Disclaimer: Alles gehört dem unglaublichen Prof. Tolkien bzw. seinen Erben. Ich habe es mir ausgeliehen und muss es leider wieder abgeben.
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10. Kapitel: Heiler hat man nie zu wenig
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„Zehn", raunte Legolas kaum hörbar.
Thranduil schüttelte den Kopf. „Fünf."
„Wetten?"
„Sicher. Worum?"
„Nur, dass du dich beim nächsten Ärger milde zeigst", lächelte Düsterwalds Thronfolger.
Thranduil überlegte kurz. Die Wette war kaum zu verlieren. „Gut, aber du machst beim nächsten Mal ausnahmsweise, was ich dir sage, wenn ich gewinne."
„Aber immer doch."
„Was murmelt ihr denn da?" erkundigte sich Glorfindel irritiert.
Orophers Nachkommen lächelten ihn freundlich an, erwiderten aber nichts. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, das Objekt ihrer Wette im Auge zu behalten. Bislang hielt sich Varya ja noch ganz ordentlich. Sie ritt etwas entfernt zu Thranduils Rechten und machte sogar einen ganz seriösen Eindruck, als sie alle nacheinander in den großen Innenhof von Elronds Haus einritten. Das strahlende Lächeln, kaum erkannte sie Elrond auf dem Treppenabsatz, kündigte aber bereits an, dass auch dieser offizielle Rahmen die übliche Begrüßungsfreude einer Ithildrim nicht nachhaltig unterdrücken würde.
Kaum hatten alles ihre Pferde gestoppt, rutschte Varya aus dem Sattel. Sie sah rasch zu Thranduil, der nur nachgiebig und sehr uneigennützig lächelte, dann steuerte sie die linke Seite der breiten Treppe an, die zu beiden Seiten hoch zum Portal führte. Thranduil zählte in Gedanken mit und hätte fast geflucht, als sie den sechsten Schritt machte und immer noch recht angemessen einherschritt.
„Du hast verloren", triumphierte sein Sohn.
Beim achten Schritt war dann Schluss mit Angemessenheit und Zurückhaltung.
„Meister Elrond!" rief sie und stürmte die Treppe hinauf, vorbei an einigen höchst irritierten Bewohnern Bruchtals, die Zeuge wurden, wie ihr Lord entgegen seiner sonstigen Art laut auflachte und die Arme ausbreitete, um seine Besucherin aufzufangen.
„Du aber auch", meinte Thranduil in Legolas' Richtung und schickte sich an, dem Wirbelsturm aus Mondlicht etwas gemessener zu folgen.
Diesmal musste Varya wirklich völlig außer sich vor Freude sein, denn Elrond taumelte unter dem Ansturm erst einmal einige Schritte zurück, bis er wieder festen Stand hatte und die herzliche Umarmung auch erwidern konnte.
„Sie hat sich nicht verändert", erklärte Thranduil, den Varyas Begrüßungsrituale schon seit einiger Zeit nicht mehr aus der Ruhe bringen konnten.
„Nichts anderes habe ich erwartet", schmunzelte Elrond und ließ seinen Blick über die Neuankömmlinge gleiten. Es musste eine Sinnestäuschung sein, dass er beinahe schmerzlich zusammenzuckte, als er Leiloss und Hinner darunter entdeckte. „So geschehen noch Zeichen und Wunder. Königlicher Besuch in Bruchtal. Ihr seht mich hocherfreut, Thranduil."
„Ach wirklich?" meinte Thranduil spöttisch. „Ich hätte es Euch gerne erspart, aber wir waren schließlich schon halb auf dem Weg, wenn man den Aussagen bestimmter Teilnehmer dieser Reisegruppe glauben darf."
„Gildor", meinte einer der Zwillinge überrascht. „Was machst du denn schon wieder hier? Das nenn ich Reisetempo."
Unwillkürlich richtete sich Thranduils Aufmerksamkeit auf den blonden Elb, der etwas abseits stand und sich offenbar nicht so recht an der ganzen Wiedersehensfreude beteiligen konnte.
„Es ist einiges geschehen", meinte Elrond nur mit einem leichten Kopfschütteln zu Thranduil. „Und nichts davon gehört jetzt hierher. Lasst mich Euch erst einmal vorstellen, dann wird man Euch Unterkünfte zuweisen, wo Ihr ruhen könnt."
Thranduil hasste sich dafür, aber seine Instinkte schlugen Alarm. Etwas in Bruchtal war ganz und gar nicht in Ordnung. Es musste mit diesem Elben zusammenhängen beziehungsweise seiner offenbar für Elronds Söhne recht unerwarteten Anwesenheit hier. „Und dann werden wir ausführlich reden müssen, Lord Elrond."
„Ja, wohl schon", nickte der Herr von Bruchtal, zwang sich regelrecht zu einem Lächeln und reichte Varya seinen Arm. „Euer erster Besuch in meinem Haus, meine Liebe. Ich kann nicht leugnen, dass ich mich darauf gefreut habe. Gildor, darf ich dir Varya vorstellen. Sie ist Thranduils-„
„Heilerin", fuhr ihm Varya völlig überraschend in die Parade. „König Thranduils Heilerin. Ich freue mich, Euch kennen zu lernen, Gildor."
Elrond stutzte und warf einen Blick zu Thranduil, der kaum weniger verblüfft war. Und damit waren sie auch nicht alleine. Glorfindel runzelte die Stirn und Legolas hatte schon den Mund geöffnet, um eine Bemerkung dazu zu machen. Elrond fing sich als erster wieder.
„Und eine ganz bemerkenswerte Heilerin noch dazu", ergänzte der Herr von Bruchtal, ohne dass seiner Stimme noch etwas von der Verwunderung anzumerken war. Auch bei den übrigen Bewohnern seines Hauses respektierte er diese zwar der Wahrheit entsprechende Bezeichnung, die allerdings nicht im Geringsten den Kern der Beziehung zwischen Thranduil und Varya traf.
