Kapitel 20: Ein Tag wie kein anderer!
Es tut mir wirklich ganz furchtbar leid! Ich hatte wirklich vor an Heiligabend ein weiteres Kapitel hoch zu laden! ABER ... erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Hier bin ich jetzt auf jeden Fall wieder. Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Festtage und das richtige geschenkt bekommen! ;-)
LocaInferna: Pelzkragen der lebenden Sorte? Tja, Elben sind halt sehr tierlieb! Und warum einen Marder aus dem Anzug jagen, wenn man ihn auch entsprechend dressieren kann? Ist doch viel netter, dann sind bockige Galadhrim nicht immer so alleine! ;-) So, ich hoffe dein Studium wendet sich wieder dem erträglichen und deine Mitbewohnerin dem gesprächigen zu. Tja ... dann wollen wir mal schauen, was mir so alles eingefallen ist, um das Kapitel zu retten!
Lady-of-Gondor: Hoffnungslosere Situationen? Mir fällt gerade keine ein! ;-)) Na ja, ich hoffe jedenfalls, dass ich die Probleme zu deiner Zufriedenheit lösen werde.
Serena: Hmm ... Weihnachtsgeschenk ist es ja nicht ganz geworden, ich hoffe das stört dich nicht zu sehr. Tja, irgendwie muss ich die Verwandtschaft ja kenntlich machen, wenn schon nicht durch das Äußere!
Susi: Ähh ... das ist durchaus ein Argument. Wenn ich alle kille, wird's wirklich etwas langweilig! Mal schauen, wie ich das jetzt wieder gerade biegen kann.
dorlimaus: Pallando ist einer von den Maiar, die nach Mittelerde abdekradiert wurden. Zusammen mit Alatar ist er Richtung Osten getigert und wurde nie wieder gesehen. Jedenfalls nach Tolkien. Ich habe die beiden für meine Zwecke wieder aus der Versenkung geholt. Irgendjemand muss ja der Bösewicht sein ... sonst wird es langweilig ... wozu würde man dann auch Helden benötigen.
Aus der Sicht von Heru
„Raug! Raug! Wach auf, verdammt noch mal!" Ich packte ihn am Kragen und schüttelte ihn hin und her so gut ich konnte. Die Ohrfeigen hatten auch keinen Erfolg gebracht.
Frustriert stand ich auf und lief quer durch den Raum. Die Kreaturen, die erst mich und dann auch Raug gefangen hatten, hatten uns in den Turm und dann in diesen Raum geschleift. Den bewusstlosen Elben hatten sie einfach auf den Boden fallen lassen und seit dem versuchte ich ihn wach zu bekommen.
Aber der Beule nach zu urteilen, die sich auf seiner Stirn bildete, konnte das noch etwas dauern.
Ich hatte wirklich alles versucht. Ihn geschlagen, angeschrieen, getreten und geohrfeigt! Aber der zuckte nicht mal.
„So ein Mist", fluchte ich und trat gegen eins der Kissen, die auf dem Boden verstreut herum lagen. „Du blöder Idiot! Wach endlich auf! Und ich dachte du wärst ein Mann! Hältst nicht mal einen Findling aus, der dir gegen den Kopf geknallt wird!"
Am Ende meiner Weisheit ließ ich meine Wut an der Tür aus und rüttelte wie eine Verrückte an der Klinke!
„Ich will hier raus, ihr dreckiges Lumpenpack!"
Als auch hiervon niemand Notiz nahm und Raug immer noch nicht aufgewacht war, betrachtete ich den Elben einmal genauer. Ich hockte mich neben ihn und nahm eine Haarsträhne von ihm in die Hand.
„Fühlt sich fast an, wie das Haar einer Frau ... aber schön", seufzte ich und strich einmal über sein Gesicht. „Es ist echt zum heulen, alle tollen Männer sind entweder verheiratet oder stockschwul ... oder beides! Dein Betthase ist echt zu beneiden ... und ich wüsste trotzdem gerne wie du im Bett bist! Scheinbar nicht schlecht, wenn dein Bettwärmer gleich vier Kinder über sich ergehen lassen hat!"
Ich zog eine Grimasse und blies meine Haare aus dem Gesicht. Mit dem Gejammer würde ich auch nicht weiter kommen. Plötzlich registrierte ich, dass Raug noch immer auf dem Boden lag.
„Nicht sehr bequem für einen Verletzten! Aber auf das Sofa kann ich dich nicht hieven!" Da mir dazu die körperliche Kraft fehlte, nahm ich ein großes weiches Kissen vom Sofa und legte es ihm unter den Kopf. Anschließend riss ich noch die Tagesdecke vom Bett und breitete sie über ihm aus.
„Jetzt wach schon endlich auf", knurrte ich, „sonst komme ich auf dumme Gedanken und geh' dir an die Wäsche!" In der Hoffnung, dass ihn das irgendwie aufwecken würde, lehnte ich mich über ihn und leckte seine Lippen. Nichts!
„Argh! Du machst mich wahnsinnig! Und dabei bist du noch nicht mal wach!" Mit einem Ruck stand ich auf und lief in eine Ecke des Raumes, in der ich einen Spiegel wusste. Ein Blick darin verriet mir, was ich schon lange ahnte. Ich sah furchtbar aus!
Da ich keinen Waschlappen fand, riss ich kurzerhand ein Stück Stoff aus den Bettvorhängen und versuchte mein Gesicht zu säubern.
Ein plötzliches „Klick" ließ mich herumfahren. Jemand öffnete die Tür! Mit Argusaugen beobachtete ich wie die Klinke langsam heruntergedrückt wurde. Unser Besucher schob die Tür einen Spalt auf und drückte sich dann durch diesen hinein.
Ich war kurz davor zu schreien, als ich die orangefarbene Robe erkannte.
Senip!
Der Bordellbesitzer aus Caras Morn schloss die Tür leise und verriegelte sie wieder. Er blickte sich um, ohne mich zu bemerken und rieb sich dann die Hände, als er Raug auf dem Boden erblickte.
Senip hüpfte beinahe durch den Raum und schien nicht einen Gedanken daran zu verschwenden, dass hier eigentlich zwei Gefangene sein müssten. Ich schlich leise durch den Raum und nahm im Vorbeigehen einen Hocker mit.
„Senip! Du dreckige Ratte! Jetzt wird abgerechnet!", knurrte ich unheilbringend und der Mann drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck in diesem Moment war wirklich Geld wert. Pures Erstaunen!
„H-Heru! Wie schön dich zu sehen!"
