Kapitel zwei, Tag eins
Eine unangenehme Stille folgte seinen Worten und Trunks fühlte sein Herz in seine Hose rutschen, als die beiden Saiyajin ihn mit durchdringenden Blicken maßen. Der ältere der beiden, ein König, wie sich Trunks mit Ehrfurcht ins Gedächtnis zurückrief, zog seine Augenbrauen in Missbilligung zusammen, und der Captain sah sich plötzlich mit der unangenehmen Vorstellung konfrontiert, einer Art Inquisition ausgesetzt zu werden. Die Gesichtszüge des Monarchen wurden noch eine Spur finsterer, bevor er sich plötzlich umwandte und die gesamte Situation aus seiner Aufmerksamkeit zu verbannen schien.
Der andere Mann jedoch, Gohan, schien die Angelegenheit nicht loslassen zu wollen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Menschen mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier, bis Trunks schließlich einen leichten Anflug von Röte über sein Gesicht fliegen fühlte. „Woher kennen Sie unsere Sprache?", wurde er knapp, aber nicht unfreundlich gefragt.
„Gohan!", bellte es plötzlich vom Fenster her und sowohl Trunks, als auch der Kronprinz zuckten zusammen. „Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dir befohlen, deinen Bruder zu holen. Geh!", knurrte der König. Er hatte sich mit dem letzten Wort wieder zurückgedreht, und Trunks erhaschte einen Blick, der so eisig war, dass sich sein Magen in einen Eisklumpen aus Nervosität verwandelte. Auf keinen Fall wollte er mit diesem Mann allein in einem Zimmer bleiben! Aber da er sich nicht auf der Erde befand und die hier zuständigen Götter gewiss keine Rücksicht auf die Wünsche bruchgelandeter Aliens nahmen, wandte sich Gohan nach einem fragenden Blick mit einem knappen Salut zur Tür und verschwand.
Die Tür fiel mit einem leisen Klicken hinter ihm ins Schloss, und augenblicklich senkte sich erneut bleierne Stille über das Zimmer. Trunks Blick haftete noch immer an den hölzernen Panelen der Tür, so als hoffte er, Gohan würde jeden Moment wieder eintreten. Er kannte den anderen zwar nicht, wusste nicht einmal, ob er ihn mochte, aber mit dem König, der eine Aura aus Gewalt und Dunkelheit um sich trug wie einen Kokon, in diesem Zimmer eingesperrt zu sein, war mehr, als Trunks in seinem derzeitigen Zustand ertragen konnte. Seine Blicke huschten gehetzt, aber unauffällig im Raum umher, nahmen das reiche Dekor wahr, und der Mensch fühlte, wie er Minute um Minute nervöser wurde. Seine Beine fühlten sich an wie bleischwere Klumpen unter der Decke, die viel zu warm war und er fühlte feinen Schweiß aus seinen Poren brechen. Warum sagte der andere nicht endlich etwas! Selbst eine Anklage wäre dem Captain lieber gewesen, als das Schweigen, mit dem der andere den Raum erfüllte. Aber der Monarch stand unbeweglich am Fenster und schien den Menschen vollkommen aus seinem Bewusstsein verdrängt zu haben und doch mit jedem Atemzug anzuklagen.
„Sie sind nervös - das verrät Sie."
Trunks, der gerade im Begriff gewesen war, sich aus dem Bett zu lehnen und einen Schluck Wasser aus einer neben ihm stehenden Karaffe zu nehmen, zuckte so sehr zusammen, dass er das Gleichgewicht verlor und beinahe aus dem Bett gefallen wäre. Erheblich in der Luft herumrudernd, brauchte er einen Weile, bis er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Vergebens suchte er nach einer anderen Quelle der Worte und musste sich schließlich damit abfinden, dass es wohl doch der König gewesen sein musste, der sich, seit Trunks ihn das letzte Mal angeschaut hatte, um keinen Millimeter bewegt hatte.
Wie immer in unvorgesehenen Situationen, die nicht „praktisch" erledigt werden konnten, entschloss Trunks' Hirn sich zu einem spontanen Last-Minute-Urlaub und der Captain fand sich in der unangenehmen Lage, nicht zu wissen, was er erwidern sollte. „Wie kommen Sie darauf, Majestät?", fragte er zurück und hoffte, dass er den Monarchen ablenken konnte, indem er ihn zum Reden animierte. Aber der Saiyajin schien aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein, als Bulma, denn er warf Trunks nur einen abschätzenden Blick über die Schulter zu, schnaubte kurz und ignorierte den Menschen wieder.
Trunks war für einen kurzen Moment verwirrt, dann beleidigt, weil er es nicht gewohnt war, dass man ihm den Rücken zukehrte, aber zuckte schließlich mit den Schultern, da er trotz allem um eine Antwort auf Vegetas Worte herumgekommen war. Was sollte seine Nervosität auch anderes verraten, außer, dass er nervös war. Er war schließlich nicht zum Spionieren hierher gekommen.
Er kletterte nun vollkommen aus dem Bett und streckte sich. Sein Körper war vollkommen geheilt, stellte er zufrieden fest, und weder Narben noch irgendwelche Verhärtungen verunzierten seine Haut. Auf einem Tischchen neben dem Bett lag ein Häufchen Spandex, das sich als Trainingsanzug herausstellte und, obwohl er Oberarme und Unterschenkel freiließ, viel Ähnlichkeit mit dem Standard-Spandex in Freezers Armee aufwies. Der Captain fuhr flüchtig mit den Fingern durch seine Haare und drehte sich dann zurück zum König.
„Was nun?", fragte er schließlich als ihm der Geduldsfaden riss und es ihm vorkam, als hätte er sich die wenigen Worte und Gesten des Königs nur eingebildet. Soweit es Trunks betraf hätte der König im Stehen gestorben sein können - es hätte keinen Unterschied gemacht.
Vegetas Kopf drehte sich gerade soweit, dass der Saiyajin ihm einen Blick über die Schulter zuwerfen konnte und ruckte schließlich zum Fenster zurück. Der Captain fragte sich langsam, was es da draußen so Tolles zu sehen gab, interpretierte die Geste als eine Einladung oder Aufforderung, ans Fenster zu treten und trat nach einiger Überlegung an das andere Fenster heran. Für einen kurzen Moment war er geblendet von der Intensität des Lichtes, das außerhalb des Palastes herrschte; es war rot und relativ schwach, aber es brachte die Farben des Planeten in einer Qualität zum Leuchten, dass es ihm in den Augen schmerzte.
