Kapitel 4: Ein Trauerlied

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Vor wenigen Stunden war Melodir zusammen mit einem Elben aus dieser Siedlung aufgebrochen. Seither war nichts ungewöhnliches mehr in Dorf geschehen. Viele Männer hatten daraufhin wieder ihre Wachposten eingenommen und waren jederzeit bereitt sich im Kampf gegen das Ungewisse zu beweisen.

Gimli und die anderen hatten viele nach diesen Gestalten gefragt, doch kam keine genaue Antwort zurück. Sie konnten nicht beschreiben, was es war. Vielleicht Elben, vielleicht Menschen oder gar andere Geschöpfe? Sie wussten es nicht. Zu oft waren sie durch die Wälder geschlichen, hatten Elben angegriffen, sie mitgenommen oder schwer verletzt, doch weswegen, was war der Grund? Sie konnten es nicht sagen. Waren sie auf der Suche nach Nahrung oder verübten sie irgendein Ritual? Jeder Versuch ihr Beiß, ihr Lager zu finden, war bis jetzt fehlgeschlagen. Die dunklen Kreaturen kamen aus dem Nichts und verschwanden auch immer ins Nichts. Die Bewohner der Gegend schienen machtlos.

Inzwischen war die Sonne hinter den Wäldern verschwunden und fast alle Elben hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Die Fenster und Türen waren so gut es ging verriegelt, Pferde und andere Hoftiere waren in ihren Ställen untergebracht worden. Nichts zeugte mehr von dem Leben, welches hier noch vor einer Weile stattgefunden hatte. Die Dorfbewohner waren gewappnet für die Nacht.

Gimli blickte zufrieden in seinen leeren Teller. „Ich danke Euch für dieses köstliche Abendmahl, Glowenya."
Die ältere Frau lächelte und nickte zufrieden. „Es freut mich, dass es euch allen geschmeckt hat. Ihr müsst wissen, ich bekomme nur sehr selten Besuch, welcher nicht aus diesem Dorf stammt."

„Ich wünschte bloß, die Umstände unseres Besuches wären etwas anderer Natur", sagte Loges, der ebenfalls zu Ende gegessen hatte.

„Die Konstellationen können leider nicht immer so stehen, wie wir es uns wünschen. Wir können nur darauf hoffen, dass diese Geschöpfe der Dunkelheit genug Unheil angerichtet haben für die nächsten Tage", antwortete die Elbin und erhob sich von ihrem Stuhl, um die Teller von Tisch zu räumen.

„Bitte lasst uns das machen", bot sich Meoden an, den Tisch abzuräumen. „Das ist das Geringste, was wir für Euch tun können, schließlich habt ihr uns Obdach gewährt und für unseren Freund gesorgt", sagte nun auch Loges und Gimli schloss sich zustimmend an. Zusammen räumten sie den Tisch ab und spülten das schmutzige Geschirr.

„Ich bin Euch sehr dankbar dafür. Es tut gut, ein paar so junge Leute im Haus zu haben."lächelte die ältere Frau. „Ich muss nur aufpassen, mir das nicht zur Gewohnheit zu machen."Die vier lachten herzlich.

„So, nun ist es doch langsam Zeit für die alte Dame um schlafen zu gehen. Zuvor werde ich noch einmal mach Eurem Freund sehen. Ich wünsche Euch eine gute Nacht."Glowenia verabschiedete sich und verschwand dann in einem der Nebenzimmer, in dem sich auch Legolas befand.

Nach einer Weile beschloss auch Gimli, sich etwas schlafen zu legen. Er war der letzte, der noch wach war und löschte daher alle Kerzen in der Küche aus, bevor er in sein Zimmer ging. Er hatte darum gebeten, seine Liege bei Legolas aufzuschlagen und niemand hatte etwas dagegen gehabt. So konnte er ein Auge auf seinen Freund werfen.

