Disclaimer: s. Vorwort
1. Kapitel: Taliesin
Wir beginnen unsere Reise durch die Geschichte mit Taliesin. Es gab größere vor ihm und auch nach ihm, mögt ihr sagen, warum mit ihm beginnen? Es ist wahr, Taliesin mag nicht einer der größten gewesen sein. Mächtige gingen ihm voran – Hekate, Rhiannon und Gullveig, um nur einige zu nennen – und Mächtige folgten ihm nach – Merlin und Morgana, Mordraud. Warum also Taliesin?
Taliesin ist etwas besonderes, denn er ist ein Außenseiter in einer Zeit des Wandels. Seine Geburt findet zu einem Wendepunkt im Verhältnis zwischen Zauberern und Muggeln statt, der sich schon längere Zeit zuvor abzeichnete, aber in seinem Leben seinen endgültigen Verlauf nehmen soll. Während Taliesin an diesen Ereignissen keinerlei Anteil hat, wird er durch die Umstände seiner Geburt zu einem Beobachter, dessen Zeugnis uns erhalten ist.
Zu Taliesins Geburt sind sich Muggel der Existenz von Magie noch bewusst. In Britannien herrschen die Druiden durch ihre Zauberfähigkeiten und werden von ihnen gleichermaßen verehrt und um Rat ersucht. Sie versammeln sich einmal im Jahr an dem magischen Ort Aelwyd'ollam, um Gesetze zu diskutieren und ihr Oberhaupt zu wählen. Obwohl Muggel von Magie wissen, können sie sie dennoch nicht verstehen. Sie schreiben die Kräfte der Druiden der Verwandtschaft mit Göttern und magischen Wesen zu, wie den Riesen, Zwergen und Elben, die sie Sidhe nennen. Die Druiden wahren ihre Geheimnisse eifersüchtig und bleiben unter sich. Muggelgeborene Kinder sind selten, und wenn es sie gibt, werden sie dem Einfluss der Götter oder Elben zugesprochen.
Taliesin ist solch ein Kind. Er muss ein mächtiger Zauberer gewesen sein, denn er zeigt bereits als Baby Anzeichen von Magie. Seine Eltern fürchten sich vor dem „Elbenkind" und setzen ihn in einem Fluss aus, auf dass die Sidhe ihn finden und zurück in ihr Reich holen. Er wird von dem Einsiedler Elphin gefunden, der ihn aufzieht und im Harfen- und Lautenspiel unterricht. Elphin ist ein Squib, der von den Druiden als Kind verstoßen wurde. Er erzählt Taliesin über Magie, aber behält ihn bei sich in der Einöde, so dass er nie zum Druiden ausgebildet wird. Als Elphin stirbt, beschließt Taliesin sein Heim zu verlassen und sich auf Reisen zu begeben. Er wird zum Barden, der von einem Ort zum nächsten zieht und die Geschehnisse um sich herum beobachtet.
Taliesin ist nicht nur ein guter Beobachter, sondern auch ein mächtiger Seher. In seinen Liedern beschreibt er nicht nur, was er erlebt und erkennt, sondern auch, was er kommen sieht. Er teilt jedoch das Schicksal der Kassandra, die Wahrheit zu sehen, ohne den Verlauf der Welt beeinflussen zu können.
Es sind beinahe vierhundert Jahre nach dem Propheten Jesus von Nazareth, es ist der Zeitpunkt der Geburt Merlins, der Beginn unserer Zeitrechnung. Druiden und Muggel befinden sich im Konflikt mit einfallenden Stämmen des Festlands, den Sachsen, Angeln und Jüten. Anders als die Briten haben Magier in diesen Stämmen nur die Rolle von Beratern, nicht Herrschern. Die Germanen glauben, dass die Zauberer Medien der Götter sind, deren Aufgabe es ist, in ihren Träumen zur Weltesche Yggdrasil zu reisen und dem Priesterkönig das Schicksal zu weissagen. Das ist ein Konzept, dass die Druiden entsetzt. Sie weigern sich, ihre Herrschaft zugunsten eines besseren Dienerstatus aufzugeben. Der Konflikt erreicht seinen Höhepunkt, als die konservative Zauberin Morgana in Aelwyd'ollam zur obersten Druidin gewählt wird. Sie gerät in Streit mit dem liberaleren Merlin, der der Überzeugung ist, dass die Herrschaft der Druiden der Vergangenheit angehört. Der Streit eskaliert, als Merlin dem Squib Arthur auf den Thron Britanniens verhilft. Morgana verstößt Merlin aus dem Kreis der Druiden und erklärt ihn für geächtet. Sie ruft die Druiden zum Widerstand gegen Merlins Ideen auf, aber Merlin gelingt es, genug Zauberer hinter sich zu vereinen, um den Einfluss von Aelwyd'ollam zu brechen. Es kommt zum Kampf zwischen ihnen, aus dem Merlin als Sieger hervorgeht.
Mit Morganas Tod ist die Macht der Druiden gebrochen, und das Zeitalter der Muggelkönige beginnt. Morganas Sohn Mordraud, verbittert über den Tod seiner Mutter, versammelt Zauberer hinter sich um Arthur und damit Merlin zu stürzen. Er kreiert die Dementoren, erklärt Muggel zu Feinden der Zauberer und kürt sich selbst zum höchsten Druiden. Damit wird er zum ersten Dunklen Lord der Geschichte. Sein Krieg gegen Merlin und seine Verbündeten ist lang und blutig und endet mit Arthurs und Mordrauds Tod 157 p.m.n. bei Camlann. Als Arthur stirbt, zieht Merlin sich aus der Muggelwelt zurück und bereitet damit den Weg für die Zaubererwelt, wie wir sie heute kennen.
Taliesin stirbt im Alter von zweihundertdreiundfünfzig Jahren und überlebt damit Merlin um vier Jahre. Bruchstücke seiner Lieder sind uns erhalten geblieben, und sie beschreiben in vielen Facetten die drastische Veränderung des Weltbilds von Muggeln und Zauberern in den nur zweihundert Jahren seines Lebens.
‚Ich bin beim Thron des Gebers gewesen.
Ich habe hoch oben auf dem Weißen Hügel gestanden.
Ich war beredet, bevor ich die Gabe der Sprache erhielt.
Ich war Lehrer aller denkenden Wesen.
Ich habe versucht ins Antlitz der Götter zu sehen.
Ich bin der Götter Name.
Ich bin ein Wunder, dessen Ursprung unbekannt ist.
Ich werde bis zum Tag der Götterdämmerung
auf der Erde sein,
und es ist nicht bekannt, ob mein Körper
Fleisch oder Fisch ist.
Gelehrter Druide,
ist dies eine Prophezeiung von Arthur?
Oder bin ich es, den sie feiern?'
‚...Ich bin ein Hirte gewesen und über die Erde gewandert.
Ich habe auf hundert Inseln geschlafen,
als Gast von hundert Königen,
in hundert Städten habe ich geweilt...'
(Lieder des Taliesin, 2.Buch)
