The Young Riders
Desert Flower
von
Lena
Prolog - September 1860
Die Flanken der Stute bebten unter seinen Schenkeln. Das erschöpfte Tier schnaubte unwillig, doch der Reiter scherte sich nicht darum. Sein Blick glitt über die Hügelkuppe hinweg, den steilen Abhang hinunter und über die weite Grasebene, die sich dahinter erstreckte. Hoch oben am Himmel zog ein Schwarm schwarzer Krähen kreischend seine Kreise, die ersten Vögel, die sich an diesem Morgen bereits auf die weite, ungeschützte Ebene hinausgewagt hatten. Ihre übrigen Artgenossen steckten noch immer in dem dichten Gehölz der Bäume, die sich an der anderen Seite des Hügelkammes entlang eines schmalen, von zahlreichen Pferdehufen ausgetretenen Pfades zogen. Silbern lag der morgendliche Dunst über dem fast kniehohen Gras. Die gleißende Sommersonne hatte die ehemals leuchtend grünen Halme in den vergangenen Wochen zu dürren braunen Halmen verbrannt und auch die glitzernden Tautropfen, die an diesem Morgen auf den Gräsern ruhte, könnten ihren Verfall nicht mehr aufhalten.
Der Mann auf dem Pferd kratzte sich am Kinn. Rotblonde Bartstoppeln bedeckten seine Wangen und ließen ein knirschendes Kratzen vernehmen, als die schmutzigen Nägel der schwieligen Finger über die sonnenverbrannte Haut darunter strichen. Gedankenverloren glitt seine Hand weiter hinab und berührte kurz das locker gebundene Halstuch. Der grobe, fleckige Stoff war einmal leuchtend rot gewesen, doch die Wüstensonne und der rostrote Staub hatte die ehemals strahlende Farbe zu einem trüben Rosa ausbleichen lassen. Die beharrten Hände strichen über den vor Schmutz starrenden Stoff und zurück an das unrasierte Kinn. Der breite Mund des Reiters verzog sich zu einem zufriedenen Grinsen und gab dabei zwei lückenhafter Reihen von Zähnen frei, die jahrelanger Kautabakgebrauch gelb verfärbt hatte. Der linke Schneidezahn fehlte völlig und als die Zunge des Mannes gegen die Zahnlücke schlug, erklang ein leises Schnalzen.
Das Pferd schnaubte und tat einen Schritt zur Seite. Der Reiter knurrte. Blitzschnell sauste seine geballte Faust herab und traf das Tier zwischen den Ohren. Die braune Stute stieß ein leises Wiehern aus, was ihr noch einen boshaften Tritt mit den sporenbesetzten Stiefeln einbrachte. Das gequälte Tier stieß ein zittriges Schnauben aus. Doch es kannte seinen leicht reizbaren Herrn gut genug, um sich nicht noch einmal von der Stelle zu rühren. Regungslos und mit bebenden Flanken verharrte das Pferd auf der Hügelkuppe.
Noch immer kreisten die Krähen am grauen Himmel. Dennoch war es nicht der Schwarm der kreischenden Vögel, der die Aufmerksamkeit des rothaarigen Reiters gefangen nahm, sondern eine zweite, schattenhafte Bewegung, die gerade in diesem Augenblick am Füße des Hügel das hohe Gras zerteilte. Kein Geräusch drang zum Kamm hinauf. Aber die scharfen Augen des Reiters waren nicht zu täuschen. Ruhig lagen sie auf dem dunklen Schatten, der sich mit hoher Geschwindigkeit durch die verdorrten Halme seinen Weg bahnte. Doch erst als die ersten goldenen Strahlen der Morgensonne ihr weiches Licht über den Hügelkamm hinwegwarfen, bleckte der Reiter zufrieden sein lückenhaftes Gebiss. Seine schwielige Hand tastete nach dem Gewehr, das in seiner Halterung vor ihm im Sattel steckte. Langsam zog er die Waffe hervor. Als der dunkle Schatten am Fuße des Hügels den Rand der grasbewachsenen Ebene erreicht hatte, wog der Mann auf dem Pferd die vertraute Waffe abschätzend in seinen großen Händen. Bislang hatte ihm dieses Gewehr gute Dienste geleistet, und das würde es auch heute wieder tun. Beinahe sanft strichen seine lehmverkrusteten Fingernägel über den kalten, metallenen Lauf der Waffe.
