Disclaimer: Immer noch alles Tolkiens Eigentum und Erbe. Ich hab nix, ich krieg nix, ich bin ein ganz armes S..
11. Kapitel: Sturm zieht auf
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Bruchtal hielt den Atem an.
Seit zwei Tagen waren alle überflüssigen Aktivitäten erloschen. Keiner sprach mehr laut, die Gesänge waren verstummt, die Schritte der Bewohner schwer geworden. Selbst die Natur schien zu spüren, dass sich eine Tragödie im Gastlichen Haus abspielte. Die Geräusche, die sonst die Sommernächte erfüllten, waren leiser geworden, weniger, die Vögel schienen nur noch Melodien voller Trauer von sich geben zu können, wenn sie überhaupt einen Ton von sich gaben. Dafür war in der Ferne das unheilvolle Grollen eines sich zusammen ballenden Gewitters zu hören.
Der Herr Bruchtals, der Schöpfer einer Insel voller Frieden und Sicherheit in einem dunklen Ozean von Verdammnis kämpfte einen einsamen Kampf gegen einen Feind, den niemand benennen konnte. Niemand konnte ihm helfen. Elrond rang mit dem Tod und alle standen hilflos daneben.
Elladan hätte sich am liebsten in irgendeiner dunklen Ecke verkrochen. Sich zusammengerollt wie ein kleines Kind und endlich die Tränen vergossen, die schon so lange in seinen Augen brannten. Aber Schwäche war etwas, das er sich jetzt nicht erlauben durfte, nicht ausgerechnet jetzt.
So blieb er bewegungslos vor dem Terrassenfenster im hell erleuchteten Wohnraum seines Vaters stehen. Sein eigenes Spiegelbild in der Scheibe, gestochen scharf vor der Dunkelheit draußen, war ihm irgendwie fremd. War er wirklich dieser blasse Elb mit den wie aus Stein gemeißelten Zügen? Waren es seine Augen, in denen ein Funke tiefer Verzweiflung brannte?
Elladan hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, damit er sie nicht unentwegt in dem verzweifelten Versuch bewegte, ein Ventil für seine Hilflosigkeit zu finden, zu der er verdammt war. Es war jetzt nicht an ihm, am Bett seines Vaters zu sitzen. Elrohir und er wechselten sich ab, damit der jeweils andere Ruhe finden konnte. Eine Illusion, wie sie beide sehr schnell festgestellt hatten. Jetzt war die Kraft und Ausdauer ihrer elbischen Körper ein Fluch, denn trotz der ununterbrochenen Anspannung stellte sich keine Erschöpfung ein. Fast war Estel zu beneiden, der seit einiger Zeit völlig am Ende seiner sterblichen Kräfte in einem der Sessel vor dem Kamin lag und wie betäubt schlief.
Er war der einzige im Raum, der unfreiwillig Ruhe gefunden hatte. Elladan betrachtete das Spiegelbild in der Scheibe voller Nachdenklichkeit. Seit Glorfindel und Thranduil Elrond hier her gebracht hatten, war der Raum mit Elben beinahe überfüllt. Legolas saß unweit des schlafenden Estels im zweiten Sessel, nachdenklich drehte er ein Weinglas in der Hand. Vor ihm, mit dem Rücken zum Raum hockte Galen auf dem Boden und zeichnete mit dem Schürhaken Muster in die dünne Ascheschicht im Kamin, um sie immer wieder glatt zu wischen und erneut zu beginnen.
Thranduil, der lange Zeit unruhig umhergewandert war, saß nun auf dem Sofa im Hintergrund des Raumes. Varya kauerte mit untergeschlagenen Beinen neben ihm, den Kopf an seiner Schulter und so eng an ihn gedrückt, als wollte sie sich in Thranduils Stärke vergraben. Die beiden waren zu beneiden um diese Nähe, in der sich wenigstens etwas Sicherheit finden ließ.
Normalerweise war auch noch Glorfindel anwesend. Doch er war zusammen mit Thanbrethil in Elronds Schlafraum verschwunden, um zu hören, ob der Heiler endlich die Ursache der Krankheit hatte finden können. Thanbrethil war nach Elrond der ranghöchste aller Heiler Bruchtals. Ihm oblag die Führung der Häuser der Heilung, eine verantwortungsvolle Aufgabe, und dennoch keine, die Rückschlüsse auf seine Begabung als Heiler zuließ. Eher eine, die für seine große Fähigkeit, zu verwalten und zu lenken sprach.
Genau da liegt das Problem, befand Elladan mit plötzlicher Klarheit. Wir haben den ranghöchsten Heiler gerufen, so wie es auch selbstverständlich ist, aber wohl nicht den besten, den es in Bruchtal gibt.
Elladan war nicht länger bereit, auf die stärkste Waffe im Kampf gegen diesen unheimlichen Feind im Körper seines Vaters zu verzichten. Langsam drehte er sich um und sah zuerst zu Galen, dann zu Varya.
In ihnen war das, was auch Elrond von den meisten anderen Heilern unterschied. Damit stachen sie hervor aus einer Menge, die Tränke und Sprüche zur Bekämpfung der Krankheiten einsetzte. Die beiden Ithildrim schöpften aus einer Quelle, die bis zum Einen zurückreichte. Die Ströme der Schöpfung enthüllten sich ihnen und gewährten ihnen sogar Zugriff. Vielleicht unterschieden sie sich von Elrond, weil sie diese Quelle unaussprechlicher Kraft noch mit der Naivität und Unerschrockenheit von Kindern nutzten, während Elrond sehr wohl wusste, dass er sich in die Nähe des wahren Schöpfers begab und dies voller Respekt tat. Aber das Ergebnis blieb zumeist gleich, sie heilten, wo andere längst das Leben verloren gaben.
„Elladan?" Varya hatte sich etwas aufgesetzt und betrachtete ihn mit neu erwachter Energie. „Was hast du?"
Bei ihren Worten drehten sich auch die anderen zu ihm um. Galen legte den Schürhaken beiseite und erhob sich. Überdeutlich wurde Elladan bewusst, welche Verantwortung er den beiden Ithildrim auflud. Dieses Elbenvolk war zerbrechlicher und zugleich viel härter als jedes andere, das Elladan kannte. Es gab auch nur so wenige von ihnen und alle waren sie jung. Eigentlich hätte es Elladans Aufgabe sein sollen, sie vor allem zu schützen, was irgendwie ihr Leben bedrohen würde und nun trat er stattdessen mit einem derartigen Ansinnen an sie heran. Elladan seufzte unmerklich. Ihm blieb keine Wahl.
„Es ist viel verlangt", erklärte er und deutete auf die Tür zu Elronds Schlafraum. „Aber ich bitte euch als Freunde."
„Ich dachte schon, du fragst nie", meinte Galen kopfschüttelnd. „Varya?"
„Thanbrethil wird nicht sehr begeistert sein", sagte sie und war schon fast an der Tür.
