Disclaimer: Alles gehört Tolkien bzw. seinen Erben und zu sagen, ich will es nicht haben, wäre irgendwie gelogen. Urheberrechte sollen dennoch nicht verletzt werden.

So langsam gehen mir die Trennzeichen aus!

3. Kapitel: Überraschung!

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Der nicht sehr weit entfernte Schrei war schrill und vertraut. Thranduils rechte Hand umfasste den langen Dolch an seinem Gürtel, den linken Arm streckte er schon einmal vorsichtshalber nach Varya aus, die dicht an seiner Seite ritt. Im Notfall würde er sie vom Pferd stoßen, damit sie einem Angriff entging.

„Was war das?" erkundigte sich Galen alarmiert.

„Schwarze Eichhörnchen", knurrte Forlos und tauschte einen wachsamen Blick mit seinem König. „Ungewöhnlich, so nah am Waldrand."

Nicht, wenn Varya in der Nähe ist, hätte Thranduil beinahe widersprochen. Mysteriöser Weise hatten diese keineswegs possierlichen Kreaturen von der Größe eines Truthahns eine besondere Vorliebe für seine Heilerin. Wann immer sie in der Nähe war, kannten die Eichhörnchen nur ein Ziel. Thranduil war überzeugt, dass er hundert Tawarwaith und eine Ithildrim auf eine Lichtung treiben konnte, dazu weitere hundert Eichhörnchen. Saurons räudige Geschöpfe würden sich zuerst zielsicher auf die Ithildrim stürzen, während sie die anderen Elben links liegen ließen. Darauf hätte er mit Glorfindel sogar gewettet.

„Klingt interessant", meinte Galen.

„Sie stinken", verkündete Varya und rümpfte die Nase. „Und sie sind lästig. Ich glaube, sie reagieren auf helle Haare."

Ein neuer Schrei, gefolgt von weiteren und sehr viel näher als zuvor. Die Leibwachen schlossen den Kreis enger um die drei Rhûna. Gilnín mochte nicht in Gefahr sein, aber Galen und Varya waren nun mal Ithildrim.

„Nicht sehr logisch", schwatzte Galen weiter.

Varya zuckte mit den Achseln. „Wahrscheinlich hast du Recht. Aber aus ihren Krallen kann man ein Pulver gegen Flöhe machen."

„Ihr habt im Palast Flöhe?" wunderte sich Galen und fing sich einen ärgerlichen Blick von Legolas ein.

„Nein, nur die Pferde erwischt es manchmal", grinste Varya. „Meistens, wenn sie in Esgaroth waren oder mit den Waldmenschen gehandelt wurde. Das Pulver ist bei den Sterblichen wirklich beliebt. Ich habe schon überlegt, diese Eichhörnchen zu züchten."

„Wirst du nicht", wiederholte Thranduil das Ergebnis stundenlanger Diskussionen im heimischen Palast. „Jetzt seid still."

Seine Anweisung kam keinen Moment zu früh. Zehn Schritte vor ihnen raschelte es in den Baumkronen und die Elben hielten sofort ihre Pferde an. Im nächsten Augenblick landeten mindestens zwei Dutzend dieser schwarzen, hässlichen Pelztiere mitten auf der alten Waldstraße. Sie verharrten kurz, ihre kleinen bösartigen Knopfaugen richteten sich auf die Elben, blieben etwas an Varya hängen, dann verschwanden sie mit einem letzten Kreischen auf der anderen Seite der Straße wieder im Wald.

Verwundert sahen die Elben ihnen nach. Es war nun wirklich nicht die Art dieser Tiere, ihre liebste Beute völlig unangetastet zu lassen.

„Nicht gut", murmelte Legolas. „Adar, das gefällt mir gar nicht."

Thranduil kam nicht dazu, seinem Sohn aus vollem Herzen zuzustimmen. Die Eichhörnchen waren noch in der Ferne zu hören, da krochen in wilder Panik eine ganze Horde junger Erdspinnen den schmalen Graben herauf, der die Waldstraße einfasste. Auch diese Tiere hatten nur einen kurzen Blick für die Reiter übrig, bevor sie hinter den Eichhörnchen her Richtung Norden hasteten.

„Jagen die sich?" erkundigte sich Gilnín.

„Gewöhnlich nicht", erklärte Legolas angespannt. „Rührt Euch nicht von der Stelle, Gilnín. Keiner von euch dreien."

Es schien, als wäre der Spuk damit vorbei. Nichts rührte sich mehr auf der südlichen Seite des Waldes. Kein Geräusch war zu hören. Thranduil fiel erst jetzt auf, dass er recht flach geatmet hatte und füllte mit einem tiefen Atemzug wieder seine Lungen. Der modrige Geschmack, den die Luft auf seiner Zunge hinterließ, war eindeutig keine Verbesserung.

„Ich denke, wir sollten einfach weiterreiten", befand er schließlich. „Es ist nur noch eine Stunde Ritt bis zum offenen Gelände. Je eher wir den Wald hinter uns lassen, desto besser."

„Sieh mal, Thranduil."

Er wusste, dass das Unheil seinen Lauf nahm, kaum hatte Varya die Worte ausgesprochen. Eigentlich wollte er nicht wirklich sehen, was sie so faszinierte, dennoch drehte er den Kopf in ihre Richtung, ließ seinen Blick über ihre schönen, zarten Gesichtszüge schweifen, wünschte sich dabei mit ihr zusammen zurück in seinen Palast und senkte seine Augen schließlich auf ihre Hand, die sie ihm mit der ihr eigenen Grazie entgegenstreckte.

Auf ihrem Handrücken hockte ein...

„Oh, ein Schmetterling", verkündete Galen begeistert.

„Scheuch ihn sofort weg!" befahl Thranduil gepresst und fixierte das hässlichste und größte Exemplar dieser Gattung, das ihm je untergekommen war. „Sofort, Varya! Aber sei vorsichtig!"

Störrisch zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. „Es ist doch nur..."

„Sofort!" herrschte er sie an.

