DisclaimerWie bereits erwähnt, liegen sämtliche Urheberrechte bei Tolkien oder seinen Erben. Mir gehören ein paar Charas, die jedoch nicht sehr lukrativ sind, sondern eher meinen Schlaf behindern. Naja, nix für ungut, ich hab es mir jedenfalls nur geliehen.
A/N: Danke an Amélie, meinen Fehlerfindel, die mich diesmal davor bewahrt hat, aus Gildor versehentlich ein durstiges Pferd zu machen.
16. Kapitel: Nicht immer gewinnt man
Natürlich hatten diese Strauchdiebe sofort durch lautes Rufen ihre Kumpane auf der Vorderseite des Gasthauses alarmiert und eine unbemerkte Flucht unmöglich gemacht. Es war nur eine geringfügige Genugtuung für Thranduil, dass keiner von ihnen den Ausfall seiner Leibgarde nennenswert lang überlebt hatte. Andererseits änderte es wenig daran, dass sie sich jetzt mitten auf einer wenn nicht kopflosen, dann aber zumindest recht überstürzten Flucht durch einen ihm unbekannten Wald befanden.
„Es ist nicht mehr weit", verkündete Forlos, der die Führung übernommen hatte.
Thranduil hoffte nur, dass dieser Marsden nicht noch auf die Idee gekommen war, den weiteren Umkreis des ‚Krummen Hundes' absuchen zu lassen und womöglich auf die Pferde gestoßen war, die sie schon vor Stunden dorthin hatten bringen lassen, weil sie irgenwie nicht wirklich daran geglaubt hatten, den ‚Krummen Hund' lange verteidigen zu können.
Sie waren langsam. Sehr langsam. Das lag an den Sterblichen, die sie unmöglich ihrem Schicksal überlassen konnten. Ein Elb hatte dieses Unglück verursacht, es war also auch an den Elben, sie nun vor dem Schlimmsten zu retten. Thranduil hatte nicht vor, Schulden zu hinterlassen, auch wenn sie gar nicht von ihm gemacht worden waren.
Ihre Verfolger waren bereits deutlich zu hören. Im Wald mochten sie auf den Pferden und mit ihrer begrenzten Sehkraft in der Dunkelheit nicht wirklich schnell vorankommen, doch es würde knapp werden. Zwar hatte der Regen aufgehört, doch der Boden war noch aufgeweicht. Weicher, nachgiebiger Waldboden, durch die tagelangen Regenfälle in eine knöchelhohe Masse gelöst, in der die Füße der Sterblichen und der Pferde tief einsanken. Außerdem war es nach wie vor sehr windig. Kein Vergleich mit dem Sturm zuvor, doch es reichte, dass sich sogar die Elben immer wieder leicht seitlich drehen mussten und die Köpfe gesenkt hielten, um nicht etwas in die Augen zu bekommen.
„Warum stellen wir uns ihnen nicht einfach?" erkundigte sich Glorfindel heiter.
„Bestimmt nicht!" kam es sofort etwas schrill von Varya, deren Finger sich scheinbar untrennbar mit Thranduils linker Hand verflochten hatten. Die Ithildrim hasste solche Unternehmungen, bei denen jede Menge Waffen im Spiel waren und auch Thranduil selbst bereute es aus tiefster Seele, dass er sie überhaupt mitgenommen hatte.
„Weil jetzt nicht der Zeitpunkt ist", erklärte stattdessen Erestor. „Auch wenn ich liebend gern Marsdens schwarze Seele an einen noch schwärzeren Ort befördern würde."
Thranduil schätzte, dass noch gut hundert große Schritte zwischen ihnen und ihren Verfolgern lagen, als sie endlich die Lichtung erreichten. Es würde nicht genug sein, das war ihm schon bei ihrer Ankunft klar. Ein Elb brauchte keinen Atemzug, um auf einen Pferderücken zu kommen. Sterbliche hingegen konnten daraus eine langwierige Angelegenheit machen. Halbarad musste zuerst seine leblose Gemahlin an Forlos geben, dann aufsteigen und sie wieder in Empfang nehmen. Dieser Tykvar kletterte so umständlich wie nur möglich auf eine weiße Stute, deren Fohlen verdächtige Ähnlichkeit mit einem Pferd elbischer Zucht hatte und versuchte dann auch noch, seine stattliche Gefährtin zu sich hochzuhieven, ohne dass sie dabei das Neugeborene aus den Armen verlor, das die ganze Aufregung erstaunlicherweise mit tiefem Schlaf begleitete.
„Eru hasst mich", grollte Thranduil, schüttelte Varya energisch ab und war mit zwei langen Schritten bei diesem Pärchen, um Hanne ohne viel Federlesen um die Taille zu fassen und auf das Pferd zu heben.
„Ich schaff das nicht alleine", jammerte jetzt auch noch die Schankmaid. „Und ich habe Angst vor Pferden."
Haldir, offenbar der Elb für Notfälle aller Art, trieb sein eigenes Pferd neben sie, packte sie am Arm und zerrte sie hinter sich. „Mund halten, Linde, sonst lassen wir dich hier."
„Besser wäre es."
Etwas verblüfft starrte Thranduil kurz auf Sorben, von dem diese gedämpfte Äußerung kam. Als der den Blick des Elbenkönigs bemerkte, zuckte er nur mit den Achseln und grinste etwas.
Kaum Zähne, aber umso mehr Humor. Thranduil konzentrierte sich wieder auf den Weg, den sie gerade gekommen waren. Die Räuber waren so nah…
„Wo ist Mornen?" wollte Erestor wissen.
„In Imladris", antwortete Glorfindel. „Du kannst mit mir reiten. Wir sind davon ausgegangen, dass du alleine sowieso nicht auf die Beine kommst."
„Ich fass es nicht", schimpfte Erestor kopfschüttelnd.
„Dann nehmt eben mein Pferd!" fauchte Varya erbost. „Aber in Erus Namen steigt endlich auf. Ich will hier weg! Sofort!"
Trotz der wirbelnden Blätter erkannte Thranduil die Bewegungen der näher kommenden Reiter auf dem schmalen Weg, der genau auf diese Lichtung führte. Schnell ließ er den Blick über die Flüchtenden gleiten, die bis auf wenige Ausnahmen bereits aufgesessen waren. Gerade deutete Erestor eine kleine, spöttische Verbeugung vor Varya an und schwang sich dann auf den Rücken ihrer imposanten und sehr eleganten Fuchsstute, die Thranduil extra aus Rohan nach Düsterwald hatte bringen lassen. Dann reichte er Varya auffordernd die Hand, damit sie ebenfalls bei ihm aufstieg. Bevor Thranduil etwas sagen konnte, hatte Varya schon den Kopf geschüttelt und war wieder näher an ihren König gerückt.
