Tears of fate
Kapitel 3: Stille Momente
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Die andere Welt...es gibt keine andere Welt! Hier oder nirgends ist die ganze Wirklichkeit. 1
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Stille hatte sich über die Gegend gelegt. Der Wind blies sanft durch die Baumkronen und streifte die herbstlich verfärbten Blätter.
Gimli rührte sich nicht, er stand wie angewurzelt da und blickte in die Tiefe. Die Sekunden vergingen wie Stunden. Schweiss bildete sich auf seiner Stirn, als er verzweifelt den Grund der bestimmt fünfzehn Meter tiefen Schlucht nach seinem besten Freund absuchte. Plötzlich blieben seine Augen an einer am Boden liegenden Gestalt hängen.
„Legolas!" schrie er aus vollem Leibe. „Wir kommen. Halte durch!"Die Rufe halten an den unzählbaren Ecken und Kanten der Felsen ab - doch erwidert wurden sie nicht. Stille war die Antwort, welche darauf folgte. Der Zwerg suchte verzweifelt nach einer geeigneten Stelle, um herab zu klettern doch fand sie nicht. Wutdurchströmt drehte er sich zu den drei Elben, welche sich immer noch nicht vom Fleck bewegt hatten um und schrie ihnen ins Gesicht: „Ihr, ihr... Jetzt macht doch was!"
Augenblicklich wurden Melodir und die anderen aus ihrer tranceartigen Starre gerissen.
„Wir müssen ihm helfen!"schrie der Zwerg.
„Die Hänge sind zu steil, selbst wir kommen da nicht runter!" stellte Melodir fest und erntete dafür einen erbosten Blick Gimlis.
Der Elb überlegte kurz und kramte dann in seinem Beutel. „Ich habe ein Seil dabei. Es ist nicht stark, doch es sollte lang genug sein und auch unser Gewicht halten", informierte er und fing an, es um einen Baumstamm zu wickeln. Ohne zu zögern griff Gimli nach dem Seil und fing an, sich an der steilen Felswand hinunter zu lassen. Kaum war er unten angekommen rannte er auf seinen Freund zu. Der Weg wurde ihm von ein paar grösseren Felsbrocken erschwert und er musste eine Möglichkeit suchen, sie zu umgehen.
Nun trennten ihn und Legolas nur noch wenige Meter. Der Elb lang in einer unnatürlichen Position auf dem Boden. Unter seinem Körper befanden sich überall grössere und kleinere Felstrümmer. Sein zur Seite geneigter Kopf wurde von seinen blonden Haaren verdeckt. Er lag auf dem Bauch, Arme und Beine waren teils angewinkelt. Er musste versucht haben, seinen Aufprall etwas abzubremsen.
Gimli näherte sich langsam und kniete neben ihm zu Boden. Er tastete nach seinem Puls, doch konnte keinen fühlen. Der Herzschlag war weg!
„Gimli, konzentriere dich!"Der Zwerg musste irgendwie versuchen, sein Zittern zu beenden oder es zumindest unter Kontrolle zu bringen. Er atmete tief ein. Noch einmal griff er nach Legolas Handgelenk und dieses Mal fand er einen schwachen Puls.
Erleichternd atmete er auf, bevor er erneut eine schreckliche Entdeckung machte: er konnte deutlich den Blutfluss unter dem sich langsam rot verfärbenden Haaren seines Freundes erkennen. In der dunklen Erde neben seinem Kopf bildete sich langsam eine Blutlache, welche von Sekunde zu Sekunde an Grösse zunahm. Vorsichtig versuchte er, ihm die Haarsträhnen aus dem Gesicht zu wischen. Was er darunter sah, erschreckte ihn zutiefst!
Legolas musste sich beim Aufprall den Kopf schwer gestossen haben und es hatte sich daraus eine grosse Platzwunde auf seiner Stirn und teils in seinen den Haaren gebildet.
Gimli riss sich ein Stück Stoff aus seinem Hemd und versuchte, damit die Blutung etwas zu stoppen.
Inzwischen waren Melodir und die zwei anderen Elben hinzugekommen.
„Wir müssen ihn in eine bequemere Lage bringen und auf weitere äusserliche und innerliche Verletzungen untersuchen", sagte der eine Elb besorgt.
Melodir nickte und sah sich nach einer freien, ebenen Stelle um, auf die sie Legolas legen konnten. Als er flüchtig an den Hängen hochsah, entdeckte er einen Elbenknaben, welcher bewegungslos auf sie hinab blickte.
„Alae! Im Melodir... Wir sind Freunde", gab er sich zu erkennen. Gimli und die anderen Elben hatten den Fremden nun ebenfalls erblickt. 2
„Wir brauchen Hilfe - Er braucht Hilfe!"Melodir deutete auf Legolas, der immer noch reglos am Boden lag.