„Lirimaer!" Thranduils ruhige Stimme ließ sie mitten in der Bewegung verharren. Noch immer saß er äußerlich völlig gelassen auf dem Sofa, aber der stählerne Unterton in seiner Stimme sprach Bände. „Beweg dich innerhalb der Grenzen, die das Leben gesteckt hat oder ich werde dafür sorgen, dass du sie nicht überschreitest."
Elladan neigte leicht den Kopf in Richtung des Waldelbenkönigs. „Ihr könnt unbesorgt sein, Thranduil. Ich würde es nicht zulassen, auch wenn es bedeuten würde, das Leben meines Vaters aufzugeben."
„Wollt ihr beide wohl aufhören?" empörte sich Galen und griff nach Varyas Hand. „Wir wissen schon selbst, wo unsere Grenzen sind. Was ist nun? Gehen wir hinein oder nicht?"
„Natürlich gehen wir hinein", bestätigte Varya und drückte kurzentschlossen die Tür auf.
Elladan hatte gar keine andere Möglichkeit mehr, als ihnen zu folgen. Ihm versetzte es trotzdem einen schmerzlichen Stich, dass sie wie zwei Kinder wirkten, als sie dicht nebeneinander und Hand in Hand vor ihm her gingen.
Der Schlafraum lag in einem Dämmerlicht nur weniger Lampen. Elladan empfand es fast als eine Gnade, denn das goldfarbene Licht täuschte darüber hinweg, dass die fast reglose Gestalt auf dem Bett so viel von ihrer Ausstrahlung der Stärke und Unsterblichkeit verloren hatte, wie es überhaupt möglich war.
Als die drei eintraten, erhob sich gerade Thanbrethil mit einem bekümmerten Kopfschütteln von der Bettkante und stellte eine kleine Glasflasche wieder auf dem Nachttisch ab. Sein bislang letzter Versuch, einen Heiltrank zu finden, der Elrond helfen konnte. Offenbar war er gescheitert.
Er wollte etwas sagen, unterbrach sich aber, als er die Neuankömmlinge entdeckte. Verwunderung schlich sich in seine hellen Augen. „Lord Elladan, ich wollte Euch gerade informieren."
„Von einem erneuten Fehlversuch?" fragte Elladan ruhig. „Ich habe es mir fast gedacht."
Elrohir und Glorfindel, die im Schatten abgewartet hatten, kamen langsam näher. Sie merkten offenbar, dass sich eine Wendung abzeichnete. Nur die beiden Rhunar-Heiler schienen von der Spannung im Raum unberührt. Selbst jetzt, noch am Fußende des Bettes und damit entfernt von dem Kranken, der ihnen alles abverlangen würde, waren sie bereits völlig auf Elrond fixiert. Ihre Augen wanderten über seinen Körper und verharrten auf seinem Gesicht, als könnten sie dort Spuren seines inneren Feindes erkennen.
Thanbrethil betrachtete die zwei einen Moment, dann glitt ein schwaches Lächeln über sein müdes Gesicht. „Das sind also die beiden, die selbst Meister Elrond noch zum Staunen bringen konnten. Er hat mir von ihnen erzählt und große Hoffnungen in sie gesetzt. Jetzt wäre es sicher unser aller Glück, wenn er sich nicht geirrt hat."
Etwas beschämt räusperte sich Elladan. „Verzeiht mir, Meister Thanbrethil, ich habe Euch falsch eingeschätzt. Ich dachte,…"
„Dass ich mich in meiner Ehre gekränkt fühle?" ergänzte der andere müde. „Ich bin am Ende meiner Weisheit, Lord Elladan, wir alle sind es. Nicht einmal den Grund der Erkrankung Eures Vaters können wir finden, geschweige denn eine Kur dagegen. Jetzt ist wahrlich nicht der Moment, um unsere kleinen Eitelkeiten zu pflegen, die wohl keinem von uns fremd sind. Die Wege, die nun beschritten werden müssen, sind nur wenigen zugänglich und um ehrlich zu sein, noch weniger besitzen die Unerschrockenheit, sie zu betreten."
„Diese beiden schon", lächelte Glorfindel und schob die beiden geistesabwesenden Ithildrim sanft, aber bestimmt näher an das Bett heran.
„Ohne Zweifel", sagte Elrohir leise, den Blick auf seinen Zwilling geheftet und das Gesicht ein Spiegelbild von dessen Besorgnis. „Ich hoffe nur, wir sind unerschrocken genug, sie auch wieder zurückzuholen, wenn der Weg zu weit führt."
In den nächsten Stunden fragte sich Elladan mehr als einmal, ob dieser Punkt vielleicht erreicht sei. Diesmal gab es keine höllischen Salben, keine übelriechenden Tränke, die mit boshafter Freude verabreicht wurden. Eigentlich war für die Beobachter fast gar nichts zu sehen, das darauf hin deutete, dass die beiden Rhunar-Heiler überhaupt am Werk waren. Sie saßen zu beiden Seiten Elronds auf dem Bett, jeder hielt eine Hand des Kranken und sprach kein Wort. Zeitweise schienen sie nicht einmal mehr zu atmen, um dann wieder nach Atem zu ringen und etwas in sich zusammen zu sinken.
Dennoch stellte sich zuerst kaum von den anderen bemerkt eine Veränderung ein. Elrond, der zuvor im Fieber geglüht hatte und dessen Atem schwer und mühsam gewesen war, schien Ruhe zu finden. Seine Söhne bemerkten mit neuer Hoffnung, dass er zu erstarken schien, wieder kräftiger wurde in diesem unsichtbaren Kampf. Elladan konnte nicht mehr zählen, wie oft er jeden einzelnen Valar im Stillen bat, das Verhängnis abzuwenden und Elronds Leben zu schützen.
„Lord Glorfindel!" Thanbrethils leise, aber nichtsdestotrotz scharfe Stimme riss ihn aus seiner Konzentration. „Die Heilerin wagt sich zu weit vor. Trennt die Verbindung oder wir können sie nicht mehr zurückholen."
Glorfindel zögerte nicht einmal. Mit einem Schritt war er am Bett, seine Hand schloss sich um Varyas Handgelenk und unnachgiebig zog er ihren Arm zurück, bis sich ihre Finger aus denen Elronds lösten.
„Oh Valar", murmelte Elrohir entsetzt. „Thranduil bringt uns um."
Der Grund für diese Worte war unschwer zu erkennen. Galen wirkte zwar auch angestrengt, aber mit Varya war es kaum zu vergleichen. Sie schien wie aus Glas erschaffen, das Gesicht noch schmaler als sonst und die Augen leuchteten beinahe geisterhaft hell, als sie blinzelnd in die Realität zurückfand. „Glorfindel, was…?"
„Genug für heute", erklärte der Vanya kategorisch. „Da du offenbar weniger Verstand hast als dein Freund Galen, ist erst einmal Schluss für dich."