„Ich wünschte, ich könnte das Gleiche behaupten", keifte ich und holte mit dem Hocker aus. Leider traf ich Senip nicht, da er unter meinem Schlag wegtauchte und flüchtete, der Hocker glitt aus meiner Hand und krachte schwungvoll gegen den Spiegel, der natürlich in winzig kleine Splitter zerbrach. Wütend setzte ich dem flüchtenden Bordellbesitzer nach. Senip rannte um das wertvolle Bett herum, während ich ohne größere Bedenken auf es drauf sprang und so den Weg abkürzte.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht! Mich zu verkaufen, als wäre ich nichts weiter als ein Tier!" Ich schrie jetzt aus Leibeskräften.
„Heru ... du musst verstehen ..." Senip warf einen Tisch zwischen uns, um mich aufzuhalten.
„Ich muss überhaupt nichts verstehen", schrie ich zurück während ich über den Tisch sprang und erwischte ihn endlich am Kragen. Mit einem rasenden Aufschrei warf ich ihn auf den Boden und stellte ein Knie auf seine Brust. Ich packte ihn mit beiden Händen am Kragen und schlug seinen Kopf immer wieder auf den Boden.
„Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen niemals geboren worden zu sein! Du widerliches, wertloses Stück Dreck!" Mittlerweile war ich dazu übergegangen ihn immer wieder zu schlagen.
„Heru. Heru! Er hat genug!" Jemand packte mich an der Schulter und ich blickte erstaunt auf.
„Raug! Du bist ja wach", rief ich erfreut aus und ließ von Senip ab. Ich rappelte mich auf und untersuchte Raug auf mögliche Schäden. Als ich keine fand, widmete ich mich wieder dem bewusstlosen Senip.
„Heru? Was machst du da?"
„Er hat einen Schlüssel für diese verdammte Tür! Und ich nehme mal nicht an, dass du die mit deiner Schulter aufbrechen möchtest."
„Gutes Argument", murmelte Raug und begutachtete seinen lädierten Arm, bevor er zur Tür lief, um zu lauschen.
Ich zog Senips Robe auseinander und erstarrte augenblicklich.
„Ohhhh ... Iigittt!", rief ich aus und brachte Raug dazu zu mir herüber zusehen.
„Was ist, Heru?"
„Diese Sau träg mein Mieder!" Wütend rollte ich Senip auf den Bauch und löste die Schnüre auf dem Rücken, die das Mieder zusammenhielten. Nicht gerade auf seine Bequemlichkeit bedacht, zog ich das Kleidungsstück unter seinem Körper hervor und suchte dann weiter nach dem Schlüssel. Ich fand das gesuchte Objekt schließlich in einer seiner kleinen Innentaschen und hielt ihn triumphierend in die Höhe. Raug war aber offensichtlich mit seinen Gedanken woanders. Er lief nämlich gedankenverloren durch den Raum und steckte hier und da etwas ein, das sich als Waffe eignen könnte.
Seufzend betrachtete ich den bewusstlosen Senip und in meinem Kopf reifte plötzlich ein sehr gemeiner Plan. Aufgeregt wühlte ich zwischen den Sachen, die ich aus seinen Taschen gerissen hatte und fand schließlich was ich suchte – einen dicken schwarzen Stift, den Senip benutzte, um seine Augen zu umranden. Ich schob seine Robe über seine Hüften und seine Hose nach unten, dann nahm ich mir ein Kissen und positionierte es so unter seiner Mitte, dass sein nacktes Hinterteil in die Höhe ragte.
„HERU!" Raugs schockierte Stimme tönte einige Minuten später durch den Raum und ich drehte mich zu ihm um.
„Ja?", fragte ich unschuldig und grinste ihn an.
„Oh Eru", er seufzte resignierend und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Mögen die Valar mich davor bewahren, dich jemals zur Feindin zu haben!"
Ich hatte ein paar dicke, schwarze Kreise auf Senips Hintern gemalt, so dass dieser jetzt aussah wie eine Zielscheibe beim Bogenschießen. Es fehlten nur noch ein paar böse Buben die Zielübungen nötig hatten ... womit ... das blieb ihnen überlassen.
„Los du kleiner Teufel, komm her! Ich will hier raus!"
„Dein Wunsch ist mir Befehl!" Ich grinste immer noch und sprang auf die Beine. An der Tür angekommen, übergab ich Raug den Schlüssel. Er nahm ihn und entriegelte die Tür so leise wie möglich. Bevor er sie öffnete, wartete er noch einen Moment und dann zog er die Tür auch nur einen Spaltbreit auf. Als er sicher war, dass niemand im Gang lauerte, schlüpften wir hinaus.
Wir liefen einige Minuten schweigend nebeneinander bis Raug frustriert seufzte.
„Das ist ein Labyrinth! Heru? Wie bist du hier rausgekommen?"
„Nun, um ehrlich zu sein, bin ich mehrere Tage durch diesen Turm geirrt, bevor ich einen Weg hinaus gefunden habe. Allerdings hat mich wahrscheinlich niemand vermisst. Die beiden Alten haben es hier nicht so mit dem bumsen. Bei denen ist es wahrscheinlich wie mit den Menschen ... es wird im Alter schlechter. Und wie ist das bei den Elben?"
„Wir werden im Alter besser", antwortete er todernst.
„Oh wirklich?", fragte ich mit einem schmutzigen Grinsen und leckte mir die Lippen.
„Ja! Glaub mir, Süße, eine Nacht mit mir und du würdest am nächsten Morgen nur noch kriechen können!"
Ich machte ein leises fauchendes Geräusch.
„Darauf werde ich irgendwann zurückkommen, du Hengst!"
„Also, ich habe ja schon einige Kosenamen einstecken müssen ... aber Hengst gehörte definitiv nicht dazu", murmelte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Dann wird es aber höchste Zeit", grinste ich verschmitzt. „Also, wo geht's jetzt weiter!"
„Nun", seufzte er ergeben, „meine Intuition sagt mir rechts lang. Aber da meine Frau mir immer sagt, dass meine Intuition grausig ist ... lass ich dich entscheiden!"
„In der Hinsicht seid ihr Männer wirklich alle gleich", murmelte ich mit den Augen rollend. „Schwierige Entscheidungen überlasst ihr den Frauen! Mhhm ... ich gebe deiner Intuition mal eine Chance. Rechts!"
„Sag aber hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!"
Zehn Minuten später wusste ich, dass Raugs Frau Recht hatte! Seine Intuition war wirklich keinen Pfifferling wert. Wir waren direkt in einen Trupp Orks gelaufen.
Aber immerhin kam ich jetzt in den einzigartigen Genuss zu sehen, wie ein flügellahmer Elb mit einem Schürhaken als Waffe, sich mehrerer Orks entledigte. Der letzte von ihnen war noch nicht mal tot auf dem Boden aufgekommen, als er meinen Arm schnappte und mich vorwärts zog.
„Nichts wie weg hier!", schnaufte er.
„Und wohin, du Genie?", fragte ich spöttisch.
„Egal, Hauptsache weg von hier!"
Das war in der Tat eine äußerst präzise Ortsangabe.