Der Elb lag immer noch genau gleich da, wie schon vor Stunden. Man hatte ihn vorsichtig auf den Rücken gelegt und ihn von seinem zerrissenen und schmutzigen Hemd befreit. Seine Augen waren geschlossen und unter ihnen hatten sich dunkle Ränder gebildet. Die ganze rechte Seite seines Kopfes war voller Schürfwunden, welche fein säuberlich gereinigt und verarztet wurden. Seine Haare waren gekämmt und von dem getrockneten Blut befreit worden. Anschließend hatte man sie nach hinten gebunden, um so seine Kopfwunde besser verarzten zu können. Sein Bein war geschient worden und auch seine gebrochenen Rippen waren versorgt. Die Heilung seines Körpers schien ohne Komplikationen vonstatten zu gehen und das freute den Zwerg.

Gilmi legte sich in sein Bett, doch er konnte nicht gleich einschlafen. Immer wieder gingen ihm die Bilder von Legolas Sturz durch den Kopf. Er sah das Gesicht seines Freundes, als das Seil riss. Dessen blaue Augen, welche sich kurz vor dem Fall geweitet hatten und zu ihnen hoch sahen, bevor er dann lautlos in die Tiefe stürzte. Legolas hatte keinen einzigen Laut von sich gegeben. Zeugte dies von dem großen Hochmut der Elben? Selbst in solchen Situationen waren sie nicht im Stand, um fremde Hilfe zu bitten oder ihre Ängste zu zeigen. Oftmals beneidete Gimli sie um diese Gabe, doch gab es auch Momente, in denen er ihren Stolz für eine Schwäche hielt.

Er hatte Legolas in den letzten Monaten oft darauf angesprochen, etwas leichter an manche Dinge heran zu gehen und es hatte im auch oft sehr viel Spaß gemacht, dem Elben zuzusehen, wenn er dies probierte. Vielleicht lag es einfach nicht in der Natur dieser gravitätischen Geschöpfe, sich unbefangen zu geben. Es musste wohl so sein. Für einen Zwergen war dies eine Tatsache, mit der er nicht übereinstimmen konnte und die er auch nie verstehen würde aber er versuchte sie zu akzeptieren.

Er hoffte inständig, dass eben diese Eigenschaft nicht plötzlich, wie viele andere Eigenschaften, welche er an Legolas sehr schätzte, nach seinem Aufwachen verschwunden sein würde. Glowenya hatte ihn darauf hingewiesen, dass ein solch ungebremster Aufprall auf den Kopf, wie sein Freund einen gehabt haben musste, mit vielen Nachwirkungen und vielleicht sogar Veränderungen der Persönlichkeit verbunden sein konnte. Gimli überlegte immer und immer wieder an dieser Sache herum, doch er versuchte, sie mit einem energischen Kopfschütteln irgendwie aus seinen Gedanken zu verdrängen. Morgen würde vielleicht alles geklärt sein. Legolas würde aufwachen und im späteren Leben würden nur noch Narben von diesen Geschehnissen zeugen.

Der Zwerg schloss die Augen und verfiel endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Rauschen des Wassers umgab ihn. Er öffnete seine Augen und konnte sehen, dass er inmitten einer riesigen Moosfläche, welche sich über den Waldboden erstreckte, lag. Langsam stand er auf und drehte sich in alle vier Windrichtungen, doch konnte er nirgends Wasser entdecken. Von wo kam dieses Geräusch? Er blickte sich weiter um. An den Bäumen hingen seltsame und doch wunderschöne Blüten, Blüten wie er sie noch nie gesehen hatte. Vögel zwitscherten und auch andere Tiere waren zu hören. Er sah zwischen den Baumkronen in den Himmel hoch, er war blau, ein wunderschönes Blau. Vor ihm erstreckte sich ein kleiner Weg, der direkt auf einen Hügel führte. Er beschloss, von da aus die Umgebung genauer zu betrachten. Je weiter er nach oben stieg, desto besser konnte er das Rauschen vernehmen. Die letzten Meter rannte er. Blätter verdeckten ihm die sich und er entschloss sich, sich einen Weg durch sie hindurch zu bahnen.