Thranduil selber grübelte zwar noch, ärgerlich war er zudem, doch Gelegenheit, dieses seltsame Verhalten aufzuklären, hatte er nicht. Die düsteren Blicke, die zwischen Glorfindel und Gildor getauscht wurden, beunruhigten ihn sehr viel mehr. Noch bevor man sie alle in ihre Gemächer führen konnte, nahm er den Vanya einen Moment beiseite.
„Was ist so beunruhigendes an der Anwesenheit von Gildor?" fragte er gedämpft.
Glorfindel wollte erst abwiegeln, hob dann aber ratlos die Arme. „Er sollte noch unterwegs zu den Grauen Anfurten sein, um eine Gruppe Lossidil dorthin zu geleiten, die den letzten Weg nach Westen antreten."
„Offenbar musste er seine Reise unterbrechen", befand Thranduil.
„So sieht es aus", nickte Glorfindel und die Unruhe kam nun mehr an die Oberfläche seiner immer so gelassenen Miene. „Ich muss mit Elrond darüber reden."
„Bei diesem Gespräch werde ich dabei sein." Thranduil hob die Hand, als Glorfindel abwehren wollte. „Ihr habt hier großen Ärger wie es scheint. In solchen Zeiten ist kein Platz für Heimlichkeiten. Bruchtal ist die letzte Bastion vor dem Nebelgebirge, mein Freund. Wenn Eech Gefahr droht, droht sie auch bald Düsterwald. Also, ich werde dabei sein."
Nach kurzem Schweigen nickte der Vanya. „Aber nur du. Kein anderer."
Thranduil neigte zum Zeichen der Zustimmung den Kopf. Von düsteren Gedanken verfolgt stapfte er hinter den anderen her. Er hatte es doch geahnt: kaum verließ man den eigenen Palast, hatte man nur Probleme.
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„Ihr seid euch ganz sicher?" Tykvar musterte den dunkelhaarigen, hochgewachsenen Mann, der mit allen Anzeichen der Ungeduld vor dem Schanktisch stand. „Es gibt andere Gasthäuser, die vielleicht besser zu euch passen."
Der Andere verzog leicht das Gesicht. „Was du nicht sagst, Herr Wirt. Aber leider habe ich keine andere Wahl. Also, gibst du uns nun ein Zimmer oder nicht?"
„Tykvar", sagte Hanne leise und ihr Blick lag mehr auf der Begleiterin des Mannes, die sich erschöpft an seinen Arm klammerte, der in abgenutzter dunkler Lederkleidung steckte. „Du siehst doch, dass sie nicht mehr weiter kann."
Der Wirt des ‚Krummen Hunds' seufzte. „Natürlich sehe ich das. Aber wir sind nicht gerade der passende Platz für einen Waldläufer und seine…"
„Frau", ergänzte der Neuankömmling mit leichter Verärgerung. „Sie ist meine Frau."
Tykvar schüttelte leicht den Kopf, verbiss sich aber eine weitere Bemerkung. „Ihr könnt ein Zimmer haben. Aber beschwert euch nachher nicht. Meine übrigen Gäste sind nicht gerade ehrbare Bürger und Waldläufer auch nicht unbedingt beliebt. Wie lange wollt ihr bleiben?"
Sein Gast ließ für einen Moment seinen Blick über seine Begleiterin gleiten, Sorgen spiegelten sich darin. „Nur ein paar Tage, bis Marain sich soweit erholt hat und wir den Weg fortsetzen können."
„Und wohin, wenn ich fragen darf?"
„Bruchtal."
Tykvar sah sich hastig im Schankraum um. Es waren zum Glück nur zwei Gäste da, die beide schon so betrunken waren, dass sie wohl nichts mehr mitbekamen. „Euer Reiseziel solltest du hier wohl besser für dich behalten. Hanne, zeig ihnen ein Zimmer."
Seine Frau hatte bereits den Schanktisch verlassen und der Begleiterin des Waldläufers einen Arm um die in einen langen Umhang gehüllten Schultern gelegt. Freundlich schnatternd lotste sie sie Richtung Treppe. Der Waldläufer blieb noch einen Moment bei Tykvar stehen und kramte in seiner Manteltasche herum. Schließlich fischte er ein kleines Goldstück heraus und legte es vor Tykvar auf die Theke. „Ich danke dir, Wirt. Etwas zu essen wäre nicht schlecht und ein Bad für meine Frau. Ist das möglich?"
„Sicher", nickte Tykvar ergeben. „Wie heißt du eigentlich?"
Der andere, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, drehte sich noch einmal zu ihm um. Seine grauen Augen musterten einen Augenblick forschend Tykvars Gesicht. Er schien zu überlegen, ob er das Risiko eingehen konnte, dem Wirt seinen Namen zu nennen. „Halbarad. Mein Name ist Halbarad."
„Also dann, Halbarad. Ich hoffe nur, euer Kind kommt nicht gerade hier zur Welt."
„Ich auch, das kannst du mir glauben."
Tykvar sinnierte einige Momente darüber, was einen Waldläufer des Nordens dazu trieb, hier im ‚Krummen Hund' einzukehren. Wahrscheinlich wollte er seiner hochschwangeren Frau, die im Übrigen ein wirklich bildhübsches Geschöpf mit einem Puppengesicht und glänzenden, blonden Locken war, eine weitere Übernachtung im Freien ersparen. Andererseits war es Sommer und diese Waldläufer nicht gerade zimperlich. Verwunderlich war es nun doch, dass Halbarads Frau eindeutig keine Dunadan war. Normalerweise mieden die Stämme der Dunedain eine derartige Blutvermischung mit den gewöhnlichen Sterblichen des Umlandes.
Tykvar nahm es ihnen nicht einmal übel. Er war ohnehin ein Mensch, der andere nach ihren Vorstellungen – mochten sie auch noch so seltsam sein – leben ließ, solange sie ihn ebenfalls zufrieden ließen. Anders hätte er hier auch kaum überleben können. Seine ganze Familie hielt es schon seit Generationen so und fuhr immer gut damit. Wenn die Dunedain also unter sich bleiben wollten, dann sollten sie es eben. Die Halblinge und Elben waren ja kaum anders. Jedem das seine.