„Du hast keine Ahnung…"
Mit einer knappen Handbewegung unterbrach er sie. „Natürlich nicht, Süße, aber das brauch ich auch nicht. Du wirst jetzt rüber zu deinem König schwanken und ihm mit einem schönen Gruß von mir bestellen, dass er dafür sorgen soll, dass du dich ausruhst. Für Galen gilt auch bald das gleiche."
„Ihr beide habt schon viel erreicht", nickte Elladan, auch wenn es ihm schwer fiel, dem zunächst ein Ende zu bereiten. Gleichzeitig erfasste ihn eine Welle der tiefen Zuneigung zu der Ithildrim, die so weit zu gehen bereit war, um Elronds Leben zu schützen. „Sieh ihn dir an, Varya, mein Vater scheint sich zu erholen. Das ist so viel mehr, als wir überhaupt erwarten konnten. Er scheint seinen inneren Feind zurückzudrängen."
Das Lächeln, das nun ihre Lippen kräuselte, war ohne jede Wärme. „Es ist nicht nur ein Feind, Elladan, es sind mehrere und weder Galen noch ich können ihre Quelle finden."
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Eigentlich war das Gebäude ein Witz, fand jedenfalls Forlos.
Schlank und grazil wie eine überdimensionale Nadel erhob sich der Turm an der äußersten, südlichen Ecke des Haupthauses. Im Innern befand sich eine schmale Wendeltreppe, gelegentlich sorgte ein kaum handbreiter Schlitz in der Außenmauer dafür, dass Licht und auch Luft hereinkam. Die Treppe führte in schwindelerregend engen Kreisen hinauf in die Spitze, die ein wenig breiter war als der Turm selbst, ein schmales Bogenfenster reihte sich hier an das nächste und ganz oben im hölzernen Runddach hing eine kleine, silberne Glocke, die man mit einem Seil zum Klingen bringen konnte.
„Sehr hübsch", knurrte Forlos und ließ das Seil ein wenig hin und her schwingen. Wahrscheinlich gab sie sogar noch einen wirklich süßen Ton von sich. „Und das nennt sich Wachturm."
Kopfschüttelnd trat er wieder an eines der Bogenfenster, um den zugegeben perfekten Ausblick fast über das gesamte Tal zu genießen. Zu genießen stimmte wohl nicht ganz. Forlos befand sich in einem Zustand erhöhter Anspannung. Er bedauerte zwar zutiefst, was Lord Elrond zugestoßen war, denn immerhin verdankte er ihm sein Leben und vor allem anderen das Leben Varyas, aber dennoch lähmte ihn dies nicht so wie es offenbar dem Rest der Bevölkerung des Tales ging.
Einige Stunden hatte Forlos schweigend zugesehen, wie alles und jeden diese Art Lähmung erfasste. Alle schienen ständig darauf zu warten, wieder etwas Neues von Elronds Gesundheitszustand zu hören. Und das war mittlerweile so ziemlich das einzige, womit sich Bruchtals Bewohner beschäftigten.
Lautlose, aber dennoch nicht unbemerkte Schritte erlösten den Wächter Thranduils aus seinen düsteren Überlegungen. Er wandte sich um und gestattete sich ein Lächeln, als sich Haldirs inzwischen vertraute Silhouette im Treppenhaus abmalte.
„Fast die Treppen eines Mallorn", meinte der Galadhrim zur Begrüßung.
„Fast", nickte Forlos. „Wollt Ihr ein wenig frische Luft schnappen, Hauptmann?"
„So wie Ihr", erwiderte Haldir und ließ seinen Blick bedeutsam über die volle Bewaffnung des Tawarwaith schweifen. „Wie ich sehe, legt auch ein Gardehauptmann Thranduils dabei weder Schwert noch Bogen ab."
„Mag sein, dass sich Galadhrim und Tawarwaith wenigstens darin ähneln." Forlos deutete einladend auf das Bogenfenster neben sich. „Genießt die Aussicht, Haldir, sie ist direkt auf die Bruinenfurt gerichtet."
„Ein Platz, den man in diesen Zeiten im Auge behalten sollte", murmelte Haldir freudlos. „Wenn es so weitergeht, versinkt ganz Bruchtal in Schwermut und Wehrlosigkeit."
„Und Ihr versteht es nicht? Was würdet Ihr tun, wenn Eure Herrin Galadriel in ähnlicher Lage wäre?"
„Die Grenzen umso stärker bewachen", kam ohne Zögern die Antwort. „Oder denkt Ihr etwa, es ist hier nicht die Vorbereitung eines Angriffs?"
„Ich befürchte es jedenfalls." Forlos seufzte leicht. „Neues von Elrond?"
Haldir lehnte sich an die Brüstung und betrachtete einen Moment seine Hände, die in gut gearbeiteten Handschuhen steckten, die ihm jederzeit den Griff zum Bogen und das Abfeuern eines Pfeils gestatten würden. „Eure beiden Heiler sind jetzt wohl bei ihm."
Forlos konnte gerade noch verhindern, dass er sich zusammenkrümmte. Er hatte es befürchtet, schon die ganze Zeit.
„Was stört Euch daran?" wollte der Galadhrim wissen, der ihn aufmerksam beobachtet hatte.
„Ihr Ehrgeiz", erklärte Forlos düster und erinnerte sich nur zu gut daran, dass sein eigenes Leben durch diesen Ehrgeiz gerettet worden war. „Der Varyas noch mehr als der Galens. Ihr macht Euch keine Vorstellung davon, wie sehr sie es verabscheut, ein Leben nicht retten zu können."
„Es geht um viel", meinte Haldir nach einer Pause. „Elrond ist Bruchtal."
Forlos schüttelte leicht den Kopf. „Macht es Euch nicht so leicht, Haldir. Elrond hat Bruchtal erschaffen, aber es wird auch ohne ihn weiter existieren. Er hat einen Sohn, der ihm folgen kann. Lord Elladan mag manchmal etwas unkonventionell sein, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er unfähig ist."
„Außerdem ist da noch Vilya", sagte Haldir sehr leise. „Vilya, der jetzt am Finger eines Sterbenden steckt und kaum noch Wirkung entfalten kann."
Forlos schwieg. Also bewegten Haldir ähnliche Gedanken wie ihn selbst. Und es gab noch mehr Personen in Bruchtal, die trotz allen Entsetzens die Realität nicht aus den Augen verloren. Es war Thranduils Befehl gewesen, der Forlos dazu gebracht hatte, die Waldelben seiner Garde hinunter an den Bruinen zu schicken. Der König traute der Aufmerksamkeit der Bruchtaler im Moment wenig. Und er befürchtete wie Forlos, dass Vilya sich vom Segen zum Fluch entwickeln konnte, wenn Elrond noch schwächer würde. Der Ring war stark und es war Elronds ständige Kontrolle, die ihn zu dem Geschenk machte, das er für die Bewohner des Tales immer gewesen war.