Dieses Tier breitete die zerfranselten Flügel aus, die mit einer puderigen weißen Substanz bestäubt waren. Wie ein Schleier bedeckten sie schwarze Zeichnungen auf etwas hellerem Grund. Thranduil sank das Herz, als er die skelettartigen Muster auf den zweigeteilten Flügeln näher betrachtete. Dies war kein gewöhnlicher Schmetterling, mit Sicherheit nicht. Der walzenförmige Körper war mit einem irgendwie nass glänzenden schwarzen Pelz bedeckt und der Kopf... Thranduil schluckte. Die Ähnlichkeit mit einer Fledermaus war beängstigend. Jetzt riss dieses Geschöpf auch noch ein Maul auf mit spitzen, wenn auch winzigen Eckzähnen. Blitzschnell schlug es sie in Varyas Handrücken.

„Der beißt!" schrie Varya auf.

Thranduil hatte fast zeitgleich den Falter oder was auch immer er sein mochte mit einem Schlag von ihrer Hand befördert. Im nächsten Moment war das leise Geräusch einer Klinge zu hören, die die Luft durchschnitt. Vor ihren Augen segelten die beiden Hälften des jetzt toten Tieres zu Boden. Legolas nickte seinem Vater zu und senkte seinen Langdolch wieder.

Wütend richtete Thranduil wieder seine Aufmerksamkeit auf die Elbin an seiner Seite und in seinem Leben, die noch immer völlig perplex auf ihre Hand starrte, auf der aus zwei punktförmigen Wunden einige Tropfen Blut quollen. „Ich hoffe, du begreifst endlich..."

Er kam nicht dazu, den Satz zuende zu bringen. Die Ithildrim sah zu ihm hoch, die Pupillen klein wie Stecknadelknöpfe, dann irrte ihr Blick völlig ab und sie rutschte zur Seite. Thranduil fing sie auf, bevor sie auf dem Boden aufschlagen konnte und zog sie vor sich auf sein Pferd. Ein Gefühl, das nur als beginnende Panik zu bezeichnen war, überflutete seine Sinne.

„Haltet ihren Kopf zurück!" befahl Galen so kalt, dass seine Stimme völlig fremd klang und trieb sein Pferd neben das seine.

Der Rhûna-Heiler beugte sich über die leblose Gestalt, untersuchte sie hastig und schüttelte dann den Kopf. Ein beruhigender Blick streifte Thranduil, während eine seiner schmalen, sensiblen Hände auf Varyas blasser Stirn lag. „Nur ein Betäubungsmittel, kein tödliches Gift. Wir sollten Rast machen und warten, bis es abklingt."

„Werden wir nicht", ließ sich Legolas angespannt vernehmen. „Wir werden reiten, als wäre Sauron selbst hinter uns her."

„Ich hätte bei Amonir im Palast bleiben sollen", jammerte Gilnín, während alle anderen zu Legolas sahen, der sich dem südlichen Waldrand zugedreht hatte.

„Schsch!" machte Forlos in Richtung des Heilers.

Ein neues Geräusch hatte sich eingestellt. Zuerst war es ein nur schwer zu identifizierendes Rauschen, doch dann wurde es zu den Lauten, die Tausende von Flügeln machten, die sich rasch bewegten. Flügel, die mit Sicherheit von weißem Puder bedeckt waren und zu Faltern gehörten, deren Biss eine gesunde Elbin von den Beinen warf. Es kam näher, schnell und unaufhaltsam.

Thranduil packte seine schlafende Palasthexe so fest, dass sie mit Sicherheit einige blaue Flecke davontragen würde. „Flüchtet zum Waldrand! Keiner hält unterwegs an!"

Das Geräusch war jetzt über ihnen. Gleichzeitig verdunkelte sich die ohnehin von den ineinander verwachsenen Ästen der Bäume beschattete Waldstraße noch mehr. Thranduil sah nach oben, direkt in eine dichte Wolke der Falter, die nun über ihnen verharrte. Davor waren also selbst die eigenen Schöpfungen Saurons geflüchtet. Die Elben würden es nicht anders halten. Gerade als der Schwarm auf sie herunterstieß, stoben die Tawarwaith voran.

Die dunkle Wolke senkte sich dennoch über den letzten der Reiter. Der Schmerzensschrei eines Pferdes war zu hören. Als sich Thranduil umblickte, sah er gerade noch, wie sich das Tier aufbäumte, bedeckt mit diesen Faltern und der Krieger darauf zu Boden geworfen wurde. Sofort stürzten sich die Falter auf ihn und er verschwand völlig unter den dunklen Flügeln. Kein Laut kam von ihm. Thranduil konnte nur hoffen, dass durch das Betäubungsmittel sein Tod ein Übergang aus tiefem Schlaf war und er nicht merkte, wie diese Tiere sich an ihm gütlich taten.

Er hatte keine Zeit, um diesen Krieger zu trauern. So tief wie es mit Varya vor sich ging über den Hals seines Pferdes gebeugt, raste er über die Alte Waldstraße, die bald auf offenes Gelände führen musste. Wenn dies die Falter nicht zurückhielt, waren sie so gut wie verloren. Vorerst zeigten diese Kreaturen jedenfalls eine ungewöhnliche Hartnäckigkeit. Schneller, als es für ihre Art üblich war, folgten sie den Flüchtenden. Ein weiterer der Gardisten wurde von ihnen eingeholt und sein Pferd zu Fall gebracht, um die Flucht zu stoppen, bevor sie sich auf ihr eigentliches Opfer stürzten.

Zwei! Thranduil verspürte ein kaltes Gefühl in seinem Herzen. Er hatte zwei gute Krieger an diese Kreaturen verloren. Wieder einmal...Am bittersten war, dass er keine Möglichkeit hatte, ihren Tod zu vergelten. Gegen diese flatternden Todbringer waren ihre Pfeile wirkungslos. Sie würden nur wenige von ihnen vernichten, während sich Tausende weiterhin auf sie stürzten. Sie konnten nur fliehen und hoffen, dass sie den Waldrand erreichten, bevor diese Wolke sie endgültig eingeholt hatte oder eines der Pferde strauchelte und noch einer verloren war.

