Kapitel 2: ÄGYPTEN UND FRANKREICH

Noch am selben Abend schickte Dumbledore eine dringende Eule nach Ägypten zu den Weasleys, in der er seinen Besuch ankündigte. Danach verkroch er sich in seiner eigenen Bibliothek, um nach ein paar Möglichkeiten zu suchen, wie er Harry helfen konnte. Dabei fiel ihm ein Buch von Merlin in die Hände. Interessiert las der alte Professor in diesem Buch, und langsam keimte in ihm eine bestimmte Idee... Dumbledore wusste, dass Merlin immer noch am Leben war, allerdings nur deswegen, weil er sich dauerhaft auf der magischen Insel AVALON niedergelassen hatte. Avalon schwamm im Nebel der Zeit, sie war praktisch eine eigene Welt, die nur zufällig auf dem Planeten Erde beheimatet war. Ansonsten verband Avalon nichts mit der Erde, ihre Gesetze hatten keinen Einfluss auf die Insel der Magie. In dem Buch erfuhr Dumbledore, wie er mit Merlin dennoch Kontakt aufnehmen konnte. Dazu war eine erstmalige Kontaktaufnahme von Merlin notwendig, doch die war schon vor vielen, vielen Jahren erfolgt... Ja, Dumbledore kannte Merlin, einen Teil seines Wissens und seiner Fähigkeiten verdankte er ihm. Nun wollte er um seine Hilfe bitten.

Sehr spät in der Nacht führte Dumbledore das notwendige Ritual durch, um Merlin durch die Zeit hindurch zu erreichen. Er hatte schließlich Erfolg und sprach lange mit dem wohl berühmtesten Zauberer der Erde. Merlin versprach ihm, um Harrys Willen zu helfen, doch Harry musste erst aus seiner Lethargie befreit werden. Merlin stimmte Dumbledore zu, dass dies am Besten seine Freunde tun konnten, also Ron und Hermine. Merlin übergab Dumbledore ein Amulett, mit dem er die Beiden prüfen sollte, und beschrieb ihm genau, was er damit tun sollte.

Am nächsten Tag reiste Dumbledore nach Ägypten, genauer gesagt nach Kairo, wo er sich mit Arthur Weasley treffen wollte. Mit recht wenigen Worten begrüßten sie sich, und schweigend reisten sie weiter zum Rest der Familie Weasley. Bis auf Percy waren alle anwesend, sogar Charlie war aus Rumänien hergekommen. Zur Überraschung von Albus Dumbledore war auch Luna Lovegood anwesend, sie war auf Bitten von Ron und Ginny mitgekommen und schien sich gerade mit Ron sehr gut zu verstehen.

Aufs Genaueste berichtete Dumbledore, was mit Harry los war, und was bei dem Ordenstreffen heraus gekommen war. Ansatzweise erzählte er auch von seiner Unterhaltung mit Merlin. „Ron, bist du bereit, Harry zu helfen?", fragte der Professor den jungen Rotschopf. Ron sah erst lange seine Familie an, besonders seine Mutter und seine Schwester, bevor er zögernd nickte. „Gut, dann werde ich an dir einen kleinen Test durchführen, so wie Merlin mir das aufgetragen hat." Damit presste er das Amulett gegen Rons Stirn und murmelte einen sehr langen Zauberspruch. Als nichts passierte, presste er das Amulett gegen Rons Herz und wiederholte die Prozedur. Dieses Mal erglühte das Amulett in einem schwachen rötlichen Licht. Schweigend steckte Dumbledore das Amulett in seine Tasche.

„Es tut mir leid, Ron, aber du wirst Harry wohl dieses Mal nicht helfen können. Du bist noch zu sehr von deinen eigenen Verletzungen beeinträchtigt. Diese Gehirne im Ministerium haben dich wohl doch wesentlich mehr beeinflusst, als ich es vermutet habe. Damit bleibt uns nur noch Hermine. Hoffentlich ist sie in der Lage, Harry zu helfen, ich weiß nicht, was wir sonst noch tun können..."