Dann plötzlich stand er da und wich überrascht einen Schritt zurück. Vor ihm erstreckte sich eine gewaltige Klippe und er stand am höchsten Punkt. Doch was er sehen konnte, raubte ihm fast die Sinne. Eine Wasserfläche bis zum Horizont und noch viel weiter. Die leuchtenden Farben blendeten ihn und er schirmte sich mit einer Hand etwas die Augen ab. Handelte es sich hier um das Meer? Wellen, so gross wie sie auf einer See nie sein könnten, suchten sich ihren Weg ans Ufer. Möwen kreisten über dem Strand welcher sich viele Meter unter seinen Füssen erstreckte.

Legolas war gebannt von der Schönheit, welche sich ihm hier bot. Ohne weiter zu überlegen entschloss er sich, zu dem fast weissen Sandstrand hinunter zu klettern. Langsam setzte er einen Fuss nach dem anderen und ertastete so die Tragkraft der kleinen Hervorhebungen in der Felsen. Stück für Stück näherte er sich seinem Ziel, bis er plötzlich mit einer Hand abrutschte und sich nicht mehr halten konnte. Er stürzte in die Tiefe.

Legolas schreckte hoch. Im selben Moment wurde sein ganzer Körper von einem stechenden Schmerz durchzogen. Er fasste sich an die Brust und konnte einen Verband spüren. Sein rechtes Bein schmerzte ebenfalls und in seinem Kopf pochte es.

Seltsam...

Er versuchte sich daran zu erinnern, was geschehen war, doch bei jedem Versuch, klare Bilder zu sammeln, meldete sich ein betäubender Schmerz und er kniff die Augen zischend zusammen. „Erinnere dich, Legolas, erinnere dich!" sprach er immer wieder leise zu sich. Auf einmal konnte er wieder Bilder erkennen, welche sich zu einem Ablauf zusammen trugen.

Er war in einem Wald, er hörte das Rauschen des Wassers und da waren Gestalten. Dunkle Gestalten! Er konnte sich daran erinnern, ein Gespräch mit seinem Vater gehabt zu haben. Doch den Grund dafür wusste er nicht mehr. Wieder war da das Geräusch des Wassers. Der Duft frischer Blütenknospen. Viele Farben, Bäume und das Meer...

Langsam öffnete er die Augen doch was er sehen konnte war nur Dunkelheit. Wo war er? Er konnte nichts erkennen und auch dieser Duft war ihm fremd. Ein weiches Fell, er lag auf einem Bett. Er richtete sich langsam auf, so dass er eine sitzende Position annehmen konnte. Seine Beine ließ er langsam auf den Boden gleiten. Tastend suchte er nach einer Kerze auf dem niedrigen Tischlein, welches er nehmen dem Bett erspürt hatte. Hier musste es doch eine Kerze geben! Er tastete sich weiter durch die Behälter und Gläser welche dort standen. Keine Kerze war zu finden.

„Hallo, ist hier jemand?" sagte er nun leise, doch es folgte keine Antwort. Ein flüchtiger Seufzer entkam seinem Mund. Er wusste nicht, wo er war und er konnte sich auch nur vage an das erinnern, was geschehen war. Vielleicht war es besser darauf zu warten, bis der erste Lichtstrahl den Raum erhellen würde. Vielleicht konnte er dann auch etwas klarere Gedanken fassen.

