DisclaimerWie bereits HÄUFIG erwähnt, liegen sämtliche Urheberrechte bei Tolkien oder seinen Erben. Mir gehören ein paar Charas und den großen Rest habe ich mir sowieso nur geliehen.

A/N: Gilraen hat einige Jahre in Imladris gelebt. Eigentlich, bis Aragorn sich aufgemacht hat in die Wildnis. Unbeschwert, wie man als ff-Autor nun mal ist, hab ich das hier etwas abgewandelt. Sie war bestimmt eine tolle Mutter und sehr warmherzig. Man möge mir die AU verzeihen.

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18. Kapitel:Vorsicht -Abgrund!

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„Ich bin für den linken Gang."

„Nein", erklärte Leiloss energisch. „Den ganz bestimmt nicht."

Figwit machte wieder seine eingeschnappte Miene. Wahrscheinlich glaubte er, damit überheblich auszusehen, aber Leiloss wusste, was Arroganz war, seit sie Haldir begegnet war. Figwit war um Welten und Zeitalter davon entfernt. „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?"

„Er stinkt!" Leiloss rümpfte die Nase. „Das merkt man doch."

„Ich rieche gar nichts."

„Ithildrim haben einen wirklich überaus gut ausgeprägten Geruchssinn", warf Gilnín ein.

„Das geht dann wohl zu Lasten ihres Verstandes!"

Leiloss schnappte nach Luft und wandte sich anklagend an Gilnín. „So was darf er nicht sagen!"

„Äh…", machte der Heiler nicht sehr loyal.

„Darf ich wohl. Ich darf alles sagen, was mir durch den Kopf geht."

„Das wird ja dann zum Glück nicht viel sein", giftete sie zurück.

„Wir nehmen am besten den Weg in der Mitte", murmelte Gilnín und trat die sofortige Flucht dorthin an.

Leiloss rempelte an Figwit vorbei und folgte dem schwarzhaarigen Heiler, der wohl erstes Blutvergießen befürchtete. Eigentlich benahm sie sich kindisch, aber dieser Figwit ging ihr gehörig auf die Nerven. So gehörig, dass sie aus lauter Trotz gegen diese linke Abzweigung gestimmt hatte. Dabei versprach gerade die unheimlichste – und der Gestank war eindeutig unheimlich – den größten Erfolg. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, jetzt doch noch einen Rückzieher zu machen.

Der mittlere Weg gefiel ihr nämlich auch nicht. Sie war zwar benommen gewesen, als sie sich damals durch diese Gänge gekämpft hatten, aber trotzdem erinnerte sie sich etwas verschwommen, dass es dieser gewesen war, den sie in umgekehrter Richtung bereits einmal zurückgelegt hatten.

„Den Weg kenne ich", verkündete Hinner nun auch prompt. „Den hat Borzo uns lang geführt."

„Na wunderbar", sagte Figwit. „Jetzt besuchen wir auch noch diesen Ork."

„Es ist Euer Ork", stichelte Leiloss. „In Rhûnar haben wir solche Untermieter nicht."

„Dort hat man Euch, das dürfte einen Ork allemal wettmachen."

„Vielleicht weiß er ja, wo die drei sind", schwatzte Hinner unbeeindruckt weiter. „Wenn sich hier unten einer auskennt, dann bestimmt Borzo."

„Ich will nicht mit diesem Ork rumziehen", schmollte Leiloss und zündete im Vorbeigehen die Wandfackeln an, deren Flammen sich sofort nach oben reckten, damit der wenige Rauch durch kleine Öffnungen in der Decke abziehen konnte. In diesen Gängen war es wirklich stockduster, da brachte die elbische Nachtsicht gar nichts, sobald der Lichtkreis ihrer Laternen endete.

„Ich will auch nicht mit Euch rumziehen", kam es von Figwit. „Und was hilft es mir?"

Leiloss fuhr herum. Der Noldo war zwar größer als sie, aber sie würde ihn mit einer Hand umhauen können. „Ihr vergleicht mich mit einem Ork?"

„Was ist so schlimm daran, he?" grummelte es aus dem Dunkel vor ihnen.

„Ich wollte gerade erwähnen, dass wir Borzo bereits gefunden haben", erklärte Gilnín müde.

„Wer hat hier wen gefunden?" Mit einem leichten Scheppern seiner eisenbeschlagenen Stiefel stampfte der Hausork heran. Es fragte sich, wie er sich vorher so unbemerkt hatte nähern können. Orks war einfach nicht zu trauen.

Leiloss verzog das Gesicht. Dieser Kerl stank, er war hässlich, er aß Ratten und außerdem hatte man ihr beigebracht, dass Orks nun mal der Feind waren. So war es schon immer gewesen und bislang hatte sie noch keine vernünftige Erklärung gefunden, warum Lord Elrond hier überhaupt eine Ausnahme machte. Andererseits war der Elbenlord uralt und fürchterlich weise. Da konnte es natürlich sein, dass er mehr wusste als alle anderen Elben und Borzo ja doch irgendwie seine Existenzberechtigung hatte.

„Hallo, Borzo", grüßte Hinner mit viel weniger Vorbehalt. „Wie geht es dir?"

Unschlüssig betrachtete Saurons ausgemusterter Krieger den sterblichen Jungen. „Warum willst du das wissen?"

„Nur so." Hinner war durch nichts zu erschüttern, selbst nicht durch dieses Wesen mit den rotglimmenden Augen, das ihn wahrscheinlich bei anderer Gelegenheit über einem Feuer rösten würde. „Hast du zufällig Lord Elronds Söhne gesehen?"

„Die mögen mich nicht", knurrte Borzo und fummelte an seinem Gürtel herum.

„Borzo", kam es von Gilnín. „Hast du sie gesehen?"

„Nein!" Borzo holte eine lange Hanfschnur hervor und begann, in regelmäßigen Abständen Schlaufen hinein zu knoten. „Hab ich nich."

„Da hört Ihr es", triumphierte Figwit. „Dann brauchen wir auch nicht länger nach ihnen zu suchen. Ich schlage vor, wir kehren wieder um und bitten die Bruchtalgarde, das Tal abzusuchen."

Leiloss schürzte die Lippen. Irgendwie kam ihr Borzo noch verdächtiger als sonst vor. Den Tonfall kannte sie nämlich. Den gleichen beherrschte sie auch, wenn sie ein wenig an der Wahrheit vorbeischlitterte. Nicht, dass sie jemals lügen würde, sie zog die Wahrheit dann immer mehr wie ein Bettlaken zurecht, bis sie passte. „Aber du weißt, wo sie sind!"

„Nee."

„Doch!" behauptete Leiloss und baute sich in einem Anflug von Tapferkeit dicht vor ihm auf. Für Galen und die Zwillinge ertrug sie sogar die Nahsicht auf sein schwärzliches Gebiss voller spitzer, schlechter Zähne. Von seinem Atem gar nicht erst zu reden. „Ich hack dir die Finger einzeln ab, wenn du es uns nicht verrätst."