Trunks drehte den Kopf zur Seite und wartete, bis sich die dunkelgrünen Schleier hinter seinen Lidern gelegt hatten und linste dann ein zweites Mal zwischen den Vorhängen auf die Straße: Er konnte die Schemen großer Gebäude ausmachen, die den Horizont bildeten. Freilich waren die Häuser von einer Bauart, die gänzlich verschieden war, von der auf der Erde, wo man noch immer Halbkugeln und Kuppeln bevorzugte, aber trotzdem hinterließen sie in ihm ein vages Gefühl der Remiszenz, als er an die Verwaltungsviertel der vier irdischen Hauptstädte erinnert wurde. Im nächsten Augenblick verengten sich seine Augen, als er versuchte, zu erfassen, was außerdem nicht mit den Häusern zu stimmen schien und schnappte erschrocken nach Luft, als Schrecken mit eiskalter Hand in ihm explodierte: All die Häuser... Ruinen! Die Erker, Türmchen und Gänge - hohle Zähne in einer blutroten Land-schaft aus Sand und Gestein. Ein Meer aus geborstenem Stein! Seine Augen schnellten nach links, nach rechts - überall begrüßte ihn das selbe Bild: Ein horizontweites Vanitas - Stilleben mit ungeheuren Ausmaßen und entsetzlich real.
Die zwei Sonnen des Planeten sanken langsam, während er seine Fassung wiederzuerlangen suchte, hinter die leeren Fassaden, leuchteten aus toten Fenstern und schickten blutiges Licht über seine Züge, bevor sie endgültig hinter dem Horizont verschwanden und sich eine todgraue Dämmerung über den Planeten legte.
„Was ist hier passiert? Warum liegt die Stadt in Trümmern?", flüsterte er leise und wusste doch die einzig mögliche Antwort. Kein Naturereignis, so schrecklich es auch sein mochte, war in der Lage, eine solch gezielte Zerstörung anzurichten...
„Sie sind sicher, dass Ihr Zusammenbruch keine celebralen Schäden hervorgerufen hat?", fragte Vegeta verächtlich zurück. Sein Blick hatte die ganze Zeit ruhig auf den Überresten seiner Residenzstadt gelegen. Es war ein Anblick, den er kannte. Die andere Stadt, die, die hier einst gestanden hatte, war aus seinem Gedächtnis verschwunden.
Trunks fühlte das Blut in seinen Kopf schießen und war dabei, dem König eine deftige Antwort zu geben, als die Tür mit einem Knall hinter ihnen aufsprang und die beide Krieger simultan herumschnellen ließ. Trunks Haare pulsten in Statik auf, aber die Ursache dessen sah er erst, als der Eindringling Vegetas Ki-Blast scheinbar ohne Mühe zur Seite lenkte. Gespannte Stille herrschte, bis von Ferne eine Explosion zu hören war und der Neuankömmling, mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen, den Raum betrat und sich ungefragt in einen der Sessel fallen ließ.
Unglaublich war die Veränderung, die in den wenigen verstrichenen Sekunden in Vegeta vorgegangen war! Des Königs Augen blitzten in einem kalten Licht und seine Glieder waren steif von unterdrücktem Hass. „Nenn mir einen Grund, warum ich dich für deine Impertinenz nicht augenblicklich töten sollte?", knurrte er eisig, aber der Eindringling ignorierte ihn schlicht und richtete seinen Blick auf Trunks, dem die Aufmerksamkeit der bohrenden, schwarzen Augen überhaupt nicht lieb war. Jegliche Wärme und Freundlichkeit fehlte in den Pupillen des Neuankömmlings und der Captain fühlte sich nackt unter diesen Augen. Es war eine gänzlich andere Art von Hilflosigkeit, als die, die er bisweilen unter Gotens Blick gefühlt hatte und er konnte ein erleichtertes Aufatmen nur mit Mühe unterdrücken, als der andere seine Musterung beendete und ihn fürderhin komplett ignorierte.
„Vielleicht weil es aus unserer Familie nur noch wenige gibt, Verwandter, seit Kakarot gestorben ist und sein Sohn mehr unter totem Stein als unter Lebenden zu finden ist?", beantwortete er schließlich die Frage seines Potentaten. Sarkasmus färbte seine Stimme, aber auch etwas, das wie die Erinnerung an großes Leid klang.
„Erinnere mich nicht daran, dass wir gemeinsame Wurzeln haben, Turles, oder ich könnte zu dem Schluss kommen, dass unsere Familie noch lange nicht genug reduziert worden ist." Vegetas Antwort klang eintönig, fast gelangweilt, so als ob die Drohung, die in seinen Worten lag, belanglos war. „Und falls dein Südinsel-Hirn zu schwerfällig gewesen sein sollte, um meine subtile Frage zu verstehen", sprach er weiter und machte durch seine Haltung deutlich, dass er es unter seiner Würde befand, Turles die Gnade eines direkten Blickes zu schenken, „hier noch einmal Klartext: Was willst du hier?"
Die Mimik des Fremden hatte sich mit jedem Wort des Königs mehr verfinstert und Trunks konnte sehen, dass es den Mann viel Anstrengung kostete, weiterhin ruhig und heiter zu erscheinen. Schließlich rang er sich ein Lächeln ab, das mehr wie ein Zähnefletschen wirkte. "Da du mir den Vorwand eines freundschaftlich gemeinten Besuchs wohl schwerlich glauben wirst, komme ich wohl besser gleich zur Sache: Die Mobilisierung der planetaren Verteidigungskräfte vor zwei Ta--"
„Geht dich nichts an!", schnappte der König dazwischen.
Der andere klappte seinen Mund zu - reflexartig, wie Trunks vermutete, denn augenblicklich verfinsterte sich seine Miene erneut. Er sprang aus dem Sessel auf und trat weit gestikulierend auf den König zu. „Niemand mit Augen im Kopf konnte das übersehen!", schnappte er und straffte seine Gestalt, als ihm sein irrationales Gebaren in den Sinn zu kommen schien. „Und natürlich schießen die Gerüchte wieder ins Uferlose..."
