Nun Shelley, wir nähern uns dem interessanten Teil. Für mich ist das sehr schwer zu schreiben, aber es kommen doch erstaunliche Dinge aus dem Unterbewussten! Ach ja – Grammatikregeln finden sich da nicht:-)

Lorelei – tja. Der Severus in 20 Jahren hat schon jede Menge Gründe, Fesseln nicht zu mögen. Der arme Süße. Und "unser" Lucius kommt dabei nicht so gut weg, fürchte ich...

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Der Gestank von Patchouli kam näher. Severus bemühte sich, nicht zu würgen. Eigentlich war der Geruch gar nicht so schlecht, bemühte er sich zu denken. Eigentlich nicht. Nicht schlechter als Rosenduft beispielsweise. Beides natürlich nicht zu vergleichen mit dem Geruch des Meeres. Oder von ...

Es war nur so, dass Patchouli ihn an etwas erinnerte. Er wusste nicht so genau, an was. Aber es war keine gute Erinnerung, da war er sicher. Der Duft wurde überwältigend. Schmierige Haarsträhnen berührten Severus' Wangen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich aufs Atmen, damit ihm nicht übel wurde. Das fehlte noch. Er wollte es dem Prinzen nicht zu einfach machen, aber ihm vor die Füße kotzen, das wäre etwas viel.

Eine (nach Patchouli riechende) Hand legte sich unter sein Kinn. Snapes Kehle bewegte sich. Nein, er würde nicht würgen, verdammt noch mal. Das war alles nur psychisch. Er öffnete die Augen und sah dem Prinzen in das aufmerksame Gesicht.

Die Augen waren gar nicht schwarz. Sie waren tiefdunkelblau. Eine sehr ungewöhnliche Farbe. Mitternachtsblau. Keine Farbe, die er sich ausgesucht hätte, aber gar nicht so schlecht. Eine Farbe, in der man sich verlieren konnte, wenn man nicht durch Gerüche gestört wurde.

Sein Gesicht wurde emporgehoben und Augen und Geruch kamen näher. Severus würgte wieder und erbrach sich direkt auf die eleganten, goldbestickten Puschen von Prinz Achmed dem Erhabenen.

Ein entsetzter Aufschrei. Entsetzt und angeekelt und alles Mögliche. Severus hörte es durch den Nebel seiner Erleichterung. Nun war ihm wohler. Körperlich. Sein Geist machte sich schon einige Gedanken, was nun wohl mit ihm passieren würde. Er musste nicht lange auf eine Antwort warten.

Einer der ehemals eleganten und sauberen Schuhe trat ihn vor die Brust, was Snape nicht so sehr aristokratisch fand. Es steckte auch eine ganz schöne Kraft dahinter. Snape fiel auf den Rücken, seien Beine ragten in die Luft. Der Geschmack von Erbrochenem begann ihn zu stören, aber er hatte die leise Vermutung, dass das bald seien geringste Sorge sein würde. Der Bewacher, ein Bulle von einem Kerl, mit kleinen Schweinsäuglein, einer niedrigen Stirn, einem Turban auf der Glatze und mehr Muskeln als ein gewöhnlicher Ochse benötigte, marschierte in den Raum und trat ihn mit einem riesigen Fuß, der in etwas anderem steckte, als Samtpuschen. Es tat ziemlich weh. Und er hörte nicht mit einem Mal auf. Severus begann wieder zu würgen. Es waren doch noch Essenreste in seinem Körper.

Ein erneuter angeekelter Aufschrei, diesmal in einem Idiom, das Snape nicht verstand. Die Schuhe verschwanden und eine Peitsche sauste auf ihn nieder. Severus schrie auf, noch mehr aus Wut als aus Schmerz. Sein ganzer Körper zitterte vor Anstrengung – geschwächt durch den ekelhaften Geruch und das Erbrechen, und dann noch geschlagen werden und angst vor dem Tod haben – das wurde nicht gerade in Medizinhandbüchern empfohlen.