Aus der Sicht von Pallando
Ich stand in meinem Gemach als Nonac eintrat und mir äußerst schlechte Neuigkeiten überbrachte.
„Was heißt das, sie sind weg?", schrie ich aufgebracht. „Ich brauche sein Blut! Also beschafft sie mir wieder! Und zwar so schnell wie möglich!"
„Ja, Meister!" Nonac verbeugte sich so tief, dass seine hässliche Nase beinahe den Boden berührte.
„Wenn ihr sie gefunden habt, bringt sie ins Labor! Ich kann das Experiment nicht weiter hinauszögern. Er braucht dringend einen Körper!"
Der Ork bewegte sich rückwärts durch die Tür und überließ mich wieder meinen Gedanken.
Das „Baby" war durch diesen vermaledeiten Blitz wirklich schwer verletzt worden und auch der misslungene Versuch mit diesem nervigen Elben hatte stark an seinen Kräften gezehrt. Ich musste ihm jetzt so schnell wie möglich einen Körper beschaffen, sonst wäre die jahrelange Arbeit umsonst gewesen. Und für diesen Versuch brauchte ich das Blut von Gandalf und diesem verdammten Elben. Ein wenig von meinem Blut war natürlich auch dabei.
Ich zog meine Robe über und lief langsam die vielen Treppen zu meinem Labor nach oben. Einige Zeit vorher hatte ich schon „Baby" hierher bringen lassen. Jetzt befand er sich in der Mitte des runden Raumes, der von vielen Schalen mit Feuer erhellt wurde. An den Wänden standen mehrere Fässer, die bisweilen auch schon mal als Ablage genutzt wurden. Im Boden befanden sich in mehrere kleine Löcher, die ein unwillkürliches Muster darstellten und in den darunter liegenden Raum führten. Früher waren diese Löcher die Aufhängungen für Lampen, die im unteren Raum hingen. Aber da dieser Raum nur noch als Abstellkammkammer genutzt wurde, hatten wir die Lampen abhängen lassen.
Eine ruckartige Bewegung und ein mitleiderweckendes Winseln ließen mich zur Seite sehen. Dort in der Mitte des Kreises hatte sich der Dämon zusammengerollt und blinzelte mich aus großen gelben Augen an.
„Bald, mein Kleiner, bald", versuchte ich den aufgeregten Dämon zu beruhigen.
Aus der Sicht von Barad
Heru und diesen verdammten Elben aufzustöbern war gar nicht so einfach gewesen, aber wir hatten es geschafft und jetzt standen wir den beiden gegenüber. Oder eher gesagt, wir standen Gwanu gegenüber, da Heru sich hinter ihm befand.
Wir hatten schon mehrmals versucht uns ihnen zu nähern. Aber es war wirklich erstaunlich, wie dieses Spitzohr, trotz eines verletzten Armes noch immer kämpfen konnte. Es stellte sich bloß die Frage wie lange.
„Gwanu ... warum machst du es uns nicht allen einfach und gibst auf?", fragte ich lächelnd.
„Warum machst du es mir nicht einfach und krepierst?", war die wenig herzliche Antwort begleitet von einem sardonischen Grinsen.
„Also ... ich hätte niemals gedacht, dass ihr Elben so eine Umgangssprache habt! Ich bin schockiert ... und dann auch noch die Gesellschaft in der du dich rumtreibst!" Ich schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge.
„Und ich hätte niemals gedacht, dass du dich von einem durchgeknalltem Istari als Kanonenfutter verheizen lässt!"
„Du kennst mich doch! Hauptsache die Bezahlung passt. Stimmt's nicht Heru?"
„Scher dich zum Teufel!"
„Na, na! Spricht man so mit seiner besten Einkommensquelle?"
„Barad, wenn dein Schwanz so groß wäre wie deine Klappe, dann würde ich mich überhaupt nicht beschweren", fauchte sie und ich hörte verhaltenes Gelächter. Ich knirschte mit den Zähnen. Wenn ich je rausfinden würde, wer da gelacht hatte, der konnte sich schon jetzt von seinen Eiern verabschieden.
„Genug mit dem Gesabbel! Schnappt sie euch endlich", schrie ich erbost und ging mit meinem Schwert auf den Dreckskerl los. Aber der wich mir geschickt aus und parierte meinen Schlag.
„Was schätzt du", ich grinste ihn an, als sich unsere Waffen wiederholt trafen, „wie lange hältst du noch durch?"
„Länger als du", kam auch prompt die Antwort.
„Darauf würde ich nicht wetten", lachte ich und blickte kurz über seine Schulter. Dort schlichen einige Männer auf Heru zu, die hinter meinem Gegner in Deckung ging.
Ich beschäftigte nur noch Gwanu so weit, dass er die Gefahr von hinten nicht bemerken würde. Ein panisches Aufkreischen zeigte mir auch kurz darauf, dass der Plan aufging. Drei Kopfgeldjäger hielten Heru fest, die aber um sich schlug, kratzte, biss und schrie.
„Lasst mich los, ihr Mistkerle! Abschaum!", keifte sie und trat einem meiner Männer in den Unterleib. Während dieser stöhnend in die Knie ging, griff ein anderer nach seinem Messer und hielt es der kleinen Wildkatze an die Kehle. Schlagartig war es still.
„So", ich strich spielerisch mit dem Daumen über meine Schwertspitze, „Gwanu, wenn du nicht willst, dass die kleine Schlampe in handliche Streifen geschnitten wird, dann lässt du jetzt deine Waffe fallen und kommst ohne zu zicken mit uns!"
Ich konnte förmlich sehen wie er seine Chancen abwägte, doch noch heil hier herauszukommen. Für mich wäre die Situation klar gewesen, wie auch für jeden anderen Kopfgeldjäger. Ich hätte das Miststück ihrem Schicksal überlassen.
Einen Moment dachte ich, Gwanu würde das auch tun, aber dann fiel seine Waffe mit einem lauten Scheppern auf den Boden. Ungläubig blickte ich auf den Schürhaken. Wie konnte ein Mann nur so blöd sein?
„Ich glaub's nicht! Du lässt dich wirklich gefangen nehmen, nur weil wir damit drohen einer kleinen Schlampe das Licht auszublasen?"
„Nun Barad", kam die arrogante Antwort, „ich bin stolz darauf, dass die Entwicklungsstufe auf der ich mich befinde um einiges höher ist als die deinige."
„Diese geschwollene Rederei hilft dir jetzt auch nicht weiter! Packt ihn!" Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht viel von dem verstanden was er gesagt hatte.
Er ließ sich anstandslos die Hände auf den Rücken fesseln und dann von meinen Männern die Treppen hoch stoßen. Zwischendurch steckte er ein paar Schläge auf seine verletzte Schulter ein, die er kommentarlos über sich ergehen ließ. Diese Elben waren wirklich erstaunliche Geschöpfe – zäh wie altes Rindsleder.