Wenig später verabschiedete sich Dumbledore und apparierte zurück nach London, zum Grimmauld Place Nummer zwölf. Doch er musste noch auf die Nachricht von Remus und Tonks warten. Erst zwei Tage später konnten sie ihm mitteilen, wo sich die Familie Granger aufhielt. Sie waren derzeit in Südfrankreich in einem kleinen Dorf an der Grenze zu Spanien, in dessen Nähe ein uraltes Kloster war, welches Hermine besuchen wollte. Remus hatte bereits mit ihr Kontakt aufgenommen und ihr in sehr groben Zügen berichtet, wie es um Harry stand.

Tonks reiste zusammen mit Dumbledore per Portschlüssel zu den Grangers nach Frankreich. Sie waren nicht minder bestürzt wie die Weasleys, als sie von Harrys Zustand erfuhren. Hermine konnte ihre Tränen nicht mehr zurück halten, so dass sie von ihrer Mutter getröstet werden musste. Da jedoch Hermines Eltern viele Zusammenhänge nicht wussten, erzählte Dumbledore ihnen das Wichtigste aus Harrys Leben, angefangen mit dem Schicksal seiner Eltern. Mr. und Mrs. Granger waren schockiert, als sie von der ganzen Geschichte erfuhren, vor allem aber, dass ihre Tochter Hermine in so großer Gefahr schwebte, weil sie mit Harry befreundet war und außerdem noch Muggeleltern hatte. Doch obwohl Dumbledore sie nicht direkt darum gebeten hatte, boten sie ihm ihre Unterstützung an. Schließlich hatten sie einen äußerst ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, welchen Hermine von ihnen geerbt hatte. „Ich freue mich wirklich sehr über Ihr Angebot, doch leider werden Sie nicht viel tun können, da Sie nicht über die entsprechenden magischen Fähigkeiten verfügen, die wir im Kampf gegen Voldemort benötigen. Im Moment weiß ich wirklich nicht, was Sie tun könnten, außer das Sie Hermine unterstützen, wo Sie nur können."

Wenig später führte Dumbledore auch an Hermine den Test durch, den er bereits mit Ron gemacht hatte. Doch bei ihr fiel das Ergebnis etwas anders aus: Als das Amulett auf ihrer Stirn lag, glühte es sehr, sehr hell rot-golden auf. Als es jedoch auf ihrem Herzen lag, glühte es dermaßen grell auf, dass alle Anwesenden ihre Augen abwenden mussten, um nicht geblendet zu werden. „Sehr erstaunlich, sehr erstaunlich...", murmelte Dumbledore, während er das Amulett wieder einpackte. „Ich glaube, du wirst Harry tatsächlich helfen können. Deine Hilfsbereitschaft und deine Liebe zu ihm sind stark genug dazu..." „Liebe?", fragte Hermine erstaunt. „Er ist doch nur mein bester Freund, genauso wie Ron!" Doch Dumbledore lächelte nur, genauso wie Hermines Mutter. „Darum erzählst du uns also immer so viel von Harry und so wenig von Ron!" Hermine wurde rot bis unter die Haarwurzeln, doch sie verkniff sich eine Antwort. Insgeheim musste sie ihrer Mutter aber Recht geben, sie war wirklich in Harry verliebt, auch wenn sie ausgesprochen lange gebraucht hatte, sich das selbst einzugestehen.

Wenig später berichtete der alte Professor von Rons Testergebnis. Tiefe Enttäuschung zeigte sich auf Hermines Gesicht. „Ich mache ihm keine Vorwürfe, Hermine. Ron hat nun mal ein anderes Verhältnis zu Harry als du. Außerdem macht ihm noch der Einfluss der Gehirne im Ministerium zu schaffen. Ich bin mir sicher, dass er trotzdem loyal zu Harry steht, auch wenn er ihm im Moment nicht helfen kann. Ron braucht wohl selbst noch Hilfe, denn anders kann ich mir die Anwesenheit von Miss Lovegood nicht erklären..." „Luna ist mit in Ägypten?", fragte Hermine erstaunt. „Das hat Ron mir gar nicht geschrieben! Und Ginny auch nicht!"