„In einem Königreich ist es eindeutig leichter", lächelte Haldir mit leichtem Spott. „Da ist der Thronfolger, der dann in die Bresche springt und keiner denkt sich etwas dabei. Hier wagt es jedoch niemand auszusprechen, dass Elladan nun Elronds Position einnehmen muss, wenn es nicht bald eine Änderung gibt."
„Das will hier keiner hören, Haldir."
„Das will nie jemand hören, Forlos."
„Und außerdem fragt uns sowieso niemand."
Beide grinsten sich in einem Anflug von absoluter Zustimmung an. Es war eigentlich gar nicht schwierig, mit dem Galadhrim auszukommen, fand Forlos. Haldir war angenehm schweigsam, genau wie Forlos selbst. Außerdem besaß er eine geradezu meditative Ruhe im Umgang mit Rhunars Heilern, Ausreißerinnen und Sprösslingen der edelsten, elbischen Blutlinien ganz Mittelerdes. Forlos hatte erst durch die Hölle Mordors gehen müssen, um eine derartige Abgeklärtheit zu erreichen. Haldir war bestimmt noch nie dort gewesen. Es fragte sich, woher er dann seine Gelassenheit nahm.
„Ich habe Brüder", war der Galadhrim mitten in diese Überlegungen hinein zu vernehmen. „Man sah Euch die Richtung Eurer Überlegungen ausnahmsweise einmal an, mein Freund."
„Brüder?" Abwesend beobachtete Forlos, wie sich weiter unten im Tal Ionnin immer näher an das Haupthaus heranpirschte. Hoffentlich erwischte der Bergsalamander sofort beim ersten Versuch Legolas' Unterkunft, sonst würde Thranduil wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen. Mit seiner Nervenstärke stand es im Moment nicht zum Besten. „Sofort mehrere?"
„Ja, gleich zwei, beide jünger und von einem unheilvollen Temperament beseelt, dass sie nur selten verbergen können." Haldirs Miene verdüsterte sich einen Moment. „Manchmal glaube ich, unsere Eltern sind nur deswegen gen Westen gesegelt, weil sie es mit diesen zwei Katastrophen nicht länger ausgehalten haben. Mein Bruder Rumil hat sich schon zwanzig Mal verlobt, davon mindestens zehn Mal, ohne dass seine Auserwählte es wusste. Und Orophin übt eine geradezu magische Anziehungskraft auf Orks aus."
„Ach wirklich?" Ein ähnliches Schicksal also, befand Forlos, auch wenn es bei ihm keine Brüder waren, die das Unheil auf sich lenkten. „Orks?"
„Orks! Am liebsten Uruk'hai. So ruhig kann es an den Grenzen nicht sein, dass nicht eine Horde von ihnen auftaucht, wenn Orophin dort Dienst hat." Haldir runzelte die Stirn. „Selbst Lady Galadriel wundert sich schon darüber."
„Und das soll was heißen", gluckste Forlos. „Wahrscheinlich würde ihm hier dieser Borzo dauernd an den Fersen kleben."
„Mit Sicherheit. Ein Ork in Bruchtal, Lord Elrond ist offenbar für jede Überraschung gut."
Es war keine gute Wendung, die das Gespräch damit nahm. Beide dachten sofort wieder an diesen bemerkenswerten Elb, der zu den Edelsten ihres Volkes gehörte, auch wenn in seinen Adern einst ein Teil sterbliches Blut geflossen war. Wenn er diese Krankheit nicht überwinden konnte, verlor diese Welt eine Seele, die ganz Außergewöhnliches zustande gebracht hatte.
Stiller nun verbrachten sie den restlichen Stunden der Nacht oben auf dem Turm, die Augen stets wachsam auf die empfindlichste Stelle des Tals gerichtet, die Furt. Es war kein angenehmer Morgen, der langsam aufzog. Weit hinten an den Ausläufern des Nebelgebirges zog sich eine dunkle Wand zusammen, die ein Gewitter, mehr noch ein wirkliches Unwetter ankündigte. In heißen Sommern wie diesem kam das natürlich vor, dennoch konnte sich Forlos kaum gegen die Überlegung wehren, dass es wohl auch mit Elronds mangelnder Führung Vilyas zusammen hing.
Und noch mehr Unheil naht, dachte Forlos unwillkürlich, als er an der Furt den einzelnen Reiter wahrnahm, der nach kurzem Gespräch mit den Grenzwachen und den Tawarwaith, die dort betont unauffällig herumstanden, passieren durfte.
„Ein schönes, aber erschöpftes Pferd mit elbischem Sattel und ein Reiter, der Estel verblüffend ähnlich ist im Zustand seiner Kleidung", murmelte Haldir. „Was sagt uns das, Forlos?"
„Wir sollten den Turm verlassen", knurrte der so Angesprochene nur noch und stürmte dann ins Treppenhaus.
Sie erreichten das große Eingangstor, lange bevor der Reiter endlich eintraf. Gut war das nicht, denn Forlos überlegte in der Zwischenzeit, mit was für einer schlechten Nachricht er nun wohl beehrt werden würde. Eine gute würde es jedenfalls nicht sein, so sehr liebten ihn die Valar nun auch wieder nicht.
Haldir hatte sich nicht getäuscht. Der Reiter, der schließlich auf den Hof kam, war eindeutig einer der Waldläufer, die hier im Norden eine recht geheimnisvolle Größe im Gleichgewicht von Licht und Schatten darstellten. Obwohl er kaum weniger ermüdet zu sein schien als sein Pferd, sprang er hastig aus dem Sattel und rannte dann förmlich die große Eingangtreppe hinauf.
Etwas irritiert grüßte er die beiden Hauptmänner, die ihn mit ausdruckslosen Mienen erwarteten. Offenbar kannte er sich gut genug unter den Elbenvölkern aus, um sofort zu erkennen, dass er es hier nicht mit Angehörigen der Garde Bruchtals zu tun hatte.
„Mein Name ist Halbarad. Lord Elrond weiß, dass ich komme, aber er erwartet mich erst in zwei Tagen", stieß er hervor.
Forlos und Haldir tauschten einen langen Blick. Halbarad schien genauso unsortiert in seinen Gedankengängen zu sein, wie es bei Estel gelegentlich der Fall war. Sie sahen sich sogar ähnlich. Beide hatten die gleiche hochgewachsene, aber kräftige Statur, die Farbe ihrer Augen stimmte überein und leider auch die Dreckschicht auf ihrer Kleidung.
„Und warum seid Ihr dann jetzt schon eingetroffen?" erkundigte sich Haldir und hob fragend eine Augenbraue.
„Das werde ich Lord Elrond mitteilen", schnappte der Waldläufer ungeduldig.
„Das wird nicht gehen." Forlos fragte sich, wie man diesem Mann möglichst schonend mitteilen konnte, dass der Herr von Bruchtal um sein Leben kämpfte und somit wirklich andere Probleme als die des Waldläufers zu lösen hatte.
„Lord Elrond ringt mit dem Tod", verkündete Haldir.