„Und sorgsamer Anführer deiner kleinen Schar, der du nun mal bist, hast du den weiten und gefährlichen Weg in die Hauptstadt auf dich genommen, um die wildesten Gerüchte zu entkräften und deinen Schäfchen mit der Wahrheit dienen zu können?" Trunks hätte niemals gedacht, hier, am anderen Ende der Galaxis auf jemanden zu treffen, dessen Sarkasmus ähnlich tödlich und schneidend scharf war wie der seiner Mutter.
„Natürlich nicht", lachte Turles ehrlich amüsiert. „Soll der Pöbel doch denken, was er will - wenn er noch denken kann. Aber ich will wissen, ob wir uns in einem neuen Krieg befinden."
„Und warum deine Spione dir nichts davon berichtet haben?", ergänzte Vegeta und grinste dem anderen Saiyajin kalt ins Gesicht. „Du weißt natürlich, dass ich dir alles erzählen könnte, aber dass ich dich danach umbringen müsste."
Diese Worte waren das pure Klischee und Trunks konnte ein Prusten nicht unterdrücken, bis ihm aufging, dass keiner der Männer scherzte und dass ihn beide anstarrten - der eine wütend und der andere überrascht. „Sieh an, dein Haustierchen versteht unsere Sprache", bemerkte Turles trocken. „Ich hätte gedacht, er ist eines von Gohans Versuchstieren... Ist er ein Abgesandter? Oder einer von Freezers Spionen?"
„Das kann nicht sein, denn du selbst bist ja bei Freezers Speichelleckern ganz vorn dabei", hörte Trunks den König antworten und zuckte zusammen, als Turles mit einem Knurren aufsprang und sich, so schien es, auf den König stürzen wollte, aber mit einer sichtbaren Anstrengung richtete sich der Mann schließlich auf und entspannte sich.
„Du hattest schon immer einen ganz eigenen Charme, Vegeta. Ich bin wohl zu lange auf meinen Ländereien gewesen und habe dies vergessen", sprach er nonchalant, während es in seinen Augen funkelte. „Aber eines habe ich niemals vergessen: Dass du schon immer jeden, der es wagte, an dir zu zweifeln, schnell zum Verstummen gebracht hast." Turles stand jetzt an der Tür, die vor einem überraschten Gohan zur Seite gewichen war. „Aber nicht mit mir", versprach Turles. „Ich werde am Leben bleiben - um jeden Preis!"
„Du bist also, wie schon deine Eltern vor dir, Friede ihrer Asche, der Meinung, dass wir um jeden Preis die Allianz mit Freezer hätten weiterführen sollen?" In die Augen des Königs war ein gefährliches Funkeln getreten. Betont lässig verschränkte er die Arme vor der Brust.
Turles trat einen halben Schritt zurück in den Raum hinein. Gohan nutzte die Gelegenheit und schob sich neben ihm in das Zimmer. „Ich sehe das Ergebnis, das deine Politik gebracht hat", entgegnete Turles ruhig.
„Meine Politik wird weder heute, noch irgendwann sonst, Gegenstand von Diskussionen sein", grollte Vegeta. „Und jetzt mach, dass du verschwindest."
„Noch immer der absolute Alleinherrscher", spöttelte Turles, aber er begab sich nichtsdestotrotz zur Tür. „Pass nur auf, dass dir bei der Haltung nicht eines Tages die Untertanen weglaufen..."
„Und mit dir als demütigem Anführer bei Freezer katzbuckeln gehen?" Vegeta lachte harsch und humorlos. „Eher wird dieser Planet untergehen."
„Darauf wird es letzten Endes wohl hinaus laufen", sagte Turles bedauernd und trat durch die Tür.
Die Tür war kaum hinter Turles ins Schloss gefallen, als Trunks ein scharfer Schmerz durch den Oberarm raste und er mit einem Ruck herumgeworfen wurde und sich einem sehr verärgerten König gegenüber sah.
„Das bringt jetzt nichts, Vater", sprach Gohan eindringlich auf den König ein, dessen Griff um Trunks Oberarm sich nicht lockerte. „Goten ist nicht in seinem Quartier; wir müssen ihn sofort suchen!"
„Unsinn!", schmetterte Vegeta ab. „Der Junge hat Befehl, sich nicht aus seinem Apartment zu bewegen."
„Dann scheint er eine neue Auffassung davon bekommen zu haben, wo sein Quartier ist."
Vegeta ließ endlich Trunks Arm fahren, der ein schmerzverzerrtes Gesicht nicht unterdrücken konnte und sich besorgt den Oberarm ansah, auf dem sich schon die ersten Blutergüsse zeigten. „Ist er im Palast?", fragte der König barsch und fluchte leise, als Gohan verneinte. „Sag Raditz Bescheid, dass Goten sich auf dem Weg zu ihm befindet."
Die Versteppung, die den Planeten Vegeta-Sei nach dem letzten Krieg befallen hatte, war in den letzten Jahren unerbittlich fortgeschritten und hatte den Planeten, der auch schon vorher nur ein empfindliches Ökosystem besessen hatte, in eine Ödnis verwandelt, die selbst den genügsamsten Lebewesen nur wenig zum Überleben bot. Es gab Gegenden, in denen es seit Jahrzehnten nicht mehr geregnet hatte und in deren Städten die wenigen Saiyajin wie Tiere dahinvegetierten - mehr oder weniger stark auch auf das geistige Niveau ihrer Vorfahren zurückgefallen.
Es gab natürlich auch Flecken Land, in denen sich Vegetation und Fruchtbarkeit gehalten hatten - manchmal war dort nicht einmal eine einzige Art verschwunden - aber solche Gegenden wurden zunehmend rarer, da sich die instabile Ökosphäre des Planeten noch nicht beruhigt hatte.
Vegeta-sei trudelte noch immer auf seiner Umlaufbahn um seine Sonnen - ein Resultat, das auf den Einschlag einer ganzen Flotte von Raumschiffen zurückzuführen war. Der Krater – kilometertief – lag verborgen unter der Meeresoberfläche, aber der breite Streifen neuen Lands an den Küsten der umliegenden Kontinente sprach deutlich genug von der Katastrophe.