Thranduil drehte sich gerade herum, um sich nun endlich ebenfalls auf sein Pferd zu setzen, als er aus den Augenwinkeln das silberne Schimmern bemerkte. Zwischen den losgerissenen Blättern, dem Dreck und den Schatten erfasste Mondlicht etwas, das zu zielgerichtet war, um harmlos zu sein. Er unterbrach seine Bewegung abrupt.
„Hoheit!"
Er registrierte Forlos' Warnung, die dennoch zu spät gekommen wäre, sah den verblüfften Ausdruck auf Varyas Gesicht, als er sie zur Seite stieß und machte die einzige Bewegung, die noch Aussicht hatte, ihm einen überraschenden Tod hier auf dieser Lichtung zu ersparen. Thranduil ließ sich nach hinten fallen, bog seinen Körper durch, während er den linken Arm ebenfalls zurückstreckte, bis seine Hand sich in den weichen Waldboden drückte und den Fall stoppte, bevor er wirklich auf dem Rücken landen konnte. Es war ein Reflex, geboren aus langen Jahrtausenden der Kampferfahrung. Schnell genug war er, um nicht von der Klinge durchbohrt zu werden, aber nicht schnell genug, um der Berührung völlig zu entgehen. Die glänzende, gerade Klinge eines Wurfmessers schlitzte sich durch seine Kleidung und auch durch die Haut, bevor sie beinahe ungebremst ihren Weg fortsetzte und mit einem deutlichen Geräusch in einen Baum einschlug.
Als Thranduil sich wieder aufrichtete, befand sich ein Pulk seiner Leibwache zwischen ihm und dem Rand der Lichtung. Forlos bellte Befehle und ein Schwarm Pfeile rauschte den Weg herunter, um die ersten der Verfolger zu töten. Es gab Geschrei, auf dem Weg wie auf der Lichtung. Glorfindel und Erestor umringten Thranduil mit ihren Pferden, um ihn und Varya zusätzlich zu schützen und im Hintergrund trieb Haldir sehr unfreundlich alle, die ohnehin schon längst weg sein sollten, in den Wald hinein.
„Elbereth", hauchte Varya kreideweiß und streckte die Hände nach ihm aus, um sie gleich hier auf die lange Schnittwunde zu legen, die sich quer über seine Brust zog.
„Später!" knurrte Thranduil nur. Seine Verärgerung war unglaublich. Nicht nur, dass seine gute Reitkleidung ruiniert war, die Pfeile seiner Leibgarde waren auch die letzten in ihren Köchern gewesen und eigentlich dazu gedacht, auf unvorhergesehene Zusammenstöße während ihrer Flucht zu reagieren.
„Treibt sie zurück!" übertönte Forlos die Schreierei. „Schützt den König!"
Am Rand der Lichtung stießen die beiden Seiten zusammen. Alle waren zu Pferd, die Räuber zum Glück im Nachteil, weil sie nur zu zweit oder dritt über den engen Weg nach vorne drängen konnten. Es würde jedoch nicht lange dauern, bis die Angreifer sich endlich einen Weg durch das dichte Unterholz gebahnt hätten. Thranduil machte sich nur wenige Illusionen. Es waren immer noch zu viele. Nicht umsonst hatten sich er, Glorfindel und Erestor zur Flucht statt zu einem Angriff entschlossen.
Thranduil schwang sich ohne weiteres Zögern auf sein Pferd, das das ganze Geschehen mit stoischer Gelassenheit neben ihm abgewartet hatte. Dann packte er Varya und zog sie hinter sich in den Sattel. Bei jeder Bewegung brannte der lange Schnitt auf seiner Brust, als hätte dort jemand flüssiges Feuer verstrichen, aber er ignorierte es. Die Wunde war unangenehm, aber nicht ernst. Es würde noch genug Zeit sein, sich darum zu kümmern, wenn sie erst näher an Imladris waren. Außerdem würde er Varya sowieso nicht davon abhalten können.
Mit einem kurzen Handzeichen zu Forlos, ihm möglichst bald zu folgen, trieb er sein Pferd von der Lichtung auf den noch schmaleren Pfad, der sie hoffentlich bald zur Oststraße brachte.
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Wie von allen Regeln der Natur befreit, segelte der Felsbrocken auf ihn zu. Galen warf sich zu Boden und hielt schützend die Hände über den Kopf. Der schwere Brocken schlug hinter ihm in der Höhlenwand ein und ein Regen von kleinen Steinen und Splittern ging auf ihn nieder. Enttäuscht heulte der Troll auf und packte schon den nächsten Brocken.
Zwei Trolle, zwei Dolche, ein Kampfstab, drei Elben und zwei zerbrochene Laternen…Galen schätzte ihre Lage nicht sehr optimistisch ein. Dabei war sein Kampfstab noch die beste Waffe von allen. Die mit der größten Reichweite. Man hätte ihn mit offenen Klingen gegen einen der Trolle schleudern können. Fragte sich dann nur, wie man ihn wieder zurückbekam, denn ohne einen Glückstreffer, der zum sofortigen Tod des Trolls führte, konnte er sich nicht vorstellen, dass Saurons derartig punktiertes Geschöpf den Kampfstab freiwillig wieder rausrückte.
Galen wartete lieber nicht ab, bis der nächste Felsbrocken möglicherweise besser gezielt auf ihm landete. Er sprang auf die Beine und rannte so schnell es ging in die Richtung der einzigen, wirklichen Lichtquelle. Es war besagte unversehrte Laterne, die Elladan trotz der wilden Hetzjagd in der Höhle noch hatte retten können. Jetzt pendelte sie hin und her, während der Elb, der sie trug, sich mit einer Hand an der Höhlenwand hochhangelte, um einen Sims zu erreichen, den er kurz davor ausgemacht hatte.
Elrohir trabte an einer anderen Stelle ganz in der Nähe durch den Felsendom, um Troll Nummer 2 endlich dazu zu bewegen, seinen Platz vor dem Torweg zu räumen. Erstaunlicherweise blieb der Troll vor dem eigentlich breiten Durchgang wie festgenagelt stehen und beschränkte sich darauf, den Elben mit einer geradezu lächerlich hohen Stimme zu beschimpfen und eine unangenehm große Keule wild herumzuschwenken.