„Das darfst du nicht!" schnarrte er empört. „Lord Elrond würde es nicht zulassen."

Unerwartet kam Hilfe von Figwit. Er rückte an Leiloss' Seite und zog sein albernes Jagdmesser. „Er wird es selbst machen, wenn er erfährt, dass du seine Söhne in Gefahr bringst."

Borzo zuckte leicht zurück und brummelte in seinem fürchterlich rauen Dialekt einige üble Beschimpfungen vor sich hin. Jeder hier sprach gut genug Westron, um zumindest den Sinn dieser Abart davon zu verstehen. Wenigstens machte er sich nicht einfach davon. Leiloss war sich zwar sicher, dass sie selbst in diesem Tunnel gut genug zielte, um ihm einen Pfeil in seinen gekrümmten Rücken jagen zu können, aber das würde sie nicht wirklich weiter bringen.

„Sie sind in der großen Höhle", brummelte er schließlich widerwillig.

„Höhle? Hier unten sind Höhlen?" Figwit wirkte so erstaunt, als hätte Borzo behauptet, Elrond hätte Valinor vorübergehend im Keller untergebracht.

Leiloss seufzte. „Das ist jetzt wirklich keine Neuigkeit mehr. Welche Höhle meinst du, Borzo?"

Ein boshafter Blick traf sie. „Die mit den Trollen natürlich."

„Tr…" Gilnín lehnte sich an die Ziegelwand des Tunnels. „Hier können doch keine Trolle sein."

Borzo hatte Spaß. Das merkte man. Er wedelte etwas mit der verknoteten Schnur in der Luft herum. „Seit ein paar Tagen schon. Waren auf einmal da. Hab sie erst gehört und dann aufgestöbert, haben mich aber nicht bemerkt. Zwei Idioten, die nicht mehr aus dem Tal rauskommen."

Figwit stieß einen empörten Schrei aus. „Und warum hast du niemanden informiert?"

„Ich bin immer noch ein Ork."

Sprachlos starrte Erestors Gehilfe ihn an. „Lord Elrond hat dir hier Zuflucht gewährt und so dankst du es ihm?"

„Er ist ein Ork", wiederholte Leiloss mit gewisser Genugtuung. Es war sehr angenehm, wenn das Weltbild doch nicht so sehr von der Wirklichkeit abwich. „Orks und Elben sind Feinde."

„Eben", nickte Borzo, beglückt über so viel Verständnis.

„Schön, dass wir das geklärt haben." Leiloss war am Ende ihrer Geduld. Nicht, dass sie ohnehin viel davon hätte, aber langsam reichte es ihr. Sie packte Borzo an einem Fetzen seines…Hemdes oder wie auch immer man dieses schmierige Kleidungsstück nennen wollte und schüttelte ihn leicht. „Feinde hin oder her, wir retten die drei jetzt."

„Wir?" Figwit keuchte fast. „Gegen zwei Trolle? Ein Heiler, eine Verrückte, ich, ein Sterblicher und ein Ork? Ich bin dafür, dass wir Verstärkung holen."

„Das wäre wohl vernünftig", stammelte Gilnín.

Aus irgendeinem Grund war Leiloss der festen Überzeugung, dass sie einfach nicht die Zeit dafür hatten. „Abgelehnt. Borzo, führ uns zu den Trollen."

„Mach ich ja. Und was dann?"

Sie hatte keine Ahnung, rückte aber trotzdem energisch ihre Schwerter zurecht, die ihr doch ziemlich im Weg waren. Sie waren für weitaus größere Elben gemacht und ihre Spitzen schlugen beim Gehen gelegentlich auf dem Boden auf. „Das wird sich schon ergeben."

„Oh, Mann", murmelte Hinner. „Das gleiche hast du auch gesagt, als uns diese Sklavenhändler erwischt haben."

„Wühl nicht immer in der Vergangenheit."

„Wir werden alle sterben", grummelte Borzo. „Elben sind wirklich gefährlich."

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Den Unterarm auf den Oberschenkel gestützt, leicht zur linken Seite geneigt, waren Halbarads Augen unablässig auf den Boden gerichtet. Er würde die Spur der Flüchtenden nicht verlieren, auf gar keinen Fall. Und es war eigentlich auch nicht schwierig. Der Regen hatte den Boden genug aufgeweicht, dass die beschlagenen Hufe der Pferde deutliche Abdrücke hinterlassen hatten, hier in den noch nicht so bewaldeten Vorläufern der Trollhöhen. Alles war so deutlich, dass sie nicht einmal aus dem Sattel steigen mussten, um Marsden und den traurigen Rest seiner Männer weiter verfolgen zu können.

Aragorn hingegen ließ Halbarad nicht aus den Augen. Der Waldläufer machte nach außen einen völlig ruhigen Eindruck, aber hinter dieser Erstarrung lauerten so viele Emotionen darauf, endlich frei gesetzt zu werden, dass Aragorn sich vor dem Moment fürchtete, wenn es passieren würde. Er fragte sich, ob er wirklich der Richtige war, Halbarad jetzt beizustehen. Nicht in seiner Eigenschaft als Waldläufer, darin war sein Selbstvertrauen groß genug. „Halbarad, wir sollten rasten. Die Spur wird auch nachher noch lesbar sein."

Widerstrebend richtete sich der Dúnadan auf und ließ seinen Blick so überrascht umhergleiten, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht und könnte nicht fassen, dass er sich hier an diesem Ort befände. Vielleicht war es ja sogar so, Aragorn war sich nicht sicher. „Anor hat den höchsten Punkt bereits überschritten", murmelte er verwundert. „Mir war nicht klar, wie lange wir ihnen schon folgen."

„Das denk ich mir." Aragorn deutete auf ein kleines Wäldchen weiter westlich. „Lass uns dort im Schatten ausruhen. Halbarad, sie werden uns auch nicht entkommen, wenn wir wenigstens unsere Kräfte wieder sammeln."

Der Platz war eine noch bessere Wahl, als Aragorn sich vorgestellt hatte. Eine grasbewachsene Mulde am Rand der jungen Eichen war noch immer mit glasklarem Regenwasser gefüllt, das sowohl ihre Pferde als auch sie selbst erfrischte. Der Boden war weich, aber durch das Gras nicht schlammig und der Geruch von Kräutern, die auf dem lichten Boden zwischen den Bäumen wuchsen, umgab sie mit einer Atmosphäre von Sauberkeit, die einen angenehmen Kontrast zu dem Grauen gewährte, das sie in den letzten Tagen begleitet hatte.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen", sagte Halbarad nach einer ganzen Weile des Schweigens. „Ich werde mich nicht auf sie stürzen."

Bist du dir so sicher? Aragorn sprach die Worte nicht aus. „Was willst du dann tun?"