Auf der Ebene verwandelte sich der dunkle Schatten im Licht der ersten Sonnenstrahlen in die Umrisse eines galoppierenden Pferdes. Die dunkle Mähne des grazilen Tieres wehte im kühlen Morgenwind.
Der Mann auf dem Hügel schob in aller Ruhe eine Patrone aus seinem silberbeschlagenen Gürtel in den Lauf seines Gewehres.
Unten auf der Ebene preschte das Pferd durch das hohe, taubedeckte Gras. Der Reiter in seinem Sattel war schlank und nicht besonders groß. Ein breitkrempiger Hut verbarg sein Gesicht. Doch ein Beobachter hätte blind sein müssen, um nicht zu erkennen, dass er hier keineswegs einen ausgewachsenen Mann, sondern bestenfalls einen halbwüchsigen Jungen vor sich hatte.
Der Reiter auf dem Hügelkamm schnalzte durch die Zahnlücke und legte das Gewehr an die Schulter. Seine Zunge glitt langsam über die trockenen Lippen und über den einzigen noch verbliebenen Schneidezahn. Sein schwieliger Zeigefinger berührte den Abzug der Waffe, liebkoste das kühle Metall so zärtlich als wäre es die milchweiße Haut einer Hure.
Als der Schuss die Stille des Morgens zerriss, stoben die Krähen am Himmel kreischend auseinander. Am Füße des Hügels sank der Reiter im Sattel zusammen.
Der Mann auf dem Hügelkamm schob eine zweite Patrone in den Lauf seiner Waffe. Knirschen rieb der Schaft des Gewehres gegen die rotblonden Bartstoppeln auf seiner staubbedeckten Wange, Morgen, noch bevor er sich bei Gussie und ihren Huren sehen ließ, würde er sich wohl rasieren müssen. Erneut legte sich sein schmutziger Finger um den Abzug.
Noch bevor der zweite Schuss verklungen war, stieß das dunkelbraune Pferd am Rande der grasbewachsenen Ebene einen schrillen Schrei aus. Seine Beine versagten plötzlich ihren Dienst. Das Pferd warf verzweifelt den Kopf in die Höhe und stieß einen zweiten gellenden Schrei aus. In rasendem Lauf stürzte es zu Boden, überschlug sich und ließ einen breiten Streifen plattgewälzten Grases hinter sich zurück, bevor es seinen Reiter aus dem Sattel schleuderte. In einer Wolke aufspritzender Tautropfen und umherfliegender Grashalme, blieb das Tier zuletzt regungslos am Boden liegen.
Der Reiter auf dem Hügelkamm ließ sein Gewehr sinken. Wortlos betrachtete er das tote Pferd, das regungslos am Anfang der Ebene im niedergedrückten Gras lag. Seine grauen Augen glitten über den Kadaver hinweg bis hin zu der schmalen, bronzefarbenen Hand, die darunter hervorlugte. Der Reiter grinste zufrieden. Seine Finger strichen sanft über den Lauf seiner Waffe, bevor er das Gewehr mit einer geübten Handbewegung zurück in seine Halterung am Sattel gleiten ließ. Mit einem letzten zufriedenen Blick auf den Pferdekadaver und den darunter begrabenen, glücklosen Reiter, wendete der Reiter seine Stute und trieb sie auf der anderen Seite des Hügels den Abhang hinunter. Seine Zunge schlug schnalzend gegen seine Zahnlücke, während er daran dachte, wie zufrieden der Boss mit ihm sein würde. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er ein lästiges Problem für ihn gelöst, für dessen Bewältigung der Boss immerhin fünf Männer auf einen mehr als viertägigen Gewaltritt geschickt hatte. Doch nun, während die anderen noch schliefen, hatte er den Auftrag ganz allein erfüllt! Ja, der Boss würde sehr zufrieden sein...