Diese Methode hatte natürlich auch ihre Vorteile, fand Forlos.
Halbarad starrte sie beide ungläubig an. „Er ist ein Elb."
Ein halber, lag es Forlos in einem Anflug hysterischen Frohsinns auf der Zunge, aber das verkniff er sich dann doch. „Umso schlimmer. Was ist also Euer Problem, Halbarad?"
Der Waldläufer schien jeden Moment zusammen zu brechen. „Lord Erestor ringt ebenfalls mit dem Tod."
Ich hätte auf dem Turm bleiben sollen, grübelte Forlos, während er den Mann am Arm packte und ins Haus zog. Dann könnte ich mich jetzt in die Tiefe stürzen.
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Genau so sollte ein eher informeller Staatsbesuch eben nicht ablaufen!
Niemals!
Und unter gar keinen Umständen!
Er hätte zuhause bleiben sollen. Der Palast war sicher, vertraut und durch ein paar wirksame, aber doch eher harmlose Zauber gegen unbefugtes Betreten geschützt. Das reichte. Wer brauchte schon einen mit gewaltigen Kräften ausgestatteten Ring, der sofort Ärger machte, wenn der Träger etwas angeschlagen war? Er, Thranduil, jedenfalls nicht. Ihm genügten vollauf sein goldener Siegelring und der Mithrilring mit dem rechteckigen Smaragd.
Meistens jedenfalls…
Thranduil konzentrierte sich auf den Waldläufer, der vor ihm stand. „Habt Ihr eine Erklärung dafür, wie Lord Erestor in diesem Zustand in eine derartige Spelunke geraten konnte?"
„Sein Pferd hat ihn wohl dorthin gebracht", erklärte Halbarad mit ersterbender Stimme. Ihm musste selber klar sein, wie eigentümlich das klang.
„Oh, sein Pferd", lächelte Thranduil wölfisch. „Dann wird das Tier ja wohl seine Gründe gehabt haben."
„Mit Sicherheit", schaltete sich Glorfindel ein. „Mornen kennt den Weg nach Bruchtal im Schlaf. Wenn es ihm sicherer erschien, Erestor zum ‚Krummen Hund' zu bringen, dann stimmt das auch."
„Und es bringt uns kein Stück weiter", sagte Legolas ruhig. „Wir müssen Lord Erestor dort wegholen."
„Er ist sehr schwer verletzt", widersprach Halbarad. „Wenn es möglich gewesen wäre, ihn hierher zu transportieren, hätte ich das bereits getan."
Thranduil ließ sich in den nächstgelegenen Sessel fallen und starrte düster in den kalten Kamin. Das war immer noch der angenehmere Anblick, als die Versammlung in seinem Gemach. Denn genau dort hatten Forlos und Haldir den Waldläufer in aller Eile gebracht. Kurz danach waren dann der eiligst alarmierte Glorfindel mit Legolas und Estel im Schlepptau eingetroffen. Elronds leibliche Söhne hatte man mit dieser Komplikation nicht auch noch behelligen wollen. Es reichte dennoch.
„Er braucht einen Heiler", beharrte Halbarad.
„Wer braucht einen Heiler?"
Wie auf Kommando sahen alle zur Tür des Schlafgemachs, in dem sich nun eine etwas zerzauste, recht verschlafene und zu allem Überfluss auch noch nur mit einer knielangen Tunika bekleidete Ithildrim an den Rahmen lehnte. Thranduil fand eigentlich nicht, dass ein Anblick wie dieser anderen Personen zustand außer ihm alleine. Er runzelte etwas die Stirn.
„Erestor ist verwundet", platzte Estel heraus und fing sich böse Blicke von Thranduil und Legolas gleichermaßen ein. „Er ist in einem Gasthaus zwei Tagesritte von hier."
„Nicht gut", gähnte Varya ausgiebig. „Gebt mir fünf Minuten."
„Wofür?" erkundigte sich Thranduil mit zusammengebissenen Zähnen.
„Um mich anzuziehen und ein paar Sachen zusammenzupacken. Dann können wir los."
Bevor irgendjemand etwas erwidern konnte, war sie auch schon wieder verschwunden. Thranduil tauschte einen Blick mit Glorfindel. In dem Vanya stritten die unterschiedlichsten Gefühle. Er und Erestor waren Freunde, genauso befreundet war er jedoch auch mit Elrond, der sich wohl in einer noch schlechteren Verfassung befand als Erestor. Dann war da noch Bruchtal, das zurzeit jeden Schutz brauchen konnte, den es gab.
„Wir könnten die Bruchtal-Krieger einfach hier lassen. Eure Garde dürfte genug sein", erklärte Forlos in die Stille hinein. „Was immer Erestor davon abgehalten hat, den Weg nach hause zu suchen, es wird Respekt vor einer ganzen Abteilung Krieger haben."
Thranduil hatte eine ungefähre Ahnung, wer dem Noldo aufgelauert hatte. Vielleicht traf Forlos' Einschätzung aber zu. Die Elben, die bislang von diesen Schlächtern überfallen worden waren, hatten keine Bewachung bei sich gehabt. Offenbar bevorzugten diese Mordgesellen doch eher ein leichteres Ziel.
„Je mehr, je besser", befand Glorfindel und wandte sich zur Tür. „Alle, die hier sind, finden sich so schnell wie möglich im Hof ein. Estel, sorg vorher dafür, dass Halbarad hier eine Unterkunft zugewiesen wird."
Der Waldläufer, der nur unwesentlich älter als Estel sein mochte, schüttelte den Kopf. „Verzeiht, Lord Glorfindel. Aber ich muss ebenfalls zurück. Ich habe meine Frau dort zurückgelassen, weil sie den Ritt in ihrem Zustand nicht verkraftet hätte. Ihr werdet verstehen, dass ich nun so schnell wie möglich wieder zu ihr will."
„Welcher Zustand?" wollte Thranduil misstrauisch wissen.
„Sie ist hochschwanger."
„Natürlich", murmelte der Waldelbenkönig. Und bei ihrer aller Glück würde sie das Kind zur Welt bringen, wenn gerade die Hilfsmannschaft für Erestor eingetroffen war. Oder besser noch – auf dem Rückweg nach Imladris. Hier war schließlich mit allem zu rechnen. „In Erus Namen, dann kommt Ihr eben auch wieder mit. Forlos, die Garde soll sich bereithalten. Wir müssen davon ausgehen, dass es Ärger gibt. Hauptmann Haldir, ich kann Euch nichts befehlen, aber es wäre sehr beruhigend, wenn Ihr uns ebenfalls begleitet."
Statt einer Antwort neigte der Galadhrim nur kurz den Kopf und zog dann mit Forlos ab. Dichtauf folgten ihnen Legolas und Estel mit Halbarad. Nur Glorfindel blieb zurück. Schweigend beobachtete er, wie Thranduil seine Waffen zusammen sammelte und mit geübten, schnellen Bewegungen anlegte.
