Drittes Kapitel
Von Dauer ist nur der Wandel selbst


"Geh wieder zu den Dorfleuten zurück."

Inu Yasha starrte Kagome so entgeistert an, als würde er ernsthaft an ihrer geistigen Gesundheit zweifeln.

"J- ja", fuhr Kagome stotternd mit einem Erklärungsversuch fort, "ich meine, Sango und Miroku haben das Missverständnis inzwischen sicher aufgeklärt. U- und den Dorfbewohner - zumindest dem Vater - tut es nun bestimmt leid, wie sie sich verhalten haben und jetzt wollen sie sich bestimmt entschuldigen und -"

"Keh!", schnaubte Inu Yasha als er sich wieder gefasst hatte. "Die haben mir wohl deutlich genug gezeigt, dass ich unerwünscht bin!" Eine tiefe Falte hatte sich zwischen seinen entrüstet zusammengezogenen Augenbrauen gebildet.

"Naja..." Kagome war vollkommen bewusst wie absurd ihre Bitte in seinen Ohren klingen musste. Dennoch blieb sie standhaft, da sie wusste, wie wichtig es war, dass er sich den Dorfbewohnern noch einmal aussetzte. Wichtig für sein Herz. Warum, konnte sie selbst nicht genau erklären, doch ein starkes Gefühl sagte ihr, dass es das Richtige war. "Das stimmt schon - ich will da auch gar nichts schön reden - aber sie wussten zu dem Zeitpunkt ja noch nicht, dass du dem Mädchen geholfen hast und ihre Meinung hat sich geändert."

Kagome konnte auf Inu Yashas Gesicht ablesen, dass er zu dem Entschluss gekommen war, sie sei nun wohl vollends übergeschnappt. Mit vorsichtiger Stimme erkundigte er sich:

"Geht's dir wirklich gut? Oder hast du mir nicht zugehört? Hast du dir vielleicht den Kopf -" Das hätte er besser gelassen.

"Nein hab ich nicht!", fauchte Kagome, die so richtig in Fahrt kam. Er nahm sie überhaupt nicht ernst. "Ich hab sehr wohl aufgepasst und kapiert WAS sie getan haben. Ich will dir nur helfen, aber du bist zu stur, um das zu begreifen!"

Angesichts ihrer Wut schien er merkwürdig geschrumpft. Kagome konnte in seinen Augen die Frage sehen, was er denn falsch gemacht habe. Entnervt seufzend und ehe er weitere Einsprüche erheben konnte, packte sie ihn energisch am Handgelenk und zerrte ihn in die Richtung, aus der sie glaubte gekommen zu sein.

"He!", beschwerte sich Inu Yasha und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien, doch Kagome hielt ihn erstaunlich fest umklammert. Sie blieb abrupt stehen und wandte sich ihm mit entschlossenem Gesicht zu.

"Ich weiß, du verstehst nicht, warum ich das tue, aber gib der Sache doch wenigstens eine Chance! Wenn du es schon nicht für dich tun willst, dann - tu es für mich. Ich bitte dich, vertrau mir einfach..."

Kagomes Entschlossenheit war einem müden Ausdruck gewichen. Wenn er sich so dagegen sträubte, war es sinnlos. Zwang brachte nichts, er musste das freiwillig tun. Nun ja, zumindest halbwegs.

"Das ist es nicht", sagte er unverhofft und deutete nach links, "du läufst in die falsche Richtung, die Lichtung liegt da hinten."

Kagome blickte in sein zwar immer noch ärgerliches, aber dennoch offenes Gesicht, auf dem man im grauen Licht der Nacht noch das Blut erkennen konnte und ihre Selbstbeherrschung war dahin. Sie brach in Tränen aus.

"Wa -?" Erschrocken machte Inu Yasha einen Schritt rückwärts und beäugte unsicher das schluchzende Häufchen Elend vor ihm. "Was hab ich denn jetzt schon wieder gesagt!"

"Nichts", schniefte Kagome, "ich war nur so traurig über deine Geschichte, dabei wollte ich wegen dir nicht weinen... u- und jetzt bin ich s- so glücklich, dass du mitkommen willst..."

"Du heulst, weil du dich freust?" Er schüttelte verständnislos den Kopf.

"Mhm, irgendwie schon.", meinte Kagome und brachte ein zittriges Lächeln zustande. Sie fühlte sich auf einmal so erleichtert. Da fiel ihr wieder sein Gesicht auf.

"Aber bevor wir zurückgehen, sollten wir das Blut abwaschen."

"Oh" Inu Yasha tastete mit der rechten Hand nach der Wunde auf seinem Gesicht. "Ist es so schlimm?"

"Schlimmer", schmunzelte Kagome, "die Leute würden schreiend davonlaufen..."