Langsam zog er seine Beine wieder über den Bettrand hoch als im gleichen Moment laute Schreie, welche von draußen zu kommen schienen, zu hören waren. Legolas horchte auf. Hier schrie jemand nach Hilfe! Nur wenige Sekunden später waren weitere männliche Stimmen hinzugekommen. Ohne auf seine Schmerzen zu achten, stand der Elb auf und machte sich mit wackeligen Schritten auf die Suche nach dem Ausgang. Er schloss seine Augen für einen kurzen Moment und hoffte darauf, wenn er sie wieder öffnen würde, würde er Umrisse in der Dunkelheit erkennen können. Nichts.

Plötzlich spürte er vor sich etwas. Doch noch bevor er nach ihm gegriffen hatte, konnte er ein lautes Krachen vernehmen. Der Gegenstand war zu Boden gefallen. Er bückte sich so gut es mit seinem Schmerzenden Rippen und seinem geschienten Bein ging und tastete am Boden danach. Es fühlte sich an wie sein Langbogen und er war es auch. Er konnte deutlich die eingeschnitzten Zeichen und die Krümmung des Holzes fühlen. Langsam richtete er sich wieder auf. Nun hatte er wenigstens eine helfende Stütze gefunden, welche ihm sein Gewicht etwas abnahm. Weitere Schreie waren zu vernehmen und Legolas drehte sich instinktiv in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er hoffte, auf dieser Seite des Raumes einen Ausgang zu finden. Er beschleunigte seinen Gang so gut es ging und lief mit schwankenden, schlurfenden Schritten in diese Richtung, als der Bogen unerwartet gegen etwas prallte und aus seinen Händen glitt. Er verlor den Halt und stolperte über ein massives Objekt, welches direkt vor seinen Füssen stand. Er versuchte, sich noch irgendwo festzuhalten, doch riss stattdessen nur ein Stück Stoff mit sich. Er schlug mit seinem Kopf hart gegen eine Kante und dann fiel er auf Hände und Knie. Ein weiterer Schmerzschwall überkam ihn. Er sackte langsam zusammen und verlor das Bewusstsein.

Gimli saß mit den anderen in der Küche, als er von der Strasse her einen lautern Schrei vernehmen konnte. Schnell griff er nach seiner Axt und rannte aus dem Haus, gefolgt von Loges und Meoden. Nicht weit von ihnen entfernt waren gerade mehrere dunkle Gestalten über eine junge Elbin hergefallen und schleppten sie nun mit sich. Der Zwerg und mehrere Elben folgten ihnen die Strasse entlang bis weit in den Wald hinein, doch die Kreaturen waren auch dieses Mal zu schnell. Nach mehreren Minuten, in denen sie ihren Spuren gefolgt waren, hatten sie sie plötzlich aus den Augen verloren. Nun endlich wurde auch dem Zwergen klar, mit welchem gefährlichen, gerissenen und hartnäckigen Feinden sie es hier zutun haben mussten.

Trauer herrschte, Trauer um ein weiteres Opfer. Die Elben stimmten während ihres gemeinsamen Marsches zurück in das Dorf ein Trauerlied ein. Gimli kannte den Text nicht und konnte auch nicht verstehen, was sie sangen, doch erfüllte auch ihn dieses Lied mit großer Trauer um diese arme Elbin und ihr ungewisses Schicksal.

Immer mehr weibliche Stimmen sangen mit, desto weiter sie sich dem Zentrum der Siedlung näherten. Weitere Elben kamen mit gesenktem Kopf aus ihren Häusern und stimmten in den Gesang ein. Auch Glowenya hatte sich inzwischen zu ihnen gesellt. Tränen waren in den Gesichtern vieler dieser stolzen Geschöpfe zu erkennen.


to Elanor: Freue mich, dass dir die FF gefällt! Ein paar der elbischen Sätze habe ich aus den Film-Trilogien und andere habe ich wiederum auf I-Net Seiten gefunden. Natürlich besitze ich auch die Elbisch-Bücher von W. Pesch aber ich war bis jetzt zu faul, um mir selber Sätze zusammen zu basteln! ;) kopfschüttel