Hermine ‚fütterte' Harry wie gewohnt mit dem Trank von Madam Pomfrey, danach aß sie selbst auch eine Kleinigkeit. Gerade als sie sich mit einem Buch wieder zu Harry gelegt hatte, klopfte es an der Tür und Petunia und ihre Mutter traten ein. Schnell war Hermine wieder aufgestanden. „Mum!", rief sie und fiel ihr in die Arme. „Hallo, meine Kleine! Madam Pomfrey hat uns gerade erzählt, dass du einen ersten Erfolg bei Harry erzielt hast?"Hermine nickte, dann führte sie ihre Mutter und Petunia an Harrys Bett. „Man sieht kaum etwas von seiner Besserung, aber er fühlt sich nicht mehr so kalt an...", sagte Hermine leise. „Siehst du, manchmal weiß eine Mutter eben doch, was ihre Tochter machen sollte!" Mrs. Granger lächelte, als sie das verträumte Gesicht ihrer Tochter sah.
„Ich habe mich mal im Londoner Universitätsklinikum mit ein paar Kollegen unterhalten. Im Prinzip ist es so, dass Harry in einer Art Koma liegt. Der Chefarzt, der übrigens ein Squib ist, nach dem was du mir erklärt hast, meinte, dass du so weiter machen sollst wie bisher. Er hat mir ein paar spezielle Pflegeöle mitgegeben, mit denen kannst du Harry massieren und ihn einreiben. Damit sollte seine Haut nicht zu sehr austrocknen. Durch die Massage regst du seine Durchblutung etwas an. Wir haben uns auch überlegt, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, wenn Harry etwas an die frische Luft käme. Petunia hat eine große Liege gekauft, auf die ihr alle Beide passt... Dein Professor hat mir gesagt, dass du Schwebezauber hier ausführen darfst, also kannst du Harry hinunter in den Garten schweben lassen. Was meinst du dazu?"
Hermine dachte einen Moment lang nach, bevor sie antwortete. „Die Idee ist gar nicht mal so schlecht. Zeigst du mir, wie ich Harry massieren kann? Was machst du eigentlich hier? Solltest du nicht in der Praxis sein?" Mrs. Granger lachte. „Das merkst du aber zeitig, Kleines! Ich habe mit deinem Vater darüber gesprochen, und nachdem wir ja unseren Urlaub abgebrochen haben, habe ich mir jetzt noch ein paar Tage frei genommen, damit ich dir helfen kann. Dein Dad ist jetzt allein in der Praxis."
Während Mrs. Granger und Petunia im Garten die Liege aufbauten, zog Hermine Harry etwas an und ließ ihn dann hinunter schweben. Sie bemerkte, wie Dudley ihr aus dem Weg ging, sie aber trotzdem verstohlen anschaute. Wahrscheinlich hatte seine Mutter mit ihm geredet... Als Harry dann auf der Liege lag, zeigte Mrs. Granger mit Hilfe von Petunia, wie Hermine Harry massieren konnte und welche Öle sie dazu verwenden sollte. Zögernd legte sich Hermine danach neben Harry, um ihn wieder etwas vorzulesen. Dieses Mal hatte sie „Die Geschichte der Zauberei" dabei. Bald schon hatte sie die Anwesenheit ihrer Mutter und auch Petunia vergessen, und sie nahm ihre übliche Leseposition ein. Die wissenden Blicke, die sich ihre Mutter und Petunia Dursley dabei zuwarfen, bekam sie überhaupt nicht mit.
Nach dem abendlichen Bad, an das sich Hermine nun schon gewöhnt hatte, massierte sie Harry, so wie sie es gezeigt bekommen hatte, und ölte ihn ein. Als sie dann eng an Harry gekuschelt im Bett lag und ihm leise eine Geschichte erzählte, die von ihrer gemeinsamen Zukunft handelte, so wie Hermine sie sich vorstellte, konnte sie zum ersten Mal deutlich spüren, wie sich sein Brustkorb hob und senkte, wie Harry atmete. Hermine freute sich so sehr, dass ihr ein paar Freudentränen entwichen. „Harry, mein Schatz, endlich zeigst du ein Lebenszeichen..."
In den nächsten Tagen besserte sich Harrys körperlicher Zustand immer weiter, und bald war ihm von der Unterernährung nichts mehr anzusehen. Da er nun auch jeden Tag ein paar Stunden im Freien lag, wich auch seine Blässe einer gesunden Hautfarbe. Doch sein Geist war immer noch tot. Hermine arbeitete unermüdlich mit Harry, sie machte Bewegungsübungen mit ihm, damit seine Muskeln nicht zu sehr verkümmerten; massierte ihn, um die Hautdurchblutung anzuregen; ölte ihn ein, damit seine Haut nicht austrocknete; fütterte ihn mit den verschiedenen Tränken; las ihm vor oder erzählte ihm selbstausgedachte Geschichten, damit er ihre Stimme hörte; und ließ ihn vor allem Nachts, wenn sie allein waren, ihre Nähe spüren.