„Das ist Iff", erklärte Elladan mit nervraubender Gelassenheit, als Galen bei ihm anlangte.
„Wie interessant!" schnaubte Galen. Er steckte den Kampfstab durch seinen breiten, schwarzen Ledergürtel und bemühte sich, möglichst schnell hinter Elladan herzuklettern.
„Ich frage mich, wie sie hier reingekommen sind." Elladan zog sich auf den Felssims, der weit genug oben war, um erst einmal der dringendsten Gefahr zu entgehen und blieb breitbeinig an der Kante stehen, um großzügig mit der Laterne den Weg für Galen zu beleuchten.
„Sie sind drin - das reicht mir im Moment", schrie Galen wütend. Er konnte bereits hören, wie der nächste Felsbrocken auf ihn zusauste. Einen Moment später schlug er nicht weit neben ihm in der Wand ein. Es zitterte so deutlich, dass der Ithildrim beinahe den Halt verloren hätte.
„Der Werfer ist Dom", schwatzte Elladan weiter. „Dann fehlt nur noch Raff. Das ist ein echter Riesen-Troll."
„Machst du das extra?" Galen tastete mit den Füßen umher, um etwas besseren Halt für den nächsten Kletterzug zu finden. Er kletterte nicht gerne. Jedenfalls nicht unter diesen Umständen und in Felsen. Bäume gefielen ihm besser.
„Was denn?" Das Laternenlicht bewegte sich auf dem Sims langsam fort.
„Mir Angst machen!"
„Es sind nur zwei."
„Wie wunderbar! Da sind wir ja glatt in der Überzahl."
Ein triumphierender Laut kam von Elladan. „Elrohir, komm rüber!" rief er dann quer durch die Höhle. „Hier gibt es einen Weg heraus."
Und wie gut, dass Trolle gewöhnlich kein Elbisch verstehen. Galen zog eine Grimasse und nahm das letzte Stück Felswand vor dem Sims. Hier oben war es wirklich sicherer, erkannte er mit wachsender Erleichterung. Dom schleuderte zwar immer noch Steine, aber sie prallten alle etwas unterhalb von Galens Standort gegen die Felswand, ohne weiteren Schaden anzurichten. So blieb ihm zumindest eine Verschnaufpause, in der er versuchte, gleichzeitig Elrohirs Weg zu ihnen zu beobachten und andererseits diesen Ausweg zu begutachten, den Elladan beschrieben hatte.
Ersteres war nicht wirklich einfach, denn mit nur einer Lampe war die Höhle wirklich sehr duster. Das war sie zwar auch mit drei Lampen gewesen, jedenfalls duster genug, ihre Ausmaße bei weitem nicht abschätzen zu können, aber zurzeit ging auch der elbischen Nachtsicht so langsam die Puste aus. Allerdings waren die Geräusche der beiden Trolle eine recht gute Orientierungshilfe. Iff zum Beispiel quiekte wie ein monströses Ferkel, weil sein kleines Gehirn anscheinend unter dem Zwiespalt, ob er den Elb denn nun verfolgen sollte oder nicht, so langsam Krämpfe zeigte.
Dom hingegen war im Moment zwar nicht sichtbar, aber doch hörbar. Er machte Geräusche, die Galen so gar nicht gefielen, nämlich die eines Trolls, der neue Steine einsammelte und außerdem näher an die Felswand rückte. Näher konnte gleichzeitig bedeuten, dass er auch höher werfen würde.
„Elladan", begann Galen langsam. „Lange können wir hier wohl nicht bleiben."
„Sag das meinem Bruder", sagte der so Angesprochene und spähte wieder in den Gang hinein.
Das braucht ihm niemand zu sagen. Galen behielt seine Gedanken wieder für sich. Lieber beobachtete er besorgt, wie sich Elrohir durch die große Höhle bewegte. Wann immer er im sichtbaren Bereich auftauchte, war zu erkennen, dass er zwar rannte, aber sich gleichzeitig bemühte, Dom nicht auch noch auf sich aufmerksam zu machen.
„Der Langhaarige türmt!" schrillte Iff, dessen Gehirn endlich eine klare Anweisung Richtung Rest seines Körpers geschickt hatte.
Elrohirs Fluch war zwar nicht so schrill, aber mindestens genauso laut. Schneller als vorher stürmte er voran und erreichte kurz vor Dom die Felswand. Während Elladans Zwilling reichlich gehetzt mit dem Aufstieg begann, rollte Dom noch ein paar Felsbrocken heran und begann seinerseits mit dem Zielwerfen. Die Brocken schlugen rechts von Elrohir ein, sie schlugen links ein und ein paar auch auf den ersten Meter über ihm. Ihn selbst trafen sie nicht. Noch nicht…
Galen runzelte die Stirn. Er fragte sich, ob Trolle womöglich unter Kurzsichtigkeit leiden konnten wie viele der Menschen, denen er begegnet war. „Normal ist das nicht. Der Troll trifft ja gar nichts."
„Und das ist auch gut so", schnaubte Elladan, der sich wieder zu Galen gesellt hatte und seinem Bruder den Aufstieg mit dem Laternenlicht erleichtern wollte.
„Ich würde Elrohir nicht noch so beleuchten", erlaubte sich Galen einen dezenten Hinweis. „Ich mein ja nur…"
Der nächste Brocken schlug verdächtig nah neben Elrohir ein, der sofort danach den Kopf in den Nacken legte und einen wütenden Blick nach oben schickte. „Elladan, du Schwachkopf! Nimm die Laterne etwas weg! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?"
„Kann man es dir denn nie recht machen?" empörte sich Elladan, nahm aber folgsam die Laterne zurück.
Zu spät. Dom hatte sich inzwischen eingeschossen, während sein Kumpel Iff die Steine ranschleppte. Der nächste war zwar nicht so groß, aber er traf recht vehement Elrohir mitten ins Kreuz. Der Elb gab einen Schmerzensschrei von sich und verlor für einen Moment mit einer Hand den Halt in der Wand.
„Halt das!" Damit drückte Elladan Galen die Laterne in die Hand und kletterte ohne ein weiteres Wort die Felswand herunter, bis er bei seinem Bruder angelangt war, der immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht nur an einer Hand gute zehn Meter über dem Boden baumelte. Auch ein Elb konnte sich Knochen brechen, wenn er aus dieser Höhe unkontrolliert auf den Boden fiel. Außerdem warteten am Boden schließlich zwei Trolle auf ihr Abendessen.
