Leonel: Schön, dass dir diese Liebesszene gefallen hat. Ich finde auch, dass Boromir in Sachen Liebe immer viel zu kurz in FFs kommt... Faramir wird im nächsten Kapitel etwas schreckliches zustoßen. Indirekt ist aber auch Boromir und seine Sturheit daran schuld.

Lady: Höchste Zeit, der Tatsache, dass Boromir bzw. Sean Bean unromantisch wirkt, abzuhelfen. ;-) Tja, und der arme Faramir ist und bleibt ein Pechvogel.

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Kapitel 7: Bittere Lektionen

Bereits am nächsten Morgen trat Gwen ihren Dienst bei Frau Javaleth im sechsten Festungsring an. Sie wohnte in einem prachtvollen Gebäude unterhalb der Zitadelle. Bei offiziellen Anlässen durfte sie immer direkt hinter dem Truchseß und seinen Söhnen schreiten. Javaleth war eine herrische Frau mittleren Alters und seit einigen Jahren verwitwet. Als Boromir ihr den Auftrag erteilt hatte, Gwen zu unterrichten, war sie nicht gerade davon begeistert gewesen. Selbst die Aussicht, dafür Gold zu bekommen, reizte sie wenig. Sie hatte selbst genug Geld und war nicht auf einen Beutel Gold irgendeiner Pferdeherrin angewiesen.

Gwen war ziemlich nervös an diesem Morgen: sie hatte ihr bestes Kleid aus blauer Seide angezogen. Um den Hals trug sie eine dünne Goldkette, die sie von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatte. Ihr langes blondes Haar hatte sie sich in Zöpfe geflochten, die sie eng an den Kopf gesteckt hatte. Die meisten Frauen in Gondor trugen ihre Haare ähnlich, wie sie schon bemerkt hatte.

Als Gwen an diesem Vormittag in ihrem besten Kleid vor Javaleth erschien, wurde sie erst einmal von dieser geringschätzig gemustert.

„So so, in Rohan sollen nun Gondors höfische Gebräuche eingeführt werden", meinte sie herablassend.

„Meine Herrin, Frau Éowyn, wünscht es so", erklärte Gwen freundlich.

„Esst ihr in Rohan eigentlich überhaupt mit Besteck oder taucht ihr euere schmutzigen Finger ins Essen?" fragte Javaleth gehässig.

Gwen wurde knallrot. Ihr verschlug es glatt die Sprache, als sie diese gemeinen Worte vernahm. Eigentlich hatte Javaleth damit recht: die meisten Rohirrim aßen mit den Fingern, selbst in Meduseld wurde bei offiziellen Anlässen von Vielen so gegessen. Nur der verächtliche Ton missfiel Gwen. Sie ahnte schon jetzt, dass sie mit Javaleth wohl keine Freundschaft schließen würde.

„Meine Herrin hat mir einen Beutel Gold für Euch mitgegeben", sagte Gwen so höflich wie sie konnte.

„Ich brauche Euer Gold nicht", erwiderte Javaleth kalt. „Ich muß kein Geld verdienen, um leben zu können. Ich unterrichte Euch nur, weil es Fürst Boromir so wünscht."

Diese Demütigung war für Gwen noch bitterer als der Spott vorhin. Éowyn würde alle Gondorianer verfluchen, wenn sie ihr das Gold wieder zurückbrachte. Gwen presste die Lippen zusammen und schwieg.

„Gut, dann lasst uns anfangen", meinte Javaleth arrogant.

Javaleth brachte ihr an diesem Tag bei, wie man einen Tisch bei Hofe richtig deckte. Immer wieder kamen zwischendurch abfällige Bemerkungen über Rohan. Gwen wusste nicht, wie lange sie das durchhalten würde. Irgendwann würde ihr der Kragen platzen, das wusste sie.

§

Nach zwei Tagesritten hatten die Brüder mit ihrem Heer fast die große Hafenstadt am Anduin erreicht. Kundschafter meldeten, dass die Haradrim-Truppen bereits das südliche Stadttor belagerten.

„Gut", meinte Boromir gelassen. „Dann werden wir um die Stadt herumreiten und diese Kerle davonjagen."

„Nein, das machen wir nicht", widersprach Faramir sofort.

Elphir, der Vetter der Beiden, grinste in sich hinein. Er erwartete eine harsche Antwort Boromirs.

Doch dieser blieb ganz ruhig.

„Und was gedenkst du dann zu tun, Heermeister Faramir?"

„Wenn wir um die Stadt herumziehen, dann sehen uns die Haradrim schon von der Ferne", erklärte dieser. „Auch sie haben Kundschafter. Wir müssen also mitten durch die Stadt reiten und werden dann warten, bis die Haradrim noch näher an das Südtor rücken. Wir werden sie von den Mauern aus angreifen. So riskieren wir kaum Verluste."

„Das gefällt mir nicht", meinte Boromir kopfschüttelnd. „Ich will die Haradrim so schnell wie möglich vertreiben. Ich habe keine Lust, in der Stadt zu warten. Das dauert mir zu lange."

„Du willst nur wieder schnell heim wegen Gwen", raunte Faramir ihm leise zu. „Und dafür willst du das Leben von Männern riskieren?"

Doch Boromir blieb stur.

„Ich werde die Offiziere befragen, was sie dazu meinen."