Halbarad rieb sich mit den Händen über das Gesicht, in das Müdigkeit und Trauer tiefe Furchen geschrieben hatte. „Als wir losgeritten sind, wusste ich es noch ganz genau. Aber jetzt ist alles so unwirklich."

„Wir folgen ihnen bis zu ihrem Versteck", entschied Aragorn nach kurzem Überlegen. „Und dann werden wir das tun, was Lord Erestor gesagt hat. Wir kehren nach Imladris zurück, sammeln unsere Kräfte und räuchern sie da aus, wo sie sich sicher fühlen."

„Er hat es versprochen", nickte der Waldläufer und ein Schatten lief über sein Gesicht.

„Es ist nicht seine Schuld."

Halbarad sah ihn regelrecht verblüfft an. „Natürlich nicht. Ich mache ihn nicht dafür verantwortlich. Nicht der Pfeil will töten, sondern der Schütze. Und ich habe meinen Teil auch dazu beigetragen, soviel ist gewiss."

Aragorn hob nur fragend die Augenbrauen. Den anderen drängte es offenbar, nun doch sein Herz auszuschütten und er würde ihn nicht aufhalten. Was vergrabene Trauer anrichten konnte, erlebte er immer wieder, wenn er seiner Mutter gegenüberstand. Gilraen hatte den Tod Arathorns nie verwunden, ihr Herz lag unter einem dicken Eispanzer, den nicht einmal der Gedanke an ihren Sohn schmelzen konnte. Als Kind hatte er sich immer unwohl gefühlt, wenn diese kühle, schöne Frau zu einem ihrer kurzen Besuche in Imladris weilte und er sich mit ihr unterhalten musste.

Es war ein Schock gewesen, als Elrond ihm dann enthüllt hatte, wer er war und wer sie war. Inzwischen wusste er, dass Gilraen einen zweifachen Tod gestorben war. Den ersten, als ihr Gemahl diese Welt verlassen hatte und den zweiten kurz darauf, als sie sich den Ratschlägen der Dúnedain-Führer und auch der Elben gebeugt und ihren Sohn fortgegeben hatte. Aragorn war einfach nur froh, dass sie ihn zu Elrond gegeben hatte. Noch war Imladris sein Zuhause und Elrond und alle anderen dort seine Familie.

„…hätte sie niemals heiraten dürfen", drang Halbarads leise Stimme in seine Gedanken vor. „Sie war keine von uns, nicht dafür gedacht, dieses Leben zu führen. Ich habe sie in Bree kennengelernt. Marain ist …war…die Tochter eines Tuchhändlers. Zu jung, zu zart, alle haben uns abgeraten."

„Man sucht sich nicht aus, wem man sein Herz schenkt", meinte Aragorn und dachte an Arwen. Nur kurz, denn er vermisste sie sonst zu stark.

Halbarad zog sein Schwert und wischte das getrocknete Blut mit einem Büschel feuchtem Gras von der Klinge. Das schien ihn zu beruhigen, wenn auch nicht zu trösten. „Nein, wohl nicht, aber man sollte verzichten können, wenn man den anderen schützen will. Ich konnte es nicht. Ich konnte einfach nicht. Kannst du dir das vorstellen? In einem Moment nur ist man sich so sicher, dass man alle Bedenken über Bord wirft."

„Du konntest nicht damit rechnen, dass Marsden in euer Leben tritt." Aragorn wand sich innerlich. Das klang so nichtssagend.

Halbarad schien es nicht so zu empfinden. Er lächelte sogar, wenn auch etwas verloren. „Nein, mit Marsden konnte wirklich niemand rechnen. Aber wir hätten gar nicht hier sein brauchen, wenn ich nicht so schwach gewesen wäre. Ich wollte dieses Kind, es schien ein so wunderbarer Gedanke. Die Hebamme war sehr wütend auf uns, als es sich ankündigte. Sie hat gesagt, damit bringe ich sie beide um. Deswegen waren wir unterwegs zu Elrond. Ich dachte, er könnte vielleicht helfen. Wir sind viel zu spät aufgebrochen. Viel zu spät…"

„Deine Tochter lebt." Aragorn gingen die Worte aus. Er war nicht sehr geübt in Situationen wie diesen. Man erwartete es auch noch nicht von ihm. Irgendwann sollte er die Dúnedain führen, im Ganzen und jeden Einzelnen von ihnen. Allein der Gedanke daran trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Trotzdem spürte er jetzt schon die Verpflichtung, die ihn auch dazu gebracht hatte, Halbarad nicht alleine ziehen zu lassen.

„Die Heilerin war gut", nickte Halbarad und stand etwas steifbeinig auf. „Ich habe mich noch nicht einmal bei ihr bedankt."

„Varya wird es dir sicher nicht übel nehmen", lächelte Aragorn unwillkürlich. „Rhûnar-Heiler machen nicht viel Aufhebens."

„Nein." Halbarad runzelte die Stirn. „Ich glaube, sie hat gewusst, dass Marain es nicht schaffen wird, als sie sie zum ersten Mal gesehen hat."

Mit Sicherheit, aber sie würde niemals aufgeben und das solltest du auch nicht, mein Freund. Wortlos saß Aragorn wieder auf, wartete noch einen Moment, bis Halbarad ebenfalls auf seinem Pferd saß und dann ließen sie die Tiere gemütlich weitertrotten. Immer entlang der Spur der Reiter, die sich ohne große Umwege nun weiter nach Norden zog.

Aragorn gratulierte sich einige Stunden später für ihre Vorsicht, die sie einen so weiten Abstand halten ließ, dass sie immer gut außer Sicht waren. Kurz vor dem dichten Waldgebiet der Trollhöhen stießen eindeutig weitere Reiter und auch Fußvolk zu den Flüchtenden. Die Spuren wurden breiter. Marsden musste weit mehr Männer um sich gescharrt haben, als sie alle angenommen hatten. Bei dem Angriff auf die Elben hatte er mindestens dreißig verloren, zehn war die Flucht geglückt und nun kamen wieder zwei Dutzend dazu.

„Sie werden langsamer", meldete Halbarad, kaum hatten sie den Waldrand hinter sich gelassen. „Ich denke, sie werden Rast für die Nacht machen. Marsden war eindeutig verletzt. Vielleicht hält er nicht durch."

„Die Verletzung war schwer, aber sicher nicht tödlich", widersprach Aragorn.

„Trotzdem sollten wir vorsichtiger werden. Ich glaube nicht, dass sie noch sehr weit gekommen sind."

Aragorn missfiel es außerordentlich, dass sich diese Verfolgung noch so lange hinzog. Eigentlich hatte er eher damit gerechnet, dass Marsden ohne Pause zu seinem Schlupfwinkel fliehen würde, um dort seine Wunden zu lecken und sich neue Hinterhalte auszudenken. Nun schien es, als würde er die Nacht hier mitten im Wald verbringen. Das gab ihm die Gelegenheit, sich zu sammeln und sicher bald auf den Gedanken zu kommen, dass man ihm vielleicht folgte. Einen Moment wünschte er sich, dass seine Brüder bei ihm wären. Oder wenigstens Legolas, der sich hier im Wald wie zuhause fühlen würde.