Galen runzelte leicht die Stirn. Jetzt konnte Dom auf gleich zwei Elben Zielwerfen üben. Er beschloss, die Bedingungen etwas zu verschärfen. Trolle mochten zwar in Licht und Dunkelheit gleichermaßen gut sehen, aber auch ihre Augen mussten sich immer erst auf die jeweiligen Verhältnisse einstellen. Mit einem kurzen Gedanken daran, dass er sich wirklich zum Narren machte und dies mal wieder ausschließlich Elladans Schuld war, sprang Galen also auf dem Sims hektisch hin und her. Rannte von einem Ende zum anderen und schwenkte ruckhaft die Laterne dabei. Die Höhle sah aus, als würde sie von einem Gewitter erleuchtet. Und von dieser Merkwürdigkeit verwirrt, stellte Dom einen Augenblick lang den Beschuss der Elben ein.
Mit Elladans Hilfe konnte Elrohir die kurze Verschnaufpause nutzten und kletterte etwas mühsam die letzten Meter hinauf, bis er sich mit einem Schmerzenslaut auf den Sims zog. Sein Bruder riss ihn unsanft auf die Beine, winkte Galen herrisch zu und verschwand dann in der Öffnung, die seiner Vermutung nach den Weg nach draußen kennzeichnete. Galen wackelte noch einmal hämisch Richtung Trolle mit der Lampe und lief dann rasch hinter den beiden her.
Es waren nur wenige Meter, bis er Elronds Söhne wieder fand. Elrohir lehnte mit der Schulter an der nur grob behauenen Tunnelwand, die Hände in die Nierengegend gestützt und atmete noch immer etwas flach. Langsam und offenkundig nicht gewollt ging er in die Knie. „Ich dachte, er bricht mir das Kreuz."
„Dann könntest du nicht mehr laufen", meinte Galen abwesend und bedeutete ihm, sich umzudrehen. Der staubige Abdruck, wo der melonengroße Stein ein Stück unterhalb des rechten Schulterblatts aufgeprallt war, war deutlich zu erkennen. „Du hattest wohl Glück. Noch ein oder zwei Fingerbreit weiter zur Mitte und er hätte dir die Wirbelsäule zerschmettert."
Am Tunneleingang polterte es vernehmlich und die drei Elben zuckten zusammen. Elladan machte eine beschwichtigende Geste. „Ich sehe nach. Bleibt solange hier. Dom wird nur einen Glückstreffer gelandet haben."
Galen hörte kaum hin. Sein Blick ruhte auf der Stelle auf Elrohirs Rücken, die den Zusammenprall mit dem Stein nicht unbeschadet überstanden haben konnte. Er sparte sich das Vergnügen, aus seiner Gürteltasche irgendeine hier völlig nutzlose Salbe herauszukramen, um Elrohir ein bisschen zu quälen. In jeder anderen Situation hätte es ihm ja Spaß gemacht, aber nicht hier. Er streckte die rechte Hand aus, um sie auf Elrohirs Rücken zu legen und erschrak, als er das leichte Zittern seiner Finger bemerkte.
„Galen?"
Elrohirs drängende Stimme veranlasste Galen, sich zu sammeln. Seine Freunde brauchten ihn, sie verließen sich auf ihn. Er war kein großer Kämpfer, aber er war ein guter Heiler. Wenigstens damit sollten sie immer rechnen dürfen. Verbissen beendete er die Bewegung und konzentrierte sich. Die wahre Natur eines Lebewesens war in ihrer Schönheit mit nichts zu vergleichen, was Galen bisher begegnet war. Leben wohnte eine Perfektion in Form und Farben inne, die ihn immer wieder faszinierte. Es war beinahe zu einfach, in diesem Bild der Vollendung Krankheiten oder Verletzungen aufzuspüren. Sie störten die Harmonie, die Galen so liebte.
Elrohirs Verletzung war schlimmer, als der Zwilling sich wohl vorstellen konnte. Natürlich waren da ein paar Prellungen, die sich bereits entwickelten, aber die hätte Galen einfach ignoriert. Ihn beunruhigte vielmehr, dass ein kaum wahrnehmbarer Haarriss sich mit einem fast brennenden Leuchten dort bemerkbar machte, wo Elrohirs Wirbelsäule war. Weit oben befand er sich und war durch seine scheinbare Harmlosigkeit voller Tücke. Wenn Elrohir sich jetzt hätte schonen können, wäre die Verletzung mit der Schnelle und Verlässlichkeit geheilt, die elbische Körper so auszeichnete…
Galens Geist registrierte irgendwo in seiner Umgebung harter Wirklichkeit, fernab von den Farben des Lebens, ein lautes Rumpeln.
„Das darf nicht wahr sein!" war von Elladan zu vernehmen.
Keine Schonung für Elrohir also. Galen schöpfte die Quelle seiner Heilkraft jetzt bis zur Neige aus. Er hatte viel davon verbraucht, als er um Elrond gekämpft hatte. Diese Kräfte waren nicht unendlich, auch sie brauchten Zeit, um sich wieder aufzubauen. Eigentlich hatte er gedacht, diese Zeit nun zu haben, aber wie es schien, hatte er sich bitter getäuscht. Dennoch suchte er regelrecht zusammen, was noch in ihm war und schickte aus seinen ungetrübten Lebensströmen diese seltsame Kraft, die ihn erfüllte, hinüber zu Elrohir. Es war ungewohnt mühsam und dauerte beinahe ewig, bis sich das gefährliche Leuchten entlang des Risses erst abschwächte, um schließlich fast ganz zu verschwinden.
„Es ist genug!" Herrisch drang die Stimme bis zu ihm vor.
Im nächsten Moment verlor er den Kontakt zu Elrohir. Galen hatte das Gefühl, Eissplitter einzuatmen, als er in die Wirklichkeit zurückkehrte. „Was…?"
„Das sollte ich dich fragen!" Elladan kniete vor ihm und hielt ihn an den Schultern fest. Sorge und Ärger vermischten sich gleichermaßen im Ausdruck seiner Augen. „Es nutzt niemandem, wenn du dich umbringst. Warum hast du uns nicht gesagt, dass du am Ende deiner Kräfte bist?"
„Er hat Recht", bestätigte Elrohir, der vorsichtig seinen Arm bewegte. „Wir wissen, was du für unseren Vater getan hast, Galen, du musst nichts beweisen. So schlimm war meine Verletzung nicht."