Abwesend blickte er aus einem der kleinen Fenster und schrak zusammen. Eine milchig weiße Fratze malte sich dahinter ab. Noch während er den Mund zu einem Schreckensschrei öffnete, der wahrscheinlich selbst die beiden Säufer auf die Beine gebracht hätte, erkannte er Sorbens hässliches Gesicht. Der Stallbursche zog seltsame Grimassen und winkte hektisch.
„Was hat er denn nun schon wieder?" schimpfte Tykvar vor sich hin und marschierte zur Tür. Er war kaum in die Dunkelheit hinausgetreten, da packte ihn Sorben am Arm und zerrte ihn mit sich.
„Wir haben ein Problem", flüsterte er dabei. „Ein wirklich riesiges Problem."
Tykvar vergaß seinen Ärger. Sorben hatte einen untrüglichen Instinkt dafür, wenn sich dem ‚Krummen Hund' Unannehmlichkeiten näherten. Manchmal konnte er schon beim Eintreffen der Besucher sagen, ob Tykvar ihnen lieber kein Zimmer geben sollte, weil er es sonst mit zerschlagenem Mobiliar und geprellter Zeche bezahlen würde.
„Geht es um den Waldläufer?" erkundigte sich Tykvar besorgt. Es täte ihm leid, den Mann und seine arme Frau wieder in die Nacht hinaus zu schicken, aber er würde es machen, wenn Sorben wieder diese Ahnungen in den Gichtfingern spürte.
„Nicht der Waldläufer", brummelte Sorben und zog ihn auf den Stall zu, in dem ungewöhnlicherweise das große Tor und auch die Sturmläden vor den Fenstern geschlossen waren. „Der ist ruhig. Nein, viel schlimmer."
Tykvar ließ sich durch den schmalen Spalt der kleinen Tür innerhalb des Torflügels schieben, die Sorben nur bereit war, zu öffnen. Im Stall war es auch noch zu allem Überfluss sehr dämmrig, weil nur ein Teil der gut gegen Funkenflug geschützten Lampen brannte. Dennoch dauerte es nicht lang, bis er das große schwarze Pferd erblickte, wie es seiner Meinung nach kein zweites in ganz Mittelerde gab.
Mornen stand abgesattelt neben Loretta und ihrem Fohlen. Tykvar beschwichtigte sich einen Moment mit dem Gedanken, dass Eren eben zurückgekommen sei. Mehr nicht. Wahrscheinlich war er irgendwo und lud seine Sachen ab. Es war zwar verwunderlich gewesen, dass er vor einigen Tagen so sang und klanglos verschwunden war, aber Eren war ja auch kein gewöhnlicher Gast hier. In seinem Metier kam das schon mal vor.
„Er ist halbtot", zischelte Sorben und deutete auf eine Box am Ende des Stalls.
Tykvar verabschiedete sich von der Illusion, dass die Ankunft Halbarads das einzig Aufregende an diesem Abend sein würde. Unwillkürlich krampfte sich sein Magen zusammen. Eren war trotz seiner manchmal wirklich finsteren Art ein Freund der Familie, fast schon ein Mitglied davon, auch wenn er ihn niemals in seiner Gegenwart so zu nennen gewagt hätte. Und er war bislang noch niemals verletzt gewesen. Irgendwie umgab ihn eine Aura von Unverwundbarkeit. Tykvar verabscheute den Gedanken, dass dies nur eine Illusion gewesen sein sollte und dieser dunkle Elb mit dem seltsamen Humor in Gefahr war.
Trotz dieser Gedanken zögerte er keinen Moment, kaum hatte er die Box erreicht und die leblose Gestalt entdeckt. Sein Knie schmerzte, als er sich neben ihm zu Boden sinken ließ und hastig untersuchte, was den Elb schon fast umgebracht hatte.
„Er blutet an der Hüfte", erklärte Sorben, der nun eine Stalllampe abgenommen hatte und sie hochhielt, damit Tykvar bessere Sicht hatte. „Mornen hat ihn hergebracht. Eren war gar nicht mehr bei sich. Hab mich sowieso gewundert, dass er sich noch im Sattel gehalten hat."
Tykvar fluchte, als er den Blutfleck ausmachte, der trotz der dunklen Kleidung des Elben deutlich zu erkennen war. Frisches Blut mischte sich mit altem und die Menge war groß. „Hier kann er nicht bleiben."
Sorben zog eine faltige Stirn. Widerstand blitzte in seinen sonst immer so ausdruckslosen Augen auf. „Aber ich schaff ihn nicht weg. Das wäre sein Tod."
„Strohkopf!" fauchte ihn Tykvar gekränkt an. „Ich meinte nur, dass er nicht hier im Stall bleiben kann. Wir müssen ihn unauffällig ins Haus in sein Zimmer schaffen, damit sich Hanne die Wunde vornehmen kann."
„Ach so", strahlte Sorben wieder beruhigt. „Wir gehen durch die Küche rein. Heute ist es so ruhig, dass uns sowieso keiner bemerken wird. Und der Waldläufer ist mit seiner Frau beschäftigt."
Ein sterblicher Mann seiner Größe hätte den Beiden ganz schön zu schaffen gemacht auf dem Weg rund um das Gebäude und dann auch noch die schmale Stiege hinauf, die von der Küche direkt ins nächste Geschoss führte. Doch Eren war seltsam leicht, wenn auch nicht weniger unhandlich, da er in tiefster Bewusstlosigkeit lag und keinerlei Spannung seinen Körper mehr erfasste. Tykvar fühlte plötzlich eine seltsame Scheu, irgendwie hatte er immer verdrängt, wie sehr sich dieser Elb doch von ihm, dem Sterblichen eigentlich unterschied.