Über diesem Meer schwebte eine winzige Gestalt. Den leeren Blick unverwandt auf die Wasseroberfläche gerichtet, hatte sie schon Stunden dort verharrt. Weder sinkend noch steigend, sich nicht rührend, schien sie in einer Trance zu sein, die vielleicht vom eintönenden Wellenschlag herrühren mochte oder aber einem aufgewühlten Gemüt. Heftiger Wind fegte über das Wasser, riss die kurzen Haare des Mannes mit sich, durchtränkte sie mit Gischt und wehte sie gleich darauf wieder trocken.
Die Haare des Jungen waren noch feucht, als er in Raditz' Hof landete. Als er keine Anstalten machte, sich zu bewegen, sondern nur in die Richtung starrte, in der er den Hausherren vermutete, trat Raditz unwirsch in den grellen Nachmittag hinaus. Sand und Pollen stäubten auf, als er festen Schrittes auf Goten zumarschierte, aber innerlich fragte er sich zweifelnd, wie er dem Jungen würde ins Gesicht schauen können.
"Du warst wieder am Mahlstrom", stellte er unbehaglich fest. Es war keine Frage, denn von jeher hatte dieser Ort eine besondere Faszination auf seinen Neffen ausgewirkt, die Raditz dunkel und bedrohlich vorgekommen war. Er selbst war nur ein einziges Mal an diesem Ort gewesen und schauderte immer noch, wenn er an die aufgestauten Energien dachte, die er damals in den kilometertiefen Fluten gespürt hatte. Ebensolche Energien, die Goten jetzt ausströmte und die er kaum unter Kontrolle zu halten schien.
"Gib mir ein Schiff."
"Wozu?" Goten blickte endlich auf, und für einen Moment konnte Raditz den unbändigen Hass sehen, der in seinem Neffen brodelte, dann schwenkte Gotens Blick zu der Stelle, an der Raditz Kakarot wusste. Aber sein Bruder stand im Schatten unter der Treppe, unterdrückte seine Aura und konnte nicht wahrgenommen werden.
"Gib mir das Scoutschiff, das du für Notfälle hast, Raditz!", wiederholte Goten seinen Satz und diesmal bestand kein Zweifel daran, dass es ein Befehl war.
"Vegeta hat mir befohlen, dich aufzuhalten", entgegnete er und wusste, dass er es nicht tun würde.
"Raditz", Gotens Stimme war spröde wie verbrannter Stein, "du hast nichts geahnt, oder? Du bist genauso wütend wie ich!"
Der Clanälteste unterdrückte den brennenden Wunsch, den Jungen in seine Arme zu ziehen und konnte ihm keine Antwort geben. Was hätte er sagen können? Worte waren viel zu banal für diesen Jungen, den man unvorbereitet in die Höhle eines Dämonen gestürzt hatte.
"Ich kann mir denken, was Vegeta dir befohlen hat, aber ich weiß auch, dass ich, sollte er in meine Nähe kommen, einfach nur die Kontrolle verlieren werde. Du kannst dir nicht vorstellen wie ich ihn hasse!"
"Wer ist der Mensch, den du mitgebracht hast?" Raditz versuchte es mit Ablenkung und hatte auch Erfolg: Goten blickte zuerst verwirrt und dann finster, als er sich entsann, dass sein Gefährte ja noch in Vegetas Gewahrsam war.
"Er ist ein Opfer wie ich!", zischte er schnell. "Er ist kein Spion oder so. Er ist... ein Freund, denke ich." Nachdenklich blickte Goten zu Boden.
"Wenn er ein Freund für dich ist, solltest du besser hier bleiben", sagte Raditz kühl.
"Als ob sich der König einen Dreck darum kümmern würde, ob er ein Freund ist oder nicht!", explodierte Goten. "Als ob es irgend jemanden interessiert!" Jäher Wind fegte über das Dach in den Innenhof, peitschte Sand zu Nebel auf und drosch Steine gegen Raditz' Gestalt, die sich, von bläulichem Schimmer umhüllt, dem Sturm entgegenneigte. Innerhalb weniger Sekunden war der friedliche Nachmittag in einen Sandsturm verwandelt worden und Raditz konnte von der Welt um ihn herum weniger als nichts erahnen: Sie endete eine Handbreit vor seinem Gesicht in gestaltlosem Rot und Braun.
"Hör auf!", versuchte er das Chaos zu übertönen und fühlte nur, wie seine Worte von seinen Lippen gestohlen wurden, noch bevor er sie artikulieren konnte. "GOTEN!" Über das Fauchen und Zischen hinweg hörte er einen gleichmäßig hohen Laut, der in seiner Lautstärke im Getöse unterging. Er stutzte und sein Schutzschild erlosch, als eisiger Schrecken in seine Glieder fuhr: Der Schrei kam vom Haus! Er stürzte herum und jagte in den dunklen Flur hinein, in dem ihn, nach der grellen Sonne draußen, pechschwarze Nacht erwartete. Ein schwerer Schlag gegen die Rippen ließ ihn orientierungslos zur Seite taumeln und ein scharfer Schmerz im Nacken erzählte ihm von einer Kollision mit dem steinernen Treppengeländer, das in die obere Etage führte. Er achtete nicht darauf, viel zu sehr nahm es ihn in Anspruch, weiterhin zu atmen und seine Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten in diesem künstlichen Sturm. Nicht nur Gotens Energie war entfesselt, wie er bemerkte, sondern Kakarots!
Asparo war im oberen Geschoss der Panik nahe, aber befand sich in Sicherheit und am Leben, wie ihm der spitze Schrei verkündete, der in seinen Sinnen aufblühte und von Angst und nicht von Schmerz sprach, aber hier unten musste er sich anderem stellen.
"Goten!", schrie er wieder und fragte sich warum. Niemand konnte diesen Sturm übertönen. Blind tastete er sich wieder in den Mahlstrom hinein.
Sie waren vor nicht ganz einer Stunde aus einem versteckten Innenhof des Palastareals gestartet und zuerst dem Abend und später dem gestrigen Tage entgegengeflogen. Mittlerweile stand das rote Doppelgestirn wieder eine Handbreit über dem Horizont und sandte brennenden Lichtschein in das Cockpit des Fliegers.