Es half nichts. Sie ließen ihre Pferde am Waldrand zurück und machten sich zu Fuß daran, das Nachtlager der Räuber aufzustöbern. Aragorn befürchtete immer noch, dass Halbarad etwas sehr Unvernünftiges tun würde, wenn er Marsden zu Gesicht bekam. Also machte er sich im Stillen darauf gefasst, nicht nur irgendwelche Räuber, sondern zur Not auch noch den Dúnadan niederzuschlagen.

Eigentlich war Aragorn nicht einmal verwundert, dass die Annäherung an das Räuberlager ein jähes Ende fand, als sie noch ein ganzes Stück davon entfernt auf den ersten Wachposten trafen. Der Mann wirkte hellwach und beobachtete seine in die Halbschatten der Nacht getauchte Umgebung so misstrauisch, dass die beiden Waldläufer kein Risiko eingehen wollten. Inzwischen hatten sich auch die letzten Wolken des von Imladris gekommenen Sturmes verzogen und es war sternenklar. Ihre dunkle Kleidung und ihre Fähigkeiten, sich unbemerkt anzuschleichen, hätten es ihnen zwar möglich gemacht, den Wächter zu umgehen, doch wie auf eine geheime Absprache zogen sich Halbarad und Aragorn in den Schutz eines umgestürzten Baumstammes zurück.

In einiger Entfernung war der Feuerschein des Nachtlagers auszumachen. Gestalten bewegten sich dort und einige Male waren auch leise Schmerzenslaute auszumachen. Offenbar behandelten Marsdens Männer ihre Wunden und schöpften Kraft, bevor sie sich endgültig auf den Weg zu ihrem Schlupfwinkel machen würden. Wie Aragorn befürchtet hatte, war ihr erster Schock abgeklungen. Die Wache bewies es nur zu deutlich. Der Kerl würde auch nicht der einzige sein, der mögliche Verfolger ausmachen sollte.

„Wir müssen bis zum Morgen warten", erkannte Halbarad enttäuscht.

„Es gefällt mir nicht, ihnen bei Tageslicht in diesem Wald zu folgen", flüsterte Aragorn sehr leise.

Halbarad gab ihm keine Antwort. Er spähte über den Baumstamm, völlig fasziniert offenbar von den Geschehnissen am Feuer. Als Aragorn es ihm gleich tat, verstand er auch sehr schnell, warum das so war. Mehrere der Räuber hatten ihre Pferde wieder herangeholt und standen abwartend vor einem Mann, der von einem anderen gestützt wurde. Es schien, als würden sie Instruktionen erhalten. Zu hören war nichts, dafür war der Abstand der Beobachter zu groß und die Unterhaltung am Feuer zu leise.

Schließlich nickten die Männer zustimmend und schwangen sich auf ihre Pferde. In unterschiedlichen Richtungen verließen sie das Lager und ritten hinaus in die Nacht. Marsden musste ihnen Botschaften für wen auch immer gegeben haben. Vielleicht brauchte er Verstärkung. Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, wer diese Verstärkung schicken sollte.

Als einer der Boten in nördlicher Richtung ganz in der Nähe der beiden Waldläufer vorbeiritt, fing Aragorn einen langen Blick Halbarads auf. „Wir könnten natürlich auch eine andere Lösung wählen, um das Versteck dieser Mörderbande zu finden."

„Sag es nicht", stöhnte Aragorn ahnungsvoll. „Das letzte Mal, als ich jemanden entführt habe, musste ich über Krokodile springen und mit Schlangen kämpfen. Ich hasse Entführungen, wirklich."

„Hast du eine bessere Idee?"

Jetzt klang er fast wie Elladan. Aragorn schauderte leicht. „Leider nicht."

Wortlos kam Halbarad auf die Füße und schlich gebückt wieder zu ihren Pferden zurück. Aragorn fügte sich noch immer sehr unglücklich in sein Schicksal. Vielleicht waren Halbarads Pläne ja ein bisschen besser als die seines Bruders. Eigentlich waren gewöhnlich alle Pläne von egal wem besser als die Elladans. Aber es konnte genauso gut sein, dass der Waldläufer Elronds Erben noch übertraf. Dies war schließlich ihre erste gemeinsame Unternehmung.

Aragorn bereute wirklich sehr, dass Legolas nicht mit von der Partie war.

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Galen bereute wirklich sehr, dass Legolas nicht mit von der Partie war.

„Im Grunde ist es ganz einfach", verkündete Elladan gerade vollmundig.

„Ach wirklich?" murmelte Elrohir.

„Ja." Sein Zwilling gestikulierte Richtung Tunnelausgang, dem sie in den vergangenen Stunden näher gerückt waren. „Die beiden sind schwachsinnig. Es wird klappen."

„Die Schwachsinnigen haben uns hier in der Falle, Bruder."

„Aber nicht mehr lange."

„Es wird nicht klappen", meldete sich Galen. Er fühlte sich wieder besser, seit er ein paar Stunden Ruhe gefunden hatte. Allerdings nicht gut genug, um Elladans famosem Plan gewachsen zu sein.

Elronds Ältester baute sich vor ihm auf, verschränkte die Arme vor der Brust und hob die Augenbrauen. Der geborene Anführer, theoretisch. „Und was soll daran nicht klappen? Elrohir lenkt einen von den beiden ab, ich töte den anderen und du machst dich schon mal aus der Höhle davon. Wir folgen dir dann."

„Und wie willst du ihn töten? Etwa erwürgen?"

Elladan sah bedeutungsvoll auf Galens Kampfstab. „Nein, ich hatte mir da etwas anderes vorgestellt."

„Also bitte, du bekommst nicht mal immer die Klingen auf!"

„Das war Elrohir, nicht ich."

„Weil ich ihn vorher noch nie benutzt hatte", verteidigte Elrohir diesen schmachvollen Moment im Kampf mit dem Ambara.

„Unwichtig und außerdem Vergangenheit." In einer raschen Bewegung nahm Elladan Galen den Stab einfach weg. Er fummelte etwas am Griff herum und erstaunlicherweise fuhren die Klingen zu beiden Seiten auf. Eine erwischte fast seinen Unterschenkel, weil er den Stab zu nah an sein Bein hielt. „Hoppla!"

„Nur keine Hektik", meinte Galen böse. „Dafür reicht auch die Paste und die hab ich griffbereit."

„Die werden wir nicht brauchen", behauptete Elladan mit der Inbrunst des geborenen Siegers. „Also, wir sind hier nicht-„

„- im weißen Rat", vollendete Elrohir und rollte leicht mit den Augen. „Wenn du es noch einmal sagst, bevor einer der Pläne schief geht, bring ich dich um."