„Das war das Weibsbild", flüsterte Sorben, während sie den Gang hinunter schlichen. „Diese Schlampe, die vor drei Tagen hier auftauchte und nach ihm gefragt hat. Ich hätte ihn warnen sollen."
„Und er hätte nicht auf dich gehört", schnaufte Tykvar und nahm dankbar zur Kenntnis, dass Erens Zimmer nur noch wenige Schritte entfernt war. Umständlich manövrierten sie durch den engen Gang, bis Tykvar mit dem Rücken zur Tür stand und versuchte, mit dem Ellbogen die Türklinke herunter zu drücken.
Zum Glück war das Zimmer nicht verschlossen. Eren hatte zwar einen Schlüssel, doch die Mühe machte er sich niemals. Es wäre sowieso niemand so verrückt gewesen, den elbischen Dieb zu bestehlen. Knarrend bewegte sich die schwere Holztür in den Angeln und schwang nach innen auf. Tykvar machte sich in Gedanken eine Notiz, bei nächster Gelegenheit die Konstruktion von einem Schreiner mal wieder richten zu lassen.
„Was treibt ihr beide da?"
Sie erstarrten mitten in der Bewegung. Die Stimme hatte aber auch zu unfreundlich geklungen. Tykvar sah hoch und erkannte auf der anderen Seite des Ganges, in der Tür wiederum zu seinem Zimmer, den Waldläufer. Halbarad vibrierte fast vor Misstrauen, seine rechte Hand lag auf dem Griff seines Schwertes, mit dem er sich wahrscheinlich auch ins Bett legte. Die Waldläufer waren alle etwas paranoid.
„Das geht dich nichts an", knurrte Tykvar. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Waldläufer."
Halbarad baute sich hinter dem vor ihm noch zerbrechlicher wirkenden Sorben auf und sah über dessen Schulter. Seine Augen weiteten sich erst etwas, dann wurden sie schmal und kalt. „Das geht mich nichts an? Ihr beide schleppt einen fast toten Elben durchs Haus!"
„Der auch nicht lebendiger wird, wenn wir noch lange hier rumstehen", blaffte Tykvar. „Eren braucht so schnell wie möglich Hilfe. Verzieh dich, Waldläufer, oder du kannst mit deiner Frau heute Nacht draußen unter einer Tanne schlafen!"
Es schien, als wollte dieser große, kräftige Dunadan ihm eine Lektion verpassen, aber plötzlich nickte er. „Du hast Recht, Wirt. Damit ist Er-…diesem Elb wohl kaum geholfen."
Und so waren es plötzlich drei Helfer, die den Verletzten rasch ins Zimmer schafften und auf dem sauber bezogenen Bett ablegten. Tykvar schickte Sorben, damit er Verbandsmaterial und vor allen Dinge Hanne heranschaffte, die sich hier im Haushalt um die Kranken und Verletzten kümmerte. Erfahrung hatte sie schon einige, denn im ‚Krummen Hund' ging es zuweilen heiß her und die Blessuren waren gelegentlich ausgewachsene Verletzungen. Etwas unbehaglich blieb er mit Halbarad alleine zurück.
„Ihr werdet niemandem sagen, dass er hier untergekrochen ist, oder?" erkundigte er sich unsicher. „Wir wissen nicht, wer ihn so zugerichtet hat und in diesem Zustand kann er sich gegen niemanden wehren."
Halbarad musterte ihn wieder ziemlich lange aus seinen grauen Augen, in denen nun ein rätselhafter Schimmer lag. „Nein, Tykvar, ich werde schweigen wie ein Grab", erklärte er dann und ließ sich auf der Bettkante nieder, um sich die Verletzung genauer anzusehen. „Leider wird das wohl genau der Ort sein, an dem dieser Elb endet, wenn wir nicht bald sehr, sehr gute Hilfe heranschaffen. Deine Frau ist nicht zufällig Heilerin?"
„Nein", meinte Tykvar betrübt, den auch schon ähnliche Gedanken bewegt hatten. „Nicht wirklich."
Wieder schwiegen beide eine Weile. Tykvars Blick lag voller Sorge auf Erens so makellosen, aber fast schneeweißen Zügen. So hatte er ihn noch nie gesehen und es schmerzte ihn. Gleichzeitig machte sich eine stetig wachsende Verärgerung in ihm breit. Ein so perfektes Wesen sollte nicht durch die Nacht schleichen müssen, nur weil andere seines Volkes sich für etwas Besseres hielten.
„Was geht dir durch den Kopf?" erkundigte sich Halbarad, der ihn aus den Augenwinkeln wohl beobachtet hatte. „Du scheinst wütend."
„Es ist nicht gerecht", brach es aus Tykvar heraus, auch wenn er sich bemühte, leise zu sprechen. „Bruchtal ist nicht weit. Dort könnte man ihm helfen, aber man wird es ihm verweigern. Warum sonst ist er wohl hierher gekommen? Ich hasse diese arroganten Bastarde dort. Jeder von uns kann mal einen Fehler machen. Deswegen darf man nicht für alle Zeit ein Ausgestoßener sein."
Langsam erhob sich Halbarad. Er schien zu einem Entschluss gekommen zu sein. „Du hast Recht, Tykvar. Bruchtal ist nicht weit. Wenn jemand Hilfe schicken kann, dann Lord Elrond. Er wird es tun, glaub mir."
„Was hast du vor?"
„Ich werde hinreiten und diese Hilfe holen. Wenn ich mich beeile, bin ich in nicht einmal drei Tagen wieder hier." Der Waldläufer seufzte und ein Schatten glitt über sein Gesicht. „Marain wird es verstehen. Versprich mir, auf sie zu achten."
„Wie auf meine eigene Tochter", nickte Tykvar feierlich.
Hanne stürmte hinein. Tykvar hatte seine Frau selten so aufgeregt gesehen, aber er machte sich wenig Sorgen. Sie würde sich schnell wieder beruhigen und tun, was sie konnte. Ungeduldig wartete er darauf, dass der Waldläufer sich von seiner Frau verabschiedete, die sehr ruhig den plötzlichen Aufbruch hinnahm und humpelte dann neben ihm zum Stall.