Ein fröhliches Liedchen pfeifend trieb der Mann mit dem rotblonden Stoppelbart seine Stute den steilen Abhang hinunter. ( Als der erste Schuss die Morgenstille zerriss, fuhr Kid erschrocken im Sattel zusammen. Er blinzelte überrascht und wandte sich hastig um. Doch noch bevor er Katie zügeln und zum Stehen bringen konnte, peitschte ein zweiter Schuss durch die kühle Morgenluft. Das bedrohliche und unerwartete - und gleichwohl so vertraute - Geräusch weckte Kids Lebensgeister schneller als es Emmas Kaffee daheim auf der Station hätte tun können. Obwohl er in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugetan hatte (der Weg von Fort Laramie nach Sweetwater war lang, aber wenigstens Katie hatte er eine Stunde mitternächtlicher Ruhe zukommen lassen müssen), war Kid mit einem Mal hellwach. Sein Verstand sagte ihm, dass die beiden Schüsse, die er gehört hatte, aus einiger Entfernung abgegeben worden waren und so widerstand er tapfer dem dringenden Bedürfnis, auf der Stelle aus Katies Sattel zu gleiten und sich sichere Deckung zwischen den Felsblöcken zu suchen. Nein, er selbst war nicht in Gefahr, denn auf ihn und sein Pferd hatte man nicht geschossen...
Während Kid Katie zügelte und der gefleckten Stute beruhigend (es fragte sich allerdings für wen) über den Hals strich, rasten seine Gedanken wild durcheinander. Wer nur hatte da eben geschossen? War dort draußen vielleicht irgendwo ein Trupp Jäger? Büffeljäger möglicherweise? Nein, das war kaum möglich, nicht um diese Jahreszeit und schon gar nicht in diesem Gebiet! Denn in diesem Landstrich siedelten die Lakota und kein weißer Jäger, der noch bei Verstand war, hätte es gewagt, gerade hier den Indianern den begehrten Bison streitig zu machen. Die Lakota bestraften jeden ungebetenen Eindringling und die Verletzung ihrer Jagdgründe mitleidslos, und Kid selbst verspürte ein unangenehmes Kribbeln unter der Kopfhaut, wenn er daran dachte, wie weit er sich selbst in das Stammesgebiet vorgewagt hatte. Nein, Jäger konnten das dort draußen wohl kaum sein! Aber die Indianer besaßen nur selten Schusswaffen und so war es ebenso unwahrscheinlich, dass einer von ihnen geschossen haben mochte. War es dann vielleicht doch ein Weißer gewesen? Aber warum sollte er, ein unerwünschter Eindringling im Indianergebiet, das Risiko einer Entdeckung durch die Stammeskrieger eingehen, indem er einen Schuss abgab, der weithin zu hören war? Dafür gab es nur eine einzige Erklärung, dass ahnte Kid augenblicklich. Denn nur ein Mann, der ohnehin bereits um sein Leben fürchtete, wäre bereit gewesen, dieses gefährliche Risiko einer Entdeckung durch die Indianer einzugehen! Vielleicht war der verzweifelte Schütze gar selbst Opfer eines Angriffs der Lakota geworden und verteidigte nun dort draußen sein Leben?
Kid zögert keinen Augenblick lang. Denn vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er sich selbst einer scheinbar solch aussichtslosen Lage befunden (auch wenn er sich der Gefahr, in welcher er damals geschwebt hatte, kaum bewusst gewesen war). Und wenn Buck ihm damals nicht aus der Patsche geholfen hätte... Wieder spürte Kid das unangenehme Kribbeln unter seinem Haarschopf. Nein, wer auch immer gerade dort draußen war und seine Kugeln verschoss, würde seine Hilfe sicher brauchen können!
Entschlossen trieb Kid Katie an und lenkte die gefleckte Stute in jene Richtung, aus welcher die Schüsse zu hören gewesen waren.