Statt einer Antwort senkte Elladan leicht den Stab und deutete energisch Richtung Tunnelausgang. Elrohir rang noch einmal die Hände und setzte sich dann in Bewegung. Galen bildete das Schlusslicht. Prüfend horchte er in sich hinein, wie viel Kraft er wohl wieder hatte. Das Ganze konnte unmöglich ohne Verletzte abgehen. Unmöglich!

Schweigend näherten sie sich dem Ausgang. Das Lagerfeuer, von dem Elladan berichtet hatte, brannte immer noch. Möglicherweise stand auch immer noch einer der beiden Trolle neben dem Durchgang und hatte die Keule erhoben. Mit Sicherheit war es sogar so. Galen entwickelte sich zum Pessimisten in Gegenwart der Zwillinge.

Da, wo laut Elladan die Reichweite der dicken Trollarme endete, blieben sie zunächst stehen. Elrohir atmete noch einmal tief durch, dann rannte er los. Galen wollte am liebsten wegsehen, aber wie gebannt folgte sein Blick dem Zwilling, der am Ausgang abrupt stehen blieb. Das war nicht geplant. Eindeutig nicht! Einen Atemzug später drückte sich Elrohir an die Gangwand und winkte den beiden im Tunnel zu, ihm Gesellschaft zu leisten.

„Was soll das?" zischelte Elladan, als sie bei ihm anlangten.

Elrohir deutete nur stumm nach vorne.

Die beiden Trolle standen mit den Rücken zu ihnen an der Kante des Simses und starrten wie gebannt in die Höhle herunter. Für die heimlichen Beobachter war aus diesem Winkel nicht zu erkennen, was sie so faszinierte. Ein beunruhigender Zustand, befand Galen, der noch immer verärgert war, dass Elladan seinen Kampfstab konfisziert hatte und sich nicht länger zur Untätigkeit verdammen lassen wollte. Prüfend musterte er die Felswand neben dem Tunneleingang. Sie war nicht völlig gerade, sondern eher eine Art steiler Hang. Einige Felsen waren auch noch sehr praktisch übereinander getürmt, dazwischen lockeres Geröll. Es würde nicht einfach sein, aber Galen war ein Elb und ein zierlicher noch dazu. Für ihn war es am einfachsten, eine etwas erhöhte Position zu erreichen.

Ohne, dass die Zwillinge noch eine Chance hatten, ihn aufzuhalten, huschte er aus dem Tunnel und kletterte so schnell es ging in die Wand hoch, bis er endlich über die Köpfe der Trolle hinweg auf den Höhlenboden schauen konnte. Er blinzelte, aber der Anblick veränderte sich nicht.

Am Rande des Lichtscheins, den das Lagerfeuer bis auf den Grund der Höhle warf, stapfte gerade ein Ork heran. Galen korrigierte sich: nicht irgendein Ork, es war Borzo.

„Ein Ork", quiekte jetzt auch Iff. „Hier sind Orks?"

„Ist nur einer", brummte Dom.

„Was hat er da?"

Das fragte sich Galen allerdings auch. Hinter Borzo stolperte eine irgendwie vertraute Gestalt her. Die Hände gefesselt mit einer Schnur, der der Ork gelegentlich einen Ruck gab und seinen Gefangenen schließlich zu Boden riss.

„Ein Mensch." Iff staunte.

Hinner! Galen staunte auch und wäre fast von seinem luftigen Beobachtungsposten gestürzt. Das wurde immer bizarrer. Borzo hätte er ja noch verstanden, aber wie war dieser Kerl nur an den Jungen gekommen?

„Ork!" brüllte Dom nach unten.

„Blödmann!" kam es zurück.

„Der Ork ist unverschämt", beschwerte sich Iff.

„Aber er hat was zu Essen bei", grollte Dom.

Unten begann Hinner zu jammern und zu betteln, bis Borzo ihm einen Tritt versetzte. Der Junge heulte daraufhin empört auf und brüllte den Ork an. „Lass das!"

Galen furchte die Stirn. Für eine Mahlzeit war Hinner sehr aufmüpfig. Außerdem musste Borzo den Elb, der über den Trollen an der Felswand klebte, schon längst entdeckt haben. Warum sagte er nichts, wenn er wirklich wieder die Seiten gewechselt hatte?

„Freches Essen", kommentierte Iff fasziniert.

„Aber frisch", meinte Dom.

„Was macht ihr da oben?" wollte Borzo mit einem letzten bösen Seitenblick auf Hinner von den beiden Trollen wissen und schlenderte noch etwas näher, den Jungen immer noch im Schlepptau.

„Wir haben Elben", quietschte Iff angeberisch und fing sich sofort einen Schlag seines Kameraden ein.

„Schwätzer", zischelte Dom.

Borzo stemmte die Fäuste in die Seiten. „Ich seh keine Elben."

„Sie sind im Tunnel gefangen." Iff deutete nach hinten. Eru sei Dank drehte er sich dabei wenigstens nicht um. So unterirdisch dumm konnte er gar nicht sein, um Galen zu übersehen, der wie eine weißhaarige Spinne über ihnen hing.

Borzo schien sich vor Lachen ausschütten zu wollen. „Elben im Tunnel. Du erzählst Märchen."

„Der Ork ist genauso frech wie sein Essen", grollte Dom. „Der Ork ist bald tot."

„Dafür musst du den Ork erst einmal kriegen", höhnte Borzo. „Wenn du genauso schlau dabei bist wie mit den Elben, kann mir nix passieren."

„Die Elben haben wir auch gefangen."

Borzo winkte ab. „Habt ihr nicht. Hier unten sind keine Elben, nur diese Menschen da hinten in den Kellern. Bewacht ihr mal eure unsichtbaren Elben, ich geh jetzt und schlag mir den Bauch voll."

„Hey!" schrie Dom nach für sein winzig kleines Gehirn wirklich erstaunlich kurzem Nachdenken. „Wo sind die Keller?"

„DA hinten!" intonierte Borzo und deutete hinter sich in den dunklen Teil der Höhle, aus dem er wohl gekommen war.

Galen hätte sich zu gerne an der Schläfe gekratzt. Das half gelegentlich beim Nachdenken. Irgendetwas war hier sehr seltsam. Hinner benahm sich nicht wirklich wie ein verängstigtes Opfer, Elrond konnte unmöglich in seinen Kellern Menschen beherbergen… An dieser Stelle stutzte Galen kurz. Immerhin lungerten in Elronds Kellern, besser wohl Höhlen auch Trolle rum, das mit den Menschen war vielleicht nicht ganz so unwahrscheinlich. Außerdem kroch zu allem Überfluss am linken Rand von Galens Sichtfeld Leiloss heran.

Und wieder musste es eher die unsichtbare, stützende Hand eines Valar sein, die ihn oben in der Felswand hielt. Leiloss schlich durch die Höhle! Es musste jedenfalls Leiloss sein, denn sehr viel konnte er nicht von ihr erkennen. Aber die Ahnung langer, silberner Haare war eigentlich Beweis genug.