Eines Morgens spürte Hermine, als sie erwachte, dass sich etwas geändert hatte: Ein Arm lag auf ihr! „Harry! Du hast dich bewegt!", rief sie glücklich, doch dann sah sie seine Augen, die immer noch genauso leer und glanzlos die Decke anstarrten. Schlagartig wich ihre Freude wieder teilweise. Kurz darauf kam Petunia in das Zimmer, sie hatte Hermines Stimme gehört und wollte nachsehen, was da los war. Sie sagte nichts dazu, als sie Hermine nackt halb auf Harry liegen sah, doch sie bemerkte sofort, dass Harry einen Arm um das Mädchen gelegt hatte. „Na siehst Du, es wird doch langsam..." „Ja, aber sehen Sie sich mal seine Augen an, die sind immer noch so leer!" „Hermine, sei nicht traurig! Die Ärzte haben uns doch gesagt, dass sich sein Körper zuerst erholen wird!"
Bald war Harry so weit, dass er zumindest rein mechanisch reagierte. Er konnte wieder laufen, auch wenn Hermine ihn dabei stützen musste, und er konnte wieder einfache Sachen essen. Aber sein Blick war immer noch so leer, und er reagierte nicht darauf, wenn man zu ihm etwas sagte. Hermine versuchte es trotzdem immer wieder, und wenn sie ganz langsam und in ganz einfachen Sätzen mit Harry sprach, fing er an, darauf zu reagieren. Er sah sie jetzt auch an, aber bei seinen leeren Blicken gruselte es Hermine etwas. Doch sie ließ sich nicht unterkriegen, unermüdlich machte sie weiter.
Hermines Mutter kam nun jeden Tag vorbei, um ihre Tochter zu unterstützen. Auch Madam Pomfrey erschien fast jeden Tag, und auch etliche Freunde und Bekannte von Harry sahen des Öfteren nach ihm. Albus Dumbledore kam wie gewohnt jeden dritten Tag vorbei, auch wenn er selten etwas bei seinen Besuchen sagte. Mrs. Granger und Petunia Dursley hatten sich soweit angefreundet, dass sie sich duzten. Überhaupt hatten sich die Dursleys sehr verändert, was nicht nur an Harrys Zustand oder an den Drohungen Mad Eye Moodys oder den Gesprächen mit Dumbledore lag. Der Hauptgrund war Hermine! Die Dursleys hatten noch nie erlebt, wie sich jemand so voller Hingabe und Liebe für eine andere Person aufopferte. Sie begriffen langsam, dass Harry und Hermine etwas Besonderes waren. Und sie begriffen auch, dass Zauberei und Hexerei nichts Schlechtes waren, obwohl sie sich das die ganzen Jahre über immer eingeredet hatten. Petunia gab Dumbledore seinen Scheck mit den Worten zurück: „Die ganzen Jahre haben wir uns nur sehr schlecht um Harry gekümmert, weil ich neidisch und eifersüchtig auf seine Mutter war. Sie und Hermine haben uns die Augen geöffnet, und dafür danke ich Ihnen. Behalten Sie Ihr Geld, es ist das Mindeste, was wir für Harry tun können! Geben Sie das Geld jemanden, der es nötiger hat!"
Tante Magda hatte sich zum Besuch angekündigt, aber Vernon hatte ihr in Absprache mit seiner Frau abgesagt. Sie wollten Vernons Schwester jetzt nicht im Haus haben. Seit Hermine im Ligusterweg verweilte, hatte sich das gesamte Klima in der Familie Dursley verändert, es hatte sich zum Besseren hin entwickelt. Vernon, der seine Schwester genau kannte, wollte sich das von ihr nicht wieder kaputt machen lassen. Er hatte in den letzten Wochen sehr viel nachgedacht und sich jeden Tag mit seiner Frau und seinem Sohn, sehr oft aber auch mit Hermine und ihrer Mutter, unterhalten. Mrs. Granger und Hermine erzählten von ihrer Familie, und Petunia erzählte irgendwann von Lily Potter, ihrer Schwester und Harrys Mutter. Sie suchte sogar uralte Fotoalben heraus, damit Hermine die Mutter ihres Freundes besser kennen lernen konnte. Insgesamt fand bei den Dursleys ein Prozess des Umdenkens statt, den sie vor allem Hermine zu verdanken hatten. Seit sich das Verhalten von Vernon veränderte, behandelte er auch seine Angestellten besser und vor allem freundlicher, und seiner Firma ging es dadurch auch besser.
