhaus rennen und ihr von seiner Entdeckung berichten. Außer Atem kam er dort an und klammerte sich an die Tür um nicht umzufallen.

"KIRA! Du glaubst nicht was ich grade gesehen habe!" Kira bat ihn sich erst mal hinzusetzen und zu verschnaufen. Er war den Weg gerannt, aber er war nicht mal ein halb so guter Läufer wie Kuro oder die Sechzehnjährige.

"Kuro... er ... er hat nen... SCHWANZ!" Die Frauen des Waisenhauses schauten sich mit mahnendem Blick zu ihm um, von Kira erhielt er eine Ohrfeige.

"Kagami du bist so ein perverses Schwein! Natürlich hat er einen Schw... Du weißt schon was ich meine, er ist doch ein Junge. Ich wollt es aber eigentlich gar nicht wissen!" Kagami rieb sich die Wange, die hatte vielleicht einen Schlag drauf...Man o man!

"Ne so mein ich das doch gar nicht! Ich meine er hat nen richtigen Schwanz an seinem Rücken, so wie die Katze die er mal hatte!" Kira's Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, aber sie schien auch etwas verwirrt.

"Du meinst wie Noir, die an dem Abend weggelaufen ist? So richtig lang und mit Haaren?" Kagami nickte, Kira's offensichtliches Interesse beunruhigte ihn allerdings ein wenig. Bevor er nach Hause ging meinte er noch sie solle es nicht überall herum posaunen. Sie stimmte zu dass das eine schlechte Idee sei.

Es war schon lange dunkel, alle schliefen. Nur Kira lag noch hellwach auf ihrem Bett, starrte die Muster an die das Mondlicht an die Decke malte und dachte angestrengt nach.

°Soso... er kann also nicht nur Rennen´´... er hat auch noch einen Katzenschwanz... Ob er weiß was für einen Schlafzimmerblick er manchmal hat? Ich meine das ist echt selten... dieses unwiderstehlich Funkeln kleiner Sterne in seinen Augen, das mich fast ohnmächtig werden lässt wenn er so guckt... Und er riecht so gut... °

Im Mondschein sah niemand wie sie rot wurde. Damals als Arkas gestorben war und Kuro so in ihren Armen lag, da hatte sie zum erstenmal dieses angenehme Gefühl gespürt. Und jetzt war es viel stärker, immer wenn sie ihn sah... ja sogar wenn sie nur an ihn dachte.

°Ob er wohl auch so fühlt?... Bestimmt nicht, er ist ja noch nicht mal in der Pubertät... Außerdem treiben sich im Dorf hier so viele Make-up bepackte, hochgstilte Schlampen rum und er kann nun wirklich jedes Mädchen kriegen, mit den Augen! Warum sollte er sich da ausgerechnet für das Mädchen entscheiden, dass sich lieber prügelt als Shoppen zu gehen?°

Sie jammerte eine wenig, irgendwie klang es ein bisschen wie leises Miauen. Sie drehte sich auf die Seite um zu schlafen und kuschelte sich an etwas langes haariges das ihr über die Wange strich.