„Es war ein Riss in einem deiner Rückenwirbel", flüsterte Galen und ließ sich von Elladan auf die Beine helfen.
„Ich konnte mich noch bewegen", meinte Elrohir zweifelnd.
„Ein sehr feiner Riss." Galen hustete, um dieses kalte Gefühl in seiner Lunge loszuwerden. „Kein wirklicher Bruch."
„Also kein Grund für dich, dein Leben zu riskieren." Trotz der ärgerlichen Worte, lächelte Elrohir dankbar und umarmte den Rhûna kurz. „Du bist ein zu guter Freund, um mir deinen Tod auf mein Gewissen zu laden."
„Genau", nickte Elladan. „Sei also zukünftig etwas rücksichtsvoller."
„Wie bitte?"
Elladan nahm die Laterne wieder hoch, die er abgestellt haben musste, als er Galen kurzerhand von Elrohir weggerissen hatte. „Und außerdem sollten wir verschwinden. Wie du wahrscheinlich überhaupt nicht bemerkt hast, haben unsere hirnlosen Troll-Freunde sich darauf verlegt, den Tunneleingang mit Felsen zu beschießen. Er wird bald zusammenbrechen."
Wie auf einen direkten Befehl hin, rumpelte es hinter ihnen erneut, gefolgt von einem lauter werdenden Krachen, als die Felswand über dem Tunneleingang die ständige Misshandlung durch Wurfgeschosse mit einer Steinlawine beantwortete.
„Ich bin ein Visionär", grinste Elladan und marschierte los. „Wenigstens können sie uns jetzt nicht länger folgen. Dieser Iff versucht nämlich schon, die Felswand hochzuklettern."
Galen nahm stumm, aber erleichtert zur Kenntnis, dass Elrohir ihn auf den ersten Metern stützte. Seine Beine waren wirklich noch etwas wacklig und er war froh, dass der Boden des Tunnels nicht besonders uneben war. Allerdings fragte er sich mit jedem Schritt, was sie wohl machen würden, wenn der Tunnel nicht hinausführte.
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Legolas erinnerte sich an Tage, an denen morgens ein feiner Teppich aus Frühdunst das tiefere Tal vor den Blicken der Bewohner des Gastlichen Hauses weiter oben verborgen hatte. Ein strahlendblauer Himmel wölbte sich gewöhnlich um diese Jahreszeit über dem Bergeinschnitt und verhieß dann einen wunderschönen Sommertag. Es waren leider nur die Bilder aus seiner Erinnerung, die ein Lächeln auf seine eigentlich so angespannten Züge zauberten, während er mit schnellen, leichten Schritten die offenen Terrassengänge entlang eilte.
Viele Hände hatten sich bereits bemüht, die Spuren des Unwetters zu tilgen, sehr erfolgreich waren sie bislang jedoch noch nicht gewesen. Zuviel frisches, vor der Zeit von den Bäumen gerissenes Blattwerk lag noch sterbend zwischen den Blumentöpfen, von denen nur die mächtigsten nicht umgestürzt waren. Bruchtals Gärtner würden noch viel Arbeit haben in den kommenden Tagen.
Aber diese Überlegung war es wohl nicht, die die Mienen der beiden Elben verdunkelte, die ein Stück vor ihm an der Terrassenbrüstung standen und ohne jeden Blick für ihre Umgebung in eine Unterhaltung vertieft waren.
„Und dennoch lässt es mir keine Ruhe", hörte er beim Näherkommen den Blonden der beiden sagen. „Wenn kein Grund zur Sorge besteht, spricht auch nichts dagegen, dass ich ihnen entgegenreite."
„Gildor, Ihr seid…" Elrond brach ab, als er Legolas erblickte. „Ihr scheint ebenso unruhig wie Lord Gildor, Prinz Legolas."
Jetzt drehte sich der andere um und Legolas erkannte den Elbenfürsten, mit dem er bislang trotz seiner doch nicht wenigen Besuche in Imladris nur wenig zu tun gehabt hatte. Gildor war ein Wanderer zwischen Imladris und den Grauen Anfurten. Eher zufällig hatte sich ergeben, dass er fast immer unterwegs war, wenn Legolas Elronds Gast gewesen war.
Jetzt neigte Gildor kurz den Kopf und so etwas wie Hoffnung funkelte in seinen klaren, blauen Augen auf. „Vielleicht gelingt es Euch ja, Lord Elrond zu überzeugen, dass wir wenigstens einen Tagesritt die Oststraße gen Westen reiten sollten."
„Erestor entgegen?" Legolas' Miene blieb ruhig, auch wenn genau diese Bitte ihn hergetrieben hatte.
„So überrascht?" erkundigte sich Elrond mit einem feinen Lächeln und Legolas fühlte sich ertappt. „Wenn selbst Euch allerdings der Gedanke noch nicht gekommen ist, könnt Ihr mir vielleicht dabei helfen, Gildor auch davon zu überzeugen, dass wir noch abwarten sollten."
„Es könnte vielleicht nicht schaden", murmelte Legolas verlegen. Er wollte Elrond nicht noch zusätzliche Sorgen bereiten. Auch wenn der Herr von Imladris fast schon wieder einen gewohnten Anblick voller Stärke und Ruhe bot, wie er hier auf der Terrasse stand, so waren ebenso wie in Imladris selbst die Spuren des Erlebten immer noch unübersehbar. Linien, die sonst nur als Ahnungen zu erkennen waren, hatten sich jetzt tief in seine Züge gegraben. Es hatte auch sicher seine Gründe, warum er sich mit einer Hand an der Terrassenbrüstung abstützte.
„Nein, schaden könnte es nicht", wiederholte Elrond sinnend und sein Blick wanderte über das Tal hinaus nach Westen. „Mir fehlt die Kraft, um auch nur zu erahnen, was sich dort draußen abspielt. Ich weiß, dass Erestor noch lebt, aber mehr auch nicht."
„Dann lasst mich gehen", drängte Gildor mit sanftem Nachdruck.
„Uns", korrigierte Legolas und quittierte Gildors fragenden Blick mit einem Hochziehen der Augenbrauen.
„Uns", bestätigte der Elbenfürst langsam. „Wenn es keine Schwierigkeiten gibt, ist es für uns nur ein Ritt, der das tägliche Einerlei unterbricht."