Nach einer kleinen gemeinsamen Mahlzeit erklärte Dumbledore, was er sich von Hermine erhoffte. „Wenn du einverstanden bist, werde ich dich zu Harry in den Ligusterweg bringen. Du solltest dich allerdings vorher auf seinen Anblick vorbereiten, Harry sieht wirklich schlimm aus. Selbst Sirius sah noch besser aus, als er aus Askaban ausgebrochen ist!" „Was soll ich tun?", fragte Hermine mit brüchiger Stimme. „Wir wissen nicht genau, warum Harry in diesem Zustand ist. Ich vermute allerdings, dass er unter der Last seiner Verantwortung und seiner Trauer um Sirius einfach zusammengebrochen ist und sich deshalb wie in ein Schneckenhaus zurück­gezogen hat. Wie gesagt, es ist nur eine Vermutung, hundertprozentig sicher bin ich mir dabei nicht. Aber wenn dem so ist, dann hoffe ich, dass du Harry wieder ins Leben zurück bringen kannst, in dem du ihm Deine Zuneigung und Liebe zeigst und spüren lässt. Rede mit ihm, auch wenn er vielleicht nicht reagiert. Sei einfach in seiner Nähe und kümmere dich um ihn. Ich weiß, dass ich da sehr viel von dir verlange, weil es zum Teil meine eigene Schuld ist, dass Harry in so einem Zustand ist. Ich habe ihn einfach zu lange isoliert... Ich habe mich mit dem Orden und auch mit Merlin beratschlagt, und alle sind zum selben Ergebnis gekommen: Nur ein Mensch, der Harry wirklich sehr am Herzen liegt, wird ihm helfen können, diese Lethargie und Depression durchbrechen zu können. Damit scheiden eigentlich alle aus dem Orden aus. Alle sind der Meinung, dass nur du, Ron oder vielleicht auch noch Ginny ihm helfen kann. Ron und Ginny fallen aus, und so bleibst nur noch du übrig, Hermine. Willst du das wirklich tun? Es wird wirklich nicht einfach werden!"

Hermine überlegte nicht lange. „Harry würde für mich dasselbe tun, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken... Ja, ich helfe ihm!" Zufrieden nickte der alte Professor, bevor er Hermines Eltern fragte: „Wollen Sie noch hier bleiben oder lieber zurück nach London reisen?" „Wir kommen mit nach London", entschied Mr. Granger, nachdem er seine Frau kurz angesehen hatte.

Zu Hause in London packte Hermine ein paar Sachen zusammen, bevor sie sich von ihren Eltern verabschiedete. Sie ahnte, dass sie in diesen Ferien nicht mehr in ihr Elternhaus zurückkommen würde. „Pass auf dich auf, Kleines!", sagte Mrs. Granger, als sie ihre Tochter zum letzten Mal umarmte. „Und achte darauf, was dein Herz dir sagt!" Hermine berührte wenig später den Portschlüssel, den ihr der Schulleiter gegeben hatte, und reiste damit in den Ligusterweg, wo Dumbledore bereits auf sie wartete. „Hermine, dies sind Petunia und Vernon Dursley, Harrys Verwandte, und ihr Sohn Dudley. Mr. und Mrs. Dursley, Dudley, dies ist Hermine Granger, Harrys Schulfreundin. Ihre Eltern sind genauso wie Sie Muggel, sie sind Zahnärzte. Bitte behandeln Sie Hermine gut, und natürlich auch Harry. Für die zusätzlichen Kosten werde ich natürlich aufkommen. Beide werden unabhängig von Harrys Zustand noch mindestens bis Anfang August hier bleiben müssen, damit sich die Schutzzauber wieder vollständig regenerieren können. Bitte vergessen Sie niemals, dass auch Sie selbst von diesen Zaubern geschützt werden! Ich werde in ein paar Tagen wieder vorbei kommen, um nach Harry zu sehen. Auf Wiedersehen!" Mit einem leisen ‚plopp!' war Dumbledore verschwunden und ließ Hermine allein bei den Dursleys zurück.