Thranduil ließ seinen Blick kurz zu seinem Sohn gleiten. Legolas nickte ihm beruhigend zu, um dann selber etwas besorgt zu Galen und Gilnín zu sehen. Die beiden Heiler waren die schwächsten Glieder in der Kette. Galen war eben unfallträchtig und Gilnín, den Thranduil zwar nicht sehr gut kannte, konnte es kaum weniger sein. Niemand, der aussah wie Erestor und dabei so geschickt war wie ein erblindeter Oliphant, würde zu den Glückskindern der Valar gehören. Das ging einfach nicht.

Erstaunlicherweise war der schwarzhaarige Rhûna ein recht fähiger Reiter, auch wenn er etwas seltsame Bewegungen dabei machte. Thranduil hätte fast Varya fallen lassen, als ihm klar wurde, was Gilnín da trieb auf dem halsbrecherischen Ritt. „Meister Gilnìn, hört sofort damit auf!"

Der Rhûna hatte sich die Zügel zwischen die Zähne geklemmt und wedelte mit den Armen in der Luft herum. In einer Hand hielt er eine Art Einmachglas, in der anderen einen Korkstopfen.

„Schofort", nuschelte der Heiler und angelte weiter mit dem Glas nach einem einsamen Falter, der zu ihm aufgeschlossen hatte. „Dasch ischt eine tschu günschtische Geleschenheit. Da, hab disch, du Mischtviehsch!"

Energisch verkorkte Gilnín sein Einmachglas, in dem jetzt ein wütender Falter tobte und verstaute es in seiner Umhängetasche. Der Heiler wirkte unglaublich zufrieden und strahlte Galen an, der anerkennend die Aktion verfolgt hatte. Was auch sonst? Eigentlich konnte Thranduil nur froh sein, dass Varya im Traumland Lóriens war, denn sonst hätte sie es sich sicher nicht nehmen lassen, Gilnín zu helfen und ein weiteres Exemplar selbst zu fangen.

„Wir sind gleich draußen", rief Forlos und deutete auf das helle Rund am Ende des baumbeschatteten Weges, das den Beginn der Anduin-Ebene anzeigte.

Als hätten ihn die Falter gehört, versuchten sie nochmals, zu ihnen aufzuschließen, doch die Strecke war dafür nicht mehr lang genug. Mit donnernden Hufen stürmten die Pferde hinaus auf die sonnenbeschienene Ebene. Licht, Sonnenlicht, der Todfeind aller dunklen Kreaturen, übergoss die Reiter mit seinen Strahlen und der Wärme eines überwältigenden Sommertages. Bereits hundert Meter vom Waldrand entfernt ließ Thranduil anhalten. Niemand folgte ihnen mehr. Sie hatten es geschafft.

Varya rührte sich leicht in seinen Armen, dann schlug sie die Augen auf und blinzelte zu ihm hoch. „Ich will nach Hause."

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Und hier bitte eine Kapiteltrennung vorstellen.

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Die hochgewachsene, schlanke Gestalt stand völlig reglos auf dem letzten Absatz der großen Hoftreppe, die Hände verschränkt und den Blick auf das Eingangstor gerichtet, ohne es wirklich wahrzunehmen.

Er wartete.

Ein willkommener Windhauch brachte die Luft dieses ungewöhnlich heißen Sommertages in Bewegung und wehte eine der blauschwarzen Haarsträhnen vor sein Gesicht. Erestor machte sich nicht die Mühe, sie wieder zurückzustreichen. Seine Augen mochten auf das Tor gerichtet sein, durch das jeden Moment der Bote reiten konnte, der bereits angekündigt war, doch seine Gedanken bewegten sich auf anderen Bahnen. Er lebte einfach zu lange, länger noch als Elrond, um nicht die Anzeichen nahenden Unheils zu bemerken.

Es begann immer mit Kleinigkeiten, obwohl man die Ankunft dieses dreckigen, stinkenden Orks nicht gerade eine Kleinigkeit nennen konnte. Elrond hatte immer Wert darauf gelegt, dass das Gastliche Haus jedem offen stehen musste. Erestor konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass der Peredhil damit gerechnet hatte, dass auch ein Ork ihn einmal beim Wort nehmen würde. Ein Ork!

Erestor schnaubte leise. Und noch dazu ein besonders armseliges Exemplar seiner Gattung. Wenn es wenigstens ein Uruk'hai gewesen wäre…aber nein, stattdessen beherbergte Imladris nun einen kleinen, dürren Berggoblin mit einem halb abgerissenen rechten Ohr, einem schwarzhäutigen Gesicht wie eine Fledermaus und einem ruinenhaften Gebiss, in dem der abgebrochene Fangzahn links oben noch das harmloseste war. Diese Kreatur war so unglaublich hässlich, dass es schon wieder faszinierend war.

„Und er ist wirklich beschränkt", murmelte Erestor vor sich hin. „Meine Schreibtischlampe ist klüger."

„Herr?"

Erestor unterdrückte ein Zusammenzucken. Ohne sich umzudrehen, schnalzte er tadelnd mit der Zunge. „Figwit, Ihr sollt nicht so hinter mir her schleichen."

„Verzeiht mir", stotterte sein Gehilfe und trat eifrig an seine Seite. „Ihr wartet auf den Kurier?"

„Nein, Figwit, ich warte auf den Herbst."

Eine Pause trat ein. Figwit überlegte offenbar wieder, was diese Antwort seines Herrn für eine tiefere Bedeutung haben mochte. Gelegentlich bereute Erestor seinen Entschluss, ausgerechnet ihn zu seinem Gehilfen gemacht zu haben. Es war zwar von Vorteil, dass Figwits naives Naturell auch in seinen wildesten Träumen nicht darauf kommen würde, womit sich Erestor in Wahrheit befasste, aber die Nachteile wogen doch oft genug ebenso schwer.