Bis auf Hauptmann Madril, einem alten Waldläufer, gaben die Offiziere alle Boromir recht. Faramir wusste, dass die meisten Offiziere ihn nicht mehr mochten, seit Denethor ihn als Schuldigen für die Streichung der Pferdeknechte hingestellt hatte. Diese Niederlage schmerzte den jungen Mann empfindlich, mehr noch als irgendeine Demütigung seines Vaters.

Mit finsterem Gesicht setzte sich Faramir wieder auf sein Pferd. Boromir schüttelte verständnislos den Kopf: dass die Offiziere fast alle ihm zugestimmt hatte, wertete er anders als sein Bruder: sein Plan war eben der bessere. Im Grunde wollten alle Soldaten so schnell wie möglich wieder nach Hause. Er gab den Befehl zum Weiterreiten.

§

Faramirs Vermutung war richtig gewesen: die Haradrim hatten tatsächlich Kundschafter. Und so wurde das Heer Gondors gesichtet, als es noch weit entfernt vom Heerlager der Haradrim war.

Der Häuptling der Haradrim ließ seine Krieger sofort kampfbereit machen. Bogenschützen platzierten sich in den Bäumen und in den Büschen.

Boromir lächelte siegessicher, als das Heer auf das Lager zuritt. Faramir jedoch hatte ein ungutes Gefühl. Er wusste genau, dass irgendetwas faul war. Vorsichtig blickte er sich immer wieder um. Dann sah er die Bogenschützen oben in den Bäumen: ihre rotleuchtende Kleidung verriet sie.

„Gebt acht!" brüllte er plötzlich. „Da oben sind Bogenschützen!"

Aber es war zu spät: ein Pfeilhagel prasselte auf das gondorianische Heer nieder. Und von vorne erfolgte der direkte Angriff der Haradrim, die auf zotteligen, kleinen Pferden den Soldaten entgegenritten.

Boromir schrie rasch Befehle und sammelte seine Offiziere um sich. Ein Riesendurcheinander entstand. Faramir war plötzlich spurlos verschwunden. Zahlreiche Soldaten lagen von Pfeilen getroffen am Boden. Pferde scheuten und gingen durch. Boromir blieb keine Zeit, nach Faramir zu suchen: er war der Heerführer und musste sich darum kümmern, dass diese Schlacht gut geschlagen wurde. Das Heer Gondors rückte rasch wieder in geordneter Formation vor. Boromir ritt allen voran und sein Schwert fegte durch die herannahenden Haradrim-Reihen. Im Stillen betete er darum, dass Faramir nichts geschehen war. Das Heer Gondors schlug nun wuchtig zurück: die Ritter aus Dol Amroth unter der Führung von Elphir preschten nach vorne und jagten die Südländer vor sich her. Madril ließ die Bogenschützen vortreten und sie feuerten eine Pfeilsalve nach der anderen auf den Feind ab. Das war zuviel für das unausgebildete Heer der Südländer: sie zogen sich schließlich zurück.

„Der Sieg ist unser!" rief Boromir und blies sein Horn.

Die Soldaten Gondors jubelten und hielten ihre Schwerter nach oben zum Zeichen des Sieges.

„Boromir! Boromir!" ertönten Rufe.

Jetzt tauchte auch Elphir auf: sein Gesicht war erhitzt und er grinste zufrieden.

„Wo ist Faramir?" wollte Boromir besorgt wissen.

„Keine Ahnung", meinte Elphir erstaunt. „Ich habe ihn die ganze Zeit über nicht gesehen."

Sofort machte sich Boromir mit einigen Soldaten auf die Suche. Es waren viele Gondor-Soldaten gefallen oder verwundet. Ahnungsvoll schritt der junge Heerführer das Schlachtfeld ab. Mit so vielen Verlusten hatte er nicht gerechnet.

„Ein teuer erkaufter Sieg", murmelte Madril, der alte Waldläufer, kopfschüttelnd.

Boromir mochte das nicht hören, obwohl er wusste, dass der erfahrene Recke recht hatte.

„Sucht lieber auch mit, bevor Ihr solch dreiste Reden schwingt!" bellte der jüngere Mann Madril an.

§

Die Sonne stand tief im Westen, als plötzlich Damrod angeritten kam. Er saß auf Gildan. In seinen Armen hielt er Faramir, dessen Gesicht blutüberströmt war.

„Der Hengst muß mit ihm durchgegangen sein, als die Haradrim angriffen", berichtete der Waldläufer knapp. „Gildan hat ihn abgeworfen und Faramir ist dann gegen einen Baum geprallt."

„Faramir!" rief Boromir leise und strich über seinen blutverkrusteten Locken.

Doch dieser antwortete nicht: er lag in einem tiefen Koma.

„Er hat eine schwere Kopfverletzung", sagte Damrod besorgt. „Wir sollten ihn nach Pelargir in die Häuser der Heilung bringen."

Faramir wurde vorsichtig auf eine Karre gebettete und dann ging es los in die Stadt. Boromir begleitete natürlich seinen Bruder. Die Haradrim waren geschlagen worden, aber um welchem Preis! Der junge Heerführer machte sich bittere Vorwürfe: Faramir hatte geahnt, dass die Haradrim aus dem Hinterhalt angreifen würden und er hatte nicht darauf gehört.