Einen besonderen Nebeneffekt hatte das Ganze für Dudley: Durch die tägliche Arbeit im Garten und im Haus nahm er sichtbar ab. Durch Hermines Vorbild ernährte er sich jetzt freiwillig gesünder, und er tat etwas, was er noch nie gemacht hatte: Er fing an, für die Schule zu lernen! Albus Dumbledore sagte einmal dazu, Hermine sei in ihrem Verhalten dem von Harrys Mutter sehr ähnlich.
Am Vorabend von Harrys Geburtstag kam Dumbledore wieder einmal zu Besuch. Er sprach lange mit Hermine über ihren bisherigen Erfolg und wie es nun weitergehen sollte. „Hermine, ich weiß nicht, wie ich dir das jemals danken kann, was du hier für Harry tust! Durch meine Schuld ist er in diese Situation gekommen, und du bist es, die sich aufopfert, um ihn da wieder herauszuholen!" „Professor, wenn Sie mir danken wollen, dann geben Sie Harry das, was er am dringendsten braucht: Zeigen Sie ihm Ihr Vertrauen und bringen Sie ihm alles bei, damit er Voldemort besiegen kann! Und zeigen Sie ihm endlich, wer seine Familie ist! Und isolieren Sie ihn nie wieder so, Sie sehen ja, wohin das geführt hat!" Dumbledore seufzte und dachte über ihre Worte nach. „Normaler Weise erlaube ich es nicht, dass eine Schülerin so mit mir spricht. Aber ich habe es nicht anders verdient... Du hast Recht, Hermine. Ich sollte Harry wirklich mehr zeigen, dass ich ihm vertraue. Aber das mit seiner Familie und mit seiner Ausbildung ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Die Identität seiner Familie ist zu gut geschützt, zumindest seine väterliche Linie, als das ich es ihm einfach sagen könnte. Harry muss erst noch einige Dinge lernen, bevor ich ihm seine Abstammung offenbaren kann, und Okklumentik ist dabei noch eine recht einfache Sache. Versteh mich bitte nicht falsch, Hermine, aber das Wissen um Harrys Abstammung ist wegen Tom zu gefährlich, als dass ich sie einfach so preisgeben könnte. Wenn Tom davon erfährt, würde er sofort alles in Bewegung setzen, um Harry zu töten. Deswegen muss Harry erst fertig ausgebildet werden, aber ich fürchte, uns fehlt die nötige Zeit dazu... Ich werde darüber nachdenken und mit ein paar Leuten reden. Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit... Ich komme morgen wieder vorbei, dann reden wir weiter, in Ordnung? Arbeite du in der Zwischenzeit weiter an Harry, damit nicht nur sein Körper, sondern auch sein Geist wieder in Schwung kommt, sonst ist sowieso alles vergebens..."
Nach diesem Gespräch lag Hermine noch lange wach an Harrys Seite, sie konnte ewig nicht einschlafen. Sie grübelte darüber, was Dumbledore ihr über Harrys Abstammung gesagt hatte. Was kann daran so gefährlich sein? Hermine kam zu dem Schluss, dass Harry mit einem berühmten und mächtigen Zauberer verwandt sein musste. Aber sie konnte sich nicht entscheiden, wer das sein sollte. Für sie kamen eigentlich drei Magier in Frage: Albus Dumbledore, Godric Gryffindor und Merlin. Am wahrscheinlichsten war noch Gryffindor, da Harry bereits schon einmal das Schwert des Schulgründers herbei gezaubert hatte, als er in großer Not war...
Antworten auf eure Reviews:
Vielen Dank für eure lieben Kommis (heute waren es insgesamt schon 26)! Bin ein wenig im Stress, deswegen werde ich wohl nicht alle beantworten können.
#bepa: Nein, Hermine wird nicht mit dem armen Harry... Zumindest jetzt noch nicht. Aber trotzdem sollte sie sich auf diese mögliche Situation vorbereiten, oder nicht? Immerhin reden wir hier von Hermine, die sich (fast) immer Gedanken um das macht, was sie tut.
#Little Nadeshiko: "Agaga"? Ähm, was meinst du denn damit?
#Jo Lizard: Dein Review ist angekommen - Danke! Wenn es dich trösted, in der Fortsetzung werden die Kapitel länger. Aber da wirst du wohl noch ein wenig warten müssen...
#Condor: Nein, ich werde nicht mitten in der Geschichte aufhören, denn "Harrys längste Sommerferien" ist bereits fertig geschrieben. Im Moment sind die letzten Kapitel noch beim Korrigieren, und ich schreibe schon an der Fortsetzung. Beruhigt?
#Laser-jet: Ich soll dir die ganze Geschichte zumailen? Bist du sooo neugierig? Wenn ich das machen würde, wäre das doch sehr unfair den Anderen gegenüber, meinst du nicht auch? Sorry!
Ein kleiner Hinweis: Je mehr Reviews ich bekomme, desto schneller bekommt ihr die neuen Kapitel! Ich weiß, dass ist Erpressung, aber was soll ich machen... -g-