„Oh!" Die noch sehr jungen Züge Figwits erhellten sich plötzlich. „Ihr habt einen Scherz gemacht."

Erestor musterte ihn einen Moment. „Nur aus Interesse, junger Freund…habt Ihr schon viele Scherze aus meinem Munde vernommen?"

Erneutes ernsthaftes Nachdenken. „Eigentlich nicht."

„Und warum glaubt Ihr dann, würde ich ausgerechnet heute damit anfangen?"

„Äh…"

Der junge Noldo hatte wirklich Glück, dass die Ankunft des berittenen Boten Erestors boshafte Stimmung beendete. Diese Boten kamen regelmäßig und brachten an Nachrichten, was in ganz Mittelerde vor sich ging. Der staubbedeckte Elb war nicht zum ersten Mal mit dieser Aufgabe betreut. Wortlos verneigte er sich vor Erestor und reichte dann den Lederbeutel mit den Briefen an Figwit weiter, der ihm entgegengeeilt war.

„Bringt Euer Pferd zu den Stallungen und ruht Euch aus", befahl Erestor dem ermüdeten Kurier, bevor er sich umdrehte und im kühlen Schatten des Großen Hauses verschwand.

Er steuerte zielstrebig sein Arbeitzimmer an. Dort würde er die umfangreiche Korrespondenz zunächst prüfen. Ein Teil erreichte niemals Elronds Hände. Das waren die Briefe der Verrückten und Schmarotzer, die um Zaubereien und Gold bettelten. Ihr Strom versiegte auch in Jahrhunderten nicht. Bei allen Gerüchten, die unter den Sterblichen über die Zauberkräfte des Herrn von Imladris kursierten, war es auch nicht verwunderlich. Es gab Bittbriefe von Leuten, die wahrhaft absurde Vorstellungen von Lord Elrond und seinen Gaben hatten. Waren wurden angepriesen und manchmal war auch eine ernstliche Frage dabei, für deren Beantwortung er entweder in der großen Bibliothek nachschlagen würde oder sie gleich an jemanden weiterreichte, der sich genau damit befasste. Imladris war stets voll von klugen Köpfen, die hier lernten und lehrten.

Ein weiterer Teil wurde ebenfalls abgegeben in die fähigen Hände der Gelehrten, die in Imladris beheimatet waren, ungeöffnet diesmal. Viele von ihnen unterhielten Korrespondenz mit anderen weisen Männern in den großen Städten dieser Welt.

Der Bote des heutigen Tages kam aus dem Westen. Erestor erkannte einige der Handschriften auf den versiegelten Dokumenten. Eines von Cirdan war dabei, das er sorgsam und ungeöffnet beiseite legte. Er wusste ohnehin, was sein Inhalt sein würde. Die Lossidil konnten endlich weiterziehen, Círdan hatte ein Schiff für sie, das sie in die unsterblichen Lande bringen würde. Erestor verspürte nicht einmal den Anflug von Neid, dass die Schnee-Elben sich dem Ende ihres Weges näherten. Es war lange her, dass er an den weißen Stränden Valinors gewandelt war und diese Unruhe verspürt hatte, die ihn bald darauf fort trieb. Zwar war er seitdem ruhiger geworden, doch noch war zuviel hier im Argen, um sich in den Frieden der Valar sinken zu lassen.

Figwit, aus schmerzlicher Erfahrung heraus sehr schweigsam bei dieser Aufgabe, nahm die unwichtigeren Briefe an sich und trug sie zu seinem eigenen, kleinen Schreibtisch in der hintersten Ecke des Raumes. Mit ungewohnter Hartnäckigkeit hatte er sich diesen Platz in Erestors Heiligtum erkämpft und nicht die schärfsten Worte und bösartigster Spott waren genug gewesen, ihn in die Flucht zu treiben. Manchmal überraschte dieser junge Elb selbst Erestor und so duldete er ihn mittlerweile.

Andere Briefe waren von Gelehrten, mit denen Lord Elrond korrespondierte. Auch diese kamen unangetastet beiseite. Einer von diesen speziell an Elrond adressierten Briefen, fiel ganz besonders ins Auge. Erestors Mundwinkel hoben sich in einem ironischen Lächeln, als er das fliederfarbene, schwere Pergament aufnahm und ihm der Geruch von Rosen entgegenwehte. So weit die Reise dieses versiegelten Schreibens auch gewesen sein mochte, sie reichte nicht, den Duft völlig auszulöschen. Die Absenderin, deren Name in etwas ungelenken Tengwar-Runen über dem blutroten Siegel stand, konnte man nicht unbedingt eine Gelehrte nennen, auch wenn ihre besondere Kunst sicher einiges an Erfahrung erforderte. Außerdem fand sie immer einen Weg, nahezu regelmäßig mit Elrond zu korrespondieren. Erestor wunderte sich nicht einmal, dass dieses Schreiben Milenas in die Botschaften gelangt war, die eigentlich alle aus dem Westen stammten.

Erestor beendete die Durchsicht der Briefe. Zurück blieb ein schmales Päckchen. Verwundert drehte er es in der Hand. Der Absender hatte seinen Namen darauf nicht hinterlassen.

„Was bist du wohl?" überlegte er leise. Mit leichter Neugierde löste er die Verschnürung und faltete das einfache Umschlagpapier auseinander.

Angenehm überrascht betrachtete er das kleine, in dunkelblaues Leder gebundene Buch, das nun vor ihm lag. Der Deckel war mit wunderschönen Tierfiguren und Blumen geprägt. ‚Von Tieren und Pflanzen' stand in goldenen Elbenrunen auf dem Einband.

Er schlug es vorsichtig auf und erfreute sich am Knistern des dicken Papiers. Es standen nur wenige Fabeln darin, doch jede Seite war mit den wunderbarsten, filigranen Zeichnungen versehen. Auf der ersten Seite stand einfach nur ‚Für Lord Elrond'. Entweder kannte hier jemand genau Elronds Geschmack oder es war ein höchst glücklicher Zufallstreffer. Elrond würde erfreut sein.

