Liebe Leonel : vielen Dank fürs Reviewen erstmal. Mir hat es auch Spaß gemacht, dass Turnier-Kapitel zu schreiben.

Tja, Denethor würde natürlich nie die Schuld bei sich suchen...

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Kapitel 5: Die Feier

Das Turnier war vorbei und die Zuschauer verließen gutgelaunt die Tribünen, um im nahegelegenen Zeltdorf Zerstreuung zu suchen. Denethor jedoch hatte nichts besseres zu tun, als Faramir wutentbrannt in den Zelten der Turnierteilnehmer aufzusuchen. Faramir lag bäuchlings auf einer Liege und ließ sich gerade von einem Knappen den schmerzenden Rücken massieren.

„So, da steckst du also!" knurrte der Truchseß wütend.

Faramir setzte sich erschrocken auf und schickte den Knappen aus dem Zelt.

„Wie konntest du mich nur so blamieren? Ich habe noch nie so einen schlechten Reiter wie dich gesehen!" bellte Denethor seinen Sohn an.

„Es war das Pferd", sage Faramir leise und senkte den Blick. „Ich kam damit nicht zurecht."

„Das ist die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe!" schrie sein Vater außer sich.

Er hob die Hand, um Faramir zu schlagen. Doch in diesem Augenblick kam Boromir ins Zelt.

„Vater!"

Denethor ließ ab von seinem jüngsten Sohn und drehte sich wutschnaubend um.

„Ich möchte, dass du Faramir in Ruhe lässt, sonst kannst du dein Fest heute abend ohne mich feiern", sagte der junge Mann mutig und sah dabei seinem Vater fest in die Augen.

„Du wagst es...", grollte der Truchseß, doch dann hielt er plötzlich inne, winkte ab und verließ das Zelt.

Faramir schloß kurz die Augen und atmete auf.

„Danke, Bruderherz! Was würde ich nur ohne dich tun?"

„Nun, dann hättest du jetzt eine blutige Nase und befändest dich auf dem Weg nach Henneth Annûn", meinte Boromir mit einem schelmischen Grinsen.

Faramir musste jetzt auch lächeln.

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Als es Abend wurde, begann das große Fest. Es fand unten am Turnierplatz statt. Es waren unzählige Bänke und Tische aufgebaut worden. Unmengen an Köstlichkeiten wurden aufgetragen und jedermann durfte umsonst davon essen. Wie jedes Jahr zeigte sich der Truchseß am Turnierfest nobel und spendierte alle Speisen und Getränke. Die drei Rohirrim gerieten mal wieder ins Staunen.

„In Rohan wäre das undenkbar", sagte Gwen leise zu Boromir. „König Théoden ist kein reicher Mann. Nie und nimmer könnte er das Volk aus seiner Speisekammer verköstigen. Euer Vater muß unermesslich reich sein."

„Arm ist mein Vater wahrlich nicht", meinte Boromir nachdenklich und nahm einen Schluck Wein aus seinem Kelch. „Aber manchmal befürchte ich, dass er zu viele Steuern von den Bürgern verlangt."

„Was sind Steuern?" fragte Gwen erstaunt.

Der junge Gondorianer war jetzt ein wenig am Ende seiner Weisheit.

„Faramir, kannst du vielleicht Gwen mal erklären, was Steuern sind?"

Sein jüngerer Bruder grinste und wandte sich kurz von Lothiriel, die an diesem Abend seine Tischdame war, ab.

Nachdem Faramir der jungen Rohira ausführlich erklärt hatte, was Steuern waren, schüttelte diese nur ungläubig den Kopf.

„Ich finde, Euer Vater hat nicht das Recht, diese Abgaben von seinem Volk zu verlangen. Die Leute müssen hart arbeiten, um ihr tägliches Brot zu verdienen."

„Dafür trägt unser Vater die Verantwortung für die Sicherheit des Volkes", widersprach Faramir leidenschaftlich. „Von den Steuern wird zum Beispiel das Heer finanziert. Und das Heer wiederum beschützt das Volk vor Feinden."

„Wie ist das dann in Rohan?" fragte Gwen erstaunt ihren Vater.

Ritter Werhold hatte nicht zugehört und blickte seine Tochter etwas verwirrt an. Rasch erzählte ihm Faramir von dem Thema.

„Das sind keine Gespräche für Frauen", wies der Edelmann den jungen Gondorianer zurecht. „Eine Frau sollte sich nicht den Kopf über das Heerwesen und über Steuern zerbrechen."

„Vater, du musst mich tadeln", warf Gwen jetzt ein. „Ich habe mit dem Gespräch angefangen. Warum gibt es in Rohan keine Steuern?"

„Es gibt schon so etwas Ähnliches wie Steuern", mischte sich Prinz Theodred ein. „Aber mir ist das heute abend zu kompliziert zum Erklären."

Zum Glück begannen in diesem Moment die Spielleute mit ihren Flöten, Trommeln und Bratschen zu spielen, und die jungen Männer forderten ihre Tischdamen zum Tanz auf. Faramir geleitete seine Base Lothiriel auf die Wiese, die heute abend als Tanzboden diente. Boromir holte tief Luft und forderte Gwen zum Tanz auf.

Zu ihrem Erstaunen erwies sich Boromir als geschickter Tänzer.

„Du kannst sehr gut tanzen, mein Lieber", meinte sie schmunzelnd zu ihm.

„Tanzunterricht gehörte zu meinen Studien", erzählte dieser breit grinsend.

