Liebe Leonel Vielen Dank für dein Review! In dieser Geschichte steht endlich einmal Boromir im Mittelpunkt. Ich glaube, ich habe selbst noch keine Geschichte im deutschen Bereich gelesen, in der sich Boromir einmal verlieben darf (außer in Aragorn, Haldir oder Legolas, hüstel ) . Jetzt darf er endlich einmal einer holden Maid den Hof machen. Viel Spaß beim Lesen!
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2. Kapitel: Die Besucher
Als Boromir am nächsten Morgen aus seinen Gemächern trat und Faramir erblickte, brach er erstmal in schallendes Gelächter aus.
„Was ist denn?" fragte der junge Mann empört.
„Kaum hörst du, dass eine Maid zu Besuch kommt, rasierst du dich und wäscht deine Haare", prustete Boromir.
Er ging hin zu seinem Bruder und beschnupperte ihn.
„Rieche ich da nicht Lavendel-Seife? Du kommst mir vor wie ein eitler Geck."
Er wuschelte kurz durch Faramirs rote Locken, die durch die Wäsche besonders füllig wirkten, was ihm einen ärgerlichen Knuff seines Bruders einbrachte.
„Du brauchst auch nichts zu sagen, Boromir", sagte dieser schließlich ungehalten. „Ist das nicht deine beste Tunika, die du trägst? Und deinen Bart hast du auch zurechtgestutzt, wie ich sehe. Du hast mir mal gesagt, dass du dieses Gewand hasst, weil es so höfisch aussieht. Wer ist denn nun hier der Geck?"
Boromir sah an sich herab und fing erneut an zu lachen. Diesmal lachte auch Faramir mit.
Falborn, der alte Diener, kam den Gang herabgeeilt.
„Ihr müsst Euch beeilen, Ihr hohen Herren!" rief er schon von weitem besorgt. „Euer Vater erwartet Euch längst. Habt Ihr die Zeit vergessen? Der Besuch aus Rohan kann jederzeit eintreffen."
„Verdammt!" fluchte Boromir leise. „Jetzt aber nichts wie los."
Als sie den Thronsaal betraten, saß Denethor bereits auf seinem schwarzen Marmorthron. Auch er wirkte heute noch etwas gepflegter als sonst. Als er seine Söhne erblickte, konnte er ein kurzes Schmunzeln nicht unterdrücken.
Warum macht ein Mannsbild sich zum Narren, wenn ein Weiberrock ins Haus kommt, fragte sich der Truchseß amüsiert im Stillen.
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Die Einwohner von Minas Tirith bestaunten die Besucher aus dem fernen Rohan. Besonders die hochgewachsene Frau mit dem hüftlangen, hellblonden Haar fiel ihnen auf. Sie saß auf einer Schimmelstute, die prächtig aufgezäumt war. Ihr Kleid aus hellgrünem Samt bot einen wundervollen Kontrast zu ihrem hellen Haar. Ihr Gesicht war ebenmäßig schön und ihre Augen leuchtend blau. Sie drehte sich etwas unsicher zu dem älteren Mann an ihrer Seite um, der eine kunstvoll gearbeitete Rüstung trug.
„Vater, die Leute sehen mich an, als wenn sie noch nie eine Frau erblickt hätten", flüsterte sie nervös.
Werhold, der Ritter aus Rohan, lächelte.
„Solch helle Haare hat hier unten im Süden niemand, mein Kind."
Langsam ritt die Schar, die einige Pferde mit sich führte, die Zirkel hinauf zur Zitadelle. Im sechsten Festungsring hieß man ihnen, von den Pferden abzusteigen, da sich dort die Stallungen befanden. Prinz Theodred, ein etwa dreißigjähriger Mann mit dunkelblondem Haar, erteilte seiner Eskorte den Befehl, im sechsten Festungsring zu bleiben und auf die wertvollen Rösser, die man Denethor verkaufen wollte, aufzupassen. Er selbst durchschritt mit Werhold und Gwen das Tor zum siebten und letzten Zirkel. Gwen staunte, als sie den toten weißen Baum in der Mitte des großen Hofes sah, der von einigen hochgeschmückten Soldaten bewacht wurde.
„Vater, warum wird dieser absgestorbene Baum bewacht?" wisperte sie neugierig.
„Sei still, mein Kind", erwiderte Werhold etwas angespannt. „Ich werde dir später davon erzählen. Wir werden gleich vor dem Truchseß und dessen Söhnen stehen."
