Leonel : Vielen Dank für deine fachliche Beratung über das Verhalten von Pferden im nächsten Kapitel! Das hat mir enorm weitergeholfen und so wird das, was sich im nächsten Kapitel ereignet, ziemlich realitätsnah sein.
Meleth: Tja, bisher ist Boromir irgendwie immer zu kurz gekommen in Sachen Frauen. Im Buch/Film wird er ja nicht gerade als großer Romantiker und Frauenversteher dargestellt. Aber ich denke, dass Boromir auch irgendwann mal verliebt war.
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Kapitel 4: Das Turnier
In den nächsten Tagen trafen immer immer mehr Gäste und Schaulustige aus den Ländereien Gondors ein. Auch Fürst Imrahil von Dol Amroth kam mit seiner Familie in der Hauptstadt an. Als enge Verwandte der Truchsessfamilie durften Imrahil und seine Angehörigen in der Zitadelle wohnen. Freudig begrüßten Faramir und Boromir ihren Onkel, ihre Vettern und ihre Base. Nur Denethor blieb distanziert. Die Begrüßung zwischen ihm und Imrahil fiel eisig aus. Gwen bekam das natürlich auch mit und empörte sich im Stillen einmal wieder über das Verhalten des Truchsessen. Imrahil war ihr sofort sympathisch. Seine grauen Augen blickten stets freundlich drein. Obwohl er schon weit über fünfzig war, wirkte er weitaus jünger. Sein Haar war noch rabenschwarz und sein edel geschnittenes Gesicht fast faltenlos. Gwen wusste von Boromir, dass Imrahil elbische Vorfahren hatte. Sie schmunzelte leicht: Boromir schien von diesem Elbenblut nicht viel mitbekommen zu haben. Nein, er wirkte so ganz und gar nicht elbisch. Eher wirkte Faramir mit seiner ruhigen, nachdenklichen Art elbenhaft.
Bei den Mahlzeiten wurde Denethors Tafel von Tag zu Tag voller: schon bald gesellte sich der Bürgermeister von Pelargir dazu, Ritter Dervorin aus dem Ringló-Tal, Ritter Duinhir und seine Söhne aus dem Hochland Morthond, Fürst Golasgil von Anfalas und Hirluin, der Schöne aus den Grünen Bergen von Pinnath Gelin.
Besonders Faramir blühte in der wachsenden Gesellschaft von Edelleuten aus dem ganzen Reich sichtlich auf. Endlich einmal war auch seine Meinung gefragt und er spürte die Achtung der Rittersleute vor seinem enormen Wissen.
Boromir hatte in diesen Tagen kaum Zeit für Gwen: er musste seine Pflichten als Gastgeber wahren. Nur abends gelang es ihm ab und zu mal eine Stunde zu stehlen, um sich heimlich mit Gwen im Garten zu treffen.
„Wenn ich das Turnier gewinne, dann erwähle ich dich zu meiner Schönheitskönigin", erklärte der junge Mann leidenschaftlich.
Gwen senkte errötend den Kopf.
„Aber ich bin nicht mal eine Edeldame", meinte sie verlegen. „Die edlen Maiden Gondors werden wütend sein."
„Du bist eine edle Dame aus Rohan", sagte Boromir kopfschüttelnd. „Dein Vater ist schließlich ein Ritter. Was die Maiden Gondors denken, sollte uns beiden gleich sein."
Da lächelte Gwen und sah ihn liebevoll an. Boromir konnte nun nicht länger widerstehen und er gab Gwen einen ersten Kuss, der noch recht zaghaft war. Doch dann rückte Gwen etwas näher an ihn heran und sie küssten sich richtig leidenschaftlich.
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Am Tag vor dem Turnier begutachtete Denethor seine Söhne. Er wusste, dass er sich auf Boromir verlassen konnte, deswegen richtete er sein Augenmerk hauptsächlich auf Faramir. Dieser trainierte heute, am letzten Tag, für die Sauhatz.
„Warum nimmst du dein altes Pferd, Faramir?" fragte der Truchseß ungehalten. „Wozu habe ich dir den edlen, jungen Hengst aus Rohan gekauft?"