((
Desert Flower
von
Lena
Prolog - September 1860
Die Flanken der Stute bebten unter seinen Schenkeln. Das erschöpfte Tier schnaubte unwillig, doch der Reiter scherte sich nicht darum. Sein Blick glitt über die Hügelkuppe hinweg, den steilen Abhang hinunter und über die weite Grasebene, die sich dahinter erstreckte. Hoch oben am Himmel zog ein Schwarm schwarzer Krähen kreischend seine Kreise, die ersten Vögel, die sich an diesem Morgen bereits auf die weite, ungeschützte Ebene hinausgewagt hatten. Ihre übrigen Artgenossen steckten noch immer in dem dichten Gehölz der Bäume, die sich an der anderen Seite des Hügelkammes entlang eines schmalen, von zahlreichen Pferdehufen ausgetretenen Pfades zogen. Silbern lag der morgendliche Dunst über dem fast kniehohen Gras. Die gleißende Sommersonne hatte die ehemals leuchtend grünen Halme in den vergangenen Wochen zu dürren braunen Halmen verbrannt und auch die glitzernden Tautropfen, die an diesem Morgen auf den Gräsern ruhte, könnten ihren Verfall nicht mehr aufhalten.
Der Mann auf dem Pferd kratzte sich am Kinn. Rotblonde Bartstoppeln bedeckten seine Wangen und ließen ein knirschendes Kratzen vernehmen, als die schmutzigen Nägel der schwieligen Finger über die sonnenverbrannte Haut darunter strichen. Gedankenverloren glitt seine Hand weiter hinab und berührte kurz das locker gebundene Halstuch. Der grobe, fleckige Stoff war einmal leuchtend rot gewesen, doch die Wüstensonne und der rostrote Staub hatte die ehemals strahlende Farbe zu einem trüben Rosa ausbleichen lassen. Die beharrten Hände strichen über den vor Schmutz starrenden Stoff und zurück an das unrasierte Kinn. Der breite Mund des Reiters verzog sich zu einem zufriedenen Grinsen und gab dabei zwei lückenhafter Reihen von Zähnen frei, die jahrelanger Kautabakgebrauch gelb verfärbt hatte. Der linke Schneidezahn fehlte völlig und als die Zunge des Mannes gegen die Zahnlücke schlug, erklang ein leises Schnalzen.
Das Pferd schnaubte und tat einen Schritt zur Seite. Der Reiter knurrte. Blitzschnell sauste seine geballte Faust herab und traf das Tier zwischen den Ohren. Die braune Stute stieß ein leises Wiehern aus, was ihr noch einen boshaften Tritt mit den sporenbesetzten Stiefeln einbrachte. Das gequälte Tier stieß ein zittriges Schnauben aus. Doch es kannte seinen leicht reizbaren Herrn gut genug, um sich nicht noch einmal von der Stelle zu rühren. Regungslos und mit bebenden Flanken verharrte das Pferd auf der Hügelkuppe.
Noch immer kreisten die Krähen am grauen Himmel. Dennoch war es nicht der Schwarm der kreischenden Vögel, der die Aufmerksamkeit des rothaarigen Reiters gefangen nahm, sondern eine zweite, schattenhafte Bewegung, die gerade in diesem Augenblick am Füße des Hügel das hohe Gras zerteilte. Kein Geräusch drang zum Kamm hinauf. Aber die scharfen Augen des Reiters waren nicht zu täuschen. Ruhig lagen sie auf dem dunklen Schatten, der sich mit hoher Geschwindigkeit durch die verdorrten Halme seinen Weg bahnte. Doch erst als die ersten goldenen Strahlen der Morgensonne ihr weiches Licht über den Hügelkamm hinwegwarfen, bleckte der Reiter zufrieden sein lückenhaftes Gebiss. Seine schwielige Hand tastete nach dem Gewehr, das in seiner Halterung vor ihm im Sattel steckte. Langsam zog er die Waffe hervor. Als der dunkle Schatten am Fuße des Hügels den Rand der grasbewachsenen Ebene erreicht hatte, wog der Mann auf dem Pferd die vertraute Waffe abschätzend in seinen großen Händen. Bislang hatte ihm dieses Gewehr gute Dienste geleistet, und das würde es auch heute wieder tun. Beinahe sanft strichen seine lehmverkrusteten Fingernägel über den kalten, metallenen Lauf der Waffe.