„Du musst Mornen nehmen", wurden sie von Sorben empfangen, den das Ganze nicht zu wundern schien. „Er ist der einzige hier, der dich wirklich schnell zu den Elben im Tal bringen kann."
Halbarad nickte dem bereits gesattelten Pferd voller Respekt zu. „Und er kennt den Weg auch ohne fremde Hilfe. Ich werde keine Pause machen. Erwartet uns bald wieder zurück und lasst nichts unversucht, das Leben dieses Elben zu erhalten. Ihr habt keine Ahnung, wie teuer es ist."
„Angeber", murmelte Sorben, als Halbarad vom Hof geritten war. „Diese Dunedain meinen immer, sie wären die einzigen, die schon mal einem Elb nahe gekommen sind."
Tykvar sagte gar nichts. Wenn es nach ihm ging, konnte Halbarad der schlimmste Angeber aller Zeiten sein, solange er nur rechtzeitig mit Hilfe wieder zurückkehrte.
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Die Schönheit dieses Ortes war unglaublich und gleichzeitig bedrückend. Licht durchflutete den großzügigen Raum, dessen Wände Fresken in sanften Farben bedeckten. Das Mobiliar war alt, von elbischer Leichtigkeit in jedem einzelnen Stück und mit geschickter Hand im Raum platziert, sodass es nie störend wirkte.
Varya schlenderte langsam durch das große Gemach, vermied es, den Blick auf die Tür des Schlafraums zu richten und steuerte die weit offenen Fenstertüren an, hinter denen eine strahlende Sommersonne einen wunderbaren Tag verhieß. Abwesend ließ sie ihre Fingerspitzen im Vorbeigehen über die Platte eines aus heller Esche gefertigten Tisches gleiten. Weich und dennoch widerstandsfähig, so fühlte sich das Holz unter ihren sensiblen Fingern an.
Sie schob die silberfarbenen, durchscheinenden Vorhangbahnen beiseite und trat hinaus auf die durchgehende Terrasse, die sich an den Gemächern auf dieser Seite des Hauses entlang zog. An ihrem Ende zur Linken war eine breite Treppe zu erkennen, die nach unten auf eine weitere Sonnenterrasse führte, auf der sich einige Bewohner Bruchtals eingefunden hatten und in Gespräche vertieft waren.
Bruchtal war ein Ort voller Harmonie und Frieden. Irgendwie entrückt aus einer Welt, in der Kälte und Grausamkeit langsam die Vorherrschaft übernahmen. Was wussten diese kostbar gekleideten Gestalten dort unten wohl von dem, was jeden Tag, jede Minute außerhalb der geschützten Mauern aus Stein und Vilyas Macht vor sich ging?
Varya stützte sich mit den Händen auf der Steinbrüstung der Terrasse ab und ließ ihren Blick nun ziellos herumwandern. Ihre Augen waren in Wirklichkeit blind für das, was sich da vor ihnen erstreckte. Der eigentliche Blick war nach innen gerichtet und erkannte dort dunkle Flecken und Ängste, die ihr eigentlich bislang noch nicht begegnet waren.
Sie fühlte sich seltsam fremd an diesem Ort, auf den sie sich doch so gefreut hatte. Sie gehörte nicht hierher. Sie war nicht einmal angemessen gekleidet. Bei ihrem Aufbruch aus dem Palast hatte niemand mit dieser Wendung ihrer Reise gerechnet und so gab es nichts in ihrem Gepäck, das mit den Gewändern der Bewohner hier hätte mithalten können. Normalerweise fühlte sie sich immer sehr wohl in der robusten grauschwarzen Lederkleidung ihres Volkes, doch hier kam sie sich wirklich vor wie ein Landstreicher.
Es war nicht gut, dass Thranduil mit ihr in Verbindung gebracht wurde. Er hatte zwar ebenfalls etwas abenteuerlich neben Elrond gewirkt, doch Thranduil war ein König und das merkte man ihm an, jederzeit und an jedem Ort. Auch Legolas atmete schon dieses besondere Selbstverständnis aus, das Varya wohl niemals erlangen würde.
Auf der Brüstung stand eine große Tonschale mit Mimosen bepflanzt, die die Sonne zu genießen schienen. Mit einem abwesenden Lächeln berührte Varya sanft eine der kleinen Blüten. Das Lächeln wurde etwas schief, als sich die Blütenblätter leicht zusammenzogen.
„Sonst spüren sie deine Berührung nicht einmal." Galen umrundete die lebende Trennwand aus mächtigen Tontöpfen, in denen dichte, blühende Hibiskus-Sträucher gepflanzt waren und die den angrenzende Teil der Terrasse, der zu seiner Unterkunft gehörte, etwas isolierten. „Was ist mit dir?"
„Ich habe das Gefühl, hier nicht herzugehören", gestand sie leise.
Ihr ältester Freund trat neben sie, legte ebenfalls die Fingerspitzen an einer der Mimosenblüten. Sie schien sich regelrecht in seine Hand zu schmiegen. „Es ist nur eine Blume. Mach dir nicht soviel Gedanken."
„Es geht doch gar nicht um diese Pflanze", widersprach sie mit leichter Ungeduld. „Vielleicht wäre es besser, ich würde Elrond um ein eigenes Gemach bitten."
Galen vergaß seine Liebelei mit der Mimose. Die Stirn gefurcht, wandte er sich ihr zu. „Du machst dir Gedanken um Thranduil."
Wortlos nickte sie.
„Gibt er dir Grund dazu?"
Im ersten Moment verwundert starrte sie ihn an. Galens Miene hatte sich deutlich verfinstert. Dann begriff sie, worauf er hinauswollte und ihre Mundwinkel kräuselten sich in einem Lächeln. „Niemals. Und wahrscheinlich würde er sehr wütend, wenn er je erfährt, dass ich lieber nicht hier mit ihm in diesem Gemach bleiben würde."