Das Gesicht des Prinzen beugte sich über ihn. Die dunklen Augen waren wieder fast schwarz und sehr angeekelt. "Es scheint mir, dass du noch nicht reif für meine Aufmerksamkeiten bist, Fremder", sagte er in perfektem Oxfordenglisch. "Wenn du dich wie ein Tier benimmst, sollst du wie ein solches behandelt werden, bis du weisst, wie du dich in meiner Gegenwart zu benehmen hast."

Severus hätte entgegnen können, dass sich seines Wissens Tiere eigentlich nicht übergaben, aber das hätte wohl keinen Zweck gehabt. Er konnte sich nicht wehren, als der Bulle/Leibwächter/Was auch immer sich ächzend und fluchend über ihn beugte, ihm das besudelte Kleid vom Leib riss, die Schlappen wegkickte und ihn sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schultern legte. "Du bist noch nicht reif, hier bei uns Menschen zu leben, Tier", sagte der Prinz und es klang ein klein wenig bedauernd. Wahrscheinlich hatte er sich schon sehr auf eine neue Abendunterhaltung gefreut. "Du wirst in die Ställe gebracht, bis du so weit bist." Severus konnte nur grunzen, so über die Schultern des anderen Mannes geschwungen, aber er richtete seine schwarzen Augen in einer Weise auf den Prinzen, die seinen Untergebenen auf dem Schiff gesagt hätte, dass er sie nicht vergessen würde.

Auf dem Weg zu den Ställen überlegte sich Severus seine Chancen. Es sah nicht gut aus. Dieser Typ der ihn trug war ganz sicher ein Sadist, und wenn er überall so gebaut war, wie das was man sah, dann gute Nacht. Vielleicht stimmte es ja, was man über sehr muskulöse Männer sagte, dass sie damit ein anderes etwas klein geratenes Körperteil kompensierten – und Snape meinte hiermit nicht das Gehirn. Das war eh klar. Doch der andere Mann war als Leibwächter des Prinzen sicher gewohnt, etwaige körperliche Unzulänglichkeiten mit Technik zu ersetzen. War der Orient nicht bekannt für sehr einfallsreiche Foltertechniken? Hatten sie sich nicht schon darin geübt, als man in Europa noch einfallslos mit Keulen aufeinander einschlug? Nun, er hatte sicher einiges zu erwarten.

Sie kamen durch einen Gang, in dem mehrere Menschen waren. Severus war nicht sicher, da er ja mit dem Kopf nach unten hing, aber er meinte den Mann zu erkennen, der ihm das Essen gebracht hatte. Er schüttelte den Kopf, und rannte dann plötzlich los, als die Stimme des Prinzen gellte. Er rief irgendwas wie "Remus", aber da konnte Snape sich auch irren. Es war ihm völlig egal, und wenn der andere jetzt einen Rüffel bekam, weil er ihn ja offensichtlich nicht richtig vorbereitet hatte, dann geschah es ihm gerade recht. Er selber hatte jetzt andere Sorgen.

In den Ställen roch es nicht sehr angenehm. Snape hatte noch nie etwas von großen Tieren gehalten, vierbeinige waren da keine Ausnahme. Pferde, Esel oder Maultiere, auch Kamele sah er. Die Unterkünfte waren eigentlich recht gepflegt. Aber der Bulle brachte ihn in eine abgelegene Ecke, in der nur Strohreste waren und jede Menge Dreck. Severus wurde hingeworfen und blinzelte, um sich von seiner Wut abzulenken. Es würde nichts bringen, diesen Idioten anzugreifen. Er war sicher stärker, und wenn er es schaffen sollte, wohin konnte er dann? Er musste eben die Dinge ertragen, so gut er konnte, wie auch immer sie sein würden.

An der Wand waren metallene Ringe. Snape starrte sie an. Bei allen Heiligen – das war doch jetzt nicht wahr, oder? Er blinzelte wieder. Die Ringe verschwanden nicht. Schlagartig wurde er sich seiner Nacktheit bewusst und zog sich in die äußerste Ecke zurück. Er konnte es nicht verhindern, dass er wie ein in die Enge getriebenes Tier aussah. Er fühlte sich auch so. Wider besseres Wissen suchten seine Augen noch immer nach einem Ausweg.