Auf der Ebene verwandelte sich der dunkle Schatten im Licht der ersten Sonnenstrahlen in die Umrisse eines galoppierenden Pferdes. Die dunkle Mähne des grazilen Tieres wehte im kühlen Morgenwind.
Der Mann auf dem Hügel schob in aller Ruhe eine Patrone aus seinem silberbeschlagenen Gürtel in den Lauf seines Gewehres.
Unten auf der Ebene preschte das Pferd durch das hohe, taubedeckte Gras. Der Reiter in seinem Sattel war schlank und nicht besonders groß. Ein breitkrempiger Hut verbarg sein Gesicht. Doch ein Beobachter hätte blind sein müssen, um nicht zu erkennen, dass er hier keineswegs einen ausgewachsenen Mann, sondern bestenfalls einen halbwüchsigen Jungen vor sich hatte.
Der Reiter auf dem Hügelkamm schnalzte durch die Zahnlücke und legte das Gewehr an die Schulter. Seine Zunge glitt langsam über die trockenen Lippen und über den einzigen noch verbliebenen Schneidezahn. Sein schwieliger Zeigefinger berührte den Abzug der Waffe, liebkoste das kühle Metall so zärtlich als wäre es die milchweiße Haut einer Hure.
Als der Schuss die Stille des Morgens zerriss, stoben die Krähen am Himmel kreischend auseinander. Am Füße des Hügels sank der Reiter im Sattel zusammen.
Der Mann auf dem Hügelkamm schob eine zweite Patrone in den Lauf seiner Waffe. Knirschen rieb der Schaft des Gewehres gegen die rotblonden Bartstoppeln auf seiner staubbedeckten Wange, Morgen, noch bevor er sich bei Gussie und ihren Huren sehen ließ, würde er sich wohl rasieren müssen. Erneut legte sich sein schmutziger Finger um den Abzug.
Noch bevor der zweite Schuss verklungen war, stieß das dunkelbraune Pferd am Rande der grasbewachsenen Ebene einen schrillen Schrei aus. Seine Beine versagten plötzlich ihren Dienst. Das Pferd warf verzweifelt den Kopf in die Höhe und stieß einen zweiten gellenden Schrei aus. In rasendem Lauf stürzte es zu Boden, überschlug sich und ließ einen breiten Streifen plattgewälzten Grases hinter sich zurück, bevor es seinen Reiter aus dem Sattel schleuderte. In einer Wolke aufspritzender Tautropfen und umherfliegender Grashalme, blieb das Tier zuletzt regungslos am Boden liegen.
Der Reiter auf dem Hügelkamm ließ sein Gewehr sinken. Wortlos betrachtete er das tote Pferd, das regungslos am Anfang der Ebene im niedergedrückten Gras lag. Seine grauen Augen glitten über den Kadaver hinweg bis hin zu der schmalen, bronzefarbenen Hand, die darunter hervorlugte. Der Reiter grinste zufrieden. Seine Finger strichen sanft über den Lauf seiner Waffe, bevor er das Gewehr mit einer geübten Handbewegung zurück in seine Halterung am Sattel gleiten ließ. Mit einem letzten zufriedenen Blick auf den Pferdekadaver und den darunter begrabenen, glücklosen Reiter, wendete der Reiter seine Stute und trieb sie auf der anderen Seite des Hügels den Abhang hinunter. Seine Zunge schlug schnalzend gegen seine Zahnlücke, während er daran dachte, wie zufrieden der Boss mit ihm sein würde. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er ein lästiges Problem für ihn gelöst, für dessen Bewältigung der Boss immerhin fünf Männer auf einen mehr als viertägigen Gewaltritt geschickt hatte. Doch nun, während die anderen noch schliefen, hatte er den Auftrag ganz allein erfüllt! Ja, der Boss würde sehr zufrieden sein...