„Pallando wird sich wirklich freuen, dich zu sehen", erzählte ich dem uninteressierten Elben. „Er braucht dich für irgendein Experiment! Wahrscheinlich lässt er dich ausbluten wie ein Schwein!"
„Ich bin am Boden zerstört", war der eisige Kommentar, den ich ihm entlockte. Der Elb schien von meinen Drohungen nicht wirklich beeindruckt zu sein. Und das war etwas, was mich rasend machte. Wütend versetzte ich ihm einen Schlag auf den Kopf, der ihn für einen Moment taumeln ließ.
Aus der Sicht von Heru
Wir wurden von Barads Männern mehrere Stockwerke nach oben gezerrt, bis wir in einem kreisrunden, spärlich erhellten Saal ankamen, in dessen Mitte ein riesiger Wurm lag und unmittelbar neben diesem Riesenvieh stand einer von den beiden alten Kerlen.
Unwillkürlich liefen eisige Schauer meinen Rücken runter. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Und Raug stand umringt von Barads Männern und sah sich um, als würde ihn das alles nichts angehen.
„Ah ... Fürst Raug! Wie schön, dass ihr doch noch teilnehmen konntet", begann der alte Mann mit einem wölfischen Grinsen, „immerhin seid ihr eine der Hauptpersonen."
Der alte Mann seufzte einmal und strich gedankenverloren über den seltsamen, durchsichtigen Körper des Wurms.
„Kettet ihn dort drüben an die Wand", er deutete mit einer sparsamen Geste an die besagte Stelle und sah dann zufrieden dabei zu, wie einer von den Männern Raugs Arme grob nach oben zog und ihm jetzt doch eine Reaktion entlockte. Raug verzog eine Grimasse.
„Was machen wir mit ihr?" Barad schubste mich ein Stück nach vorne, so dass ich beinahe gestolpert wäre. „Sollen wir sie auch festbinden?"
„Das wird nicht nötig sein! Beachtet sie gar nicht weiter. Sie wird keinen Ärger machen ... sie ist ... nur eine Frau!"
„Du hast es gehört Frau!" Barad griff mit einem schmutzigen Grinsen nach meinem Oberarm und schleuderte mich von sich. „Sei friedlich, dann nehmen wir dich vielleicht wieder mit nach Caras Morn!"
Ich schenkte Barad nur einen verachtenden Blick und spuckte ihm vor die Füße bevor ich mich wütend zu der Wand zurückzog an der Raug ... mehr oder weniger hing!
„Hängst du bequem?", fragte ich leise und ließ mich an der Wand hinabgleiten. Dort saß ich nun und harrte der Dinge, die kommen würden. Ich hatte meine Knie so dicht wie möglich an meinen Körper gezogen.
„Sagen wir es mal so, ich habe schon bequemer die Zeit totgeschlagen", war die trockene Antwort.
Danach herrschte Schweigen zwischen uns und wir beobachteten wie der Istari irgendetwas vorbereitete.
„Was hat der vor?", fragte ich Raug nach einer Weile neugierig.
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich schätze er will seinem kleinen Liebling einen Körper geben", Raug runzelte die Stirn, „wenn der Schuss man nicht nach hinten losgeht."
Der seltsame Unterton in Raugs Stimme sagte selbst mir, dass ich überhaupt nicht wissen wollte, was dann geschehen würde.
Als ich mein Hauptaugenmerk wieder auf den alten Mann richtete, drückte der gerade Barad etwas in die Hand und zeigte auf Raug. Mit einem hämischen Grinsen im Gesicht kam der Kopfgeldjäger aus Caras Morn auf uns zu.
Dicht vor Raug blieb er stehen und hielt eine kleine Schale in die Höhe.
„Maul auf und trink das", befahl Barad.
„Ich wüsste nicht warum!", kam die eisige Erwiderung aus Raugs Mund.
„Weil wir sonst dem kleinen Biest hier ganz langsam die Kehle durchschneiden werden! Also zick' nicht so rum und mach die Klappe auf."
Widerwillig öffnete Raug den Mund und schluckte die Flüssigkeit in der Schale. An seinem Gesicht und dem folgendem Husten, konnte ich erkennen, dass der Inhalt wohl nicht so berauschend schmeckte.
Kaum hatte sich Raugs Hustenreiz ein wenig gelegt, kam der Istari auf uns zu – ebenfalls mit einer Schale in der Hand. Als er direkt vor uns stand, konnte ich erkennen, dass die Schale leer war, dafür zog er aber plötzlich einen reich verzierten Dolch aus seinem Ärmel.
„Ihr müsst verzeihen, Fürst Raug ... aber ich befürchte, ich muss euch ein wenig zur Ader lassen." Mit diesen Worten zog er den Dolch blitzschnell über die Innenseiten von Raugs Handgelenken. Das Blut spritzte aus seinem Körper wie Wasser aus einer Bergquelle. Davon nicht im Mindesten beeindruckt, ließ der alte Mann die Schale, die er bei sich trug mit dem Blut voll laufen, bevor er wieder in die Mitte des Raumes zurück schritt.
In aller Eile hatte ich etwas Stoff aus meinem Rock gerissen und stellte mich jetzt auf die Zehenspitzen, um die verletzten Handgelenke zu erreichen. Mühsam wickelte ich den Stoff, um die Wunde, aber innerhalb von nur wenigen Sekunden, war der provisorische Verband vollkommen durchweicht.
„Raug, verflixt, bist du Bluter?", fragte ich schockiert als die Wunden einfach nicht aufhören wollten zu bluten, obwohl ich jetzt schon mit all meiner Kraft draufdrückte.
„Nein ... aber ich schätze, ich habe da gerade Blutverdünner zu trinken bekommen", lächelte er schwach.
„Danke, jetzt weiß ich jedenfalls warum du verrecken wirst", fauchte ich, „überleg dir lieber, wie du aufhörst zu bluten! Das Zeug ist nämlich nicht unbegrenzt in deinem Körper vorhanden."
„Fackel ..."
„Ehh?"
Raug zeigte mit dem Kopf zur rechten Seite, wo eine kleine Fackel in der Wand hing und ihre Umgebung nur spärlich erleuchtete.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragte ich schockiert, als ich erkannte worauf er hinauswollte.
„Hast du eine bessere Idee?", fragte er matt.
„Leider nicht! Aber denk' später dran, dass es deine Idee war!"
Ein kurzer Blick in die Mitte des Raumes zeigte mir, dass niemand auf uns achtete. Der Istari murmelte irgendwelche komischen Wörter vor sich her, die ich nicht verstand und ließ dabei abwechselnd etwas Blut aus drei verschiedenen Schalen in eine Rinne tropfen, die sich in verschlungenen Kreisen durch den gesamten Boden des Raumes zogen.