„Das dämmert ihm wahrscheinlich sowieso schon, mein Schatz. Deine ‚Ich bin seine Heilerin'-Vorstellung war nicht sehr subtil."
„Ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen."
„Soviel Rücksicht in allen Ehren, aber ich glaube nicht, dass man Thranduil in Verlegenheit bringen kann. Sein Ego ist so massiv wie das Nebelgebirge. Ihn interessiert wahrscheinlich nicht einmal, was die Valar von ihm denken."
„Aber er ist verheiratet, Galen."
„Er war es."
Störrisch richtete sie den Blick wieder auf das Tal. Sie wollte eigentlich seine Argumente nicht hören. Immerhin hatte es sie viel Mühe gekostet, sich ihre Gewissensbisse einzureden.
„Varya, er WAR es. Seine Frau ist tot und zwar schon sehr lange."
„Und wenn sie irgendwann die Hallen des Wartens wieder verlässt? Was dann?"
„Das wird sie nicht." Galen fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum. „In ihm ist keine Bindung mehr zu spüren und du weißt, was das bedeutet. Legolas' Mutter hat ihn freigegeben. Eine Erleichterung, wenn man Legolas glauben darf."
Varya beschloss, das Thema zu wechseln. Das hier wollte sie lieber mit sich alleine ausmachen. Auch wenn sie den dunklen Verdacht hatte, dass Thranduil dabei ein Wörtchen mitreden würde. Eher mehrere und zwar reichlich laut. Sie verdrängte den Gedanken daran. Etwas anderes gab es nämlich auch noch, das ihr auf der Seele lag.
„Galen, ich kann es mir natürlich einbilden, aber…"
„Nein, ich hab es auch gespürt. Ich weiß nur nicht, was es zu bedeuten hat."
„Aber es kann nicht sein." Varya fühlte erneut diese seltsame Störung, als sie bei ihrer Begrüßung in Elronds Armen gelegen hatte. „Schwäche erfüllt ihn, große Schwäche."
Etwas hilflos hob Galen die Schultern. „Vielleicht ist er nur erschöpft."
„Nein, das war es nicht. Etwas ist in ihm, das ihn zerstört. Aber ich konnte es nicht wirklich erfassen. Es schien fast, als wollte er es verbergen."
„Vor den anderen Heilern hier muss es ihm jedenfalls gut gelungen sein."
„Aber nicht vor uns."
„Wir sind Rhûnar-Heiler", meinte Galen in dem misslungenen Versuch, einen Scherz zu machen.
„Das hilft uns hier auch nicht viel", murmelte sie freudlos. „Was können wir tun?"
„Erst einmal gar nichts. Wenn du dich beim nächsten Zusammentreffen auf Elrond stürzt, um ihn mit deinen Heilkünsten zu beglücken, bringst du deinen König wahrscheinlich wirklich in Verlegenheit. Am besten warten wir einfach nur den heutigen Abend ab."
Diese Antwort war extrem unbefriedigend, fand Varya und bedachte ihn mit einem ärgerlichen Blick. Galen zuckte nur die Achseln und verabschiedete sich wieder. Wahrscheinlich machte er sich auf die Suche nach den Zwillingen, die sich angeboten hatten, Leiloss und Hinner durch Bruchtal zu führen. Gilnín war irgendwo in der Bibliothek verschwunden, mit seinem fiesen, kleinen Falter im Glas als Gesellschaft.
Ungestörtheit war Varya allerdings nicht lange vergönnt. Galen war noch nicht lange wieder hinter den Blumenkübeln verschwunden, da schlenderte der nächste Besucher heran.
„Soso, die Heilerin des Königs", spottete Legolas und lehnte sich gemütlich neben ihr an die Brüstung. „Das war ja geradezu ein Geniestreich, Meldis."
„Fang du nicht auch noch an. Galen hat schon seinen Kommentar dazu abgegeben."
„Er wird nicht der letzte sein. Ich schätze, vom Kommentar meines Vaters dazu wird nachher sogar halb Bruchtal etwas mitbekommen."
Ausgesprochen finster musterte sie ihn. „Will mich hier eigentlich niemand verstehen?"
„Nein", lautete die gelassene Antwort. „Wenn du mich fragst, hast du Skrupel an einer Stelle, an die sie wirklich nicht hingehören. Im Gegenteil, eigentlich hättest du meinem alten Herrn schon längst das Leben schwer machen sollen, damit er aus dir endlich eine ehrbare Elbin macht."
„Bist du verrückt?" hauchte sie entsetzt.
„Mitnichten." Er tippte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich an die Lippen. „Vielleicht sollte ich ihn selber mal darauf ansprechen, wenn du es nicht machst."
„Das wagst du nicht!"
„Willst du mich davon abhalten?" Er schien jeden Moment einen Lachanfall zu haben.
Es war wirklich frustrierend, wieviel er von seinem Vater geerbt hatte. Legolas machte immer einen so freundlichen, sanften Eindruck, dass kaum jemand vermutete, wieviel Eigensinn und welche Härte in ihm steckten. Und die, die es schließlich herausfanden, lebten zumeist nicht lange genug, um es anderen zu verraten. Andererseits besaß Varya inzwischen Erfahrung – mit Vater und Sohn. So leicht ließ sie sich von keinem der beiden mehr herumschubsen.
Sie lächelte böse. „Ich könnte seine Gedanken mit etwas anderem beschäftigen."
Legolas war nicht so naiv, jetzt an etwas Zweideutiges zu denken. Seine Augen wurden schmal. „Womit willst du mich denn erpressen?"
„Hm, beschreiben wir es mal so: es ist groß, schwarz und rot und es folgt uns schon seit dem Anduin."
„Ich hab Ionnin nicht dazu aufgefordert", meinte er hastig und lief leicht rot an. „Das macht er ganz alleine. Varya, du weißt genau, dass Thranduil dann hochgeht wie eines von Gandalfs Feuerwerken."
