Kapitel 12: JAHRESENDE / JAHRESANFANG

Gemeinsam feierten sie das Jahresende, indem sie mit Emrys einen Rückblick über das bisher gelernte hielten. „Ich muss sagen, Albus hat mir nicht zuviel von euch versprochen! Ich bin beeindruckt, wie schnell ihr euch auf die neue Situation eingestellt habt. Angefangen von der Umstellung eurer Lebensgewohn­heiten bis zu einer völlig neuen Art der Magie." Anerkennend klopfte er beiden auf die Schulter und lächelte sie an. „Am meisten hat mich jedoch eure außergewöhnlich gute Zusammenarbeit beeindruckt und die Tatsache, dass ihr nach der Verwandlung in einen Phönix auch in eurer menschlichen Gestalt weiterhin telepatischen Kontakt halten könnt! Nicht nur eure langjährige Freundschaft ist ein Grund dafür. Ich vermute, dass ihr zwei Seelenverwandt seid! Nur so lässt es sich erklären. Wenn ihr einverstanden seid, würde ich, um dies festzustellen, mit euch ein kleines Ritual durchführen." Harry und Hermine sahen sich in die Augen. #Seelenverwandt!# Ein Lächeln schlich sich über das Gesicht beider. „Das Ritual kann nur bei Neumond vollzogen werden und bedarf noch einiger Vorbereitungen. Da wir gerade erst Neumond hatten, wird es noch knapp 4 Wochen dauern, bis wir beginnen können." Emrys stand auf. „Bis es soweit ist, gebe ich euch frei. Ihr habt bis jetzt ohne Unterbrechung gelernt, geübt und studiert. Genießt die feie Zeit! Sie wird euch bestimmt gut tun."

Das neue Jahr hatte begonnen und so wie Emrys es ihnen angeboten hatte, verbrachten Harry und Hermine ihre ersten freien Tage zusammen. Sie erkundeten als Adler die Insel, oder streiften in den verschiedensten Tierformen durch die Wälder. Sie lasen sehr viel und verbrachten jede Sekunde zusammen. Harry hatte bereits festgestellt, dass er seit einiger Zeit Hermine mit ganz anderen Augen sah, als noch vor einem halben Jahr. Auch Hermine hatte es bemerkt, doch ließ sie ihn in Ruhe. Sie sprach mit ihm nicht darüber, sondern wartete einfach ab. Irgendwann würde er es sicherlich selbst bemerken. Der Abend sollte kommen, an dem Harry Hermine gestehen würde, dass er ihre Gegenwart aufs Äußerste genoss, ebenso wie ihre Zusammenarbeit und ihr gemeinsames Leben in ihrer selbstgebauten Hütte. Jede Minute, die er sie nicht sah, weil sie mit Nimue andere Aufgaben erledigte, vermisste er sie und wartete darauf, dass sie wieder zusammen sein konnten. „Aber ich weiß nicht, ob das Liebe ist. Jeder sagt, man fühlt dabei so ein Kribbeln im Bauch, aber dieses Gefühl habe ich nicht", sagte Harry etwas betrübt zu Hermine. Diese setzte sich rittlings auf seinen Schoß und schloss ihre Arme um seinen Nacken. „Dieses Kribbeln im Bauch ist eigentlich ein Zeichen für Verliebtheit, nicht für Liebe, Harry. Ich weiß inzwischen, dass du mich liebst, ich sehe es deinen Augen an. Wenn du mich ansiehst..." Hermine stoppte und lehnte langsam ihre Stirn an Harrys. „Früher hast du mich genauso angesehen wie Ron oder Ginny. Aber jetzt ist dein Blick irgendwie anders, ich kann das nicht beschreiben. Da ist so ein Funkeln in deinen Augen, das ich vorher bei dir noch nie gesehen habe. Selbst Cho hast du so nicht angesehen... Ich kann mir das natürlich auch nur einbilden, weil ich mir wirklich wünsche, dass du mich genauso liebst wie ich dich liebe. Aber selbst Nimue hat mich schon darauf angesprochen, und auch Emrys hat was in dieser Richtung gesagt. Lass es uns einfach miteinander versuchen..."