„Ich will auch Menschenfleisch", nörgelte Iff herum. „Die Elben kommen sowieso noch nicht raus und wenn, dann ist an ihnen wieder nichts dran. Alles zähe Lappen."

„Wir bleiben hier", entschied Dom.

Du bleibst hier", wandelte Iff die Entscheidung ab. „Ich hole uns Menschenfleisch."

„Wenn, dann hol ich es", brüllte Dom erbost. „Ich bin hier der Anführer."

„Der Anführer ist Raff."

„Raff ist nicht da."

Iff verschlug diese brillante Logik die Sprache.

„Ork!" donnerte Dom. „Warte, ich komm mit."

„Such dir deine eigenen Menschen", kreischte Borzo und trat den Rückzug an.

Dom war jetzt nicht mehr aufzuhalten. Er warf dem aufgeregten Iff seine Keule zu und schwang sich mit einem Satz über die Kante der Felswand. Einen winzigen Moment hoffte Galen ja doch, dass der Troll im Eifer des Gefechtes daneben griff und sich zu Tode stürzte, aber Doms riesige Pranke tauchte an der Kante auf, bevor er mit dem eigentlich Abstieg begann.

„Beeil dich!" feuerte Iff ihn an und wippte auf und ab, während er zum Glück Borzo nicht aus den Augen ließ.

Galen hingegen war fixiert auf den silberhaarigen Schatten, der tatsächlich Leiloss war und sich an der Westseite weiter heranschlich. Inzwischen konnte er genug Einzelheiten ausmachen, um ihre Bewaffnung zu erkennen. Die Ithildrim war eindeutig nicht zufällig hier. Sie war bepackt, als wollte sie ein ganzes Heer ausrüsten.

Kluges Mädchen, dachte er stolz. In fünfhundert Jahren befehligt sie die Garde der Quellstadt, wenn sie so weiter macht. Rhûna sind eben auf alle Eventualitäten eingestellt.

Unter ihm auf dem Sims tasteten sich langsam die Zwillinge aus dem Tunnel. Ihnen konnte kaum entgangen sein, dass sich ausgesprochen merkwürdige Dinge abspielten, die vielleicht zu einer Abänderung von Elladans Plan führen würden. Der Pläneschmied warf jedenfalls einen kurzen Blick hoch zu Galen und drohte ihm finster mit dem Stab, dann schlich er geduckt und noch langsamer als zuvor in Iffs Rücken.

Dom hatte mittlerweile den Boden der Höhle erreicht und setzte mit großen Schritten dem Ork hinterher. Der Hunger musste ihn beflügeln, so schnell war er schließlich verschwunden. Er drehte sich nicht einmal mehr um. Das tat dann leider Iff.

„Der Elb!" meinte er verblüfft und starrte auf Elladan.

„Falsch", stieß der Zwilling hervor. „Drei Elben!"

Der Stab bohrte sich mit dem klingenbewehrten Ende in Iffs schwammigen Bauch. Es gab ein Geräusch, als würde Leder zerreißen, gefolgt von einem Keuchen des Trolls. Dann stieß Iff ein ungewohnt tiefes Knurren aus, ließ – beschränkt wie er war – Doms Keule fallen und packte den Stab in der Mitte, um ihn wieder aus seinem Körper zu ziehen. Elladan hielt dagegen, Elrohir sprang ihm zur Hilfe und Galen ließ sich einfach aus seiner Position über dem Tunneleingang fallen, um ebenfalls anzupacken.

„Bin gleich da!" übertönte Leiloss' glockenhelle Stimme das Geächze und Gestöhne.

Elladan sah überrascht zu Galen, der kurz grinste und dann nach Luft schnappte, als Iff sich heftig mit dem immer noch fest gepackten Kampfstab im Bauch hin und her drehte. Die drei Elben hielten sich zwar tapfer, aber ein Troll war schließlich kein Leichtgewicht, auch nicht für Erstgeborene.

Das eindeutige Geräusch eines herannahenden Pfeils war trotz allem zu hören. Ihm folgte der Einschlag und ein weiterer Schrei von Iff. In seinem Arm steckte ein Pfeil. Der Effekt war verheerend. Mit noch größerer Wut riss er weiter an dem Kampfstab herum. Galen verlor den Halt und flog mit viel Schwung zwischen die Felsen neben dem Tunneleingang. Irgendwo in seinem Körper ging eine helle Sonne voller Schmerzen auf, wo genau konnte er noch nicht feststellen.

„Du Schwein!" kreischte Leiloss empört den Troll an und schickte in rascher Folge zwei weitere Pfeile. Einer davon hätte fast Elrohir getroffen, weil sich Iff gerade drehte und der zweite landete in Iffs Brust.

„Schieb!" rief Elladan seinem Bruder zu, weil Iff nicht nur leicht wankte, sondern sich auch verdächtig nach an der Simskante befand.

Galen sprang auf, um den beiden zu helfen und sackte mit einem Schmerzenslaut wieder zusammen. Die Hilfsaktion war für ihn beendet. Mit einem gebrochenen Fuß konnte er froh sein, wenn er jemals wieder die oberen Ebenen des Hauses erreichte. So war er gezwungen, einfach nur zuzuschauen, wie Leiloss mit ihren Pfeilen weitere Löcher in den Troll schoss und die Zwillinge ihn mit vereinten Kräften Richtung Abgrund schoben.

Iffs Augen wurden zu tellergroßen Halbkugeln, als sein rechter Fuß plötzlich ins Leere trat. Er vergaß den Stab in seinem Bauch, die Pfeile in den anderen Regionen seines Körpers und er vergaß auch die Elben vor ihm. Hilfesuchend wedelte er mit den Armen, während seine massige, blutüberströmte Gestalt langsam nach hinten kippte.

„Der gehört dir nicht", schrie Elladan ihn triumphierend an, zog den Stab aus Iffs Bauch, um ihn noch einmal auf den Fuß des Trolls zu hämmern, der noch auf dem Sims Halt hatte.

Iff gab ein klägliches Jaulen von sich und kippte endgültig nach hinten. Es dauerte einen Lidschlag, dann zeugte ein recht lautes Platschen davon, dass er am Boden angekommen war. Schwere Lasten fielen gewöhnlich recht schnell, war Galen schon bei früheren Gelegenheiten aufgefallen.

„Tot!" befand Elladan nach einem kurzen Blick über die Kante. Mit einem Achselzucken wandte er sich um und lief zu Galen herüber, den Stab immer noch in der Hand. „Bist du in Ordnung?"

„Nein", presste Galen mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich hab mir den Fuß gebrochen. Den linken, um genau zu sein."

Elladan fluchte leise und ging neben ihm in die Hocke. „Wir müssen ihn schienen und dich so schnell wie möglich ins Haus bringen."