„Henio, aníron boe ammen i dulu lîn", flehte er, doch der Elb blieb weiter bewegungslos dort oben stehen und starrte auf sie hinunter. 3
„Bitte!" versuchte er es noch einmal.
Nun regte sich der Jüngling. Er blickte nervös suchend in den Wald hinein und wieder zu ihnen herab.
„Tûlon nîn nara Lôeryn", er unterbrach kurz, „Tulu le ad tolthathon!" fuhr er dann weiter und sah sich wieder suchend um. 4
„Noro lim, Lôeryn!" rief ihm einer der Elben dem jüngeren zu, während dieser sich nun abwandte und davon rannte. 5
Der Zwerg sah die drei verwirrt an. Er hasste es, wenn sie Elbisch sprachen. Er verstand davon kein einziges Wort.
„Was--"
„Hilfe kommt, Gimli. Der Junge ist auf dem Weg um Hilfe zu holen", unterbrach Melodir den Zwerg und wandte sich dann wieder Legolas zu.
„Helft mir ihn vorsichtig auf die freie Stelle dort drüben zu tragen. Passt bitte auf, jede falsche Bewegung könnte zu weiteren Verletzungen führen", sagte er und deutete an die freie Stelle nicht weit von ihnen entfernt.
Die beiden anderen Elben und Gimli nickten und befolgten seine Anweisungen. Vorsichtig drehten sie Legolas auf den Rücken (um) und trugen ihn anschließend behutsam zu der freien Stelle, an der sie ihn wieder hinlegten.
Melodir zog seine Tunika aus und fing an, sie in Stücke zu reisen, während einer der anderen Elben behutsam abtastete, ob Legolas irgendwelche Knochen gebrochen hatte.
Gimli fühlte sich etwas fehl am Platze. So gerne er seinem Freund auch helfen würde, er hatte nie richtig gelernt, wie man sich in solchen Situationen verhalten musste. Sein Körper war verspannt, es tat ihm einfach nur weh, den sonst so stolzen Elben und Freund dort liegen zu sehen. Es tat ihm innerlich weh, nicht helfen zu können. Der Sohn Thranduils lag mit geschlossenen Augen da und rührte sich nicht. Er konnte nicht sagen, ob das gut war oder schlecht. Er konnte es nicht. Ein lauter Seufzer entfuhr seinem Mund. Er setzte sich auf einen kleinen Felsen, senkte seinen Kopf in die Hände und sprach leise ein Gebet. Ein Gebet sprechen...er sprach keine Gebete. Er kannte kein richtiges Gebet. So formte er irgendwelche bittenden Worte zu Sätzen und hoffte dabei, jemand würde sie erhören. Wieder blickte er auf. Die Elben waren gerade dabei Legolas Kopfwunde wieder neu zu verbinden.
„Wie geht es ihm?"fragte Gimli leise.
„Ich bin kein Heiler und kann keine genauen Schlussfolgerungen ziehen doch er hat viel Blut verloren und seine Kopfwunde..", Melodir überlegte kurz, „ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, wie gefährlich oder stark sie ist."Gimlis Augen weiteten sich.
„Außerdem hat er drei gebrochene Rippen wie ich ertasten konnte, sein rechtes Bein ist ebenfalls gebrochen. Wir werden es richten müssen. Ich weiß nicht, ob er innere Verletzungen von dem Sturz getragen hat.", fuhr der Elb besorgt fort und fühlte dabei nach Legolas Puls, welcher sehr schwach aber regelmäßig war.
In selbigen Moment schien er etwas zu hören und blickte erschrocken hoch.
„Man cenich?"fragte einer der Elben und sah ebenfalls in die Höhe. 6
„Alae! Der Junge hat Hilfe geholt."Melodir deutete zu einer Gruppe Elben, welche
dabei waren, die Steilwand hinunter zu klettern. Angeführt wurden sie von dem kleinen blonden Jungen, welcher sich ihnen als Lôeryn vorgestellt hatte. Der Kleine ging direkt auf Gimli und die anderen zu und deutete dann auf Legolas. Seine Begleiter verloren keine Zeit und nahmen sich des Verwundeten an. Das Schlusslicht wurde von einer Elbin gebildet.
Melodir wandte sich zu Lôeryn um und berührte dessen Schulter als Zeichen der Dankbarkeit. „Mae carnen, hên. Hannon le."7
Der Junge nickte und setzte sich auf einen Felsen, um die Lage zu beobachten.
„Seid gegrüßt. Mein Name ist Glowenya doch ich kenne euch nicht", gab sich die ältere Elbin nun zuerkennen.