Ohne seine Reaktion abzuwarten fasste sie ihn erneut an der Hand und gemeinsam begaben sie sich auf die Suche nach einem Bach.


Schon von weitem konnte Kagome Sango sehen, die ihnen, gefolgt von Kirara, zwischen den Bäumen entgegengeeilt kam.

"Da seid ihr ja endlich!", begrüßte sie sie aufgebracht. "Die anderen warten beim Dorf auf euch. Sind einfach den Leuten gefolgt, als ihr solange weg geblieben seid. Wir waren uns nicht sicher, ob ihr überhaupt noch auftauchen würdet", fügte sie mit einem Seitenblick auf Inu Yasha hinzu, der mit noch vor Wasser triefendem Haar neben ihr stand.

Kagome folgte ihrem Blick und betrachtete ihn, wie er mit verschränkten Armen und mürrischem Gesichtsausdruck dastand. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, ihn hierher zu bugsieren. Nachdem sie eine Quelle gefunden hatten (Was dank Inu's guter Spürnase sehr schnell ging) waren sie zu der Lichtung zurückgekehrt, nur um festzustellen, dass niemand mehr dort war.

Natürlich nicht, schalt sie sich selbst, nach der Zeit, die sie gebraucht hatten.

Daraufhin hatte Inu Yasha allerdings wieder gebockt und sie hatte erneut ihre ganze Überzeugungskraft aufbieten müssen, um ihn doch noch hierher zu bringen.

"Habt ihr den Dorfbewohnern erklärt, dass Inu Yasha unschuldig ist?", wechselte Kagome das Thema.

"Ja. Allerdings war das ein hartes Stück Arbeit. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir alle überzeugt haben. Sie haben uns nicht erlaubt, im Dorf zu bleiben, aber immerhin haben ein paar andere uns etwas zu Essen gebracht."

Sie setzten ihren Weg zum Dorf fort, Kagome zerrte Inu Yasha mal wieder am Ärmel hinter sich her.

"Macht nichts. Das wäre sowieso mehr gewesen, als ich erwartet hatte. Hauptsache, ihr habt wenigstens ein paar Menschen die Augen geöffnet." Sie dachte dabei an Kaoris Vater.

Kurz darauf verließen sie den Waldsaum und entdeckten Miroku und Shippou, die an einen Schuppen gelehnt selig den Schlaf der Gerechten schliefen. Doch nicht mehr lange. Kaum hatte Inu Yasha sie gesehen, verpasste er ihnen auch schon eine Kopfnuss.

"AU!", plärrte Shippou verschlafen auf. Er blinzelte, als er sich die Augen rieb, böse zu Inu Yasha hinauf, der sich drohend vor den Beiden aufgebaut hatte. "Was sollte das denn?"

"Wie könnt ihr ruhig schlafen, während wir beide verschwunden sind?", schnauzte er sie an. "Keh! Schöne Freunde seid ihr..."

"Na hör mal -", gähnte Miroku und hielt sich die Hand vor den Mund, " - erst reißt du uns mitten in der Nacht aus dem Schlaf, weil du "was gerochen hast", dann hetzten wir wie die Blöden hinter dir her, nur um dann festzustellen, dass du dich, als wir dich endlich eingeholt hatten, wieder aus dem Staub gemacht hast. Und jetzt lässt du uns, nachdem du ZWEI Stunden wie vom Erdboden verschluckt warst, nicht einmal ausschlafen. Du hast übrigens gewonnen", wandte er sich abrupt Shippou zu und kramte ein paar Geldstücke aus seinem Gewand, die er in Shippou's eilfertig ausgestreckte Hände fallen ließ.

Inu Yasha beobachtete die Szene ungläubig.

"Was soll das?"

"Wir haben gewettet", antwortete Shippou und zählte grinsend die Münzen in seinen Händen.

"Ob du dich überhaupt her traust", ergänzte Miroku missmutig und beobachtete, wie sein Geld in Shippou's Kimono verschwand.

"Die Chancen standen 50:50, aber ich hab immer an Kagome geglaubt. Ich wusste sie schafft es."

Inu Yasha verteilte, zu wütend, um zu antworten, eine weitere Runde Kopfnüsse.

Ein Stückchen weiter seufzte Kagome auf und Sango hatte einen merkwürdigen Gesichtsausdruck, den man bei genaueren Betrachtung sogar als amüsiert bezeichnen konnte.

"Na los... auf ins Dorf.", forderte sie die Streithähne auf und ging, von Sango geführt, los.