„Und wenn es Schwierigkeiten geben sollte?" wollte Elrond ernst wissen. „Dort draußen ist es nicht friedlich, Gildor. Das habt Ihr von uns allen am schmerzlichsten erfahren."
„Dann sollten zwanzig Berittene der Bruchtaler Garde diesmal ausreichen, dem Frieden Nachdruck zu verleihen", sagte Gildor grimmig.
Legolas sagte gar nichts mehr, sondern beschränkte sich darauf, Elrond zu beobachten. Es war schwierig, überhaupt irgendetwas aus dessen Miene zu lesen. Elrond besaß wie kein anderer Elb, den er kannte, die Fähigkeit, sich völlig zu kontrollieren. Zumindest, wenn er es darauf anlegte. Natürlich hatte er ihn auch schon anders erlebt, wütend, fürchterlich wütend zum Beispiel. Allerdings waren dann zumeist eher familiäre Einflüsse im Spiel, um es höflich zu formulieren. Aber diesmal waren Elladan und Elrohir nicht da - Eru allein wusste, was sie gerade wieder im Schilde führten - und so störte nichts Elronds Fassung.
„Ihr nutzt meine Schwäche aus", hielt Elrond ihnen schließlich mit einem milden Lächeln vor.
„Ihr seid niemals schwach", widersprach Gildor schmunzelnd, bevor er sich Legolas zuwandte und ihm verstohlen zublinzelte. „Wenn es Euch recht ist, treffen wir uns in einer halben Stunde bei den Stallungen. Ich werde für alles sorgen, Hoheit. Würdet Ihr mir vielleicht einen Gefallen erweisen?"
„Einen Gefallen?" echote Legolas.
„Lasst Euren farbenprächtigen Begleiter bitte hier."
Legolas kam nicht dazu, ihm eine Antwort zu geben, so schnell machte sich Gildor davon. Etwas verstimmt runzelte er die Stirn. Ionnin war ein absolut harmloser Geselle und treu bis in den Tod. Außerdem hatte er ja wohl noch niemandem geschadet.
„Gildor hat ein kleines Problem mit Geschöpfen dieser Art", erklärte Elrond ungefragt, ein Lachen in der Stimme. „Behaltet es für Euch, aber er machte eine ähnliche Erfahrung wie Leiloss, als er noch ein Kind war. Genau zur Laichzeit ist er in den Wäldern seiner Heimat in einen völlig überfüllten Teich mit Unken gefallen. Es war einfach zuviel des Guten."
„Ionnin ist aber keine Unke!" Was für ein abwegiger Vergleich, befand der Elbenprinz stirnrunzelnd.
„Ich denke, Gildor ist für Feinheiten bei diesem Thema nicht sehr empfänglich."
Legolas schnaufte kurz, beschloss dann aber, es dabei zu belassen. Mit einer kurzen Verabschiedung machte er sich wieder davon, um seine Sachen zu packen. Sie würden zwar nur zwei oder drei Tage unterwegs sein, aber es gab einiges zu bedenken. Zum Beispiel, welche Waffen er mitnehmen sollte. Alle, war seine Entscheidung und so stürmte er kurz darauf mit einem vollen Köcher auf dem Rücken, seinem Bogen, den Langmessern und noch einem Dolch am Gürtel hinunter zu den Stallungen.
Irgendwie beschlich ihn angesichts der bereits abmarschbereiten Abteilung vollgerüsteter und eindeutig kampflustiger Bruchtalgardisten das Gefühl, dass Gildor fest mit einer Zusage Elronds gerechnet hatte. Auch Gildor, der ihn bereits ungeduldig erwartete, hatte die Robe gegen eine blau-silberne Rüstung getauscht, die er vielleicht eine ganze Weile nicht getragen hatte, aber die noch genug Spuren ihrer früheren Verwendungen zeigte. Gildor war nicht immer ein friedlicher Wanderer gewesen und dank Marsdens Eingreifen nahm er seine alten Gewohnheiten wohl wieder auf. Auch die Krieger konnten sich gerade noch bändigen, solange sie in Sichtweite des Gastlichen Hauses waren. Kaum war die Bruinenfurt durchquert, legten Gildor und die anderen ein Tempo vor, das Legolas zu denken gab.
„Ihr habt nicht wirklich vor, nur einen Tagesritt weit nach Westen zu gehen", stellte er fest, als sie am späten Mittag eine kurze Rast an einer kleinen Quelle in der Nähe der Straße machten.
Gildor setzte die Wasserflasche ab, die er zuvor mit frischem Quellwasser befüllt hatte und wischte sich langsam mit dem Handrücken über den Mund. Er schien sich seine Antwort genau zu überlegen. „Wünscht Ihr das denn?"
„Hm", machte Legolas ebenso gedehnt und verbiss sich dabei ein Grinsen. „Nein, ich glaube nicht."
„Dachte ich mir", sagte der Elbenfürst und deutete mit einer Kopfbewegung auf seine Krieger, die ihre Pferde bereits wieder aus dem Schatten der Bäume heraus Richtung Straße führten. „Wisst Ihr, was sie antreibt?"
„Vergeltung?"
„Das auch, aber eigentlich ist es Scham." Gildor setzte sich langsam in Bewegung. Legolas' Blick wollte er sich wohl nicht unbedingt aussetzen. „Es sind Eure Krieger, die gerade Erestors Leben schützen, weil wir wie gelähmt durch Lord Elronds Erkrankung waren. Das ist nicht einfach zu verwinden."
„Gekränkter Stolz ist nicht gerade ein guter Kampfgefährte."
„Es ist nicht zu ändern."
Stumm folgte ihm Legolas. Die Ehre eines Kriegers…er verstand Gildor und die anderen. Selber in diesem Geist erzogen, wusste er aber auch zu genau, wie empfindlich und unvorsichtig sie einen Elben machen konnte, der sich in ihr gekränkt fühlte. In seiner Heimat wurde dieser Ehre immer ein Schuss Pragmatismus zugegeben. Kriegerehre brachte nicht wirklich viel, wenn man allein einer Horde Spinnen gegenüberstand. Da war es dann eindeutig besser und vor allen Dingen gesünder, die Beine in die Hand zu nehmen und zu türmen, bevor man in allen Ehren zum Mittagessen wurde. Er bezweifelte allerdings, dass die Bruchtalgardisten zurzeit diese Einsicht aufbringen würden.