Vorsichtig nahm ich die Fackel aus ihrer Halterung und ging damit zu Raug zurück. Der Elb war ohnehin noch nie ein Musterbeispiel an Bräune gewesen, auch wenn er dunkelhäutiger als die anderen Elben war, aber jetzt war er genau so weiß wie Gips.
„Na dann, bist du bereit?", fragte ich unsicher.
„Bereit zu verbluten oder von dir gebranntmarkt zu werden?", fragte er mit einem Anflug seines üblichen Humors.
„Beides!"
Mit einer Hand löste ich die provisorischen Verbände und hielt dann mit geschlossen Augen die Fackel an seine Handgelenke. Es zischte ganz scheußlich und mir stieg der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. Raug sog zischend die Luft ein, danach biss er die Zähne zusammen und gab keinen Ton mehr von sich.
Nach einigen, mir endlos erscheinenden, Augenblicken nahm ich die Fackel von seinem Fleisch. Die Wunde blutete zwar noch immer schwach, aber zudem war das Fleisch an seinen Händen jetzt verkohlt oder glänzte in einem stechenden Rot und warf stellenweise Blasen.
„W-wie geht's dir?", fragte ich vorsichtig nachdem sich seine Atmung wieder einigermaßen beruhigt hatte.
„Soll ich ehrlich oder höflich sein?", zischte er und blickte mich aus funkelnden Augen an.
„Okay, dir geht's gut", stellte ich erleichtert fest.
Ein plötzliches lautes Kreischen, ließ mich herumfahren und ich blickte in die Mitte des Raumes, der jetzt in gleißendes, rotes Licht getaucht war. Dort stand der Istari und sagte mit beschwörerischer Stimme irgendwelche Zauberformeln auf. Der riesige Wurm begann zu zucken, richtete sich auf und sank kurz darauf wieder auf den Boden zurück, während die Stimme des alten Mannes immer eindringlicher wurde.
Das rote Licht strahlte aus den vielen kleinen Rinnen, die sich über den Boden zogen. Mal leuchtete es so kräftig, dass man kaum hinsehen konnte, dann wiederum schien es vollkommen zu ersterben. Und dann richtete sich der riesige Wurm plötzlich mit einem ohrenbetäubenden Schrei auf, während der alte Mann begeistert einige Schritte zurückging.
Das gewaltige Tier peitschte mit dem Schwanz und warf eine Schale mit brennendem Öl um. Und noch etwas fiel mir auf, anfangs konnte ich gerade durch das Biest hindurchsehen, wie durch leichten Nebel, aber das wurde von Sekunde zu Sekunde schlechter. Schlussendlich hatte der Wurm eine schmutzige graue Farbe angenommen, die hin und wieder von feinen lilafarbenen Adern durchzogen wurden und in dem riesigen Schädel funkelten boshafte gelbe Augen.
„Das ist schlecht ... verdammt schlecht", murmelte Raug neben mir, während er ebenfalls gebannt jede Bewegung des monströsen Ungeheuers verfolgte.
„Ja! Jaaa! Es hat funktioniert", rief der Istari mit heiserer Stimme und Tränen in den Augen. Begeistert und offensichtlich tief bewegt ging er wieder einen Schritt auf das Ungeheuer zu, um es zu berühren. Ruckartig richtete sich der massige Schädel auf die im Vergleich winzige Gestalt des alten Mannes und verharrte für einige Augenblicke in dieser Stellung. Dann ganz plötzlich und kaum zu verfolgen, öffnete das riesige Tier sein Maul und ließ seinen Schädel auf den Istari zuschnellen.
„Oh gütige Valar", keuchte ich und blickte weg, als das riesige Tier den Istari einmal gut durchkaute und dann runterschluckte.
Als ich wieder wagte in die Mitte des Raumes zu sehen, wütete das Ungeheuer weiter und machte diesmal Jagd auf die verbliebenen Kopfgeldjäger, die so schnell sie konnten das Weite suchten. In seiner blinden Raserei schmiss das Ungeheuer sämtliche Schalen mit dem brennenden Öl um und setzte damit den ganzen Boden in Flammen.
„Wir müssen hier raus", kiekste ich und zerrte an den Ketten, die Raug an der Wand hielten.
„Heru ... wenn ich die Dinger nicht aus der Wand kriege ... glaubst du dann ernsthaft, dass du mehr Erfolg haben wirst?", fragte er schwach.
„Ich kann es doch wenigstens versuchen, oder nicht?", fauchte ich zurück. „Es wird so langsam verdammt heiß!"
„Liegt am Feuer", war der trockene Kommentar. Ich rollte mit den Augen. Wenn alle Elben so einen seltsamen Humor hatten, dann wollte ich gar keine mehr kennen lernen.
„Heru ... weißt du eigentlich was in den Fässern ist, auf die das Feuer zukriecht?"
Ich blickte mich um und sah die riesigen Fässer zweifelnd an.
„Nein, ich habe keine Ahnung! Soll ich nachsehen?"
„Ich bitte darum ... aber mach keine ruckartigen Bewegungen oder lauten Geräusche."
Langsam und vorsichtig lief ich um das Feuer herum und begutachtete die Fässer kritisch. Zum Glück saß schon bei dem ersten Fass der Deckel sehr locker, denn sonst hätte ich ihn wohl nicht aufbekommen. Vorsichtig entfernte ich die Holzplatte und blickte in das Fass hinein. Es war bis knapp unter den Rand mit einem seltsamen schwarzen Pulver gefüllt, das ich nicht kannte. Ich steckte meine Hand in das seltsame Zeug und roch daran. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ein bisschen von dem Pulver in der geschlossenen Hand haltend, wollte ich zurück zu Raug laufen. Doch als ich mich umdrehte, gefror mir das Blut in den Adern.
Der Wurm blickte jetzt genau in die Richtung des gefesselten Elben und schoss mit atemberaubender Geschwindigkeit vorwärts. Dass er dabei einige Säulen einriss und Teile der oberen Stockwerke auf es drauffielen, störte den Wurm überhaupt nicht. Mit hektischen Bewegungen seines Kopfes suchte er nur wenige Meter entfernt von Raug etwas. Der Elb hatte sich unterdessen so dicht wie möglich an die Wand gedrückt und schien nicht einmal mehr zu atmen. Als der Wurm immer näher kam und beinahe hysterisch schnupperte, drehte Raug seinen Kopf weg und schloss die Augen.
Panisch blickte ich mich um und fand schließlich einen Stein in meiner Nähe. Ich hob ihn mit einer Hand auf und warf in mit aller Kraft auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. Der Stein fiel mit einem lauten Knall auf den Boden und der Kopf des Wurms schoss nach oben. Er schien angespannt zu lauschen. Hastig nahm ich einen weiteren Stein und schleuderte ihn in die gleiche Richtung. Als dieser Stein jetzt auf dem Boden aufschlug, rauschte der Wurm herum und stürzte sich mit einem ohrenbetäubenden Kreischen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
In dieser Zeit rannte ich zu Raug zurück.