Selbst jahrelanges Kommandotraining und Ausbildung in Freezers Armee hatten nicht vermocht, Trunks auf die besondere Art von Absurdität vorbereiten zu können, die er im Jet des Königs empfand. Ihm war...langweilig. Umgeben von den Feinden seines Herrn und einem sehr ungewissen Schicksal entgegenblickend, fand er die tristen Ebenen unter sich und die Umgebung des Cockpits nicht interessant genug, seine Aufmerksamkeit zu fesseln: Ständig schweiften seine Gedanken zu den Ereignissen der letzten Monate zurück und blieben besonders häufig an den letzten vierzehn Tagen hängen. Es konnte doch nicht sein, dass die Tode seiner Teamkameraden und die erschütternden Ereignisse auf der Raumstation erst vor so wenigen Tagen geschehen waren?
Er schloss die Augen und verschloss den Schmerz so gut es ging in seinem Inneren, aber nichts konnte das brennende Schuldgefühl in seinem Magen besänftigen, das ihn immer wieder fragte, wie er es eigentlich je verwinden wollte, noch am Leben zu sein, während seine Kameraden tot waren, ihre Träume ausgelöscht und ihre Zukunft ein nicht begangener Pfad geworden war. Der junge Captain versuchte sich zu überzeugen, dass nichts, was er hätte tun können, etwas geändert hätte und rein rationell betrachtet, konnte er nur von ungeheurem Glück reden, dass er selbst aus der Nova entkommen war. Irgendwie hatte dieses Ereignis mit seinem Ki zu tun, denn seit damals hatte er sich beständig schwach gefühlt und seine Lebenskraft nur ungenau bündeln können, aber bevor er der Sache hatte genauer auf den Grund gehen können, war dieser Horror zwischen Freezer und Goten dazwischen getreten und der Captain konnte abermals nichts anderes tun, als sich mit Selbstvorwürfen und bitteren Anklagen zu quälen.
„Wie geht es Ihnen?", fragte jemand neben ihm und riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Trunks sah, dass es sich um den Kronprinzen handelte, der sich, leicht vorn übergebeugt, weil der Innenraum des Gleiters recht niedrig war, neben ihm an einer Strebe abstützte.
„Danke, beschissen", giftete Trunks zurück, der absolut nicht in der Stimmung war, small-talk zu führen. Zu seinem gelinden Erstaunen, aber auch seinem Verdruss sah er, dass sein verbaler Rausschmiss den anderen keineswegs dazu veranlasste, ihn in Ruhe zu lassen. Statt dessen ließ sich Gohan in den Sitz neben ihm fallen und schnaubte ein bitteres Lachen. „Wem könnte es heutzutage besser als ‚beschissen' gehen? Ich dachte, Sie möchten vielleicht etwas zu trinken, oder ein bisschen essen. Sie haben, seit sie aufgewacht sind, noch nichts zu sich genommen."
Trunks war beschämt, dass er den anderen Mann so angefahren hatte, schließlich schien es Gohan nur gut mit ihm zu meinen und war bei Weitem eine angenehmere Gesellschaft als der alte König. „Ein bisschen Wasser wäre nicht schlecht", antwortete der Captain leise und hoffte, der andere würde die Entschuldigung darin hören.
Gohan ging hinüber zu einer kleinen Replikatoreinheit und kam nach wenigen Minuten mit einer Tasse zurück, die er Trunks ohne große Umstände reichte. „Es ist genießbar und für Ihren Metabolismus nicht gefährlich", versicherte er ihm, als der Captain zweifelnd auf die pinkfarbene, kalte Flüssigkeit starrte, die aussah, als hätte man Marmelade mit zu viel Wasser verdünnt. Vorsichtig nahm er einen Schluck und hielt erstaunt inne, als sich der Geschmack von Himbeeren auf seiner Zunge entfaltete.
„Wie..?", begann er erstaunt, aber ein fragender Blick von Gohan ließ ihn innehalten.
„Es erinnert Sie an etwas, dass Sie kennen?", der Mann lächelte eines seiner seltenen und kurzen Lächeln. „Das Universum ist unendlich, aber hin und wieder entstehen durch die Begrenztheit in der Kombination von einzelnen Komponenten des Lebens Dinge, die gleich sind, obwohl sie vom Ursprung her verschieden sind. Was sie dort trinken", er wies mit einer halbbewussten Geste auf die Tasse, die Trunks auf seinem rechten Knie balancierte, „ist aus den Blüten und Früchten einer Pflanze gewonnen, die man am ehesten mit Ihren einheimischen Kakteen vergleichen kann."
„Woher kennen Sie sich so gut aus?", fragte er erstaunt. Die Saiyajin selbst waren ihm bis zu dem Tag, als er Goten kennen lernte mehr wie ein Schreckgespenst, als eine reale Spezies vorgekommen.
Gohan zuckte mit den Schultern und versuchte nonchalant zu wirken. „Ein Hobby; ich sammele Informationen." Vegetas verächtliches Schnauben hallte von der Steuerkonsole aus durch das ganze Schiff. Gohan ließ sich nicht zu einer Erwiderung hinreißen, unterbrach das Gespräch mit Trunks aber und schaute teilnahmslos aus dem Fenster. Trunks, der dem schweigenden Mann ab und zu einen Blick aus dem Augenwinkel zuwarf, fand in dessen Gesicht nach und nach immer größere Ähnlichkeiten zu Goten. Die hohen Wangenknochen (die bei Goten zwar noch etwas weicher waren), die farbigen Glanzlichter im ansonsten rabenschwarzen Haar, der Schwung, wenn die hohe Stirn aus den Stirnlocken auftauchte - vieles an Gohan machte ihn sehnsuchtsvoll an seinen Freund denken.
Seine Hand führte unbewusst die Tasse zu seinem Mund und er nahm einen Schluck von der roten Flüssigkeit, verzog aber angewidert das Gesicht und stellte sie auf einen Klapptisch zu seiner linken. Das Getränk hatte sich in seiner Hand erwärmt und war ungenießbar geworden. „Er scheint nicht begeistert von Ihrem Hobby zu sein", meinte er flüsternd und nickte in die Richtung Vegetas. „Warum?"
Gohan hob eine Augenbraue und sagte: „Sie brauchen nicht zu flüstern, Captain, jedes Wort, das sie sagen wird so oder so verstanden werden. Und um Ihre Frage zu beantworten: Mein Vater ist im Glauben aufgezogen worden, das es nichts gibt, das einem Saiyajin größere Probleme bereiten sollte, wenn er sich auf die Kraft seiner Arme verlassen kann. Leider ist dies in der heutigen Zeit ein Trugschluss, da unser erklärter Feind sowohl politisch als auch körperlich allem überlegen ist, was wir aufbringen können."