Einige Zeit später, in ihrer hölzernen Badewanne, erzählte Hermine Harry wieder eine Geschichte. Sie handelte davon, wie sie zusammen in Hogwarts arbeiteten, wohnten und lebten und ihre gemeinsamen Kinder groß zogen. Irgendwie gefiel Harry diese Vorstellung. Sanft zog er Hermine näher an sich heran und hielt sie in seinen Armen, während er ihre Geschichte noch etwas weiter ausbaute. In dem Moment, wo er sich eine gemeinsame Zukunft und eine gemeinsame Familie mit ihr nicht nur vorstellen konnte, sondern sich das auch wirklich wünschte, wurde ihm langsam klar, dass er Hermine wirklich liebte. Und obwohl er es nicht sagte, spürte Hermine das Gleiche. In Harrys Armen drehte sie sich langsam um und schlang ihre Arme um seinen Nacken, während sie auf ihm lag. Lange sahen strahlend braune in leuchtend grüne Augen. Niemand sagte auch nur ein Wort. Sie waren mit ihren Blicken so sehr ineinander versunken, dass sie nicht einmal bemerkten, wie das Wasser langsam abkühlte. Erst als Hermine eine Gänsehaut bekam, bemerkten sie, wie viel Zeit schon vergangen war. Zwar war dadurch die Magie dieses sehr langen Momentes vergangen, aber da sie nun deutlich das kalte Wasser spüren konnten, stiegen sie schnell aus dem Bottich und fingen an, sich gegenseitig abzutrocknen. Vorsichtig hob Harry Hermine auf seine Arme und trug sie hinüber in ihren Schlafraum, wo wie immer das Feuer brannte und eine wohlige Wärme verbreitete. In den vergangenen Monaten hatten sie die besonders schönen oder kuscheligen Felle einiger von ihnen erlegter Tiere gesammelt und im gesamten Schlafraum, vor allem aber vorm Kamin ausgebreitet. Langsam legte Harry das Mädchen in seinen Armen auf diese Felle und Hermine zog ihn mit zu sich hinunter. An diesem Abend erwiderte Harry zum ersten Mal ihre Küsse und fühlte sich ungemein wohl dabei. Auch Hermine war äußerst glücklich, da ihre Liebe nun endlich erwidert wurde. Die ganze Nacht hindurch küssten und liebkosten sie sich, erst im Morgengrauen fielen ihnen schließlich die Augen zu.

Emrys und Nimue ließen die Beiden schlafen, damit sie ihren freien Tag noch genießen konnten. Als Hermine dann jedoch gegen Mittag Hand in Hand mit Harry im Salon erschien, waren sowohl Nimue als auch Emrys sehr erfreut, dass ihre beiden Schützlinge nun endlich zueinander gefunden hatten. Nimue umarmte beide mit großen, leuchtenden Augen und gratulierte ihnen. Sie holte ihren besten Wein aus der Vorratskammer, und gemeinsam feierten sie dieses freudige Ereignis.

Nach einigen Tagen, war auch der letzte freie Tag vorüber und Emrys begann wieder mit dem Unterricht. Langsam schwenkte er hinüber zur strategischen Magie, denn immerhin wartete ein bedeutender Kampf auf Harry und auch auf Hermine, die ihrem Freund natürlich beistehen wollte. Emrys brachte ihnen bei, wie sie ihren Geist verschließen konnten, um gegen unbefugtes Eindringen in ihre Gedanken gewappnet zu sein. Harry hatte schon mehrmals die Folgen eines solchen Eindringens erleben müssen, dadurch passte er besonders gut auf. Im Gegensatz zu Professor Snape in Hogwarts erklärte ihnen Emrys jedoch, was sie tun sollten. Schließlich lernten sie ihre Gedanken vollkommen abzuschotten. Nur ihre telepatische Verbindung zueinander blieb davon unbeeinflusst. Doch konnten sie in einem dermaßen abgeschotteten Zustand keinen Kontakt zu Fawkes aufnehmen, der zu dieser Prüfung extra durch die Zeit zu ihnen gekommen war. Harry und Hermine wussten nicht, dass Fawkes von Albus Dumbledore begleitet wurde, und so waren sie entsprechend überrascht, als dieser sie nach der erfolgreichen Prüfung ansprach. Sie hatten nicht einmal bemerkt, dass sich noch jemand anderes in dem Raum aufhielt.