„Er sieht schlecht", murmelte Raug zu mir.
„Nein wirklich? Das ist natürlich großes Glück für uns! Hier", ich hielt ihm meine Hand mit dem schwarzen Pulver entgegen, „das ist in den Fässern! Was ist das?"
Raugs Augen wurden größer und er blickte panisch zu den Fässern, denen das Feuer immer näher kam.
„Das ist Schwarzpulver! Heru, du musst hier raus!"
„Was ist Schwarzpulver?"
„Es explodiert, wenn es mit Feuer in Berührung kommt! Und jetzt quatsch hier nicht weiter rum, sondern verschwinde!"
„Aber ... aber ... ich kann dich doch nicht einfach hier lassen", schluckte ich.
„Doch kannst du! Und jetzt hau ab!"
„Aber ...", ich sprach den Satz nicht zu Ende, da ich in diesem Moment eine große Axt in meiner unmittelbaren Nähe sah. Raug folgte meinem Blick und schüttelte den Kopf.
„Heru, denk gar nicht erst dran! Das Ding kriegst du in 100 Jahren nicht hoch! Und selbst wenn doch, ist mein Kopf wahrscheinlich gespalten, wenn du die Ketten damit durchschlagen möchtest. Du bist nicht groß genug!"
„Ich kann es doch wenigstens probieren", beharrte ich und versuchte die riesige Axt hoch zu heben. Leider musste ich feststellen, dass Raug Recht hatte. Die Axt war zu groß, zu schwer und ich zu allem Überfluss auch noch zu kurz.
„Los, verschwinde schon, solange das Ding noch abgelenkt ist!"
Ich nickte geknickt und lief langsam Richtung Ausgang.
Irgendwo im Turm
In dem dunklen Gang herrschte vollkommene Stille. Nur hin und wieder konnte ein geschultes Ohr das Scharren von irgendwelchem Ungeziefer vernehmen, das eiligst über die rauen Steinwände krabbelte.
Aber am Ende des Ganges war etwas, das eigentlich überhaupt nicht ins Bild passte. Dort war Licht! Licht und ein großer Haufen Geröll.
Lange Zeit geschah gar nichts, bis plötzlich einige kleine Steine von der Spitze des Geröllhaufens nach unten kullerten. Kurz darauf bewegte sich ein etwas größerer Steinklumpen an der Seite des Haufens. Der Stein fing immer heftiger an zu zittern, bis er plötzlich vollends nach unten fiel. An der Stelle, wo der Stein vorher gelegen hatte, erschien jetzt eine blutige, von grauem Staub bedeckte Hand und schob noch mehrere Steine beiseite, bis ein ehemals dunkelhaariger Kopf erschien, der jetzt aber durch den Staub eher gräulich wie der eines Greises wirkte. Allerdings war der Besitzer dieser Haare auch nicht mehr jung zu nennen.
Mit einem ärgerlichen Stöhnen schob Erestor sich schließlich vollkommen aus seinem Gefängnis heraus. Gesicht und Kleidung ebenso blutig und eingestaubt, wie seine Hand und seine Haare. Einen Moment blieb er am Rand des Steinhaufens sitzen, wischte sich mit einer Hand über das zerkratzte Gesicht und blinzelte sich den Staub aus den Augen. Dann schnaufte er unwillig und erhob sich. Vorsichtig schob er noch mehr von den Steinen aus dem Weg, bis er einen seiner Gefährten erblickte. Mit der Hilfe Erestors konnte auch Legolas sich aus dem Trümmerhaufen befreien. Zusammen machten sie sich daran auch ihren dritten Gefährten aus den Überresten der Decke zu befreien.
Erestors Gesichtszüge spiegelten unverhohlene Wut wieder, während auf Legolas' Gesicht überhaupt nichts zu sehen war. Erst als sie Garaf gefunden hatten und feststellten, dass ihm nichts Ernstes fehlte, atmete er erleichtert auf.
„Oh Eru", seufzte Garaf nachdem er sich von dem Schrecken erholt hatte, „das war jetzt wirklich keine Erfahrung, die ich zweimal machen möchte!" Legolas stimmte ihm in Gedanken zu. Fast eine Stunde unter den Trümmern des Turms gefangen zu sein, war nichts gewesen, was ihn mit übermäßig fröhlichen Gedanken erfüllt hatte.
Erestor war an den Rand des Ganges getreten und blickte durch das riesige Loch in die Tiefe. Auf Grund der gewaltigen Höhe und des Nebels konnte er nichts erkennen. Nicht ein kleiner Hinweis darauf ob Elrond noch lebte.
„Wenn ich diesen verdammten Istari in die Finger kriege, wird er sich wünschen in Valinor geblieben zu sein!", knurrte der Elb voller Hass.
„Lord Erestor? Euer Arm ..."
„Was ist damit?", fauchte der dunkelhaarige Noldo wütend zurück.
„Er ist gebrochen!"
„Ja und?"
„Nichts! Gar nichts", erwiderte Garaf mit erhobenen Händen.
„Was habt ihr jetzt vor?", wagte Legolas vorsichtig zu fragen, als Erestor einfach so den Gang hinunterlief.
„Na was wohl? Diesen Istari finden und ihn dermaßen verprügeln, dass er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist!"
Legolas und Garaf sprangen auf und folgten Erestor eiligst.
„Macht er das wirklich?", flüsterte Garaf.
„Keine Ahnung! So gut kenne ich ihn nicht! Andererseits scheint er wirklich wütend zu sein", antwortete Legolas, „und Lord Elrond war sein bester Freund!"
Die beiden blonden Elben hatten Lord Erestor noch nicht ganz eingeholt als ein langanhaltender Schrei zu hören war.
„Jetzt wissen wir jedenfalls wo wir hinmüssen", murmelte Garaf, „nach oben!"
Diese Theorie erhärtete sich weiter, als den Elben einige Kopfgeldjäger entgegen gerannt kamen. Die Männer schienen die Elben nicht einmal zu bemerken, so eilig hatten sie es. Je weiter die drei den Turm nach oben stiegen, desto stärker wurden das gelegentliche Beben und das Brummen. Und vor allen Dingen wurde es immer wärmer.
Sie wollten gerade die nächste Biegung nach oben steigen, als Garaf an den Wänden flackernde Schatten auffielen.
„Ich fürchte ... es brennt!", stellte er fest.
„Ich fürchte ... ihr habt Recht", kam ein trockener Kommentar von Erestor, bevor er um die Kurve lief und aus dem Sichtfeld der beiden blonden Elben verschwand.
Legolas schüttelte ergeben den Kopf.
„Vater hat Recht! Die spinnen, die Noldor!"
„Heilige Valar", hörten sie kurz darauf den gezischten Ausruf von Erestor. Ohne sich anzusehen, rannten beide dem älteren Elben hinterher. Nur um genau so plötzlich wie erstarrt stehen zu bleiben.