„Also bitte!" knurrte der Waldelb schließlich. „Wenn du etwas zu sagen hast, tu es. Wir haben nicht gerade viel Zeit."
Glorfindel seufzte vernehmlich. „Du musst das nicht machen."
„Ich weiß." Thranduil zählte die Pfeile im Köcher. Sie waren vollständig. Forlos hatte dafür gesorgt.
„Weder schuldest du Erestor, noch Imladris einen derartigen Dienst."
„Gewiss nicht Erestor, über Imladris könnte man diskutieren."
„Und besonders musst du nicht sie in Gefahr bringen."
Thranduil lächelte. „Das muss ich sowieso nicht. Varya schafft das ganz gut ohne meine Unterstützung."
„Ich schaffe alles." Des Königs Heilerin eilte wieder in den Wohnraum. Angenehm vertraut in ihrer grau-schwarzen Reitkleidung und mit der seltsamen Ledertasche quer über die Schultern gehängt, in deren unergründlichen Tiefen sich ganze Apothekeneinrichtungen zu befinden schienen. „Was genau soll ich denn schaffen?"
„Dich in Schwierigkeiten zu bringen, obwohl es nicht von dir verlangt wird."
„Dann würde ich es ja auch nicht tun", grinste sie und schob den Vanya energisch aus dem Zimmer. „Das hier ist doch für einen Freund. Nicht wahr, Thranduil?"
„Genau", bestätigte er. Damit waren seine eigenen, stillen Fragen beantwortet. Alles hier geschah für einen Freund, denn anders mochte er Glorfindel nicht zu bezeichnen.
Seine Heilerin schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Auf ganz Arda war sie wohl die einzige, die immer nur das Beste von ihm dachte. „Also dann, Glorfindel. Diese Robe ist wirklich ganz prächtig, aber auf Asfaloth siehst du damit etwas lächerlich aus."
Thranduil wartete noch, bis Glorfindel außer Sichtweite war, dann fing er sie am Handgelenk ein, als sie gerade das Gemach Richtung Eingangshalle verlassen wollte. „Und jetzt, meine Liebe, bevor wir uns alle in Gefahr begeben und wahrscheinlich darin umkommen werden, erklär mir doch noch kurz diese ‚Ich bin die Heilerin des Königs'-Geschichte."
„Aber wir wollen gerade…" Beunruhigt wedelte sie mit der freien Hand den Gang hinunter.
„Wir liegen gut in der Zeit, Lirimaer." Scheinbar um die sehr schönen, aber eindeutig mit zu wenig Bäumen geschmückten Fresken an der Decke zu studieren, legte er den Kopf in den Nacken. „Ewigkeiten, in denen Erestor natürlich verbluten wird, aber das liegt an dir."
„Das nennt man Erpressung!"
„Wohl wahr, ein Zeitvertreib der königlichen Familie. Schon mein Vater Oropher beherrschte das."
„Dir ist klar, dass ich rachsüchtig bin?" Sie fummelte ergebnislos an seinem Griff um ihr Handgelenk herum. Diese besondere Methode, die ihn einmal fast gelähmt hätte, würde sie sich nicht wagen. Nach ihrem bösen Gesichtsausdruck zu urteilen, wusste sie auch genau, dass er das wusste. „Da gibt es nicht viel zu erzählen."
„Sehr schön, dann steigen ja Erestors Überlebenschancen." Thranduil riss seinen Blick von den Fresken los und betrachtete sie aufmunternd. „Sprich zu mir, Heilerin des Königs, denn ich bin der König."
Jetzt versuchte sie, ihn hinter sich herzuziehen. Auch ein netter Versuch, dem er sehr langsam nachgab. Möglicherweise ließ sich die Sache ja auch im Gehen klären.
„Allerdings bin ich nicht nur der König", dozierte er weiter. „Nein, ich bin sogar noch dein Liebhaber, dein Beschützer, gelegentlich dein Blitzableiter…hab ich etwas vergessen?"
„Nein!" fauchte sie und zerrte ihn weiter hinter sich her. Bruchtals Gänge waren zum Glück fast vollständig verlassen. „Genau da liegt ja das Problem."
„Und welches ist das?"
„Ich dachte, es könnte deinem Ruf schaden."
Thranduil blieb so abrupt stehen, dass Varya fast nach hinten gerissen wurde und sein Griff jetzt eher zum Hilfsmittel wurde, damit sie nicht auf dem harten Steinboden landete. Einen Augenblick starrte er sie völlig verblüfft an, dann lachte er schallend. „Meinem Ruf schaden? Mädchen, du hast offenbar nicht die geringste Ahnung, was für einen Ruf ich habe. Außerdem ist mir das ziemlich egal, höflich formuliert."
„Das ist nicht lustig, Thranduil."
„Natürlich nicht." Er seufzte. Manchmal merkte man schon, dass sie wirklich noch recht jung war. „Varya, ich wurde im ersten Zeitalter geboren, ich habe den Fall Doriaths erlebt, die Suche nach einer neuen Heimat, den Tod meines Vaters auf dem Schlachtfeld und noch einige andere nicht wirklich erfreuliche Geschehnisse. Wenn mir auch nicht vieles in diesen langen Jahrtausenden klar geworden ist, aber dann doch wenigstens, dass es völlig gleich ist, was andere von mir halten, solange ich mir selber nichts vorzuwerfen habe."
„Hm", machte sie nur.
„Du bist wirklich neben Legolas eines der Dinge, die ich mir niemals vorzuwerfen hätte." Er schüttelte leicht ihren Arm. „Ist das in deinem Kopf angekommen?"
„Ja."
„In deinem Herz auch?"
„Der Weg ist weiter", murmelte sie kaum hörbar. „Ich gebe dir später eine Antwort darauf."
Das musste genügen. Vielleicht hätte er gar nicht davon anfangen sollen. Es war nicht gerade der passende Zeitpunkt, aber wer konnte schon ahnen, dass sie sich mit solch eigentümlichen Überlegungen herumschlug. Außerdem stand die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es noch die eine oder andere Gefahr auf dem Weg zu Erestor lauerte. Thranduil lebte zwar nicht in der ständigen Furcht, hinter der nächsten Wegbiegung sein Leben auszuhauchen, eher im Gegenteil, doch manche Dinge durften nicht ungesagt bleiben.
Alles hätte denn auch reibungslos geklappt, wenn nicht kurz vor dem allgemeinen Aufbruch noch ein Zwischenfall passiert wäre, der Thranduil an den Rand eines Elbenmordes gebracht hätte. Gerade als er wie ein Feldherr auf dem obersten Treppenabsatz den Aufmarsch seiner realistisch betrachtet eher winzigen Armee überwachte, fiel ihm regelrecht ein Elb an den Hals. Thranduil hatte grundsätzlich keine Einwände dagegen, solange es sich dabei um Varya handelte, aber dies hier war eindeutig nicht die Heilerin des Königs, sondern der Sekretär des Seneschalls, der sich an sein Lederhemd klammerte und Thranduil mit bebenden Lippen anflehte, ihn mitzunehmen.