„Gedankenspielchen und Puzzles werden Freezer sicherlich auch nicht aufhalten können." Die Stimmung des Königs hatte sich, seit Turles gegangen war, nicht um ein Iota aufgehellt.
„Ich bezweifle dies ebenso wenig wie du, Vater, aber wenn uns unsere Muskeln nichts nutzen, müssen wir uns wohl auf die Gaben unseres Verstandes verlassen und so auf eine Lösung unserer Probleme kommen." Gohan hatte vollkommen ruhig gesprochen und Trunks hatte den Eindruck, diese Diskussion hatte schon so oft zwischen den Männern stattgefunden, dass jegliche Emotionen in ihrem Disput schon vor langer Zeit aufgebraucht worden waren. „Sie müssen meinem Vater zugute halten, dass der unkonventionelle Weg ihm bis jetzt noch keinerlei Vorteil verschafft hat, sondern seine Situation nur verschlimmerte."
„Inwiefern?", fragte Trunks und wusste, dass es ihm höchst unangenehm sein würde, sollte jemand in seiner Gegenwart so offen über ihn sprechen, wie Gohan es von dem König tat.
„Es gab, zum Beispiel, keinen ersichtlichen Grund, Ihr Leben zu schon, Captain", sagte der Kronprinz leichthin und Trunks rann ein Schauer über den Rücken. „Aller Wahrscheinlichkeit nach mussten Sie ein Spion sein, eingeschleust durch Freezer, und der sich auf irgendeine Art und Weise das Vertrauen meines Vetters erschlichen hat, denn Goten bestand auf sehr zwingende Art und Weise auf Ihrer Unterbringung in einem Regenerationstank." Gohan bemerkte bei diesen Worten, wie ein Lächeln die Züge des Menschen überlief, das Erleichterung und Zuneigung ausdrückte, aber er schob diese Erkenntnis in eine entfernte Ecke seines Hirns, um in müßigeren Stunden darüber zu grübeln. „Wie ich gehört habe, haben Sie die Tatsache, dass Sie unserer Sprache mächtig sind, nicht nur mir und meinem König verraten, sondern auch Turles, was für Sie weniger bittere Konsequenzen haben wird, als für uns.
Die Macht eines Königs prosperiert, solange es seinem Volk gut geht und er die Stärke besitzt, es zu regieren. Wenn man es von diesem Standpunkt aus betrachtet – und die Geschichte lehrt uns, dass es keinen anderen vertretbaren gibt – dann steht die Herrschaft meines Vaters schon seit langer Zeit auf ‚tönernen Füßen', wie es in Ihrer Sprache so passend heißt. Die Stützen seines Reiches – Kraft und Rechtmäßigkeit – sind seit langem untergraben, da—„
„Gohan, übernimm das Ruder", befahl Vegeta plötzlich und erhob sich aus dem Pilotensitz. „Du redest mir zu viel."
Trunks wollte empört den Mund aufmachen und protestieren, aber ein Seitenblick auf Gohan ließ ihn den Mund halten. Der Kronprinz hatte die Lippen zu einem ärgerlichen Schlitz zusammengepresst, gehorchte aber dem Wort seines Monarchen und übernahm die Stelle hinter dem Steuerruder. Vegeta indessen, trat durch Kabine hindurch auf Trunks zu und ließ sich in den Sessel ihm gegenüber gleiten. Er griff nach dem abgestellten Becher und trank daraus, verzog das Gesicht, stellte die Tasse aber nicht wieder zurück.
„Seit Kakarots Tod hat meine Macht gelitten, aber ich bin nicht so schwach, wie mein Sohn mich vielleicht sieht", sagte er barsch und blickte Trunks dabei in die Augen, als wollte er ihn herausfordern, etwas anderes zu sagen. „Ich habe immer noch die Macht meiner Hände und es gibt noch immer einige Clans, die noch nicht weit genug degeneriert sind, um sich ihres Monarchen und ihrer Pflichten ihm gegenüber zu erinnern." „Raditz, der Bruder meines Vaters, ist einer von ihnen und der Mächtigste", warf Gohan von der Kanzel aus ein, wurde von Vegeta aber ignoriert. „Ihr kleiner Faux-pas", Vegetas Lächeln bei diesem Wort ließ Trunks unwillkürlich an eine Katze denken, die sich schon sehr freute, einer besonders hartnäckigen Maus das Leben zur Hölle zu machen, „spielt meinen politischen Gegnern in die Hände. Sowohl jenen, die mir vorwerfen, die Interessen Vegeta-seis nicht genug zu vertreten und fremde Einflüsse fürchten, als auch den Dummköpfen, die meinen, dass Vegeta-sei ohne großes Federlesen in Freezers Imperium zurückkehren sollte."
„Oh", machte Trunks betroffen und fügte hinzu: „Jetzt habe ich ohne Wissen Ihre Position geschwächt."
Vegetas Blick war nach wie vor eisig. „Wie sagt man bei Ihnen so schön: Lassen Sie sich darüber keine grauen Haare wachsen. Nicht, dass mich der Zustand Ihres Gewissens auch nur eine Sekunde interessieren würde, aber ich kann Ihnen versichern, dass die Zahl meiner politischen Feinde klein ist: Die meisten meiner Untertanen haben jegliche Erinnerung daran verloren, dass wir einst die größte Macht in unserem Teil der Galaxis darstellten – ihnen ist es wichtiger, zu überleben. Die anderen sind nicht der Rede wert."
Der Captain war sich nicht sicher, ob es weise war, von seinen Feinden derart geringschätzig zu denken, aber er konnte sich auch nicht sicher sein, ob Vegeta die Rolle des Unbekümmerten nicht nur spielte und sich im Wahren durchaus der Gefahren eines Putsches bewusst war. Und überhaupt: Was ging es ihn an! Er hatte genug eigene Probleme – desertiert und auf einem fremden Planeten gestrandet, ohne die Aussicht auf Hilfe und Unterstützung. Er kaute nervös auf der Innenseite seiner Wange herum. Und Goten war auch verschwunden... Irgendwie hatte er sich eingebildet, dass zwischen ihnen alles wieder wie vorher, oder zumindest anders als in den letzten Wochen auf der Station, werden würde, wenn sie erst einmal außerhalb von Freezers Reich seien, aber ihn beschlich das Gefühl, dass Goten ihn vielleicht nur rücksichtslos für seine eigenen Zwecke benutzt hatte.