Erestor nahm die Briefe an den Herrn von Imladris, das Buch und verließ mit einem kurzen Nicken in Figwits Richtung sein Arbeitszimmer. Der junge Noldo würde sich darum kümmern, dass die restliche Korrespondenz an ihren Bestimmungsort kam. Zuverlässig war er ja immerhin.

Er fand Elrond auf einer Bank am Rande eines laut plätschernden Springbrunnens in einem entlegenen Teil des Gartens. Allein war er nicht, Glorfindel stand auf der Wiese vor ihm und vertrieb sich die Zeit damit, mit nacktem Oberkörper Schwertkämpfe gegen einen unsichtbaren Gegner zu führen.

„Brauchst du jetzt schon Publikum?" fragte er den Vanya mit hochgezogener Braue beim Näherkommen.

„Zuschauer sind eine nette Abwechslung", erwiderte Glorfindel und führte eine saubere Attacke. „Aber nicht ihn da. Mir sind die weiblichen Bewunderer lieber."

„Deswegen bin ich diesmal das einzige Publikum", knurrte Elrond. „Langsam werden mir die Klagen von Vätern, Brüdern und hoffnungsvollen Eheanwärtern zuviel, die sich über ihn beschweren."

„Du kennst meinen Lösungsvorschlag", meinte Erestor und ließ sich neben seinem alten Freund auf der Bank nieder. „Deine Briefe."

„Er ist ein wenig extrem", erklärte Elrond und überflog die gefalteten Pergamente. Ein winziges Lächeln erhellte seine immer so ernsten Züge, kaum erblickte er den fliederfarbenen Brief aus Ilegond.

„Wovon redet ihr?" fragte Glorfindel und bereitete eine neue Attacke auf den Unsichtbaren vor.

„Kastrieren", war die zweistimmige Antwort.

Die Parade wurde etwas kläglich. Glorfindel ließ sein Schwert sinken und starrte sie beide an. „Das ist ein Witz!"

„Sehen wir so humorvoll aus?" erkundigte sich Elrond mit leicht zur Seite geneigtem Kopf.

„Du würdest mich niemals verkrüppeln", schnaubte der Vanya und steckte das Schwert wieder in die Scheide zurück. Dann hob er ein Tuch vom Boden auf und wischte sich den Schweiß von den Schultern und Armen.

„Es wäre etwas blutig", gestand Elrond zu. „Deswegen habe ich diese Lösung auch verworfen."

„Schade eigentlich", kommentierte Erestor.

„Danke, mein Freund." Glorfindel warf ihm das Tuch zu und ließ sich vor ihnen ins Gras fallen. „Heute Abend ist das Verabschiedungs-Fest für die Lossidil, nicht wahr? Hoffentlich hat Círdan ein Schiff für sie bereit, wenn sie ankommen. Du solltest Gildor vielleicht anweisen, einen Umweg zu gehen, um dem alten Graubart mehr Zeit zu verschaffen."

„Das wird nicht nötig sein", sagte Erestor, während er mit spitzen Fingern das verschwitzte Tuch auf den Boden stieß. „Die Nachricht von Círdan ist eben eingetroffen. Gildor kann morgen unbesorgt aufbrechen."

„Sehr schön", befand Elrond und blätterte durch das Fabelbuch. „Von wem ist das?"

„Einem unbekannten Verehrer", meinte Erestor. „Jedenfalls nicht von deiner seltsamen Brieffreundin aus Rhûn."

„Adar!" Die etwas unkonventionelle Annäherung der Zwillinge verhinderte eine Antwort.

Ihre Schwerter in der Hand stürmten sie auf den Grasflecken. Beide sahen sich hektisch und irgendwie triumphierend um. Bei soviel Kampflust konnte es eigentlich nur einen Auslöser geben.

„Was hat Borzo angestellt?" fragte Elrond dann auch sehr gelassen.

„Woher…?" Elladan brach ab und wedelte mit dem Schwert in der Gegend herum. „Er ist weg. Genau das, was ich befürchtet habe. Man kann Orks nicht trauen. Du hättest ihn nie reinlassen sollen."

Ausnahmsweise stimmte Erestor ihm zu, sagte aber lieber nichts.

„Beruhigt euch", meinte Elrond und stand auf. „Er ist nicht weg, ihr findet ihn nur nicht. Wahrscheinlich hat er sich in einer der Höhlen verkrochen. Es ist heller Tag. Kein Ork verträgt Sonnenlicht. Er verträgt nicht einmal sehr gut unsere Nähe."

„Niemand zwingt ihn, hier zu bleiben", ließ sich Glorfindel vernehmen. „Es ist etwas bizarr, Elrond, ein Ork in Bruchtal!"

„Er hat um Zuflucht gebeten", widersprach der Elbenlord starrsinnig und marschierte an seinen enttäuschten Söhnen vorbei Richtung Haupthaus.

Erestor schloss einen Moment die Augen. Er bekämpfte das Bild, wie Sauron an der Bruinen-Furt stand, um Asyl bat und Elrond ihn natürlich hereinließ. Zum Glück war Gil-Galad nicht mehr da. Er hätte seinen Herold mit Aeglos quer durch das Tal getrieben.

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Und hier noch eine Kapiteltrennung

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Aragorn kaute zufrieden auf seinem Anteil des Perlhuhns herum, das die traurige Ehre hatte, ihr Abendessen zu sein. Er hatte keine Ahnung, wie es Haldir gelungen war, aber dieses Huhn schmeckte um Längen besser als alles, was er sich bislang so über dem Lagerfeuer zusammengeröstet hatte.

„Kräuter", erriet der Galadhrim seine Gedanken. „Es wird mit Kräutern gefüllt."

„Und welchen?"

Haldir sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an. „Altes Familienrezept."

Aragorn fragte gar nicht erst weiter. Sie wanderten zwar erst einige Tage zusammen, aber diesen Gesichtsausdruck kannte er schon zur Genüge. Wenn Haldir etwas für sich behalten wollte, dann versagte jegliche Überredungskunst.

