Tanja: Im nächsten Kapitel kommt natürlich Denethors Reaktion. Vielen Dank fürs Reviewen!

Meleth: Ich bin auch froh, dass Faramir wieder sehen kann. Boromir wird jetzt seinem Vater unterbreiten, dass Gwen ein Kind von ihm erwartet. Danke für deine Reviews!

Leonel: Ja, es kommt noch ganz sicher was über Boromir und Gwen. So viel, dass es sogar noch ein weiteres Kapitel geben wird. Ich danke dir auch fürs Reviewen!

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Kapitel 14: Das Attentat

Die drei jungen Leute und Gandalf ritten nach Aragorns Aufbruch hinauf zur Zitadelle. Boromir hatte Gwen zu sich aufs Pferd genommen, und Faramir saß hinter Gandalf auf dessen Pferd.

Denethor hatte noch nicht geschlafen. Er spürte in seinem Herzen, dass in dieser Nacht irgendetwas wichtiges vor sich ging. Doch er hatte keine Ahnung, was es war. Unruhig marschierte er in seinem Kaminzimmer hin und her. Immer wieder nahm er einen Schluck aus seinem mit Rotwein gefüllten Kelch, bis er fast schon angeheitert war. Ob seine Söhne immer noch in der Taverne saßen? Hoffentlich ging alles mit Faramir gut. Würden sich die Leute in der Taverne darüber lustig machen, dass er blind war? All diese Dinge gingen dem Truchseß durch dem Kopf. Vor seinem inneren Auge sah er Boromir, der sich mit den Gästen anlegte, weil sie seinen Bruder verspotteten. Denethor spürte, dass er dringend frische Luft brauchte, und verließ seine Räume. In diesem Moment sah er vier Personen, die den Korridor entlangkamen. Denethor atmete auf, als er seine beiden Söhne unversehrt sah. Auf Gandalf und die junge Frau achtete er zunächst nicht. Ihm fiel eine Veränderung an Faramir auf. Seine Augen wirkten plötzlich nicht mehr so leer: sie strahlten richtig, ja sie blickten ihn direkt an.

„Vater, es ist ein Wunder geschehen!" rief Faramir glücklich aus. „Ich kann wieder sehen."

Denethor sah seinen jüngsten Sohn bestürzt an.

„Ist es denn die Möglichkeit", murmelte er immer wieder und schloß Faramir in die Arme.

„Gandalf, ist das Euer Werk?" fragte der Truchseß schließlich verblüfft.

„Nicht ganz", erwiderte der Zauberer und blickte Denethor ernst an. „Ich habe jemanden kurzzeitig in diese Stadt bestellt, der Faramir heilen konnte."

„Dann war also Thorongil hier", knurrte Denethor und ließ Faramir los.

„Vater, Thorongil ist ein edler Mann, er hat mich geheilt", beteuerte Faramir entgeistert, der die Wut seines Vaters überhaupt nicht verstand.

„Ihr habt mich alle hintergangen!" brüllte der Truchseß Gandalf und seine Söhne an.

„Vater, du vergisst dich!" rief Boromir entsetzt aus. „Faramir kann wieder sehen und das ist das Wichtigste."

„Besser, er wäre blind geblieben", murmelte Denethor wütend. „Thorongil hat in dieser Stadt nichts zu suchen. Er versucht mir nur, die Liebe meines Volkes zu stehlen, so wie er es früher getan hat, als er noch unter meinem Vater diente. Und jetzt stiehlt er mir die Liebe meiner Söhne."

Faramir sah seinen Vater entsetzt an.

„Du wünscht dir wirklich, ich wäre weiterhin blind?"

„Ihr hättet Thorongil nicht in die Stadt lassen dürfen", erwiderte der Truchseß feindselig. „Um keinen Preis, auch nicht um deiner Blindheit willen."

Faramir kämpfte mit den Tränen. Gandalf legte seinen Arm um die Schultern des jungen Mannes und zog ihn mit sich fort. In Boromir arbeitete es: am liebsten hätte er seinem Vater in seiner Wut gründlich die Meinung gesagt. Doch das konnte er nicht: Gwen stand ja an seiner Seite.

„So, und du hast Besuch aus Rohan bekommen, Boromir", spottete Denethor gehässig. „Trägt Sie etwa einen Bastard von dir unter ihrem Herzen?"