Spät am Abend, als sie endlich wieder Rast machten, hatten sie bereits eine weit größere Strecke zurückgelegt, als ein gewöhnlicher Tagesritt in einem moderaten Tempo gebracht hätte. Trotzdem fügten sich die Gardisten eher widerwillig Gildors Anweisung, wenigstens einige Stunden zu ruhen, bevor man am frühen Morgen den Weg fortsetzen würde. Das Ziel war bekannt. Von Halbarad wussten sie, dass Erestor sich im ‚Krummen Hund' aufhielt.
„Eine Spelunke", erklärte Gildor dem Waldelbenprinzen in der nur vordergründig entspannten Ruhe des Nachtlagers direkt an der Straße. „Wir machen gewöhnlich einen großen Bogen um sie und auch die übrigen Reisenden, die hier lang kommen, würden kaum dort einkehren. Die meisten wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass dieser Ort existiert. Aller möglicher Abschaum trifft sich dort. Lord Erestor muss es sehr schlecht gegangen sein, dass er dort Zuflucht suchte."
Legolas öffnete den Mund, um zu widersprechen, schloss ihn dann aber lieber wieder. Erestor würde ohnehin nicht begeistert sein, dass halb Imladris seinen Geheimgang gesehen hatte. Wenn er erfuhr, dass Legolas auch noch öffentlich verkündete, dass Elronds Seneschall eher so ungewöhnliche Nebenbeschäftigungen pflegte, wie still und heimlich durchs Umland auf der Suche nach Feinden und sonstigem Gesindel zu schleichen, würde er eindeutig verärgert sein. Mit Sicherheit war das bei ihm ein Zustand, den man nicht wirklich unmittelbar miterleben wollte. Und Thranduil wäre auch nicht gerade beglückt, dass sein einziger Sprössling seinen Mund nicht halten konnte.
„Wie ertragt Ihr es?" wechselte er deswegen das Thema.
Gildor hob fragend die Brauen.
„Das Meer zu sehen, ohne wirklich von hier fortgehen zu wollen."
„Ihr könntet es wohl nicht." Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Gildor stützte sich nach hinten auf die Arme und legte den Kopf in den Nacken, um den noch immer bedeckten Himmel zu betrachten. „Es ist noch nicht meine Zeit, so einfach ist das. Ich liebe das Meer, nichts ist mit seinem Anblick zu vergleichen, aber es zieht mich nicht hinaus. Einige Jahre wird es wohl noch dauern."
„Und solange führt Ihr diejenigen, die hier nichts mehr hält, zu den Grauen Anfurten", sagte Legolas beeindruckt.
Gildor richtete seine Augen auf ihn, ein leichtes Funkeln war darin zu erkennen. „Außerdem braut Círdan ein fantastisches Bier."
„Bier?"
„Seid nicht so enttäuscht", grinste der Elbenfürst kopfschüttelnd. „ Círdan braut Bier, seit ich denken kann. Er ist Handwerker. Dieser Elb bevorzugt die handfesteren Freuden des Lebens, so alt er auch ist. Es passiert selbst heute noch, dass er in einem Moment aus voller Kehle lachen kann und im nächsten einem der Schiffsbauer einen Hammer hinterher wirft, weil er schlechte Arbeit abgeliefert hat."
„Vielleicht sollte ich Euch doch einmal zu den Grauen Anfurten begleiten."
„Nein, Legolas, das lasst bleiben. Ihr würdet sie nur auf dem Seeweg verlassen und Thranduil würde mir das wohl übel nehmen."
Legolas überlegte einen Moment und grinste ebenfalls. „Einen Hammer würde er Euch jedenfalls nicht hinterher werfen."
„Eher ein Dutzend Pfeile und werfen würde er sie leider auch nicht. Man verärgert keinen Waldelben, der einen Bogen griffbereit hat."
„Mein Vater ist nicht so unbeherrscht, wie alle immer annehmen."
„Ich habe nicht behauptet, er würde dabei seine Selbstbeherrschung verlieren." Gildor lächelte wieder. „König Thranduil würde mir wohl eher kaltlächelnd und sehr überlegt den Pfeil zwischen die Augen schießen, wenn ich ihm seinen einzigen Sohn nehme. Ihr wisst genau, dass Euer Vater niemals freiwillig nach Valinor aufbrechen wird. Solltet Ihr also dort sein, wäre es eine sehr lange Trennung, die ihn sicherlich nicht fröhlich stimmt."
„Ihr kennt ihn?"
„Nicht wirklich. Aber er hat einen besonderen Ruf – und das ist jetzt nicht als Beleidigung gedacht."
Das hatte Legolas zwar auch nicht angenommen, dennoch fand die Unterhaltung ein recht abruptes Ende, als einer der Gardisten sich aus dem Dunkel löste. Eine der Wachen, die den Schlaf der anderen schützen sollten. Seine Anwesenheit jetzt hier war ein alarmierendes Zeichen.
„Herr", raunte er und verneigte sich kurz vor Gildor, der sofort aufgesprungen war. „Reiter nähern sich. Sie sind schnell unterwegs, zwei Gruppen."
„Zwei?"
„Fliehende und Verfolger." Der Krieger hob entschuldigend die Schultern. „Sie sind noch zu weit entfernt und das Licht nicht gut genug. Ich kann nicht sagen, wer von diesen beiden unsere Hilfe braucht und wer unsere Schwerter spüren sollte."
„Wir werden es herausfinden." Gildor schnalzte leicht mit der Zunge. „Die Nachtruhe ist beendet. Alle machen sich kampfbereit."
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Sarah0683: Möglich, dass sie es wissen, sie vergessen nur gerne ihre Beteiligung –grins-. Elrond ist wohl ein Sonderfall, was die Elbenkenntnis angeht. So leicht macht ihm sicher niemand was vor. Nein, ich hatte eigentlich nicht beabsichtigt, ihn in Galens Achtung sinken zu lassen. Das dürfte wohl auch kaum möglich sein. Er und Varya beten diesen Peredhil wohl fast schon an. Und Elrond hält wohl auch viel von ihnen. Da dürfte auch mal zu verzeihen sein, dass ihr Anhang auf einem Salamander singend in sein Schlafgemach reitet.
Warum er nicht auf Legolas hört? Weil ihm nicht danach war? Der Salamander ist eben Gentleman, der wird die Kleine doch nicht enttäuschen. Wo sie doch soviel Spaß hat, nachdem sie auch soviel mitgemacht hat.