Schweigen breitete sich wieder zwischen ihnen aus. Eines dieser entspannenden Arten von Schweigen. Nicht das unangenehm berührte, bei dem Aragorn immer heiß und kalt wurde und er verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchte, sondern das andere. Das, bei dem jeder seinen Gedanken nachhing und keine Unterhaltung vom anderen erwartete.

Aragorn nagte die letzten Reste des zarten Geflügels vom Knochen und lehnte sich dann gemütlich gegen den Stein in seinem Rücken. Sie hatten ihr Lager wieder in einer der Anduin-Buchten aufgeschlagen. Bei Dunkelheit wanderte es sich nicht gut in dieser Gegend. So schön die Ebenen auch waren, so sehr waren sie verseucht mit Orks und Wegelagerern. Nachts krochen sie bevorzugt aus ihren Unterschlupfen. Da war es besser, man bot kein ganz so anziehendes Ziel.

Wobei sich nur ein Vollidiot mit Haldir anlegen würde - war zumindest Aragorns Meinung. Am Vortag waren sie in der Dämmerung einer kleinen Ork-Truppe begegnet, die sich mit lautem Gebrüll auf sie gestürzt hatte. Der Scheiterhaufen, auf dem ihre Kadaver verbrannten, müsste mittlerweile erloschen sein.

Haldirs Gesichtsausdruck, als er seine Pfeile wieder aus den toten Orks gezogen hatte, war einfach Gold wert gewesen. Trotz intensiver Reinigung im Gras hatte der Galadhrim jeden Pfeil nochmals im Anduin gespült und dabei über Orkblut geschimpft. Aragorn hatte aufmerksam zugehört. Elbische Verwünschungen zeichneten sich durch poetische Phantasie aus, er würde die Zwillinge damit überraschen können.

„Haldir?"

„Hm?"

„Arwen ist zurzeit im Goldenen Wald..."

Der Galadhrim drehte sich so, dass er flussabwärts blicken konnte und Aragorn dabei den Rücken zudrehte. „Das ist sie."

Aragorn zermarterte sich das Hirn, wie er das Thema unauffällig weiter verfolgen konnte. „Ich kenne sie aus Imladris."

„Das erzählte sie."

Täuschte er sich oder schwang da ein Lachen in Haldirs Stimme mit? Er musste sich täuschen, so lustig war Arwen schließlich nicht. Im nächsten Moment realisierte er die Worte des Elben. „Sie spricht von mir?"

„Gelegentlich."

„Ah ja", brachte Aragorn etwas angestrengt zustande. Er räusperte sich. „Und was sagt sie so?"

Es klang beiläufig genug, befand er. Haldir würde keinen Verdacht schöpfen.

„Dies und das."

Aragorn verspürte den starken Drang, den Elben am Kragen zu packen und solange zu schütteln, bis er alles erzählte. Jedes Wort von Arwen interessierte hier schließlich. „Haldir!"

„Was denn?"

Aragorn wollte endlich etwas deutlicher werden, aber der Galadhrim sprang plötzlich hoch und stieß mit den Füßen das ohnehin schon fast heruntergebrannte, kleine Lagerfeuer auseinander. „Ein Boot auf dem Anduin. Nehmt Eure Waffen, Estel. Die Sache gefällt mir nicht."

Aragorn reagierte instinktiv. Er schüttete den Rest seiner Wasserflasche auf die noch glimmenden Äste, warf das Gepäck hinter einen Busch und hockte sich dann neben den Elb in die Deckung eines der größeren Steine. Es würde noch eine Weile dauern, bis er das Boot sehen konnte, das Haldir so in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Der Vollmond, der aus dem Anduin einen flüssigen Spiegel machte, trug auch nicht gerade dazu bei, irgendetwas auf dem großen Strom leichter erkennbar zu machen. Jedenfalls nicht auf diese Entfernung und nicht für menschliche Augen.

„Bewaffnete Händler", meinte Haldir einige Minuten später.

„Sie werden zu einer der kleinen Handelsstationen unterwegs sein", vermutete Aragorn erleichtert und wollte bereits aufstehen.

Haldir fasste ihn hart am Arm und hielt ihn in der Deckung. „Noch nicht, Estel. Das sind keine üblichen Händler."

Aragorn bemühte sich krampfhaft, etwas zu erkennen. Bislang war es nur eine verschwommene Silhouette auf dem glitzernden Fluss. „Nicht?"

„Menschliche Ware", zischte der Galadhrim. „Wir kennen diese Boote, wenn sie den Goldenen Wald passieren. Sklaven für den Norden. Diese Transporte sind schwer bewacht. Es ist besser, sie sehen uns nicht."

Aragorn spürte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Der Sklavenhandel war ein offenes und sehr schmutziges Geheimnis seiner Rasse. Er hasste es und unwillkürlich überlegte er, wie er diese armen Kreaturen auf dem Boot befreien konnte. „Wir müssen..."

„Wir müssen gar nichts", wurde er hart von Haldir unterbrochen. „Schwer bewaffnet, Estel, und das meine ich ernst. Ein Dutzend bis an die Zähne ausgerüstete Sklavenfänger sind ein bisschen mehr als ein Trupp Orks."

Aragorn schloss die Augen. Er hatte Recht, er hatte wirklich Recht. Das konnte trotzdem nicht die Lösung sein.

„Wir greifen sie wenn es geht an Land an", meinte Haldir plötzlich mit gepresster Stimme.

Arogorns Kopf schnappte hoch und er starrte den Elben verwundert an, dessen Augen jetzt beinahe vor unterdrückter Wut von innen heraus leuchteten. „Auf einmal doch?"

Wortlos deutete Haldir auf das näher gekommene Boot. Deutlich waren nun mittschiffs unterschiedliche Gestalten zu erkennen. Eine davon...Aragorn blinzelte. Er hatte eine Halluzination. Das konnte nur an der Kräuterfüllung des Perlhuhns liegen. Silberne Haare, grazil bis zur Zerbrechlichkeit und mit Sicherheit auch strahlend grüne Augen. „Ein Ithildrim?"