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Boromir und Faramir hatten sich rechts und links neben dem Thron ihres Vaters aufgestellt, als ein Diener angekündigt hatte, dass der Besuch aus Rohan gerade den siebten Zirkel betreten hatte. Die beiden Brüder warfen sich vielsagende Blicke zu. Jeder wusste, was der andere gerade dachte: wie würde diese Maid aus Rohan wohl aussehen?
Dann ging die große Tür zur Halle auf und die drei Besucher traten ein.
Prinz Theodred ging voran und hob die Hand zum Gruß.
„Ich grüße Euch, Fürst Denethor, Ecthelions Sohn!" rief er mit fester Stimme. „Und auch Euch Ihr Herren Boromir und Faramir!"
Denethor brachte nur ein herablassendes Lächeln zustande. Schließlich handelte es sich nur um den Sohn des Königs von Rohan, und nicht um Théoden selbst.
„Wen habt Ihr da mitgebracht, Prinz der Pferdeherren?" fragte er gelangweilt.
„Das ist mein treuer Ritter Werhold, einer der ersten Edelmänner Rohans und seine wunderschöne Tochter Gwen, die hier in Minas Tirith bei Verwandten zukünftig wohnen wird", erklärte Théodred ruhig.
Boromir und Faramir, welche die ganze Zeit Gwen angestarrt hatten, sahen sich kurz lächelnd an.
„Was will denn die Rohan-Maid in Gondor?" fragte Denethor verächtlich.
Seine Söhne sahen peinlich berührt zu Boden. Der abfällige Unterton in der Stimme des Truchsessen war kaum zu überhören.
Werhold räusperte sich.
„Nun, meine Tochter möchte gerne die Sitten und Gebräuche am Hofe von Minas Tirith lernen."
„Aufgetragen wurde ihr das von meiner Base, Frau Éowyn", ergänzte Théodred.
„Ah, ich verstehe." Denethor lächelte süffisant.
„In der Goldenen Halle soll also endlich die Zivilisation einkehren. Das wurde auch Zeit."
Gwen ballte langsam ihre Hände zu Fäusten. Dieser Truchseß nahm sich ja allerhand heraus. Er war nicht mal ein König, führte sich aber auf, als wäre er der Alleinherrscher über Gondor und Rohan zugleich. Sie hatte bereits jegliche Lust verloren, in Gondor länger zu bleiben. Wenn hier alle Menschen so hochmütig waren, dann hatte es keinen Wert, irgendwelche höfischen Sitten zu erlernen. Im Geiste legte sie sich schon die Worte zurecht, die sie ihrer Herrin Éowyn bei der Rückkehr sagen würde.
„Ich möchte jetzt die Pferde sehen", sagte Denethor ungeduldig. „Schließlich will ich ja nicht die Katze im Sack kaufen."
„Dann kommt mit mir", nickte Werhold demütig. „Es sind gute Pferde aus meiner Zucht. Auch Schneemähne, das Roß des Königs, ging daraus hervor."
Der Truchseß und der Ritter verließen die Halle. Gwen sah bedrückt ihrem Vater nach. Derweil fielen sich Théodred und die Brüder freudig in die Arme.
„Es tut uns so leid, was unser Vater vorhin alles gesagt hat", sagte Boromir sofort.
„Wir haben uns aufrichtig geschämt", fügte Faramir hinzu.
Gwen beobachtete die Brüder interessiert. Offensichtlich waren sie nicht so arrogant wie ihr Vater.
Schließlich kam Boromir auf sie zu und reichte ihr lächelnd die Hand. Dabei verbeugte er sich leicht.
„Seid auch Ihr herzlich willkommen in Minas Tirith, Herrin!"
Gwen errötete ein wenig. Dieser junge Mann brachte sie ganz aus der Fassung. Er sah wirklich gut aus mit den langen rötlich-blonden Haaren und dem gepflegten Kinnbart. Seine kräftige Statur beeindruckte sie außerdem. Sie brachte vor Verlegenheit kein Wort hervor und war daher froh, dass Boromir weiterredete, während sein Bruder sich mit Théodred unterhielt. Sie bekam mit, dass er Théodred über Éowyn ausfragte.
„Habt Ihr tatsächlich Verwandte in Minas Tirith?" fragte Boromir ein wenig neugierig.
„Ja, sie wohnen im fünften Festungsring, soviel ich weiß", erwiderte Gwen scheu. „Es ist die Schwester meiner Mutter, die nach Gondor geheiratet hat, und ihre Familie."