Trotz der späten Stunde schien das halbe Dorf noch auf den Beinen. Feuer, um die einige Menschen in Grüppchen standen, qualmten zwischen den Hütten und verbreiteten ein unsicheres Licht. Auch die meisten Häusern waren noch erhellt. Während Kagome Sango durch die Häuser hindurch folgte, bemerkte sie huschende Bewegungen aus ihren Augenwinkeln heraus. Die Vorhänge mancher Häuser bewegten sich verräterisch und zeigten die Neugierde der unsichtbaren Bewohner. Von einigen Seiten hörte Kagome gezischte Bemerkungen in einem bösen Tonfall und spürte die Blicke der Menschen, die ihr fast körperliches Unbehagen bereiteten. In diesem Moment war sie über Sangos schützendem Rücken vor ihr sehr froh.

Sie fragte sich, ob Inu Yasha, den sie hinter sich gehen hörte, wohl genauso fühlte.

Sango schritt entschlossen, anscheinend ohne das Verhalten der Menschen um sie zu bemerken, vor ihr her, bis sie schließlich vor einem Haus stehen blieb. Es befand sich fast ganz am Ende des Dorfes. In einem Anbau konnte man Hühner hören. Ein gewöhnliches Bauernhaus, weder besonders prunkvoll noch ärmlich.

Die Gruppe blieb schweigend davor stehen. Kurz darauf wurden auch schon die Strohvorhänge vor der Tür zurückgeschlagen und ein Mann trat heraus. Kaoris Vater war ein einfacher Mann. Sein wettergegerbtes Gesicht ließ auf ein anstrengendes Leben voller Härten aber auch Freuden, wie die Fältchen um seine Augen verrieten, schließen. Dass er jetzt vor sie alle trat, schien ihn viel Überwindung zu kosten.

Schweigen breitete sich drückende zwischen ihnen aus, bis eine kleine Person sich aus dem Türrahmen schob und entschlossen die Hand ihres Vaters ergriff.

Da endlich gab er sich einen Ruck.

"Es tut mir leid.", murmelte er, mit Blick zu Boden. "Ich - habe einen Fehler begangen und -", er holte tief Luft, "- ich danke dir, dass du meine Tochter gerettet hast."

Er warf einen verstohlenen Blick in die Richtung des Hanyous, bevor er wieder zu Boden starrte. Kaori strahlte glücklich hoch zu ihrem Vater, bevor sie die Anderen breit angrinste.

Kagome schielte zu Inu Yasha hinüber, der nur schlecht die Gefühle auf seinem Gesicht verstecken konnte, und fühlte in sich einen Luftballon anschwellen, bis zum Platzen voll von Glück.

Inu Yasha brummte mit gerötetem Gesicht nur zur Antwort.

Die Spannung brach weg und entlud sich in einem befreiten Lachen der anderen. Kaoris Vater schien sich jetzt sichtlich wohler zu fühlen und lud die Gruppe ein, die Nacht in seinem Haus zu verbringen. Natürlich stimmten sie freudig zu und plötzlich stürmte eine Bande kleiner wilder Kerle, gefolgt von ihrer gutmütig lächelnden Mutter, auf sie zu und überschütteten sie mit Fragen, während sie sie ins Haus führten.

Inu Yasha sah den drei lebhaften Brüdern Kaori's dabei zu, wie sie Kirara herzten, an Miroku herum hangelten, Shippou in Beschlag nahmen und entdeckte ein seltsames Gefühl in sich.

Er beobachtete wie die anderen das Haus betraten und Kaori auf ihn zukam, ihm wieder ihr breites, glückliches Grinsen schenkte, und ihn bei der Hand nahm, um ihn ins Haus zu führen.

Mein Herz, dachte er verwundert und durchschritt die Tür.

Mein Herz ist so warm...


gehörte Musik:

Inu Yasha; Openings, Endings, Backgrounds + Songs
Enya; rauf und runter, alle CDs
I Muvrini; "Umani"
Loreena McKennit; 'The book of secrets', 'The mask and mirror'
vermischtes

Verpflegung zum Wachhalten :
Nüsse + Trauben, Tee (!Warnung! Hochgradig süchtig machend!)


Dank

Ich möchte mich bei allen treuen Kommisschreibern bedanken, die die lange Wartezeit ausgehalten und mich wieder aufgemuntert haben, wenn ich eigentlich zu müde zum schreiben war (Gruß an Rogue und Tsu-kun - knuddel)

Besonders M-chan, ohne die die Geschichte in ihrer jetzigen Form nicht existieren würde (aber ebenfalls Tsu-kun zwinker) und die eine wunderbare Lektorin (auch in Notfällen - obwohl sie selber keine Zeit hat ;-) ist.

M-chan ganz dolle knuddelt

Und entschuldigt noch einmal die Wartezeit (ich liebe euch alle :)

Bis Dann!

>> next project in progress: t.r.y. ...