Dumbledore war sehr erfreut, als er von ihren Fortschritten hörte und dass sie nun zusammen gefunden hatten. Er brachte ihnen einige Briefe mit, die ihnen ihre Freunde geschrieben hatten, in der Annahme, sie seien zur Kur. Dumbledore hatte die Post, die an Harry oder Hermine gerichtet war, abgefangen und gesammelt. Viel war es nicht, denn seit ihrer Abreise waren in ihrer Zeit gerade mal drei Tage vergangen. Der alte Professor sah sich ihre Hütte an und war sehr beeindruckt, dass sie diese innerhalb der ersten beiden Wochen, die sie hier auf Avalon waren, erbaut hatten und so nur ihre bis dahin, also in Hogwarts, erworbenen Kenntnisse einsetzen konnten. Harry und Hermine zeigten dem Schulleiter auch ein paar ihrer Verwandlungen und Dumbledore meinte, Minerva McGonagall wäre sicher sehr stolz auf sie. Mit einem Augenzwinkern bemerkte er auch, dass sie wohl nicht beim Ministerium als Animagi eingetragen werden müssten, da dazu eine eindeutige Beschreibung der tierischen Form notwendig war. Harry grinste nur darüber. Auch sein Vater und sein bester Freund, Harrys Patenonkel Sirius Black, waren nicht registrierte Animagi gewesen...

Zwei Tage blieb Dumbledore bei ihnen, denn er wollte das Ritual, bei dem festgestellt werden sollte, ob Harry und Hermine Seelenpartner waren, um nichts auf der Welt verpassen. Von dem Ritual selbst bekamen Harry und Hermine überhaupt nichts mit, denn nachdem sie sich wie von Emrys angewiesen im schwachen Schein des Neumondes auf die von Emrys vorbereiteten Plätze im Schnee auf der Waldlichtung setzten und sich dabei an den Händen hielten, versetzte Emrys sie in eine tiefe Trance. Erst am Morgen wurden sie wieder erweckt und die freudigen Gesichter von Dumbledore, Emrys und Nimue sagten ihnen deutlicher als alle Worte, dass sie tatsächlich wie von Emrys bereits vermutet Seelenpartner waren. Dumbledore beschrieb ihnen mit seinen Worten, was er bei diesem Ritual beobachtet hatte. So erfuhren sie, dass Emrys sehr lange Beschwörungen durchgeführt hatte und dabei immer wieder die verschiedensten Kräuter verbrannte, deren Rauch Harry und Hermine einatmeten. Irgendwann hätte sich eine golden leuchtende und mit roten Farbschlieren vermischte Aura um die Beiden gebildet. Diese roten Farbschlieren waren dabei aber nicht von den verbrannten Kräutern ausgegangen, sie waren auch nicht durch die Beschwörungen verursacht worden, sie waren ganz einfach von ihren füreinander schlagenden Herzen gekommen.

Emrys versuchte ihnen zu erklären, was das bedeutete. „Wenn zwei Menschen Seelenpartner sind, bedeutet das nicht automatisch, dass sie sich auch lieben oder auch nur irgendetwas füreinander empfinden. Nicht selten sind Seelenpartner sogar Todfeinde. Seelenpartner bedeutet, dass eure Seelen sich sehr ähnlich sind und somit leicht eine Verbindung eingehen können. Das merkt ihr zum Beispiel daran, dass ihr so außergewöhnlich gut zusammenarbeiten könnt, ohne euch groß mit Worten absprechen zu müssen. In eurem speziellem Fall sind nicht nur eure Seelen miteinander verbunden, sondern auch eure Herzen. Das vertieft eure Verbindung enorm, obwohl ihr das eigentliche Ritual der Seelenbindung noch gar nicht durchgeführt habt. Ich denke, dass dies ein Grund ist, wieso ihr euch ohne das nötige Ritual telepatisch verständigen könnt."

„Ihr könnt über eure Gedanken miteinander reden?", fragte Dumbledore erstaunt. Emrys erzählte ihm die Geschichte und Harry und Hermine verwandelten sich in die Phönixe. „Faszinierend!", bemerkte der Schulleiter von Hogwarts dazu. „Normalerweise können Menschen nur dann miteinander in telepatischer Verbindung stehen, wenn sie entweder mit dieser Fähigkeit geboren wurden oder wenn sie das Ritual der Seelenbindung erfolgreich durchgeführt haben. Ich habe noch nie gehört, dass es auch ohne diese Voraussetzungen funktionieren könnte..." „Wir haben uns sogar ausführlich mit Fawkes unterhalten!", bemerkte Harry schmunzelnd. Nur äußerst selten hatte er den alten Professor dermaßen verblüfft gesehen, und diesen Anblick wollte er sich in seinem Gedächtnis bewahren.

Als Albus Dumbledore sich wieder verabschiedete, nahm er die von Harry und Hermine geschriebenen Briefe an ihre Freunde mit. Er versprach, sie im Sommer wieder zu besuchen. Für ihn, Dumbledore, würden bis dahin nur drei Tage vergehen, aber für Harry und Hermine hieß das, ein halbes Jahr warten zu müssen...