„So wie Thranduils Heilerin", bestätigte Haldir und lief geduckt davon, um sein Gepäck zusammen zu suchen.

„Was wisst Ihr von Varya?" fragte Aragorn verblüfft und starrte dabei angestrengt auf das Handelsboot. Es konnte unmöglich Galens Freundin sein, die dort am Mast gefesselt war. Thranduil hätte die Sklavenhändler zu Warg-Futter verarbeitet, wenn einer auch nur in die Nähe Düsterwalds gekommen wäre, geschweige denn seine Hände an die Ithildrim gelegt hätte.

„Selbst unter den Eldar verbreiten sich wirklich interessante Neuigkeiten schnell", brummte der Galadhrim.

„Klatsch!" erkannte Aragorn.

„Neuigkeiten", korrigierte Haldir und hob eine seiner arroganten Augenbrauen. „Thranduil war schließlich immer ein Einzelgänger, wenn auch kein Kostverächter und..."

„Jaja", winkte Aragorn ab. „Redet Euch jetzt nicht raus."

„Kommt Euch dieser Ithildrim bekannt vor?" lenkte Haldir ab.

Aragorn wandte sich wieder dem Boot zu. Es war mittlerweile fast auf ihrer Höhe. Natürlich war es schwer, die Ithildrim von einander zu unterscheiden. Sie ähnelten sich auf verblüffende Weise. Abgesehen von ihrer Ausstrahlung und ein wenig in der Ausprägung ihrer Gesichtszüge, je nach Alter. Dieser hier war offenbar noch sehr jung. Aragorn schluckte und blinzelte. Sehr, sehr jung und weiblich.

„Leiloss", hauchte er ungläubig. Jetzt erkannte er auch eine zweite Gestalt neben ihr am Mast. „Hinner! Das darf nicht wahr sein! Galen wird sie beide umbringen."

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Überraschung! Hier auch eine. Daher auch der Name dieses Kapitels

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„Figwit, mein Freund."

Ein äußerst misstrauischer Blick traf Elladan und Elrohir gleichermaßen, obwohl letzterer nur freundlich lächelte und nicht so trällerte wie sein Bruder.

Elladan ließ sich davon nicht abhalten, trat neben Erestors Gehilfen und legte ihm kameradschaftlich einen Arm um die Schultern. „Wie läuft es denn so?"

„Wie immer", murmelte der junge Noldo unbehaglich und spähte Richtung Kaminhalle. „Ich muss zum Abschiedsfest der Lossidil."

„Wir doch auch." Elladans Griff ließ Figwit keine Chance. Elrohir unterdrückte ein mitleidiges Grinsen. „Erestor schon da?"

„Ich weiß nicht", kam die zögernde Antwort. „Wieso?"

„Nur so. Wie geht es ihm denn?"

„Gut, wie immer."

Elladans große Stunde nahte. Er setzte eine betrübte Miene auf. „Aber Figwit! Habt Ihr es denn nicht bemerkt?"

Jetzt brauchte er Figwit jedenfalls nicht mehr festhalten. Wie angewurzelt stand der Noldo neben ihm und blickte alarmiert von einem Zwilling zum anderen. „Was meint Ihr, Lord Elladan?"

„Elladan genügt", bot Elladan an. Er konnte unendlich großzügig sein, wenn es sich lohnte. Elrohir verkniff sich ein Grinsen. „Er ist so anders als sonst. Natürlich kennt Ihr ihn nicht so gut und lange wie wir, aber glaubt uns – Erestor bedrückt etwas."

„Er hat nichts gesagt", meinte Figwit gedehnt.

„Ja, das ist unser Erestor", seufzte Elladan.

Elrohir nickte zustimmend.

„Aber, warum sollte ihn etwas bedrücken?" forschte Figwit zunehmend blasser.

Ja, warum eigentlich? überlegte Elrohir, behielt aber seine Kummerfalte auf der Stirn bei. Wenn es so weiterging, bekam er eine Gesichtslähmung.

„Das ist es ja", triumphierte Elladan kaum versteckt. „Unser Erestor ist da sehr verschlossen. Das hatten wir schon mal."

Elrohir sah seinen Bruder an. Tatsächlich? besagte sein Blick.

„Tatsächlich?" hauchte Figwit, die großen braunen Kinderaugen mit Panik gefüllt.

„Schon länger her", wischte Elladan das zeitliche Detail beiseite. „Er trägt seinen Kummer mit sich herum, bis es fast zu spät ist. Erestor will eben niemanden damit belasten. So ist er, unser Erestor."

Unser Erestor würde Elladan das Leben zur Hölle machen, wenn er ihn jemals in seiner Gegenwart so nannte.

„Ich könnte ihn fragen", schlug Figwit nicht sehr begeistert vor. „Auch wenn ich nicht glaube, dass er mit mir über seine Sorgen reden würde."

Insgeheim krümmte sich Elrohir vor Lachen. Erestor, der sich bei Figwit ausweinte, die Vorstellung war so grotesk wie Sauron im Nachthemd. „Kaum..."

„Aber..." Elladan schob Figwit vor sich, packte ihn an den Schultern und setzte sein ernstestes Gesicht auf. „...Ihr seid trotzdem unsere letzte Hoffnung. Wenn einer etwas Ungewöhnliches an Erestor bemerkt, dann Ihr. Immerhin seid Ihr sein Gehilfe, sein Vertrauter sozusagen. Das ist eine sehr bedeutende Position."

Elrohir nickte. „Sehr bedeutend."

Figwit überlegte. Das konnte erfahrungsgemäß bei ihm dauern. Was es auch tat. Elrohir wippte bereits etwas ungeduldig auf den Fußballen. Er wollte auf dieses Fest. Tanzen, Trinken, Aristil zum Lachen bringen mit peinlichen Geschichten aus Elladans Jugend...