Ich wollte schon Schweizer Käse schreiben, hab mich aber gerade noch zurückgehalten. Hätte ich mal bei der Pistole auch machen sollen. Tja und dann saß ich da und grübelte vor mich hin, wie man denn einen Schweizer Käse auf Mittelerde trimmt. Da fallen einem irgendwie die Hobbits ein und so weiter und so weiter…
Forlos und Haldir haben gut versteckten Humor, den können sie auch brauchen. Die Lage war ja nicht gerade sehr nett. Da sucht sich jeder einen Zeitvertreib. Glorfindel zum Beispiel baggert ein wenig seine Lieblings-Elbin an, sozusagen die Tochter, die er nie hatte (seines Wissens nach) und nutzt gleichzeitig die Gelegenheit, Thranduil ein wenig auf die Palme oder den Mallorn zu treiben. Wird schon sehen, was er davon hat.
Shelley: Zumindest hab ich geschrieben, von wem die Fladen sind. Die stell ich mir echt groß vor. Geflohen sind sie wohl, weil das Dingen brannte und diesmal waren es ausnahmsweise nicht die Waldi, die ja sonst auch recht gerne Feuer legen. Hm, noch nicht geschrieben habe ich, wer Elrond um die Ecke bringen wollte. Aber ich weiß es wenigstens, das beruhigt mich. Schreckliche Vorstellung, wenn ich meinen eigenen Mörder nicht kennen würde
Serena: Nee, nicht Erestors Haustier, eher übergroße Parasiten, die da gar nix zu suchen haben. Ich konnte nicht an dem verfressenen Elb vorbei. Die Jungs werden sonst immer so genügsam beschrieben, dass ich mich gefragt habe, ob es da nicht auch den ein oder anderen geben dürfte, der hemmungslos schlemmt. Da hab ich einen erfunden. Und jetzt hat er sogar einen Namen. Naja, die Geister, die man rief eben…
Lord elo: Was macht der Stress? Zur Beruhigung, natürlich wird er kein zweiter Elrond. Dafür ist Galen viel zu – äh – Rhûna eben. Außerdem liegen da auch ein paar Jahrtausende zwischen. Elrond Kampfkünste heb ich mir für Arenor auf und für eine kleine Story, die ich demnächst mal posten will. Elrond pur.
Ja, ich fand die Menschen auch sehr schlau. Zu schlau, aber man kann sie ja nicht immer als Deppen hinstellen. Und Feuer war schon immer sehr beliebt. So räuchert man eben jemanden aus. Elladan und Co brauch ich vorerst glaub ich nicht mehr abzulenken. – Kurze Unterbrechung, mein Kater campiert stur vor dem Bildschirm –
Iary - Heiler mit fiesem Kräutertee rüberschickt – Nimm den Heiler, schütt den Tee weg, kleiner Tipp. Wirkt immer.
Methos, wie freue ich mich, endlich einmal persönlich deine Bekanntschaft zu machen. Ich bin Fan, schon eine halbe Ewigkeit – hüstel –
Was den guten Celeborn angeht, bin ich auf dem besten Weg, mich um Kopf und Kragen zu schreiben. Und damit meine ich nicht diese Waldhexe, die sind wir nach dem Ringkrieg sowieso los. Aber ich will endlich was über einen richtig brandgefährlichen Celeborn lesen. Iary, schreib mal was, wenn du schon nicht sprechen kannst. Ich nehme dir auch solange Methos ab. – mal wieder völlig uneigennützig bin –
MoJa Genau, Vilya war nicht ganz einsatzfähig und ich dachte mir, dass es da für den ein oder anderen TROLL, der sowieso gerade in der Nähe ist, durchaus einfach war, das Tal zu erreichen. Insbesondere, da alle wie gebannt auf Elrond gestarrt haben und zu nichts mehr wirklich imstande waren.
Nein, ernsthafte Recherchen haben sicher nicht so einen extrem veranlagten Celeborn ergeben. Aber je mehr ich mich mit ihm befasse, desto mehr Anhaltspunkte finde ich, dass er alles andere als ein dekoratives Beiwerk zu Galadriel war. Außerdem ist Galadriel eine starke Elbin, die sich sicher nicht an einen Waschlappen gebunden hätte. Er war Krieger, er hat neben seiner Gattin bestanden und er war unabhängig genug, auch danach noch lange Zeit in Mittelerde zu bleiben. An ihm ist was dran. Der Rest war meine Phantasie.
Das ist mit Estel ist richtig. Mit dem Schlaf vielleicht nicht unbedingt, denn er steht meistens in direkter Konkurrenz zu den Elben und die sind eben widerstandsfähiger. Da fällt sein menschliches Schlafbedürfnis eben auf. Aber du hast absolut Recht, dass er mir fast zum Running Gag degeneriert. Im nächsten Kapitel wird das geändert. Es hat mir eine Idee gegeben und die passt wirklich gut rein. Danke schön.
Ithiliell Und nu schon wieder so ein halber Cliffie. Schuldigung.
Die singende Leiloss beruht eigentlich auf einem Gedanken, den ich vor fast einem Jahr mit Mystic mal durchgesponnen habe. Ich bin einfach nicht mehr von los gekommen. Ionnin hab ich mir dann als Sahnehäubchen dazu gegönnt.
Wie du siehst, hab ich zwei wirklich GROßE Probleme nach Imladris kommen lassen. Und eigentlich sind alle Spezialisten, die sich sonst um so was kümmern, bereits anderweitig beschäftigt. Stellt sich die Frage, wer sich nun mit den Trollen rumschlagen muss.
Erunya Gaellas ist einer dieser Charas, die ganz ungefragt ein Eigenleben entwickeln. Mein Pfirsich-Elb schlich sich einfach in das Kapitel und da stand ich dann. Gut, diesmal waren es Kekse, aber er war da und ich bring es dann nicht übers Herz, ihn so namenlos herumlungern zu lassen. Deine Einschätzung ist leider richtig, grins, er ist einfach nur verfressen. Und ja, diese fiesen Kerle haben keine Figurprobleme, nix Kalorienzählen und so
Elladans Pläne funktionieren ja manchmal. Irgendwie haben sie ja auch am Ende ein positives Ergebnis, wobei offen bleibt, ob das trotz oder wegen seiner Pläne ist. Wenigstens haben sie so rausgefunden, dass Imladris im Untergeschoss ein paar üble Hausbesetzer hat. Hm, Elladan ist eben ganz der Vater, der wollt in jungen Jahren ja auch als Ork verkleidet ins Feindeslager schleichen. Besagen zumindest böswillige Gerüchte – kicher-