„Wir haben die Anfrage der Luftüberwachung bekommen – was soll ich ihnen antworten?" Gohan hatte gesprochen, ohne von den Kontrollen aufzusehen.
„Gib deinen Autorisierungscode ein", antwortete Vegeta leichthin. „Es muss niemand wissen, dass ich hier bin."
Gohan nickte knapp und sprach mit leiser Stimme in die Konsole. „Sie bestätigen und wünschen uns einen guten Flug. Sie sagen außerdem, dass die Landebedingungen kompliziert sind, da in der Gegend um Raditz' Siedlung ein ki-manifestierter Sturm herrscht."
Diese Worte ließen Vegeta einen Moment lang abwesend aussehen, bevor der Monarch in ein dunkles Glucksen verfiel. „Goten scheint einen verdammt schlechten Tag zu haben." Gohan lachte zwar nicht, nickte aber zustimmend, während Trunks nicht so recht wusste, ob er glauben sollte, was er sich unter „ki-manifestiert" zusammenreimte... War Goten so stark, dass er einen Sturm entfachen konnte? Die Kanzel war dunkler geworden und mit einem mulmigem Gefühl in der Magengrube sah Trunks, dass sie direkt auf eine schwarz-gelbe Front aus Staub und Wolken zuflogen.
„Halten Sie sich gut fest, Captain", warnte der Kronprinz. „Wir kommen jetzt in Turbulenzen."
Raditz hatte sich wieder in den Schutz der Treppe zurückgezogen und schnappte mühsam nach Luft. Das Chaos um ihn herum war eine perfekte Kugel, in deren Zentrum Goten mit Kakarot rang. Ein beständiges Rieseln und Blasen erfüllte die Luft, aber in den letzten Minuten war noch leises Knirschen hinzugekommen, das den Clanchef sich besorgt nach allen Seiten umsehen ließ. „Goten", brüllte er noch einmal und diesmal schwang, für alle hörbar, ein verzweifelter Unterton in seiner Stimme. Er hasste es, gegen diese Naturgewalten nicht ankommen zu können, und er begann, sich ernstlich Sorgen zu machen, wie lange die Substanz des Hauses dem Sturm noch standhalten konnte (ganz zu schweigen von Asparo, der im Obergeschoss gänzlich in Panik geraten war). „Willst du, dass uns das Haus über den Köpfen zusammenbricht!", schrie er in das tosende Durcheinander und, tatsächlich, fühlte er, wie sich die Macht des Sturmes brach.
Ungläubig, dass er Goten tatsächlich zum Einlenken gebracht haben sollte, wartete er noch einen Augenblick ab, bis er sich sicher sein konnte, dass seine Sinne ihn nicht täuschten, bevor er aus seiner Deckung kam. Was er allerdings erblickte, als er aus dem Schatten trat, war etwas womit er nicht unbedingt gerechnet hatte...
Goten lag bäuchlings auf dem Boden mit schmerzhaft verdrehten Armen, die von Kakarot in fester Umklammerung gehalten wurden. Der ältere Krieger hatte sich seitlich vorgebeugt und beide Männer hielten einander mit Blicken fest, die hass- und schmerzerfüllt waren. Beide Männer zitterten und atmeten schwer, aber ansonsten verharrten sie in Bewegungslosigkeit – einer den anderen taxierend und auf eine Schwäche wartend.
„Kakarot...", begann Raditz und wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte. Sein Bruder hatte sich noch weiter über den am Boden liegenden gebeugt und seine wilde Mähne verbarg seine Augen vor Raditz, aber durch Goten lief ein Zittern und mit gebrochener Stimme flüsterte dieser schließlich ein leises „Ja." und augenblicklich ließ Kakarot seinen Klon fahren.
‚Bring ihn in ein ruhiges Zimmer', befahl er Raditz und blickte noch einmal auf Goten hinab, der sich auf Hände und Knie gemüht hatte, aber den es nun wie in Weinkrämpfen zu schütteln schien.
„Was hast du ihm gesagt?", forschte Raditz nach, dem sein Neffe leid tat. Während er noch Augenkontakt mit seinem Bruder hielt, trat er neben die elende Gestalt und hob ihn vom Boden auf. Ein flüchtiger Blick in Gotens Gesicht zeigte ihm, dass dieser beileibe nicht geweint hatte, aber eine bleierne Müdigkeit schien den Jungen befallen zu haben, der wankte und sich kaum auf den Beinen halten konnte.
‚Nichts, was er nicht schon gewusst hätte', antwortete Kakarot bedächtig, nachdem er Raditz einen Augenblick lang forschend ins Gesicht geschaut hatte. ‚Ich gehe besser – Vegeta ist gleich hier und er bringt Gäste.'
Raditz grübelte über die Worte seines Bruders, als er Goten die Treppe hinauf in ein ruhiges Schlafzimmer half und nur anstandshalber, weil Vegeta es befohlen hatte, den Türmechanismus schloss. Goten war sofort auf ein Bett gesunken und eingeschlafen, und wenn Raditz es sich auch nicht eingestand, so war der ältere Mann ebenfalls todmüde und sehnte sich nur nach Ruhe. Aber die konnte er noch nicht haben: er musste nach Asparo sehen und seinen Bediensteten, die er in den geschützteren Kellerräumen ebenfalls in Sorge vermutete, befehlen, die Eingangshalle zu säubern und ein Mahl für den König und seine Gäste vorzubereiten.
‚Gäste..' ging es dem Clanchef noch einmal durch den Kopf. Würde Kakarot seinen eigenen Sohn als „Gast" bezeichnen? Und wer mochten der oder die anderen sein?
Vegeta war ihnen vorausgegangen und hatte das fremde Haus betreten, so als ob es eine Selbstverständlichkeit war – und vielleicht war es dies auch, denn Trunks erinnerte sich, dass Raditz, so hieß der Mann, der hier wohnte, Gohans Onkel sein sollte. Aber trotzdem war es ihm unangenehm, im Schlepptau dieses Mannes in die Privatsphäre eines Fremden einzudringen.
Seine Augen hatten sich noch nicht vom grellen Licht erholt, das von den Wänden des Innenhofes reflektiert wurde, als er in der Dunkelheit des Hauses in ein Hindernis lief, das sich als der Kronprinz herausstellte.