Sie waren in einem Raum! In einem brennenden Raum! Und in diesem brennenden Raum wütete ein mächtiger Wurm, dem die züngelnden Flammen überhaupt nichts auszumachen schienen.
„Korrigiert mich, wenn ich mich irren sollte, Lord Erestor! Aber dieses Ding könnte durchaus ein Problem darstellen!"
Garaf erfuhr die Antwort von Lord Erestor nicht mehr, da in diesem Moment der Sohn Thranduils eine unglaubliche Entdeckung auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes machte.
„RAUG!"
„Bitte schreit doch noch lauter, damit uns auch ja jeder hört, Prinz Legolas", knurrte Lord Erestor und schlich leise an dem Wurm vorbei zu dem alten Eredhrim. Der riesige Dämon war im Moment glücklicherweise damit beschäftigt, einige von den Labortischen auseinander zu nehmen und bemerkte somit die Neuankömmlinge nicht.
Der schwarzhaarige Elb, der an die Wand gekettet war, blickte seinen unerwarteten Besuch auch reichlich ungläubig an. Ob das jetzt daran lag, dass er nicht mit ihnen gerechnet hatte, oder dass die drei Elben immer noch aussahen, als wären sie durch Kreide gerollt worden, war nicht so recht ersichtlich. Das Erstaunen hatte jedoch ein Ende, als Raug von starken Hustenkrämpfen geschüttelt wurde, die durch den dichten Rauch verursacht wurden.
„Raug ... hängst du wieder mal nur so rum?", fragte Lord Erestor mit hochgezogener Augenbraue und inspizierte die geschändeten Handgelenke genauer.
„Spar dir deine Spitzfindigkeiten", zischte Raug, „hier fliegt gleich alles in die Luft! In den Fässern ist Schwarzpulver!" Er zeigte mit dem Kopf zu den Fässern, denen die Flammen jetzt schon gefährlich nah gekommen waren.
„Das ist wahrlich ein Ansporn dich hier möglichst schnell rauszubekommen", erwiderte Lord Erestor und sah sich nach einem geeigneten Werkzeug um.
„Heru ist hier noch irgendwo ... sie ist da hinten hin gelaufen! Sie muss mit", hustete Raug.
„Wir suchen sie", boten sich Garaf und Legolas an, bevor sie genau so leise verschwanden wie sie aufgetaucht waren.
Erestor hob in der Zeit mit seiner linken Hand die schwere Axt auf und wog sie nachdenklich, bevor er sie über seinen Kopf hob.
„Äh ... Erestor? Was wird das?", fragte Raug misstrauisch.
„Ist das nicht offensichtlich? Ich versuche deine Ketten durchzuschlagen!"
„Aber Erestor ... du bist Rechtshänder! Und diese Axt ist auch noch für den beidhändigen Gebrauch gemacht! Wieso hebst du sie also mit links auf?"
„Weil mein rechter Arm gebrochen ist", erzählte Erestor nebenbei und holte weit aus.
„Dein rechter Arm ist gebrochen, natürlich ... WAS???" Mit Grauen blickte der Eredhrim auf die näherkommende Axt, die zwar knapp über seinem Kopf einschlug, aber weit entfernt von den Ketten.
„Ich glaube, ich muss ein bisschen besser zielen ...", murmelte Erestor gleichgültig und taxierte geistesabwesend die Ketten, während er die Axt wieder aus der Wand zog und erneut ausholte.
„ERESTOR! Bist du wahnsinnig? Du hättest mich beinahe umgebracht!"
„Halt den Rand! Ich muss mich konzentrieren!" Mit diesen Worten schlug er ein weiteres Mal zu – und traf tatsächlich die Ketten. Trotzdem bedurfte es noch drei weiterer Versuche, bevor die Eisen geöffnet waren und Raug atemlos auf den Boden rutschte.
„Oh Eru! Und alle Valar, die mir bekannt sind ... was habe ich euch getan?", keuchte Raug und vergrub sein Gesicht in einer Hand
„Ich bin zwar kein Valar ... aber ich kann mir vorstellen, dass du sie in einem früheren Leben sehr genervt hast!"
„Nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt!"
Einen Moment vernahm man nur das Knistern der Flammen und das Brüllen des riesigen Dämons.
„RAUG! Du bist ja frei!", schrie plötzlich eine weibliche Stimme und ehe Raug sich versah hatte er eine rothaarige Frau am Hals hängen.
„Ja, er ist frei und wenn wir uns nicht beeilen, dann ist von uns nicht mehr genug übrig um einen hohlen Zahn zu füllen", redete Garaf dazwischen, „wir haben unter uns nämlich das Pulvermagazin gefunden ... tja ... und durch einige Löcher in der Decke tropft brennendes Öl dort hinein ... es ist also nur noch eine Frage der Zeit bis hier alles in die Luft fliegt."
„Ein Grund mehr hier so schnell wie möglich zu verschwinden", murmelte Erestor, zog Heru von Raug weg und dann den Eredhrim auf die Beine. „Los, alter Junge!"
Raug blickte den anderen dunkelhaarigen Elben schief an. „Vorsicht mit diesen Bemerkungen ... wenn mich nicht alles täuschst, bist du auch nicht mehr so frisch!"
„Trotzdem habe ich nicht vor jetzt schon Mandos' Hallen einen Besuch abzustatten!"
Heru blickte leicht verständnislos von einem zum anderen, folgte ihnen aber anstandslos.
„Wo ist eigentlich Elrond? Ich hätte schwören können, dass du ihm nicht von der Seite weichst!"
„Aus den oberen Stockwerken des Turms gefallen", antwortete Erestor knapp. Durch diese Aussage auf tiefste schockiert, blickte Raug den Noldo japsend an.
„Und wer oder was hat seinen Aufprall abgefangen?"
„Höchstwahrscheinlich der Boden!"
„Das ist ein schlechter Scherz, oder?"
„Ich fürchte nein! Und jetzt hör auf zu reden, wir müssen hier raus!"
„Und zwar so schnell wie möglich", keuchte Garaf, „das Feuer hat die Fässer erreicht!"
Legolas rannte nach vorne, sich voll und ganz der Tatsache bewusst, dass sie unmöglich so schnell den Turm über die Treppen verlassen konnten. Er lehnte sich aus dem Fenster und blickte nach unten. Dann richtete er sich wieder auf und blickte auf seine Begleiter, bei Heru verweilte er einen Moment.
„Könnt ihr schwimmen?"
„Natürlich kann ich das", empörte die Frau sich, „ich bin an einem Fluss aufgewachsen, was glaubt ihr eigentlich?"
„Gut!" Legolas lief zu ihr zurück, packte sie am Arm und rannte dann mit ihr los. Mit einem Satz und einem hohen Kreischen waren sie durch das Fenster verschwunden.