„Mit Sicherheit nicht, äh…"
„Figwit", soufflierte Glorfindel, der mit langen Schritten und schwer bewaffnet aus dem Haus kam.
„Also, Figwit." Thranduil löste die verkrampften Gelehrten-Hände von seiner Tunika und schob den zierlichen Elb energisch von sich.
„Ich bin sein Gehilfe", stammelte der junge Noldo am Rande eines Tränenausbruchs.
„Aber nicht der meiner Heilerin."
„Aber er braucht mich!"
„Nicht so sehr wie meine Heilerin." Und bald braucht Erestor einen neuen Gehilfen, weil ich dir den Hals umdrehe, ergänzte Thranduil im Stillen. „Ihr würdet uns nur aufhalten."
„Aber ich kann gut reiten."
„Ja, sicher." Eru, war Figwit hartnäckig. Thranduil warf Glorfindel einen scharfen Blick zu. Entweder der Vanya schaffte ihm das Bürschchen vom Hals oder es würde ein Unglück geben.
Rettung nahte überraschend aus Lorien. Wie hergezaubert stand der imposante Hauptmann Galadriels auf einmal hinter Figwit, der vor ihm noch viel kläglicher wirkte und legte eine Hand auf dessen Schulter.
„Ihr vergesst Eure Pflichten", raunte Haldir mit großem Ernst und einem Unterton in der Stimme, der an eine Messerklinge erinnerte, die über ein anderes Stück Stahl scharrte. „Pflichtvergessenheit ist sicher nichts, dass Lord Erestor bei seiner Rückkehr erfreuen wird."
„Meine Pflichten…" Figwit schluckte etwas und bewegte sich unbehaglich unter Haldirs Hand. Es gefiel ihm offenbar gar nicht, dass dieser bedrohliche Krieger ihm so nah gerückt war. Andererseits würde das nur bei wenigen Frohsinn hervorrufen. „Im Moment-„
„Im Moment seid Ihr derjenige, der die Verwaltung aufrechterhalten muss", sagte Haldir noch immer leise. „Lord Elrond liegt krank in seinem Gemach, Lord Erestor wartet auf uns und Ihr habt nichts Besseres zu tun, als uns aufzuhalten?"
Figwits Entschlossenheit zerbröselte wie ein Keks unter Haldirs Stiefelsohle. Thranduil musste eingestehen, dass Celeborn da einen wirklich vortrefflichen Hauptmann sein eigen nannte. Schon erstaunlich, dass es solche Exemplare unter den Galadhrim gab. Dafür hatte er andererseits Forlos, sie waren also im Gleichstand.
Thranduils Aufbruchbefehl ging im ohrenbetäubenden Donnern eines Sommergewitters unter, das sich beinahe unbemerkt über Bruchtal zusammengeballt hatte. Als sie die Bruinen Furt erreichten, goss es wie aus Kübeln und jeder hoffte, dass dies kein böses Omen für ihr Unternehmen war.
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tbc
A/N: Alle eine Menge Geschenke bekommen? Ja? Schön!
Donnfindel über Dobbfindel, den treuen Sekretär: Hm, nicht Elrond? Zu spät! Da musst du jetzt durch und er leider auch, der arme Kerl. Liegt da so hilflos rum und alle anderen sind wie die Hühner, die aufgescheuchten.
Kaya Unazuki: Hallo, das freut mich. Ich geb mir Mühe, immer regelmäßig zu posten. Ich geb mir Mühe, wirklich. Und diesmal hat es nicht geklappt (seufz) Das kommt davon, wenn alle Heiler zu beschäftigt sind, sich mal um die arme angeschlagene Autorin zu kümmern. (in Selbstmitleid versink)
lord elo: jaja, was wir kaputt machen, machen wir auch wieder ganz…meistens jedenfalls. Elo, ich habe nicht die geringste Ahnung, wer du bist. Irgendwelche Tipps? Atropos komme ich im Moment nur zum lesen und leider nicht zum reviewen. Da werde ich noch einiges nachzuholen haben. Aber du musst wohl jemand mit schwachen Nerven sein, sonst wärest du ruhiger, wenn ich Elrond mal etwas die Ohrspitzen krümme. Du kennst mich doch – seit wann kille ich richtig wichtige Elben?
Dir auch schöne Feiertage! (smile)
Feanen: Ich mag das Silmarillion. In Arenor hab ich viel drin geschmökert und mach es jetzt gerade wieder für den zweiten Teil. Man muss nur über die Schöpfungsgeschichte mit den ganzen Namen drüber kommen, dann ist es sehr spannend und interessant.
Serena: Ah, das mit dem Stress kenn ich. Nur die Ruhe. Ich freu mich, wenn die Story vielleicht ein klitzekleines Bisschen Stress abbauen kann. Mir gefällt Thranduil auch (grins) und immer mehr auch Legolas, der hat was von seinem Vater an sich. Dir auch schöne Weihnachten. Lass dich von deiner Sippe beschenken, und zwar reichlich!
Shelley: Naja, er hat halt Körperbeherrschung. War eine Weile angeschlagen, hats aber niemandem gesagt. So ist der Elb (tststs). Halbarad war übrigens der Waldläufer, der eigentlich zusammen mit den Zwillingen später dieses von Arwen persönlich bestickte Küchentuch zu Aragorn eskortiert hat.
Seniwallenstein: zita schnappt sich eine Rolle Pergament, zieht Pantoffeln an und schlurft mitten in der Nacht in Thranduils Weinkeller. Thranduil runzelt zwar die Stirn, stellt aber einen Krug Eiswein auf den Tisch und sieht ihr interessiert über die Schulter:
Zita: ich muss ausführlich antworten. Seni mag dich übrigens.
Thranduil: Ich mag Seni auch. Da fühl ich mich als Elbenkönig.
Zita: Du BIST ein Elbenkönig.
Thranduil: ich bin sogar der einzige Elbenkönig, meine Gute.
Zita: Angeber! Was machst du überhaupt um diese Uhrzeit hier?
Thranduil: Weinprobe. Varya ist wieder am experimentieren. Da ist es hier sicherer.
Zita: Aha. Oh, auf die drei/vier Musketiere bin ich noch nicht gekommen. Das ist ein guter Vergleich, der gefällt mir aber sehr.
Thranduil schmunzelt: Aramis? Wer könnte das bloß sein? Naja, ich frage mich, wer dann Portos ist.
Zita: Bestimmt nicht Erestor. Den mag sie auch. Weil er so geheimnisvoll ist.
Thranduil: Der Noldo ist manchmal eine echte Pestbeule. Macht einen auf harmloser Seneschall, dabei könnte ich dir Sachen erzählen...
Zita: Ja?
Thranduil: Nein, lieber nicht. Du machst eine Story draus und dann stiehlt er mir die Show.