„Nicht anfassen!" warnte der Ithildrim nur hastig, als sein Freund die Hand ausstreckte, um den Bruch zu untersuchen. „Bitte nicht, Elladan."

„Kannst du dich selber heilen?"

„Nein. Kann.ich.nicht."

„Adar kann sich auch nicht selber heilen", war Elrohir zu vernehmen. „Hast du wieder geschlafen, als wir darüber gesprochen haben? Wenn die eigenen Lebensströme gestört sind, ist nichts da, was Heiler ihrer Art hinzugeben können. Du bist echt ein Versager, Bruder."

„Jungs? Alles in Ordnung?" Leiloss Silberschopf lugte über den Rand des Simses, dann war sie auch schon oben, überblickte kurz die Lage und stürzte mit einem leisen Schrei auf Galen zu. „Was ist mit dir?"

Der Schmerz war wirklich heftig, als sie beim Niederknien gegen sein Fußgelenk stieß. „Fuß…gebrochen…Leilo, sei vorsichtig."

„Ach, Galen", seufzte sie und tätschelte hilflos seine Hand. „Heiler werden doch nicht krank oder verletzt."

„Das war ihm gerade entfallen", meinte Elrohir. „Leiloss, was machst du hier?"

Galen missfiel außerordentlich das selige Lächeln, das sie dem Zwilling schenkte. „Euch retten. Ich hab mir Sorgen gemacht und euch gesucht."

„Und Borzo und Hinner haben dir geholfen?" forschte Elrohir weiter. „Ist das da zufällig mein Schwert?"

„Und Figwit und Gilnín auch", bestätigte sie zu Galens Grausen, während sie das Schwert an Elrohir weiterreichte. „Borzo wusste, wo die Trolle sind und über welchen Gang sie reinkommen konnten. Er lockt den einen jetzt raus und dann erledigen Figwit und Gilnín ihn."

„Figwit und Gilnín erledigen ihn", echote Elladan sehr langsam. Er wechselte einen Blick mit seinem Zwilling. „Also gut, wir schaffen jetzt Galen hier runter, dann bringst du ihn sofort ins Haus zu den Heilern. Und mein Bruder und ich retten wohl besser unsere Retter. Wo ist mein Schwert?"

„Das hat Figwit."

„Uh", machte Elladan nur gequält, bevor er sich kurzerhand das andere von Leiloss reichen ließ. Verblüfft wog er es in der Hand. „Wo hast du das her?"

„Glorfindel hat da so ein paar gesammelt, hat mir Aristil verraten", murmelte Leiloss errötend. „Er wird doch nicht wütend sein, oder?"

„Nein, bestimmt nicht", tröstete Elrohir irgendwie nicht ganz überzeugend.

„Also dann." Elladan baute sich vor Galen auf. „Du hältst dich an mir fest und ich bring dich bis zum Boden. Einverstanden?"

Was hatte er auch schon für eine Wahl? Galen nickte nur. Es war der Anfang einer sehr schmerzhaften Zeit, in der er zuerst von Elladan nach unten transportiert und dann auf Leiloss gestützt den Rückweg in die Geheimgänge antreten musste. Es war nicht der gleiche, den er gekommen war, aber Galen war das egal. Jeder Schritt schmerzte, auch wenn er die Zähne zusammenbiss und Leiloss besorgte Fragen mit einem sparsamen Lächeln beantwortete. In Gedanken war er bei seinen Freunden und diesem Troll, der jetzt durch das ahnungslose Imladris stürmte.

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tbc

Sarah0683: Alles gut überstanden? Klausuren hinter dich gebracht? Du schaffst das, da bin ich mir ganz sicher.

Hach, wer steht nicht auf diesen Elbenlord mit der Nazgul-Augenbraue? Ist schon gespenstisch, wie er sich so klammheimlich zum Renner entwickelt. Da kann bald kaum noch einer gegen an. Obwohl Ionnin scheint mir zur echten Konkurrenz wird. Andererseits kann man gegen Tiere und Kinder ohnehin nie gewinnen.

Ich schätze, du hast mit den Befürchtungen um Figwit wirklich Recht. Allein schon Leiloss zu begleiten, ist ein Schlamassel. Aber es kommt noch dicker, glaub mir. Sie sind eben die Retter in der Not, da kann man keine Stars erwarten. Die stecken ohnehin alle in Schwierigkeiten.

Gilnín und die Verbindung zu Erestor? Tja, was mach ich mit den beiden, mal sehen, gelle? Sie sind aber keine Zwillinge, soviel ist schon mal klar. Das würde Erestor wohl auch endgültig nach Valinor zurücktreiben. Ein verrückter Zwilling, der Schmetterlinge mit Namen versieht. DA kann man dann gar nicht mehr über Thranduil lästern, dessen Sohn Salamander im Schlepptau hat.

Orodan stimmt. Ich hab ihn recycelt. Der Elb musste jetzt einfach ran. Der hatte immerhin schon seit dem ersten Teil einen Namen, ohne jemals aufgetaucht zu sein. Und ich dachte mir, ein Stallmeister und noch dazu Vater einer so nervigen Tochter dürfte etwas lebhafter vom Naturell her sein.

Elrond kann ja nicht immer so weise und abgeklärt gewesen sein. Außerdem hat er immer eine Unmenge Gelassenheit mit seinen Sprösslingen. Das kann nur vom schlechten Gewissen kommen, weil er selber so ein Filou gewesen ist. Also bleibt noch Hoffnung für Elladan. Der Bursche wird mal ganz großartig, irgendwann. Elben sind ja zum Glück unsterblich.

Tormsen ist ein Mensch. Ich hab mir das so gedacht: Elronds Haus beherbergt ja Angehörige aller Völker. Warum also nicht auch Personal aller Völker? Multi-Kulti eben. Auch in der Küche dürften aus allen Himmelsrichtungen Köche rumschwirren. Es hat seinen Grund, warum ich letzteres erwähne smile

Serena: Ja, ich schätze, den Notfall hab ich verstanden +gacker+. Da ist natürlich kein Halten mehr für unseren galanten Notfall-Elb. Ich seh nur noch sein Haar im Wind fliegen, wie er sich auf die Sohlen seiner bildschönen Elbenstiefel macht. Der Superkrieger Glorfindel guckt schon ganz neidisch.

Danke für das Kompliment. Vielleicht folge ich auch einfach nur den Charakteren, die sich ja auch immer mehr entwickeln. Hoffe ich zumindest.

Lord elo: Hallo, du Computer-Hackerin. Aha, du liebäugelst nun also auch mit Glorfindel. Sowas, von einer elbischen Blüte zur anderen flattern und Honig saugen. Ich mag ihn aber auch. Er macht allerdings in Kürze etwas nicht sehr Kluges +schon mal verrat+. Mangas hab ich noch nicht gerade viel mit zu tun gehabt. Kannst du mir da was empfehlen?