Boromir ballte wütend seine Faust. Er war kurz davor, seinem Vater einen kräftigen Schlag zu verpassen. Nur mühsam konnte er sich noch beherrschen.

„Vater, ich wäre schon längst mit Gwen verheiratet, wenn du nicht meinen Brief unterschlagen hättest. Ich habe Irolas dannach gefragt und er hat es mir schließlich gestanden."

Denethor lächelte grausam.

„Irolas ist eben ein treuer Soldat. Er zog es vor, seinem Truchseß zu gehorchen."

„Vergiß nicht, dass du mir alle Regierungsgeschäfte mehr oder weniger bereitwillig überlassen hast", erinnerte ihn Boromir wutschnaubend. „Ist das also dein Dank?"

„Ich sagte dir schon mal, dass du Gondor zu dienen hast, und keinem Weibe", fuhr der Truchseß verbittert fort. „Und jetzt da dein Bruder wieder gesund ist, gibt es keinen Grund, dir länger meine Ämter anzuvertrauen. Ich sehe schon, dass du dem noch nicht gewachsen bist."

„Ich werde Gwen heiraten!" sagte Boromir leidenschaftlich. „Egal, was du sagst. Und mir ist auch gleich, wenn du mich deswegen enterbst."

Denethor sah seinen ältesten Sohn fassungslos an. Er traute seinen Ohren nicht. Nein, nicht er war undankbar, Boromir war es! All die Jahre hatte Denethor seinen älteren Sohn bevorzugt behandelt, hatte ihm immer wieder beteuert, wie tapfer und wertvoll er für Gondor sei.

„Komm, Gwen, wir verlassen jetzt beide Gondor für immer", sagte Boromir tonlos und nahm die junge Frau an der Hand.

Sie ließen Denethor stehen und machten sich auf den Weg zurück in das Haus, das Boromir gemietet hatte.

Der Truchseß war bitter enttäuscht von Boromir. Eindeutig hatte er immer den falschen Sohn gut behandelt. Vorsichtig klopfte er an Faramirs Zimmertür.

Faramir war verwundert, dass jetzt sein Vater zu ihm kam. Denethor wirkte zerknirscht und die Tränen standen ihm in den Augen. Gandalf beschloß, die Beiden besser alleine zu lassen und er verabschiedete sich von Faramir. Denethor warf ihm kurz einen finsteren Blick zu. Dann wandte er sich wieder freundlich an Faramir.

„Dein undankbarer Bruder wird Gondor für immer verlassen. Jetzt wirst du seine Pflichten erfüllen. Ich erwarte von dir, dass du mich nicht enttäuscht. Bisher habe ich dich oft ungerecht behandelt und dir bisweilen Unmögliches abverlangt. Jedoch ab heute bist du mein Erbe."

Faramir stand auf und schluckte. Die harten Worte, die sein Vater vorhin ausgesprochen hatte, klangen noch in seinen Ohren.

„Was ist: freust du dich nicht?" fragte Denethor ungehalten.

„Vater, du hast dir gerade eben noch gewünscht, dass ich besser blind geblieben wäre und jetzt tust du so, als wäre nichts gewesen", sagte Faramir mit belegter Stimme.

„Es tut mir leid", sagte der Truchseß hastig. „Du weißt, dass ich im Zorn oft unüberlegte Dinge ausspreche. Also?"

Faramir lächelte jetzt verkrampft. Das kam alles für ihn zu plötzlich. Außerdem wollte er nicht, dass Boromir fortging. Er braucht ihn doch!

„Ist mein Bruder schon weg?" presste er mühsam hervor.

Denethors Antlitz verfinsterte sich. Er packte Faramir an den Schultern und schüttelte ihn derb.

„Ich will nichts mehr über ihn hören, verstanden? Boromir ist ab jetzt nicht mehr mein Sohn!"

Faramir machte sich vom Griff seines Vaters los und wich entsetzt zurück. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Das ist nicht dein Ernst, Vater!"

Dann lief er an Denethor vorbei und machte sich auf den Weg, die Zitadelle zu verlassen. Denethor rannte ihm hinterher.

„Faramir, bleib stehen!" schrie er ihm nach.