„Ich weiß." Sie tätschelte ihm kurz die Brust. „Und deswegen, mein Freund, solltest du dir sehr gut überlegen, ob du hier weiter ungefragt den Ehestifter spielen willst. Bis später dann."
Etwas besser gelaunt ließ sie ihn stehen und schlenderte in ihr Gemach zurück. Eigentlich hatten ja Galen und Legolas Recht. Warum machte sie sich eigentlich Gedanken? Es zählte, dass sie Thranduil gefunden hatte. Was andere davon dachten, konnte ihr völlig egal sein.
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Glorfindel versuchte, etwas Ordnung in das zu bringen, was er soeben von Elrond vernommen hatte. Er lief dabei unruhig vor Elronds Schreibtisch auf und ab, sah gelegentlich zur Decke oder zu den beiden anderen Anwesenden, die sich in Schweigsamkeit und Bewegungslosigkeit gehüllt hatten.
Elrond lehnte etwas müde in seinem hohen Lehnstuhl hinter dem Schreibtisch, die Stirn in eine Hand gestützt und den Blick in irgendwelche Fernen gerichtet. Thranduil hingegen saß halb auf der Rückenlehne eines der Sessel, die Arme verschränkt und das Gesicht mit einem Ausdruck voller Düsterkeit beschattet.
Glorfindel musste gestehen, dass er mit Neuigkeiten dieser Tragik einfach nicht gerechnet hatte. Die Lossidil waren zwar nicht wirklich sein Fall gewesen, so sehr hatten sie sich schon innerlich aus Mittelerde verabschiedet, aber ihr Schicksal schmerzte ihn zutiefst. Außerdem konnte er die Gefahr förmlich riechen, die sich da um Bruchtal herum zusammenbraute.
„Hat es irgendeinen tieferen Sinn, dass du hier herumwanderst wie ein seniler Waldläufer?" erkundigte sich Thranduil plötzlich.
„Dabei kann ich besser denken!" fauchte Glorfindel ihn an, blieb aber gleichwohl endlich neben Elronds Schreibtisch stehen und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Kante. „Wir haben jetzt schließlich nicht nur Trolle am Hals, sondern auch noch eine Truppe Meuchelmörder, die es auf Elben abgesehen haben."
„Trotzdem hilft es im Moment wenig", meinte nun sogar Elrond.
„Ganz meine Meinung", nickte Thranduil in seltener Eintracht mit dem Herrn von Bruchtal. „Solange wir nicht mehr wissen, können wir einfach nur vorsichtig sein. Vielleicht kommen wir ja alle weiter, wenn Erestor wieder da ist."
Gleichzeitig starrten Glorfindel und Elrond den Waldelbenkönig an, der so zufrieden wie eine satte Katze wirkte. Sie hatten Erestor noch mit keinem Wort erwähnt. Er konnte gar nicht wissen, was es mit ihm auf sich hatte.
Thranduil machte ein tadelndes Geräusch mit der Zunge. „Erus Licht, für wie dumm haltet ihr beide mich eigentlich? Er ist nirgendwo zu sehen und ich kenne ihn. Ein Problem wie dieses lässt er nicht unangetastet. Nicht Erestor!"
„Du kennst Erestor?" Glorfindel durchforstete sein Gedächtnis, ob er davon gehört hatte, dass es eine irgendwie geartete Verbindung zwischen dem Noldo und dem Sinda gab. Er fand nichts, gar nichts. Weder Erestor noch Thranduil hatte jemals etwas davon erwähnt. Ganz im Gegenteil, Erestor schien Thranduil nicht gerade zu mögen. „Das ist mir neu."
„Mir auch", murmelte Elrond etwas frischer als noch zuvor. Es war wirklich schon besorgniserregend, wie erschöpft er gewirkt hatte.
„Man wird nie zu alt für Überraschungen", grinste Thranduil boshaft. „Wir kennen uns schon etwas länger. Wir sind eigentlich miteinander verwandt."
„Nie im Leben!" rief Glorfindel und schüttelte entschieden den Kopf. „Du nimmst uns auf den Arm."
„Nie im Leben", imitierte ihn Thranduil. „Er ist auch nur angeheiratet. Irgendeiner seiner Cousins hat irgendeine Großtante Orophers geehelicht. Keine große Sache, sie sind beide schon seit dem letzten Zeitalter in Mandos' Hallen."
„Und warum habt Ihr uns das noch nie vorher erzählt?" wollte Elrond wissen.
„Es ist nicht gerade ein Ruhmesblatt, mit diesem Noldo verwandt zu sein", antwortete Thranduil mit üblicher Rücksichtslosigkeit. „Außerdem reden wir eigentlich nicht mehr miteinander."
„Wegen der Verwandtschaft?" Glorfindel hatte das Gefühl, gleich hysterisch zu werden. Welche Abgründe würden sich noch auftun?
„Nein, weil der Mistkerl mich nicht vorgewarnt hat, was für eine Fehlentscheidung es sein würde, Mithuviel zu heiraten. Dabei kannte er sie viel besser als ich, weil sie wiederum um einige Ecken mit seinem Cousin verwandt ist. Dem, der die Großtante Orophers geheiratet hatte", grollte Thranduil. „Als sie zu den Grauen Anfurten aufbrach, hat er mir eine Nachricht geschickt. Es war nur ein Satz: Das war zu erwarten!"
Glorfindel grinste unwillkürlich. Mehr Erestor ging kaum noch. „Ich schätze, ihr kennt euch wirklich."
„Erestor ist schon eine ganze Weile weg, um sich umzuhören", sagte Elrond nun. „Ich warte eigentlich täglich darauf, dass er endlich zurückkommt. Und ich hoffe, er hat sich an meine Anweisung gehalten und keinen Alleingang unternommen."
„Erestor doch nicht", murmelte Glorfindel ironisch. „Am besten warten wir noch ein paar Tage ab. Ist er dann immer noch nicht wieder da, rücke ich mit einem Suchkommando aus. Die meisten Stellen kenne ich, an denen er sich rumtreibt. Heute Abend werden wir erstmal feiern, denke ich. Nach der ganzen Aufregung kann es allen nur gut tun."