Zita: Komm schon…
Thranduil: NEIN!
Zita: Schon gut, brauchst nicht gleich königlich zu werden. Irgendwelche pikanten Geheimnisse von Elrond?
Thranduil: Außer, dass der Halbelb ein sturer Hund ist, der meint, Heiler brauchen keine Heiler? Ich mach mir Sorgen um den Kerl, erstaunlich. Du und Seni habt einen schlechten Einfluss auf mich, ich werde weich.
Zita: Nur menschlich.
Thranduil: Umso schlimmer. Und jetzt entschuldige mich, ich muss mir noch mal die HEILERIN DES KÖNIGS vorknöpfen.
Ithiliell: Die große Frage, wer kümmert sich um Leiloss? (grins) Wen hätten wir denn da? Glorfindel scheidet wohl aus, Estel auch, Thranduil und Legolas denke ich auch. Hm, bleiben kaum noch welche…
Die Rhûnar-Heiler würde ich nicht so außen vor lassen. Die haben Talent, auch wenn sie es unter Foltermethoden verstecken. Und Gilnin ist auch noch da. Elrond blutet schließlich nicht.
Ah, Varyas Skrupel. Mir erschien es logisch, dass sie etwas verunsichert ist. In Düsterwald ist sie ja auch nicht von den Hofschranzen mit offenen Armen aufgenommen worden und da hatte sie immerhin den König selbst als Unterstützung.
Iary: ja, sie liebt ihn sehr. So, wie Elben nun mal sind. Einmal in ihrem Leben und dann nie wieder. Was für ein Glück, dass Thranduils erste Frau nicht so ganz die richtige war. Dachte ich mir jedenfalls (Schild mit Aufschrift ‚AU im Anmarsch') hochhalt.
Drück Elrond die Daumen, Hilfe ist unterwegs, für Erestor übrigens auch.
Loriel: Nun ja, Borzo ist ja nicht wirklich gut, nur verzweifelt, um es mal so auszudrücken. Zuhause will ihn keiner haben und Schuld daran sind die Elben, weil sie ihn haben leben lassen. Also ist es für ihn und sein kleines Orkgehirn nur logisch, dass sie dann auch für ihn sorgen, auch wenn er sie nicht leiden mag. Nein, Borzo ist kein guter Ork, nur ein sehr pragmatischer, um es mal so auszudrücken.
Äh, die Dame ist in echt Halbarads Frau. Nicht gerade eine standesgemäße Verbindung, aber nun mal passiert.
Was die Zwillinge angeht, denke ich mir so, dass sie ja gerade erst in Imladris wieder angekommen sind und auch abgelenkt sind. Außerdem sind Galen und Varya eben begabte Heiler, die eine Antenne für solch Missklänge in den Lebensströmen haben. Außerdem dürfte Elrond auch ein besonderes Talent haben, sich möglichst nicht viel anmerken zu lassen.
Sarah0683: varyas Skrupel hab ich ja schon versucht, zu erklären. Aber lange halten die sowieso nicht an. Thranduil bringt so was immer schnell in Ordnung, gelle?
Ich würfel noch, wer es übernimmt, mit Leiloss mal die Sache mit den Bienen und den Blumen genauer zu untersuchen. Ist ja noch ein bisschen Zeit, die Burschen haben im Moment ganz andere Probleme und Leiloss bald auch, glaub mir (grinsfies). Zu den Problemen gehört eindeutig Marsden, obwohl ich ja immer meine, dass auch der finsterste Bösewicht verletzliche Seiten hat.
Soviel Fragen…Antworten kommen aber. Auch, wer verantwortlich ist für Elronds Zustand, wer ihm geholfen hat und wer der kleine Drecksack war, der Erestor erkannt hat. Andererseits musste der Elb ja doch irgendwie damit rechnen, dass ihm mal irgendjemand wieder über den Weg läuft.
Ich bin nicht gerade die Heldin, wenn es ums Zeichnen geht, aber Sorben stell ich mir als eine Art Mischung aus Rumpelstilzchen und dem Typen vor, der neben dem Mops am Kiosk sitzt in Men in Black. Echt schauerlich, aber ein Herz aus Gold. Tykvar lebt in einer harten Welt und muss auch seine Frau und sein Heim schützen, da ist wahrscheinlich alles möglich, sonst hätte Sorben kaum gezweifelt.
Halbarad ist als Dundan den Elben gegenüber sehr loyal und wird einen hohen Preis dafür zahlen, soviel sei schon mal verraten (seufz).
Atropos: 100! Ich bin hin und weg. Du bist Review Nummer 100 (virtuellen Blumenstrauss überreich). Und dann weht ein Hauch von schlechtem Gewissen in mir auf, weil ich mich zum stillen Leser bei dir zurückentwickelt habe. Verhau mich nicht. Ich hol es nach. (Stressfahne schwenk). Erestor gefällt dir? Mir auch, und er ist kein höheres Wesen, Ehrenwort! Ich zieh jetzt auch keine angenervten Drachen aus dem Hut, noch mal Ehrenwort!
Alidaja: Bei Elrond dürfen wir uns bestimmt alle tummeln. Der hat bestimmt ein Herz für seltsame Gestalten, die noch seltsamere Dinge in der Nacht veranstalten. Tröste deine Eltern einfach damit, dass du zwar mitten in der Nacht so was Verrücktes liest, aber irgendwo jemand sitzt, der mitten in der Nacht so was SCHREIBT!
Mönsch, du überschüttest mich ja geradezu mit Lob. Ich bin so richtig rot angelaufen. Danke ssssöhn. (räusper). Ich poste jetzt wieder regelmäßig. Silvester war echt nicht meine Woche, sorry. Ist mir noch nie passiert, dass ich einen Freitag hab ausfallen lassen müssen. (solange mal einen Erestor rüberschieb) Dieser Elb ist echt unheimlich, so langsam aber sicher.
Arelithil: Erstmal Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag. Ich lieg doch richtig, dass es dein eigener war, oder? Ist aber nicht so dolle, so kurz nach Weihnachten. Irgendwie so wenig profitabel (seufz)
Eine Allergie wäre ja noch ganz nett gewesen, aber soviel Glück hat der alte Halbelb nicht. Mal sehen, was die Rhûnar-Heiler da so auf die Reihe bringen. Wie du siehst, hab ich Varya Richtung ‚Krummer Hund' geschickt. Galen kümmert sich um den guten Elrond. Diesmal ganz ohne fiese Salben und Tränke. Der Junge kann auch anders.
Hm, was die Gattin des werten Halbarad angeht, so ist sie einfach nur seine Frau. Ich wollt nicht noch eine tragende Figur reinschreiben, bevor ich einen Kompass brauche, um mich durch all die Charaktere zu finden, die ich im Überschwang erfunden und reingeschrieben habe. Da sind ja auch noch Leiloss und Hinner und Borzo und Figwit, die auch ihren Anteil an Seiten haben wollen.