„Gildan ist mir noch ein wenig zu temperamentvoll", gestand Faramir verlegen. „Ich bin bis jetzt nur einmal mit ihm im Hof herumgeritten. Und das war im Schritt."
„Ich möchte, dass du morgen Gildan reitest", rief Denethor erbost. „Was sollen unsere Gäste aus Rohan denken, wenn du auf diesem Klepper zum Turnier antrittst?"
„Gut, dann werde ich Gildan reiten", sagte der junge Mann schließlich schweren Herzens.
Er ließ Fenyafot, den betagten Hengst, zurück zu den Ställen bringen und Gildan, den jungen Schimmel aus Rohan, holen.
Denethor hatte inzwischen wieder den Turnierplatz verlassen. Er wollte sich mit Fürst Imrahil und den anderen Edelleuten aus seinem Reich zu einem Imbiß im vierten Festungsring treffen.
Ein Stalljunge kam auf Gildan herangesprengt. Milu, der Junge, konnte gut mit Pferden umgehen und hatte Faramir schon manch guten Ratschlag gegeben.
„Gildan ist heute sehr nervös wegen des ganzen Trubels", sagte er warnend zu dem jungen Heermeister. „Gebt acht, dass er Euch nicht abwirft."
Faramir wollte seine Unsicherheit überspielen, indem er forsch auf das Pferd zuging. Er machte den Fehler, dass er dabei dem Hengst direkt in die Augen sah. Der Schimmel warf seinen Kopf hoch und schreckte zurück. Schnell ging Milu auf Gildan zu und beruhigte ihn. Er hielt den Hengst solange an den Zügeln fest, bis Faramir aufgestiegen war. Dann gab Milu ihm die Lanze in die Hand. Faramir ritt vorsichtig los. Es war nicht einfach für ihn, das Pferd mit einer Hand zu lenken. Er ritt den Turnierplatz entlang zu dem mit Stroh ausgestopften Sack, der zu Übungszwecken diente. Nach drei Versuchen gelang es Faramir den Sack richtig mit der Lanze zu treffen. Erleichtert lenkte er Gildan wieder zu Milu zurück, der ihn beobachtet hatte.
„Es ist doch ganz gut gegangen", bemerkte Faramir lächelnd und er klopfte Gildans Hals.
„Ihr solltet heute noch mehr Zeit mit Gildan verbringen, damit morgen alles gut geht", mahnte Milu. „Das Pferd kennt Euch noch nicht gut genug, Herr."
Faramir stieg seufzend ab.
„Ich habe leider keine Zeit", sagte er bedauernd. „Ich muß mich heute noch im Bogenschießen üben und noch einige Pflichten wegen der Feierlichkeiten wahrnehmen. Es wird schon gut gehen."
Milu schwieg. Es stand ihm nicht zu, den Sohn des Truchsessen noch mehr zu mahnen.
§
Am nächsten Vormittag war es soweit: ganz Minas Tirith strömte hinunter zum Turnierplatz, wo mehrere Tribünen errichtet waren. Das Wetter spielte auch mit: es war ein herrlicher, sonniger Tag. Um den Turnierplatz herum waren viele Zelte und Stände aufgebaut: es gab Gaukler, Minnesänger und andere Spielleute, Feuerschlucker, fahrende Händler, die allerlei Tand verkauften und auch Falkner, die ihre edlen Vögel ausstellten.
Staunend besah sich Gwen zusammen mit ihrem Vater die vielen Stände. So etwas hatte sie noch nie gesehen. In Rohan gab es solche Attraktionen nicht.
Auch aus den umliegenden Dörfern und Städten waren die Leute zum Zuschauen gekommen, soweit sie es sich leisten konnten. Als ein Trommelwirbel und die Fanfare von Trompeten ertönte, strömten die Leute auf die Zuschauertribünen. Denethor hatte natürlich den besten Platz auf der Ehrentribüne. Um ihn herum saßen die ganzen Edelleute von Gondor. Unter einem weiteren Trommelwirbel zogen nun die Turnierteilnehmer auf den großen Platz ein. Ihnen voraus lief eine Hexe, die einen Besen schwenkte. Boromir war der Erste, der in seiner silbernen Rüstung in die Arena ritt. Das Volk Gondors jubelte ihm zu und Gwens Herz begann heftig zu schlagen. Denethor strahlte vor Stolz von einem Ohr bis zum anderen.