MoJa Die Teufelei hat sich noch verstärkt. Sie haben Borzo im Team. Halb zog er mich, halb sank ich hin, ich konnt jedenfalls nicht anders. Außerdem lebt der kleine Drecksack da unten und musste einfach von den Trollen wissen.

Keine Sorge, Legolas wird kein zweiter Thranduil. Aber gelegentlich muss ich Pappas Erbgut aufblitzen lassen. Eigentlich immer dann, wenn die Situation wirklich brenzlig ist. Ansonsten bleibt er der ruhige, freundliche Elb, den so leicht nichts erschüttert. Aber wenn er sich sorgt, versteht ein Erbprinz Düsterwalds eben keinen Spaß. Ich denk mir, die Düsterwälder sind alle sehr hart, wenn es sein muss. Das Leben in diesem Wald ist eben kein Zuckerschlecken.

Um die Fragen zu beantworten: Arenor wird auf jeden Fall fortgesetzt. Der Vorposten Valinors +kicher+ hat zu viele lose Enden, ist mir aufgefallen. Die müssen mal verknüpft werden. Eigentlich ist es ja eher der Hinterhof, wenn ich es mir recht überlege. Und die Heiler? Komm ich je von ihnen los?

Arelithil Nich schielen, es sei denn, du spekulierst darauf, dass sofort ein Heiler zur Heilung antritt. Gesundküssen oder so, obwohl man da ja auch gelegentlich schielt. Kommt aber nicht so gut, wenn man sich noch die Haare macht, zwei Scheitel oder so.

Das mit der Taufe ist interessant. Vielleicht hätte ich Erestor mitschicken sollen, damit er sofort Erfahrungen sammeln kann, wie das mit den kleinen Schreihälsen so funktioniert. Wie geben Elben eigentlich den Kindern die Namen? Hab mich schon wieder in die Ecke manövriert. Ts, vielleicht wälzt Figwit ein paar Namensbücher.

Ja, die Verwandtschaft. Abwarten. Kein Zwilling, soviel sei gesagt.

Grundsätzlich ist das mit den Gießkannen nicht schlimm. Du solltest nur keine Elben abschießen, die sind da so humorlos. Oder stell dich neben Figwit und deute heimlich auf ihn, wenn ein wutschnaubender Elb mit einer Gratisreise zu Mandos droht.

Shelley: Die Glückwünsche kann ich für Helms Klamm ja nur zurückgeben. Hab mich aber riesig gefreut, muss ich ganz ehrlich sagen. Ah, ich hab gesehen, du hast ein neues Kap online. Kein Wunder, wenn du beschäftigt warst.

Hättest du Leiloss widersprochen, wenn sie auf Kriegspfad ist? Außerdem ist Gilnín ja eigentlich ein ganz loyaler Kerl. Er hat so seine Eigenarten, aber er würde doch die Kumpels aus Rhûnar nicht hängen lassen.

Flapsi und Fluffy, die Kombination wäre ja die Hölle. Aber der Wuff würde dauernd einpennen. Da bräuchte man dann gar keine Automatik-Harfe mehr.

Ja, ein Mensch, der freundliche Tormsen. Alles findet Platz in Elronds Haus. Manche länger, mancher eben kürzer. Hängt davon ab, ob sie die Hausordnung auch kennen.

Feanen: Bier mögen die Weicheier ja vertragen, aber Thranduils Obstbrand ist was für echte Männer und Elben vom alten Schlag. Da trägst du die Flasche an ihnen vorbei und das Ministerium ist bis zur Wiedereinführung der Monarchie im Koma.

Ich mein immer noch, du schaffst das ohne solche Verteidigungsmittel. Ganz bestimmt. Dann schmeißt der König eine Fete für dich.

Iary: Er ist schon ein netter. Gegen einen Klon hätte ich nix einzuwenden. Der wär dann auch noch schön taufrisch. +rumguckt, ob der großartige, einzigartige, der Göttliche sozusagen nicht in Hörweite ist+

Aber nimm ihn ruhig zum kuscheln. Sonst wirst du wieder krank und das ist gar nicht lustig.

Meine Abi-Klausur in Bio war – hm – interessant. Die höchst anspruchvollen Themen wie der Erbgang des Hauses Habsburg und die Ansicht der Zeugen Jehovas zur Evolution anhand des Beispiels des Birkenspanners in industriellen Ballungsräumen. Jaja, da konnte ich mich sogar durchschwatzen.

Unser lieber Glorfindel ist höchst aktiv in dieser Hinsicht und wird sich auch noch höchst aktiv Ärger einfangen, soviel sei verraten.

Ithiliell: Ich weiß, dass es nicht fair war, sie sterben zu lassen, aber ich hatte es immer so in die Story eingeplant, um andere Sachen anzuschieben. Tut mir leid.

Figwit steht wohl eher auf die zarten, hilflosen Elbinnen. Sein Pech, dass er an Leiloss geraten ist. Die sieht zwar wie ein silberner Kolibri aus, hat aber den Biss eines erbosten Kondors. Figwit wächst aber auch noch über sich hinaus. Vielleicht hat er dann genug Selbstbewusstsein, mit Ithildrim klar zu kommen.

Und bitte, dein Wunsch ist mir Befehl: sie sind entkommen. Über die Eleganz dieser Aktion mag man streiten, aber immerhin

Donnfindel: Das Personal hat Urlaub? Eru, du bist aber großzügig. Oder ist er der Gewerkschaft beigetreten und die haben dir die Ohren vollgelabert von wegen Mindesturlaub?

Warum sollte ich dir böse sein? So ergeht es jedem doch mal. Wenn man eine Geschichte liest, gibt es immer wieder Passagen, die einem mehr liegen oder nicht.

Vielleicht hat es doch am ernsten Ton gelegen. Arenor war von Anfang an sehr ernsthaft angelegt, das sind die Heiler-Storys natürlich nicht. Aber andererseits haben sich hier Situationen ergeben, die nicht so einfach mit leichtem Ton geschildert werden konnten. Trotzdem find ich es völlig in Ordnung, wenn du so was sagst, weil du es nett gesagt und auch begründet hast. Für mich ist es doch auch hilfreich, um noch mal drüber nachzudenken, ob ich vielleicht in eine Richtung abdrifte, die nicht mehr passt. Manchmal ist man ja doch betriebsblind, sozusagen.

Luna: Tröste dich, ich hab auch schon wie irre nach Storys gesucht, die ich lesen wollte und bin mehr oder weniger ständig dran vorbei gelaufen. Ist manchmal merkwürdig. Als würde sie mit einem fiesen kleinen Grinsen immer hinter einer virtuellen Säule verstecken, wenn man gerade in die Richtung sieht.

Ja, die beiden Hauptmänner. Ich mochte einfach nicht länger auf Haldir verzichten. Er passt gut zu Forlos, beiden von Gram geschüttelt, was man ihnen denn immer für Aufgaben gibt. Sie sind echte Helden +ggg+