„Ich denke", begann Garaf ruhig, „dass das seine Art war, uns mitzuteilen ihm hinterher zu springen!" Es gab einen lauten Knall, der sämtliche verbliebenen Elben zusammenzucken ließ.
„Wieso glaube ich plötzlich, dass das gar keine so schlechte Idee mehr ist", rief Garaf und sprang dem Düsterwaldprinz hinterher.
„So ... dann sind ja nur noch wir übrig ... auf geht's ... alter Junge!"
„Eeerrrestooor! Bist du wahnsinnig? Weißt du wie tief das ist?", wetterte Raug, als er von dem anderen Elben zum Fenster geschleift wurde.
„Nein! Und es interessiert mich auch nicht! Die nächstmögliche Alternative wäre nämlich in die Luft gesprengt zu werden! Und das will ich ganz und gar nicht!"
„Aber meine Kinder sind hier noch drin", protestierte Raug, als Erestor ihn durch das Fenster schubsen wollte.
„Wenn denen das Gleiche passiert ist, wie uns, was ich stark annehme, dann lernen die gerade ihren Großvater väterlicherseits kennen!"
„Erestor ... mein Vater lebt bei Lord Namó", erklärte Raug schockiert und leicht außer Atem.
„Sag ich ja!", erwiderte Erestor und schubste den anderen Elben ohne Federlesen aus dem Fenster.
Selber riskierte er noch einen gequälten Blick nach unten, bevor er den anderen hinterher sprang.
Kaum war Erestor fünf Meter tief gefallen, als ein ohrenbetäubender Knall ertönte und ein komplettes Stockwerk aus dem Turm herausgesprengt wurde. Der Elb hob instinktiv seine Arme, um seinen Kopf zu schützen – auch wenn ihm das eigentlich nicht viel bringen würde, wenn wirklich solch ein Felsbrocken auf ihn fiel.
Sein fortwährender Sturz wurde von regelmäßigen Detonationen begleitet. Scheinbar hatten die Istaris den ganzen Turm mit Sprengladungen gespickt. Flammen züngelten aus den Fenstern und düsterer Rauch sammelte sich über allem.
Als der Noldo schon beinahe glaubte, er würde ewig so weiterfallen, bemerkte er unter sich die schmutzige Oberfläche des Nurnenmeers. Sein Gehirn hatte nicht einmal Zeit genug um diese Information zu verarbeiten als Erestor auch schon auf die Wasseroberfläche aufschlug – hart! Der Aufprall drückte ihm die Luft aus den Lungen.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen war er von dem schmutzigen Wasser eingeschlossen. Nach einer kurzen Orientierungsphase, schwamm der Elb an die Oberfläche, wo er prustend und keuchend auftauchte. Durch seinen gebrochenen Arm hatte er einige Schwierigkeiten sich an der Oberfläche zu halten. Einige Meter von ihm entfernt entdeckte er Raug, der ihn finster anblitzte und auch etwas Schlagseite zeigte. In seiner unmittelbaren Nähe waren die drei anderen.
„Dann sind wir ja alle da", rief Heru, als sie auf das Ufer zuschwamm, „und jetzt nichts wie raus hier!"
„Aber warum denn", sagte Garaf ironisch, „das Wasser ist doch furchtbar angenehm!"
Erestor und Raug runzelten zeitgleich die Stirn. Diese Beschreibung von Garaf traf das Nurnenmeer nicht annähernd. Um ehrlich zu sein, hatten die Elben das Gefühl in Öl zu schwimmen.
Heru blickte über ihre Schulter zu dem Elben zurück.
„Nur drei Worte! Groß, böse, hungrig!"
„Wieso habe ich so etwas geahnt", knurrte Legolas und schwamm jetzt ebenfalls mit kräftigen Zügen auf das nahe Ufer zu.
„Raug ... halt es für Einbildung ... aber ich glaube, da kommt etwas hinter uns her", zischte Erestor als er neben Raug schwamm, der die ersten Anzeichen von Entkräftung zeigte, zudem hinterließ der Eredhrim eine dünne Blutspur im Wasser.
„Keine Einbildung", erwiderte Raug knapp, „verdammt real!"
„Einfach einmalig! Genau diese Bestätigung habe ich jetzt gebraucht!"
„Dann freu dich doch", zischte Raug zurück.
„Tu ich! Merkt man das nicht?", fauchte Erestor ebenso genervt.
„Doch! Das Wasser in deiner Nähe fängt schon an zu dampfen!"
Beide stutzten plötzlich und sahen sich langsam an, bevor sie heruntersahen. Das Wasser dampfte tatsächlich!
„Weiter ... aber zackig", rief Raug und schwamm weiter.
Trotz der gebrochenen Gliedmaßen kamen die zwei Elben relativ zügig weiter und holten ihre Gefährten wieder ein. Schließlich erreichten sie seichteres Wasser in dem sie stehen konnten. Vollkommen außer Atem stolperten sie vorwärts. Erestor packte mit seinem gesunden Arm nach Raug, da der stark anfing zu schwanken.
Hinter ihnen gurgelte das Wasser gefährlich und ließ auf die monströsen Ausmaße ihres Verfolgers schließen. Durch diese Tatsache weiter angespornt, wollte jeder von ihnen so schnell wie möglich aus dem Wasser kommen.
„Keine Bewegung!", donnerte plötzlich eine befehlsgewohnte Stimme zu ihnen hinüber. Legolas wagte es aufzusehen und sah sich mit den Pfeilen von mehreren hundert schwarzgekleideten, vermummten Gestalten konfrontiert, die alle auf die Gefährten zeigten.
„Was geht denn heute noch alles schief", stöhnte Garaf, der ebenfalls einen vorsichtigen Blick nach vorne riskiert hatte. Im nächsten Moment wünschte Garaf sich, er hätte diese Frage nie gestellt, denn jetzt ließen die vermummten Leute ihre Pfeile los. Und irgendwie befanden sich die fünf Unglücksraben genau in der Schusslinie.
o-o-o-o-o
So langsam muss ich mich sputen! Komme ja mit dem weiterschreiben im Moment gar nicht hinterher. Na ja, ich hoffe es hat euch gefallen!
Kleine Anmerkung ... ihr habt mich ja wirklich verwöhnt was Reviews angeht ... aber fünf Stück finde ich doch ein bisserl wenig! An alle Leser! Ich habe noch nie einen Reviewer gefressen! Alle Knochen, die in meinem Zimmer zu finden sind, stammen von ... ähe ... gute Frage ... wovon eigentlich? Na ja, auch egal. Aber ein paar mehr Reviews für dieses Kapitel wären wirklich nett.
Ansonsten wünsche ich euch noch ein schönes Restjahr 2004 und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Aber den Rutsch bitte nicht zu wörtlich nehmen!
Bis Bald
Atropos