„Wie sieht es denn hier aus?", fragte Gohan verblüfft seinen Onkel, der gemächlich die Treppe zu den oberen Stockwerken herunterkam.
„Ich hatte eine Auseinandersetzung mit Goten", antwortete der neu Hinzugekommene und wischte wie beiläufig ein Häufchen Sand vom Treppengeländer.
„Im Haus? Ein Wunder, dass es noch steht", bemerkte Gohan und Trunks stimmte ihm in Gedanken zu. Er erinnerte sich nur mit einem äußerst flauen Gefühl im Magen an den wilden Flug, als Gohan auf den letzten Kilometern versucht hatte, ihr schlingerndes Gefährt nicht abstürzen zu lassen. Pechschwarze Nacht hatte im Cockpit geherrscht und Trunks hatte mehr als einmal nicht gewusst, ob er sich weiterhin an seinem Sessel festklammern, oder die Hände vor den Mund schlagen sollte.
„Lasst uns erst einmal etwas essen!", schlug Raditz vor, nachdem er Gohan kurz umarmt und Trunks einen fragenden Blick geschenkt hatte und rieb sich die Hände. „Ich verhungere fast!"
„Ich hoffe, du hast den Jungen eingeschlossen", durchbrach Vegetas Stimme die Festtags-stimmung so einfach, als ob man einen Luftballon zum Platzen bringt.
„Ja", knirschte der Clanführer und wies nach oben. „Er schläft."
Der König folgte dem ausgestreckten Finger mit zusammengekniffenen Augen, wandte sich aber nach ein paar Sekunden angestrengten Schweigens ab und trat in einen Nebenraum, vollkommen überzeugt, dass die anderen ihm folgen würden – was sie auch taten.
Trunks verweilte noch auf dem Flur und schaute unschlüssig die Treppen hinauf, sich fragend, ob er Goten heute noch sehen würde. Sein Verlangen, wieder in seiner Nähe zu sein, war stärker, als er erwartet hatte und überraschte ihn mit seiner Intensität. Er verschränkte die Arme und dachte an die letzten Momente zurück, die sie auf Freezers Station verbracht hatten; wie wunderbar warm und kompakt sich Gotens Form in seine geschmiegt hatte! Wie herrlich sein Haar gerochen hatte, wie heil sich Trunks gefühlt hatte, als er seine Arme um ihn gelegt hatte...
Ein Diener schließlich berührte ihn an der Schulter und bedeutete ihm, in das Nebenzimmer zu gehen. Diensteifrige Seelen hatten hier ein Mahl bereitet, das hauptsächlich aus Unmengen kalten Fleisches bestand, aber Trunks konnte auch einige Früchte entdecken, als er sich zu Gohan auf einen Diwan setzte und nach einem Teller griff. Besteck konnte er keines ausmachen und es schien den anwesenden Herren nicht unangenehm aufzufallen, dass sie mit den Fingern essen mussten. Überhaupt verzehrten die drei Saiyajin solche Unmengen, dass Trunks annahm, man hätte damit eine Kleinstadt für einen Tag versorgen können. Er selbst verspürte allerdings kaum Appetit.
„Ich habe eine Frage", wandte er sich an Gohan, der auf beiden Backen kaute, aber interessiert nickte und ihm bedeutete fortzufahren. „Sie nennen Goten mal ihren Bruder und mal ihren Vetter, warum?"
Der Kronprinz nahm sich Zeit und kaute seinen Bissen hinunter, bis er sich dem Captain zuwandte. „Ich bin verwundert, dass Sie es nicht wissen, Captain: Goten ist ein Klon. Er ist der einzige Überlebende von 27 Klonen, die aus dem Wenigen angefertigt wurden, das wir an Zellmaterial noch von Kakarot übrig hatten. Der Embryo wurde dann in eine von Vegetas Zellen eingesetzt und zum Wachsen gebracht." Er zuckte mit den Schultern. „So gesehen kann man Goten nicht als exakte Kopie meines Vaters bezeichnen, aber auch nicht als meinen Bruder."
Trunks setzte sich überrascht zurück. Vielmehr als Gotens Herkunft, irritierte ihn die leichte Art und Weise mit der Gohan darüber sprach – als ob Goten kein eigenes Wesen wäre, sondern nur ein Experiment. „Aber wie fühlt er sich denn dabei?", fragte er entgeistert.
Gohan sah aus, als hätte sich ihm die Frage noch nie gestellt. „Wie soll er sich fühlen? Wie jeder andere auch, nehme ich an..?"
„Ab.."
„Spielt es für Sie eine solche Rolle, ob jemand auf natürlichem Wege gezeugt wurde?", fragte Gohan beinahe aggressiv.
„Nein!", wehrte Trunks sich. Erst jetzt ging ihm auf, dass ja Gohan auch nicht auf natürlichem Wege gezeugt worden war, sondern der Sohn zweier Männer war. Wenn die Saiyajin einen solchen Mann als Thronfolger akzeptierten, mussten in ihrer Gesellschaft andere Standards gelten als auf der Erde und er fühlte sich beschämt, dass er in seinem Innersten doch noch so eingeschränkt war. „Aber ist es für Goten nicht schrecklich, mit Kakarot verglichen zu werden? Er ist doch ein eigenes Wesen."
„Darüber muss sich niemand mehr Gedanken machen!", ließ sich Vegeta vernehmen, der mit Raditz abseits gestanden und sich leise unterhalten hatte. „Der Junge ist eine Enttäuschung auf der gesamten Linie und niemand würde nach seinem Verhalten auf seinem Posten auch nur im Entferntesten daran denken, ihn mit Kakarot in Verbindung zu bringen." Gohan sah betreten drein und Raditz machte eine Regung, als ob er dem Monarchen widersprechen wollte, als von draußen plötzlich das Geräusch startender Treibwerke zu vernehmen war und eine Windböe Sand und Staub in das frisch gereinigte Haus fegte.
„Er haut ab!", erkannte Raditz die Situation als Erster, aber Vegeta war schneller in seiner Reaktion. Ein Wirbel von Farben rauschte an Trunks vorbei, der ebenfalls auf die Beine sprang und nach draußen lief. Als er, nur Sekunden später, auf dem Innenhof stand, war von dem Shuttle bereits nichts mehr zu erkennen.