Der junge Mann jagte aus der Zitadelle hinaus, quer über den Innenhof und hätte dabei fast eine der Wachen des Weißen Baumes umgerannt. Sein Ziel waren die Stallungen. Vielleicht traf er dort Boromir und Gwen noch an. Doch der Stallmeister teilte ihm mit, dass die Beiden es sehr eilig hatten und bereits losgeritten waren. Entschlossen holte Faramir Gildan, den weißen Hengst, und schwang sich auf dessen ungesattelten Rücken.

Denethor erreichte einige Minuten, nachdem Faramir losgeritten war, die Stallungen.

„Wo sind meine Söhne?" keuchte er außer Atem.

„Herr Boromir und die Frau sind vor kurzem losgeritten. Herr Faramir hat gerade diesen Zirkel der Stadt verlassen."

Auch Denethor setzte sich jetzt auf seinen ungesattelten, braunen Wallach. Er war ein guter Reiter, auch wenn er schon lange nicht mehr ausgeritten war. Rasch trieb er das Pferd durch den sechsten Zirkel. Die Sonne ging gerade über dem Schattengebirge auf.

§

Im fünften Zirkel hatte ein ehemaliger Soldat namens Ammir beobachtet, wie nacheinander die Truchsesssöhne eilig an ihm auf der Straße vorbeigaloppiert waren. Ammir hasste die Truchseß-Familie. Denethor hatte ihn vor kurzem unehrenhaft aus dem Dienst entlassen, nachdem er wegen einer Kleinigkeit auffällig geworden war. Der Truchseß wollte an ihm ein Exempel statuieren und dadurch die anderen Soldaten des Heeres einschüchtern. Ammir hatte das nachträglich mitbekommen und sich geschworen, irgendwann an Denethor zu rächen.

Nachdem Faramir mit finsterer Miene an ihm vorbeigeritten war, ahnte der ehemalige Soldat, dass nun auch bald der Truchseß höchstpersönlich aufkreuzen würde. Die Gelegenheit für ein Attentat war sehr günstig, denn um diese frühe Tageszeit war fast noch kein Mensch auf den Straßen der Weißen Stadt. Ammir holte Pfeil und Bogen und legte sich hinter einem abgestellten Karren auf die Lauer. Und tatsächlich: Denethor kam herangeritten. Seine haßerfüllte Miene sprach Bände. Ammir war ein guter Bogenschütze. Der Pfeil, den er abschoß, traf Denethor in die Brust, nahe am Herzen. Mit einem gurgelnden Laut sank der Truchseß auf dem Pferd zusammen. Doch der treue Wallach trug seinen Herrn weiter. Ammirs nächster Pfeil traf bereits nicht mehr. Jetzt musste der feige Attentäter die Flucht ergreifen, denn ein Wachsoldat im nächsten Zirkel hatte Denethor bemerkt. Er blies in sein Horn, um Alarm zu schlagen.

§

Boromir und Gwen befanden sich kurz vor dem großen Stadttor, als Hörner in allen Zirkeln der Stadt ertönten. Das Stadttor wurde vor ihnen verschlossen.

„Was bedeutet das, Liebster?" fragte die junge Frau erschrocken.

Boromir war ganz blaß geworden.

„Das bedeutet, dass die Truchsessfamilie in höchster Gefahr schwebt", murmelte der Gondorianer tonlos und fuhr sich nervös durch das blonde Haar. „Ich habe Angst, dass Faramir etwas zugestoßen ist."

„Wir müssen nachsehen!" drängte Gwen besorgt.

Boromir nickte: man musste mit dem Schlimmsten rechnen. Sie wendeten ihre Pferde und ritten wieder die Zirkel hinauf. Im dritten Zirkel trafen sie Faramir, der sich mit einem Hauptmann aufgeregt unterhielt.

„Faramir!" rief Boromir aufatmend. „Eru sei Dank! Du bist unversehrt."

„Gut, dass du kommst", meinte dieser den Tränen nahe. „Sie sagen, dass unserem Vater etwas geschehen sein soll."

Boromir presste seine Lippen zusammen: auch wenn sein Vater ihn zuletzt so ungerecht behandelt hatte, so liebte er ihn immer noch.

Zusammen ritten sie rasch weiter. Gwen verspürte immer größere Schmerzen im Unterleib, doch sie traute sich nichts zu sagen. Boromir hatte jetzt andere Sorgen.