„Das ist Gondors Bester", sagte er vor sich hin.
Auch Prinz Theodred befand sich unter den Reitern. Als die Reiter in der Arena standen, rückten die Bogenschützen ein. An ihrer Spitze marschierte Faramir, der seine Waldläufer-Lederrüstung trug. Auch ihm jubelte das Volk begeistert zu. Denethor war natürlich stolz, dass auch sein Zweitgeborener so beliebt beim Volk war und er strahlte erneut.
Mit dem Bogenschützen-Wettbewerb begann das Turnier. Viele gute Bogenschützen aus ganz Gondor zeigten ihr Können an der Zielscheibe. Aber niemanden gelang es, drei Pfeile hintereinander in das aufgemalte Herz zu schießen. Doch Faramir gelang es. Und unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Menschen wurde der junge Heermeister zum Sieger des Wettbewerbes gekürt. Denethor klatschte begeistert Beifall und nickte Faramir wohlwollend zu. Nichts anderes hatte er von seinem jüngsten Sohn erwartet. Doch Faramir gelang nur ein verzerrtes Lächeln. Ihm stand ja noch die Sauhatz bevor und er hatte irgendwie ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Doch zunächst fanden andere Wettbewerbe statt: das Tjosten, an dem Keiner der beiden Brüder teilnahm, und das der junge Elphir von Dol Amroth gewann.
Dann kam das Ringstechen an die Reihe. Boromir war jetzt in seinem Element. Ihm gelang es , die meisten Strohringe auf seine Lanze heben. Er hatte elf Ringe auf seiner Lanze, die Anderen hatten höchsten fünf Ringe erbeutet. Der Beifall kannte keine Grenzen. Denethor erhob sich und klatschte, bis ihm die Hände wehtaten.
„Wenn Boromir jetzt noch das Lanzenstechen gewinnt, ist er der Turniersieger", sagte der Truchseß zu Herrn Werhold und seiner Tochter.
„Aber wenn Faramir die Sauhatz gewinnen sollte, dann hat er ja auch zwei Wettbewerbe gewonnen?" wunderte sich der Rohan-Ritter laut.
„Das Bogenschießen gilt nicht soviel wie ein Wettbewerb zu Pferd", erklärte Denethor lächelnd.
Gwen fand das irgendwie ungerecht, aber sie schwieg dazu.
Nun traten die Ritter zur Sauhatz an. Während Boromir jetzt Pause hatte, musste Faramir wieder ran. Zu allem Unglück war Milu heute krank. Er lag mit hohem Fieber in seinen Bett im sechsten Festungsring. Das machte Faramir doppelt nervös. Ein anderer Junge brachte Gildan.
„Nun komm schon", murmelte Faramir dem Schimmel zu, der auch nervös wirkte.
Der junge Mann trug jetzt eine schwere Rüstung, die ihm beim Reiten eher hinderlich als nützlich sein würde. Mit Mühe stieg er auf Gildan hinauf. Der Schimmel tänzelte unruhig. Ein Knappe gab Faramir die Lanze in die Hand. Dann musste er in die Arena reiten.
Gildan war zwar ein ausgebildetes Pferd, doch diese riesige Menschenansammlung ließ ihn noch unruhiger werden. Faramir konnte ihn kaum halten. Und er war froh, als das Signal zum Losreiten gegeben wurde. Der junge Heermeister wollte das Schwein, das es zu erlegen galt, als Erster erreichen, doch Gildan war nicht schnell genug. Faramir drückte ihm die Beine in die Seite und zerrte am Zügel. Der irritierte Hengst blieb stehen, stieg hoch und versuchte Faramir abzuwerfen.