„Wir wurden ausgesandt, um euch zu helfen", sagte Gimli und blickte dann düster zu seinen anderen drei Begleitern hinüber. Diese verstanden und ließen den Zwergen weiterreden.
„Wir verfolgten diese Gestalten, von welchen uns geschrieben wurden. Die Brücke war morsch und dann..."Er konnte nicht weitersprechen.
Die ältere Frau nickte. „Meine Begleiter werden ihn in mein Haus bringen. Dort werde ich mich um euren Gefährten kümmern."
Sie waren seit einiger Zeit in der Siedlung eingetroffen. Glowenya hatte sich mit mehreren anderen Elben in ihr Haus zurückgezogen und kümmerte sich dort um Legolas. Auch Melodir und die zwei anderen Elben hatten sich mit mehreren Kriegern aus dem Dorf in ein Haus zurückgezogen.
Seither waren bestimmt mehrere Stunden vergangen und Gimli wurde immer unruhiger. Er saß auf einem umgefallenen Baumstamm vor dem Haus der Heilerin und wartete darauf endlich ein Zeichen für das Befinden seines Freundes zu bekommen. Die Fenster waren verschlossen und die Türe stand, wie schon bei seiner Ankunft, sperrangelweitoffen - doch er getraute sich nicht, den Innenraum zu betreten.
Langsam richtete er sich wieder auf und näherte sich dem Eingang. Er konnte darin Glowenya erkennen und auch Legolas, welcher auf einer mit Fell überdeckten Pritsche lag.
Die Heilerin bemerkte den Zwerg, welcher hineinstarrte und forderte ihn leise zum Eintreten auf.
„Wie geht es meinem Freund?"wollte Gimli wissen und trat an den schlafenden Elben heran.
„Ich habe seine Wunden gereinigt und seine gebrochenen Knochen gerichtet. Sie werden schnell heilen wie es sich für einen Elben gehört", berichtete sie ihm. „Doch mache ich mir Sorgen um seine Kopfwunde!", sprach sie daraufhin weiter. „Ich kann nicht beurteilen, wie schwer die Schädigungen an seinem Gehirn sind. Durch den Aufprall hat er einen Bruch an der Schädeldecke erfahren. Dieser wird ebenfalls wieder vollkommen verheilen, doch Spätfolgen sind nicht undenkbar."
Gimli musterte seinen Freund der immer noch mit geschlossenen Augen dalag. Die Elbin trat etwas näher an ihren Patienten und wischte ihm die Schweißtropfen, welche sich gebildet hatten, mit einem Tuch ab.
„Bitte, sagt mir welche Folgen diese Verletzung haben kann", bat Gimli.
Glowenya setzte sich neben Legolas auf die Pritsche. „Nun, es kann viele Arten von geistlichen und körperlichen Störungen zur Ursache haben.", sagte diese und sprach weiter: „Wir müssen abwarten um zu verstehen."
Der Zwerg nickte.
„Dieser Brief wurde in der Tat von einem unserer Leute geschrieben. Doch erfuhren wir erst nach seiner Versendung von seiner Existenz", gab einer der Elbenkrieger kund. Die drei Elben Melodir, Meoden und Loges sahen verwirrt in die Runde.
„Wer war dann der Schreiber dieses Hilferufes?"fragte der anführende Elb.
Der Elbenkrieger deutete auf den kleinen Lôeryn, welcher ebenfalls am Tisch Platz genommen hatte und gespannt das Gespräch verfolgte.
„Du, kleiner Mann?"fragte Loges verwundert, doch der Junge zuckte nur mit den Schultern.
„Ich hatte Angst! Die Gestalten greifen uns an.", gab er schließlich von sich.
„Doch bis heute sind die Krieger des Dorfes immer im Stande gewesen ihre Angriffe abzuwehren.", sprach darauf ein anderer Elb.
Melodir nickte und übernahm dann das Wort: „Wie lange noch, frage ich Euch?"
Unsichere Blicke wurden nun untereinander ausgetauscht.
1 ... von Ralph Waldo Emerson (USA, Lehrer, Philosoph..., 1803 - 1882)
2 Alae! Im Melodir... Hallo! Ich bin Melodir...
3 Henio, aníron boe ammen i dulu lîn Bitte verstehe, wir brauchen deine Hilfe.
4 Tûlon nîn nara Lôeryn. Mein Name ist Lôeryn. Tulu le ad tolthathon! Ich werde euch Elben schicken!
5 Noro lim, Lôeryn! Lauf schnell, Lôeryn!
6 Man cenich? Was siehst du?
7 Mae carnen, hên. Hannon le. Gut gemacht, Kind. Ich danke dir.