„Der beste Vorschlag seit langem", stimmte Thranduil zu.
Selbst Elrond nickte und erhob sich. Glorfindel registrierte mit steigender Sorge, wie schwerfällig er sich Richtung Tür bewegte. Er tauschte einen verwunderten Blick mit Thranduil, der aber nur ratlos die Schultern hob. Was sollten sie auch tun?
Einen Atemzug später wussten sie es. Ohne jede Vorwarnung brach der Herr von Imladris zusammen. Nur die schnelle Reaktion der beiden anderen bewahrte ihn davor, auf dem Boden aufzuschlagen. Glorfindel erwischte ihn noch am linken Arm und Thranduil am rechten. Eine Schrecksekunde starrten sie beide auf die leblose Gestalt zwischen ihnen, dann riss Glorfindel mit der freien Hand die Tür auf.
„Wir brauchen einen Heiler!" schallte seine Stimme durch die Gänge Bruchtals.
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tbc
A/N: irgendwie hat es doch noch geklappt mit neuen Kapitel. Ich wünsche jedenfalls allen schöne Feiertage, bergeweise Geschenke (vorzugsweise eingepackte, frische Elben mit mitgelieferter Batterie)
Loriel: Erestor hat so seine Stärken, find ich (smile). Aber auch seine Schwächen. Ist ein böser Elb, so was aber auch. Hm, ich schätze, in Arenor passt er gar nicht rein. Das kreist eigentlich um Haldir, Ayla und Elrond. Und im nächsten Teil noch um zwei andere Elben. Mehr wird nicht verraten. Aber du hast Recht, der kam mir gar nicht so interessant vor, als ich Arenor angefangen habe.
Lord elo: Noch ein Noldo, der die Story liest (langsam noch misstrauischer wird). Du hast Elronds Umkippen ja schon vorweg genommen. Hast du dich in meinen PC geschlichen? Ach, elo, Weihnachtsstress hab ich ohne Ende gehabt. Jetzt ist aber endlich etwas Ruhe eingekehrt und ich hoffe, ich kann wieder weiterschreiben. Wobei ich wohl kaum jeden Tag ein ganzes Kapitel hinbekomme. Es sei denn, du möchtest welche, die gerade aus einer Seite bestehen.
Feanen: Schwierige Sache, solche Gespräche. Ich möchte nicht mit ihr tauschen (kicher). Erzähl es mir, mich nervt es nicht. Ganz im Gegenteil.
Shelley: Dezember ist stressig ohne Ende, allerdings. Ich kann es dir nachfühlen.
Erestor hat wirklich etwas daneben gehauen, aber ich konnte nicht anders. Ich war selber überrascht, wie übermäßig selbstsicher ich ihn geschrieben habe und wollte ihm mal einen drüber geben, sonst sinke ich vor diesem Kerl noch in die Knie. Manchmal passiert es einem echt, dass man sich da einen echten Über-Elb zusammenschreibt. Dann lieber so ein kleiner Chaot wie Figwit. Und ja, noch liebt Haldir diesen Job. Er wird sich aber noch wünschen, lieber auf einem Baum bei Galadriel zu hocken und mit Celeborn Wein zu kippen.
Ithiliell: Nach der ganzen Überlegerei hab ich es leider doch nicht geschafft, gestern zu posten. Der Umzug macht mich etwas fertig. Aber dafür ist gerade die Ruhephase hier eingetreten und ich entspann mich mal lieber auf Ich rätsele noch, auf wen Leiloss sich denn nun besser konzentrieren soll, wo Aragorn raus ist. Genug Junggesellen schwirren ja da rum.
Iary: Gute Frage. Wahrscheinlich hat er wirklich Glorfindel gefragt und nicht auf Celebrian gehört, es selbst zu machen. so, wie die E² immer zugange sind, kann es nur Glorfindel gewesen sein. Hat er jetzt davon.
Erestor hat es noch nicht bis Bruchtal geschafft, der Arme. Was nun?
Arelithil: Huhu, ich hab mich sehr über dein Review gefreut. (knuddel) Nur mal am Rande, da brauchst du gar keine Hemmungen haben, an eine komplette Geschichte noch ein Review zu schicken. Ich schätze, da spreche ich für alle Autoren hier. Manchmal hat man nämlich wirklich den Eindruck, ist die Geschichte erst einmal fertig, scheint sie keiner mehr zu lesen. Wenn dann irgendwann noch ein Review ankommt, ist man ganz beglückt.
Ich bin auch so sehr beglückt, dass sie dir gefällt. So wie es aussieht, werde ich noch ein paar Wochen hier an diesem Teil posten. Meistens Freitags, wenn ich es irgendwie schaffe.
So, also das Buch. Ohne was verraten zu wollen, aber es ist leider nicht nur eine Allergie. Da steckt schon mehr dahinter (grinsbös). Mit einer Allergie hauen wir einen Elben ja nicht aus den schönen Lederstiefeln, da muss was Schlimmeres her. Und Erestor hat es auch nicht so leicht. Andererseits schreib ich eher nicht AU, sodass zumindest keiner von denen abnippelt, der später noch gebraucht wird. Da haben Elrond, Thranduil, Legolas, die Zwillinge, Haldir, Erestor und Konsorten ja echt Glück gehabt.
Und es ist völlig okay, wenn du deine Kommentare abgibst. Ob nun positiv oder negativ. Wenn dir was auffällt, ein Fehler oder so, schreib es ruhig rein. Dafür sind Reviews schließlich da.
Amélie: Kann ich mir lebhaft vorstellen, wie du dich über die fürchterlichen Probleme des einzigen, großartigen, wunderbaren, unbeschreiblichen Elbenkönigs abgerollt hat (bösguck). Andererseits hat der arme Elrond ja wirklich hier den Schwarzen Peter gezogen, es sei dir also Entspannung gegönnt.