Der Sklavenschinder kam mit einem widerlichen Grinsen auf ihn zu. In der Hand hielt er Ketten mit Handschellen daran, die er sich auf den feisten Oberschenkel schlug. Snape schluckte nicht. Er merkte, wie sein Gesicht sich mehr und mehr Richtung bittere Verachtung verzog. Sein verdammtes Leben nahm immer noch beschissenere Formen an. Das musste ein kosmischer Witz sein. Irgendwer lachte sich sicher halb tot über ihn. Und wie es aussah, würde es für diese Macht noch mehr zu lachen geben, bis der Tag rum war. Severus zeigte dem Mann seine Zähne.

Der andere vertiefte sein Grinsen. Severus betrachtete den Mann, mit dem er in naher Zukunft intime Bekanntschaft schließen würde, wenn nicht noch ein Wunder geschah – wieder nur zum Vergnügen dieser Macht, die die Welt in Händen hielt.

Er kannte den Typ. Er hatte schon unter ihm gedient. Snape hatte immer solche Leute befehligt – dumm, brutal und sadistisch. Körperlich stark. Ohne Zweifel, unnötige Gedanken, an Folgen oder die Gefühle anderer. Er hatte sich noch nie zuvor mit einem von ihnen eingelassen. Sie waren nicht sein Typ. Wirklich nicht. Aber hier würde er wohl keine Wahl haben, wenn er das Grinsen richtig verstand.

Er konnte nicht verhindern, dass sich sein Körper gegen die Fesselung wehrte. Sein Gehirn verstand sehr wohl, dass es nichts nützen würde, sein Körper kämpfte trotzdem. Irgendwie beneidete er seinen Körper. Handeln, einfach handeln, das tun, was es im Moment zu tun gab. Sein Gehirn hatte diesen Luxus nicht. Er würde versuchen müssen, es abzuschotten vor den Greueln, die zweifellos gleich passieren würden. Sonst würde sein Gehirn es immer nur schlimmer machen. Das Warten. Die Gedanken, was passieren würde. Wie weh es tun würde. Die Demütigung. Alles nur Gedanken. Alles nur im Kopf. Der Körper war im Moment. Und lebte. Und würde überleben. Sehr wahrscheinlich hatte der Mann nur den Auftrag, ihn - einzurichten. Nicht ihn umzubringen. Dafür war er als Sklave sicher schon zu teuer gewesen.

Okay. Er konnte das tun. Sich abschotten. Gar nicht da sein. Sein Geist kehrte in seinen Körper zurück, der immer noch kämpfte, sich wand gegen den Mann und seine Ketten. Ohne Erfolg. Natürlich. Severus knirschte mit den Zähnen. Arme und Beine testeten die Fesseln. Fest. Wenn er sich sehr wehrte, würde er sich Handgelenke und Fesseln aufreiben. Nicht zu ändern. Das würde wahrscheinlich noch seine geringste Sorge sein.

Der Mann sagte etwas in einer Sprache, die Severus nicht verstand. Das musste er auch nicht. Das Grinsen des Mannes sagte ihm alles, was er wissen musste. Mehr, als er wissen wollte. Snape spuckte aus, ohne darüber nachzudenken.

Gebrüll. Severus richtete die Augen zum Himmel, an den er nicht glaubte. Dass die Schwachen im Geiste und Starken im Körper immer glaubten, sie könnten sich alles erlauben und wenn dann irgend jemand nur andeutungsweise zurückschlug, waren sie beleidigt ohne Ende. In ihrer nicht vorhandenen Würde gekränkt. Es war so durchschaubar. So langweilig ...

Sein akademischer Gedankengang kam zu einem abrupten Halt, als die Peitsche auf ihn herabsauste. Halt, wollte er rufen. Zu schnell! Mein Gehirn ist noch nicht abgeschottet. Einen Moment! Ich bin noch nicht bereit! Aber sein noch anwesendes Gehirn hatte Zweifel, ob das etwas nützen würde und warf sich genau so nutzlos auf Lucius. Lucius! Der Mann, der ihn in diese Lage gebracht hatte! Lucius, sein Liebhaber und Freund. Lucius, sein Verräter und Mörder! Und dann dachte er nichts mehr, als Schmerz, Schmerz, Schmerz.

tbc