Trotzdem war es ihm ganz recht, als ihn einige Tanzrunden später sein Bruder ablöste und mit Gwen tanzte.

Denethor beobachtete stirnrunzelnd, wie sich seine Söhne mit der jungen Frau aus Rohan abgaben. Boromirs verliebter Blick bereitete ihm Sorgen. Natürlich war sein ältester Sohn längst im heiratsfähigen Alter, doch bisher hatte sich Boromir nie ernsthaft für eine Frau interessiert.

Der junge Mann war Gondors wichtigster Heerführer und bester Krieger. Eine Ehefrau würde Boromirs Aufmerksamkeit vom Kriegsgeschehen ablenken. Er würde dann womöglich nicht mehr so waghalsig kämpfen und nicht immer zur Verfügung stehen.

Denethor verzog widerwillig das Gesicht: diese Halbwilde aus Rohan war außerdem keine würdige Partie für den künftigen Truchseß von Gondor. Sie war keine Prinzessin, sondern nur die Tochter eines Edelmannes. Und ein Rohan-Edelmann galt in Gondor nicht viel.

Am späteren Abend beschloß Boromir, mit Gwen ein ruhigeres Plätzchen aufzusuchen. Doch sein Vater machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er stellte sich den Beiden in den Weg.

„Boromir, ich habe mit dir zu reden", sagte er streng.

Gwen und der junge Mann blickten sich enttäuscht an.

„Wir sehen uns morgen wieder", sagte Boromir zärtlich zu Gwen und drückte ihre Hand.

Die junge Frau nickte und verabschiedete sich höflich von Denethor. Der Truchseß sah ihr mit finsterem Blick hinterher.

„Was gibt es denn heute, an diesem Festabend, so wichtiges zu bereden?" meinte Boromir etwas ungehalten. „Schließlich gilt diese Feier hauptsächlich mir, dem Sieger."

Denethor lächelte schief.

„Das macht mich auch stolz, mein Lieber. Allerdings ist mir heute abend so einiges missfallen: ich habe beobachtet, wie leidenschaftlich du dieser Rohan-Dame den Hof machst."

Boromir verschränkte die Arme und sah seinen Vater finster an:

„Und, ist das vielleicht verboten? Ich mag Gwen sehr."

„Ich möchte, dass du damit aufhörst", erklärte Denethor erzürnt. „Es wird die Zeit kommen, in welcher du dir eine Frau nehmen und mit ihr Kinder haben kannst. Doch jetzt steht ein großer Krieg mit Mordor bevor. Ich möchte, dass du all deine Kraft und Energie auf diesen Krieg richtest. Für Gondor!"

„Gondor!" stieß Boromir kopfschüttelnd hervor. „Du denkst immer nur an Gondor. Es gibt auch noch etwas anderes im Leben eines Mannes als die Kriegsführung. Warum gönnst du mir Gwen nicht?"

„Ich weiß selbst, wie schön die Liebe ist", erwiderte Denethor fast ein wenig lächelnd. „Aber du musst an deine Pflichten denken, Sohn. Du wirst bald zusammen mit deinem Bruder nach Pelargir aufbrechen. Die Stadt erwartet einen Angriff von Haradrim."

Boromir zeigte sich wenig begeistert von dem Plan seines Vaters, ihn nach Pelargir zu schicken. Viel lieber wäre er jetzt in Minas Tirith bei Gwen geblieben.

Denethor wandte sich zum Gehen, drehte sich dann plötzlich wieder um:

„Und noch etwas: eine halbwilde Rohan-Frau ist für einen Truchsessen aus dem Hause Húrin unwürdig. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt."

Boromir sah seinem Vater verärgert nach. Wieder einmal hatte Denethor ihm einen schönen Abend verdorben. Mit hängendem Kopf kehrte der junge Mann zum Festplatz zurück. Faramir saß gutgelaunt bei den Verwandten aus Dol Amroth. Als er seinen bedrückten Bruder erblickte, entschuldigte er sich bei Fürst Imrahil und lief zu Boromir hin.

„Was ist los, Bruder?" fragte er besorgt.

Boromir winkte beschwichtigend ab.

„Nichts weiter. Vater will uns nach Pelargir schicken."

Faramir sah ihn entsetzt an.

„Aber doch nicht schon morgen, oder?"

„Nein", erwiderte Boromir gereizt. „Jedoch schon in Kürze."

„Dich bedrückt noch etwas anderes", stellte Faramir ernst fest. „Ich kenne dich zu gut: irgendetwas liegt dir noch auf dem Herzen."

Boromir setzte sich seufzend auf eine Bank.

„Vater ist dagegen, dass ich Gwen den Hof mache", murmelte er traurig und fuhr sich über den blonden Kinnbart. „Weil ich ich mich auf den Krieg konzentrieren soll und weil sie aus Rohan stammt."

Faramir schüttelte fassungslos langsam den Kopf.

„Wie kann er nur? Er müßte doch Verständnis für dich haben. Unser Großvater war bestimmt nicht dagegen, als Vater damals Mutter den Hof machte."

„Damals war die Gefahr aus Mordor noch nicht so schlimm", erwiderte Boromir.

„Ich lernte Gwen wohl zur falschen Zeit kennen", fügte er sarkastisch hinzu.

„Es gibt immer einen Weg, wenn man sich liebt", erklärte Faramir leidenschaftlich. „Du wirst es sehen."

Boromir lächelte gequält und erhob sich wieder.

„Ich bin müde, kleiner Bruder. Ich werde mich jetzt zurückziehen."