Ein fröhliches Liedchen pfeifend trieb der Mann mit dem rotblonden Stoppelbart seine Stute den steilen Abhang hinunter. ( Als der erste Schuss die Morgenstille zerriss, fuhr Kid erschrocken im Sattel zusammen. Er blinzelte überrascht und wandte sich hastig um. Doch noch bevor er Katie zügeln und zum Stehen bringen konnte, peitschte ein zweiter Schuss durch die kühle Morgenluft. Das bedrohliche und unerwartete - und gleichwohl so vertraute - Geräusch weckte Kids Lebensgeister schneller als es Emmas Kaffee daheim auf der Station hätte tun können. Obwohl er in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugetan hatte (der Weg von Fort Laramie nach Sweetwater war lang, aber wenigstens Katie hatte er eine Stunde mitternächtlicher Ruhe zukommen lassen müssen), war Kid mit einem Mal hellwach. Sein Verstand sagte ihm, dass die beiden Schüsse, die er gehört hatte, aus einiger Entfernung abgegeben worden waren und so widerstand er tapfer dem dringenden Bedürfnis, auf der Stelle aus Katies Sattel zu gleiten und sich sichere Deckung zwischen den Felsblöcken zu suchen. Nein, er selbst war nicht in Gefahr, denn auf ihn und sein Pferd hatte man nicht geschossen...
Während Kid Katie zügelte und der gefleckten Stute beruhigend (es fragte sich allerdings für wen) über den Hals strich, rasten seine Gedanken wild durcheinander. Wer nur hatte da eben geschossen? War dort draußen vielleicht irgendwo ein Trupp Jäger? Büffeljäger möglicherweise? Nein, das war kaum möglich, nicht um diese Jahreszeit und schon gar nicht in diesem Gebiet! Denn in diesem Landstrich siedelten die Lakota und kein weißer Jäger, der noch bei Verstand war, hätte es gewagt, gerade hier den Indianern den begehrten Bison streitig zu machen. Die Lakota bestraften jeden ungebetenen Eindringling und die Verletzung ihrer Jagdgründe mitleidslos, und Kid selbst verspürte ein unangenehmes Kribbeln unter der Kopfhaut, wenn er daran dachte, wie weit er sich selbst in das Stammesgebiet vorgewagt hatte. Nein, Jäger konnten das dort draußen wohl kaum sein! Aber die Indianer besaßen nur selten Schusswaffen und so war es ebenso unwahrscheinlich, dass einer von ihnen geschossen haben mochte. War es dann vielleicht doch ein Weißer gewesen? Aber warum sollte er, ein unerwünschter Eindringling im Indianergebiet, das Risiko einer Entdeckung durch die Stammeskrieger eingehen, indem er einen Schuss abgab, der weithin zu hören war? Dafür gab es nur eine einzige Erklärung, dass ahnte Kid augenblicklich. Denn nur ein Mann, der ohnehin bereits um sein Leben fürchtete, wäre bereit gewesen, dieses gefährliche Risiko einer Entdeckung durch die Indianer einzugehen! Vielleicht war der verzweifelte Schütze gar selbst Opfer eines Angriffs der Lakota geworden und verteidigte nun dort draußen sein Leben?
Kid zögert keinen Augenblick lang. Denn vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er sich selbst einer scheinbar solch aussichtslosen Lage befunden (auch wenn er sich der Gefahr, in welcher er damals geschwebt hatte, kaum bewusst gewesen war). Und wenn Buck ihm damals nicht aus der Patsche geholfen hätte... Wieder spürte Kid das unangenehme Kribbeln unter seinem Haarschopf. Nein, wer auch immer gerade dort draußen war und seine Kugeln verschoss, würde seine Hilfe sicher brauchen können!
Entschlossen trieb Kid Katie an und lenkte die gefleckte Stute in jene Richtung, aus welcher die Schüsse zu hören gewesen waren.
((