„Ich werde die Augen offen halten", zog Figwit endlich die richtigen Schlüsse. „Wem soll ich es sagen? Lord Elrond?"

„Hm, eher nicht", verneinte Elladan und ihm war nicht einmal anzumerken, dass er genauso innerlich zusammenzuckte wie sein Zwilling. Das hätte noch gefehlt. Elrond würde sofort wissen, wer hinter dem ganzen Aufwand steckte.

„Lord Glorfindel?"

Nächster Fehlversuch. Die Zwillinge schüttelten die Köpfe. Imladris war voll von Elben. Wenn es so weiterging, standen sie in einer Woche noch hier auf dem Gang.

„Oh!" Figwit hatte eine Erleuchtung. „Ich sage es Euch."

Es folgte eine kurze Kunstpause von Elladan, in der er scheinbar angestrengt diese Option bedachte. „Das ist wahrscheinlich am besten. Wir wissen dann schon, was zu tun ist."

Erleichtert machte sich Figwit davon. Die Zwillinge warteten, bis er in der Kaminhalle verschwunden war, dann tauschten sie ein zufriedenes Lächeln. Der Noldo saß an der Quelle. Ihn einzuspannen war sehr viel erfolgversprechender, als klammheimlich Erestors Büro zu durchsuchen und dabei sowieso erwischt zu werden. Außerdem nahm Erestor ihn ohnehin nicht wirklich ernst. Er würde nicht so vorsichtig sein.

Sie wussten zwar nicht genau, was Figwit eigentlich suchen sollte oder womöglich finden würde, aber irgendwas davon musste schließlich zu gebrauchen sein.

„Ihr solltet euch schämen", erklang Aristils Stimme hinter ihnen. „Wenn Erestor ihm auf die Schliche kommt, gibt es Ärger."

Elladan fuhr herum und entflammte sein Valar-Lächeln für besondere Gelegenheiten. „Erstens lauscht man nicht, selbst wenn man so entzückende Ohren hat wie du und zweitens dient es einem guten Zweck."

„Einem guten Zweck?" Sie war irgendwie immun gegen seinen Charme. Elrohir hätte ihm das vorher sagen können. Die Dienerin schwärmte für Glorfindel und natürlich für Galen, wenn er in Imladris weilte. Hellhaarige Eldar waren also eindeutig im Vorteil. „Das wird nicht gut gehen, Elladan. Deine Pläne gehen niemals wirklich gut."

„Zweiflerin", grinste er und wirbelte sie einmal zu der Musik herum, die aus der Kaminhalle erklang.

.-.

tbc

Airihnaa: Vergiss beim Kleingedruckten nicht, dass Elben verdammt gut sehen können. Nimm Mikro-Schrift. Sonst sind die Jungs sauer. Die dürften ohnehin leicht gereizt sein, bedenkt man das Alkoholproblem und die nicht wirklich funktionierenden Nebenbeschäftigungen.

Elrond hat eben ein großes Herz. Wahrscheinlich hätte er sonst auch schon längst seine eigenen Söhne, seinen Seneschall und seinen Vanya-Krieger hochkant vor die Tür gesetzt.

Lord Elo: Jaja, immer bevorzugt sie diesen blöden Thrandi. Es bliebe natürlich noch eine Lösung für dich – wie wäre es, wenn du eine eigene Story schreibst? wackel mit Augenbrauen

Sahrah0683: Jo, sie kennen sich. Wenn ich mich richtig an das Buch erinnere, haben sie sich kurz getroffen, bevor Arwen ab in den Goldenen Wald gedampft ist und Estel auf Wanderschaft ging. War wohl Liebe auf den ersten Blick –hachsag-. So was soll es geben…

Vater und Sohn sind eben ein eingespieltes Team. Die halten zusammen. Müssen sie wohl auch.

Borzo ist mir irgendwie reingerutscht. Ich sag ja immer, wenn man erst jemandem einen Namen gibt, wird man ihn einfach nicht mehr los. Selbst wenn es ein Ork ist.

Shelley: Das mit Borzo erklär ich noch so halbwegs. Ich hoffe, es klingt dann wenigstens einleuchtend –räusper-

Tja, was haben sie in Erestors Arbeitszimmer gesucht? Das weiß wahrscheinlich wieder nur Elladan alleine. Erestor jedenfalls wird kaum seine geheime Briefmarkensammlung auf dem Tisch liegen lassen. Der kennt die Jungs, der kennt sie wirklich.

Mystic ER IST NICHT FETT! Das sind die ganzen Klamotten, die die immer in mehreren Lagen übereinander tragen müssen. So ein Elb hat wohl immer seinen halben Kleiderschrank am Leib.

Ja, auch ein Mensch badet gelegentlich. Wie du so treffend festgestellt hast, einmal im Jahr muss es einfach sein. Wenn man an den eigenen Klamotten kleben bleibt, hat man keine Wahl mehr – glibberiges Schwert von Estel betrachtet –

Du bist wirklich gut in Form. – sich ernsthaft überlegt, Arenor II lieber doch nicht zu posten –

Feanen: Echt? So viele? Würdest du mir eine CD schicken? – bettel – Wenn du jetzt erst gefahren wärst, hättest du sogar noch diesen Vulkanausbruch mitgekommen – feuerfeste Kleidung reich –

Pauleschwein: Nein, sie ist NICHT schwanger. Keine Chance! Echt nicht! Ich schwöre es. Sie wird es auch hier bestimmt nicht werden. Aber wenn du unbedingt möchtest, kommt demnächst auch noch eine Schwangerschaft rein, aber NICHT von Varya!

Jetztfrag ich mich nur– wer von den beiden ist Miss Marple und wer Hercule mit dem Riesenschnauzbart…

Ithiliell: Glaub mir, ich bin auch gespannt, wie ich drei Schauplätze miteinander verknüpft kriege. Besonders, wenn vielleicht noch der vierte dazu kommt. Öhm, ja… Haldir übt doch immer einen guten Einfluss aus, Haldir ja!