Jetzt trat auch Faramir heran und begrüßte Gwen höflich. Er verbeugte sich ebenfalls vor ihr.
„Ihr kennt Éowyn, Herr Faramir?" fragte sie neugierig.
„Kennen ist wohl zuviel gesagt", erwiderte Faramir lächelnd. „Bei unserem letzten Besuch in Rohan, der schon über 5 Jahre zurückliegt, habe ich sie einmal gesehen. Sie war damals fast noch ein Kind. Ich wollte nur wissen, wie es ihr jetzt geht."
„Ich bin Éowyns Hofdame", erklärte Gwen stolz. „Sie ist nun eine erwachsene, wunderschöne Frau und wird von allen die Weiße Herrin Rohans genannt."
„Faramir, wenn du tatsächlich Frau Éowyn den Hof machen willst, dann musst du dich beeilen", spottete jetzt Boromir belustigt. „Sie ist im heiratsfähigen Alter. Du bist bestimmt nicht ihr einziger Verehrer."
„Du weißt doch, dass das nicht geht", erwiderte Faramir leise und er senkte bedrückt den Kopf.
„Reite mit mir nach Edoras, Faramir!" rief Théodred ihm aufmunternd zu. „Dort bist du dann mein Gast und kannst Éowyn den Hof machen."
„Vater lässt mich nicht weg", sagte Faramir kopfschüttelnd. „Er braucht uns hier. Wir sind die ersten Heerführer Gondors. In Ithilien fallen ständig feindliche Ork- und Südländertruppen ein. Ich bin dafür verantwortlich, dass dieses Land sicher bleibt. Und Boromir ist der Heermeister des Weißen Turms, der oberste Feldherr Gondors. Wir haben keine Zeit, uns mit Damen zu beschäftigen."
„Das ist sehr bedauerlich", meinte der Prinz von Rohan mitfühlend. „Bei uns im Norden ist es im Augenblick noch ziemlich sicher. Ab und zu gibt es Scharmützel mit Dunländern, aber ansonsten haben wir Frieden und Ordnung."
„Das ist schön, dass wenigstens in der Mark Ruhe herrscht", seufzte Boromir fast ein wenig neidisch.
Falborn trat jetzt in die Halle ein. Er verneigte sich vor den vier jungen Leuten.
„Ich soll Prinz Theodred und Frau Gwen ihre Gastzimmer zeigen."
Boromir und Faramir blieben in der Halle, um auf ihren Vater höflich zu warten.
Derweil folgten Gwen und Théodred dem alten Diener durch die pompösen Korridore. Besonders Gwen, die noch nie zuvor in Minas Tirith gewesen war, starrte beeindruckt auf die Gemälde, Statuen und wertvollen Teppiche. So etwas gab es in Rohan nicht. Sie musste innerlich eingestehen, dass die Kultur der Rohirrim weit unter der von Gondor stand.
Wir sind wirklich nur einfaches Volk von Bauern und Pferdezüchtern gegen die Gondorianer, dachte sie bedrückt.
„Die zwei Söhne des Truchsessen haben es nicht leicht", sagte Théodred plötzlich zu ihr in der Mundart des Nordens. „Ich möchte mit den Beiden nicht tauschen. Ich bin froh, dass mein Vater nicht so ein kalter, machtgieriger Herrscher wie dieser Denethor ist. Er behandelt seine Söhne wie sein Eigentum. Ich sehe, wie schwer die Bürde, irgendwann Herrscher von Gondor zu sein, auf Boromir lastet. Und der arme Faramir gilt seinem Vater als Zweitgeborener weniger wie der Dreck unter seinen Fingernägeln."
Gwen verschlug es erst einmal die Sprache, als diese Worte des Prinzen hörte. Aber sie musste ihm recht geben.
„Ich war auch sehr schockiert, wie dieser Truchseß mit Euch, mein Herr, umgesprungen ist", sagte sie schließlich. „Ich denke, seine Söhne sind ganz anders als er. Sie sind anständige, nette, junge Männer."
„Besonders Boromir scheint einen Eindruck auf Euch gemacht zu haben", meinte Théodred grinsend.
Gwen errötete und blickte zu Boden. Sie war froh, dass jetzt Falborn, der offensichtlich kein Wort ihrer Konversation verstanden hatte, eine Tür auf der rechten Seite des Ganges öffnete. Schnell huschte sie hinein.