Denethor sprang empört von seinem Sitz auf: sein Zweitgeborener war auf dem besten Wege, ihm Schande zu bereiten. Ein besorgtes Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer. Doch noch saß Faramir im Sattel. Als die Vorderbeine des Pferdes wieder den Boden berührten, drückte er ihm heftig seine Absätze an den Leib. Das ließ den Hengst nach vorne schnellen. Verzweifelt versuchte er, Gildan in Richtung des Schweines zu lenken, das wildgeworden in der Arena umhersprang. Auch die anderen Ritter hatten ihre liebe Not, das Tier zu erlegen. Als Faramir erneut die Zügel straff anzog, ging Gildan entgültig durch. Das Pferd nahm die Gebissstange des Zaumes zwischen die Zähne und fing jetzt heftig zu bocken an. Der junge Mann merkte, dass er jeden Moment vom Pferd stürzen konnte und warf die Lanze weg, doch es war zu spät. Er konnte sich nicht länger halten und fiel von Gildan. Ein anderer Reiter konnte sein Pferd nicht mehr rechtzeitig durchparieren und so sprang es über den am Boden liegenden Faramir hinweg. Ein entsetzter Aufschrei ging durch die Menge.
Boromir wollte gerade in die Arena rennen, als er sah, dass sich Faramir wieder aufrappelte. Beschämt humpelte der junge Mann aus der Arena. Inzwischen hatte Ritter Dervorin aus dem Ringló-Tal die Sau erlegt und somit den Wettbewerb gewonnen. Faramir ließ sich schweratmend vor seinem Zelt nieder und nahm den Helm ab.
„Ich habe versagt!" rief er Boromir verzweifelt zu. „Jetzt wird Vater mich zur Strafe wegschicken, damit ich am Fest nicht mehr teilnehmen kann."
„Du hattest keine Schuld", sagte Boromir kopfschüttelnd. „Es war dieser bockende Rohan-Hengst, der offensichtlich keine Turniere gewohnt ist. Warum hast du ihn überhaupt genommen?"
„Ich wollte ja gar nicht", meinte Faramir bedrückt. „Vater hat es befohlen."
„Dann ist es seine Schuld", erwiderte sein Bruder ungehalten. „Vater hat anscheinend weniger Ahnung von Pferden, als ich dachte."
Ein Trompetenstoß kündigte den letzten Wettbewerb an und somit den Höhepunkt des Turniers: das Lanzenstechen. Boromir machte sich bereit und setzte den Helm auf. Faramir schlich zur Arena zurück, um seinem Bruder zuzusehen. Ein Knappe hatte inzwischen Gildan eingefangen und brachte ihn zu den Stallungen.
Das Lanzenstechen begann: die ersten beiden Ritter traten gegeneinander an. Prinz Theodred und Elphir von Dol Amroth. Dem Rohir gelang es, den Fürstensohn aus dem Sattel zu heben. Fürst Imrahil sprang besorgt von seinem Sitz auf. Doch seinem Sohn war zum Glück nichts geschehen. Elphir rappelte sich auf und verließ wehmütig winkend den Turnierplatz. Einige weitere Paarungen folgten. Als letztes trat Boromir gegen Ritter Duinhir aus Morthond an. Duinhir war mit zweiundfünfzig Jahren der älteste Teilnehmer. Doch er war einer stärksten Männer Gondors. Kein einfacher Gegner für den Sohn des Truchsessen. Mit einem Aufschrei ritt Boromir auf Duinhir los, die Lanze auf die Brust des Ritters gerichtet. Und der junge Mann traf den älteren Ritter. Doch Duinhir wankte nur kurz und blieb im Sattel sitzen. Boromir wendete sein Pferd am Ende der Barriere. Und erneut ritt er auf Duinhir los, doch diesmal griff der Ritter auch an. Zum Glück verfehlte er Boromir, der geschickt auswich. Duinhir bekam durch das Übergewicht und fiel vom Pferd. Somit hatte Boromir gewonnen.
Die Freude der Zuschauer kannte keine Grenzen mehr. Denethor als Veranstalter des Turniers erhob sich und erklärte seinen ältesten Sohn feierlich zum Sieger. Er hängte einen Blumenkranz über Boromirs Lanze.
Nach alter Sitte durfte dieser jetzt seine Schönheitskönigin erwählen. Bisher hatte Boromir immer jedes Jahr seine Base Lothiriel von Dol Amroth erwählt. Doch diesmal bekam Gwen den Blumenkranz. Denethor sah etwas überrascht drein. Damit hatte er nicht gerechnet. Gwen setzte sich den Kranz auf das blonde Haupt. Beim Fest würde sie offiziell Boromirs Tischdame sein und mit ihm den Abend verbringen dürfen. Lothiriel schmollte.
